Definition und rechtliche Einordnung der Ersatzkassen
Ersatzkassen sind eine bedeutende Säule im deutschen System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie zählen zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts und unterliegen damit den besonderen Vorschriften des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB), insbesondere des Fünften Buches (SGB V). Die Ersatzkassen stehen gleichwertig neben den anderen Kassenarten der GKV, erfüllen originäre Aufgaben der Gesundheitsversorgung und unterscheiden sich in ihrer rechtlichen Struktur und historischen Entwicklung von anderen Krankenkassenformen, wie beispielsweise den Betriebskrankenkassen (BKK), den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), den Innungskrankenkassen (IKK) und den Landwirtschaftlichen Krankenkassen (LKK).
Entstehung und Entwicklung
Ursprünglich entstanden die Ersatzkassen im 19. Jahrhundert als Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmern, insbesondere für Handwerker, Arbeiter und später Angestellte, die keinen Zugang zu den bereits damals etablierten Betriebskrankenkassen hatten. Sie wurden als so genannte „Ersatz“ für diejenigen geschaffen, die keiner der anderen Kassenarten beitreten konnten. Historisch waren sie daher zunächst dem freiwilligen Segment zugeordnet, bis mit den sozialrechtlichen Reformen des 20. Jahrhunderts die Versicherungspflicht ausgedehnt und die paritätische Wettbewerbsstellung der Ersatzkassen eingeführt wurde.
Rechtsgrundlagen der Ersatzkassen
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
Die Grundlage für die Tätigkeit und Organisation der Ersatzkassen bildet im Wesentlichen das SGB V. Insbesondere §§ 171 ff. SGB V regeln die Rechtsform, Aufgaben, Organstruktur und die Rechte und Pflichten der Ersatzkassen.
Körperschaft des öffentlichen Rechts
Ersatzkassen sind bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Das bedeutet, sie besitzen eigene Rechtspersönlichkeit, sind rechtsfähig und können im eigenen Namen Rechte und Pflichten begründen. Sie unterstehen der Aufsicht des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS, vormals Bundesversicherungsamt).
Selbstverwaltung
Ersatzkassen verfügen über eine Selbstverwaltung, die insbesondere in der Vertreterversammlung und dem Vorstand ausgeübt wird (§§ 43-45 SGB IV i.V.m. §§ 33-36 SGB IV). Die Versicherten und Arbeitgeber entsenden Vertreter im Rahmen von Sozialwahlen, die den Grundsatz der demokratischen Teilhabe innerhalb der gesetzlichen Krankenkassen gewährleisten.
Verbände der Ersatzkassen
Die Ersatzkassen sind Mitglieder im Verband der Ersatzkassen e.V. (vdek), zu dessen Aufgaben die Vertretung gemeinsamer Interessen, die Wahrnehmung übergreifender Aufgaben und die Durchführung gemeinsamer Projekte zählen (§ 212 SGB V). Der vdek ist als Spitzenverband auf Bundesebene anerkannt.
Aufgaben und Funktionen der Ersatzkassen
Gesetzliche Aufgaben
Nach den Vorschriften des SGB V sind Ersatzkassen verpflichtet,
im Krankheitsfall bzw. bei Mutterschaft Leistungen zu erbringen,
Präventionsmaßnahmen zu fördern,
* und Rehabilitationsleistungen sicherzustellen.
Darüber hinaus übernehmen sie Aufgaben bei der Förderung der betrieblichen Gesundheitsvorsorge sowie im Bereich der Digitalisierung der Gesundheitsleistungen (z.B. elektronische Patientenakte, E-Rezept).
Finanzen und Beitragserhebung
Ersatzkassen erheben Beiträge von ihren Mitgliedern und Arbeitgebern, wobei die Beitragshöhe grundsätzlich durch das SGB V vorgegeben und ggf. durch Zusatzbeiträge individuell ergänzt wird. Sie unterliegen dem Ausgleichsmechanismus des Gesundheitsfonds (§ 271 SGB V), der die solidarische Finanzierung der GKV verbandsübergreifend sicherstellt.
Mitgliederstruktur und Versicherungsberechtigung
Zugang zu den Ersatzkassen haben alle in Deutschland gesetzlich Krankenversicherungspflichtigen, sofern sie sich für diese Kassenart entscheiden. Mit der Öffnung des gesamten GKV-Marktes seit 1996 und der damit verbundenen freien Kassenwahl unterscheidet sich die Zugangsregelung nicht mehr grundsätzlich von den anderen Kassenarten.
Rechtliche Besonderheiten und Abgrenzungen
Unterschied zu anderen Kassenarten
Ersatzkassen unterscheiden sich von den übrigen Kassenarten durch ihre bundesweite Organisation, eine andere historische Entwicklung und spezielle Mitgliedschaftsstrukturen. Sie sind nicht örtlich gebunden und können daher Mitgliedschaften bundesweit anbieten.
Rechtsaufsicht
Die Ersatzkassen unterstehen der bundesunmittelbaren Aufsicht durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (§ 217 SGB V). Diese Verwaltungskontrolle umfasst die Rechtsaufsicht, d.h. die Überwachung der Einhaltung geltender Gesetze und Vorschriften, jedoch keine unmittelbare Fachaufsicht. Im Fall grober Pflichtverletzungen kann das BAS Anordnungen treffen oder Organe abberufen.
Zuständigkeit und Gerichtsweg
Rechtsstreitigkeiten zwischen Versicherten und Ersatzkassen sowie zwischen Ersatzkassen und Leistungserbringern werden im sozialgerichtlichen Verfahren vor den Sozialgerichten, Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht entschieden (§ 51 SGG).
Gegenwärtige Ersatzkassen in Deutschland
Aktuell bestehen sechs Ersatzkassen:
- Techniker Krankenkasse (TK)
- BARMER
- DAK-Gesundheit
- KKH Kaufmännische Krankenkasse
- hkk – Handelskrankenkasse
- HEK – Hanseatische Krankenkasse
Diese nehmen mehr als ein Drittel aller gesetzlich Versicherten auf und stellen damit einen zentralen Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems dar.
Fazit
Ersatzkassen sind integraler Bestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Sie erfüllen vielfältige Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge und unterliegen dabei einem umfassenden sozialrechtlichen Regelungsregime. Die detaillierte rechtliche Ausgestaltung der Ersatzkassen im SGB V gewährt einen hohen Grad an Rechtssicherheit und Transparenz für Versicherte, Arbeitgeber und Leistungserbringer gleichermaßen. Durch ihre bundesweite Organisation und historische Entwicklung nehmen Ersatzkassen eine besondere Stellung innerhalb des deutschen Sozialversicherungssystems ein.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Tätigkeit der Ersatzkassen?
Die Tätigkeit der Ersatzkassen in Deutschland ist durch eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen bestimmt. Zentrale Rechtsnorm ist das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), das die gesamte gesetzliche Krankenversicherung (GKV) regelt. Neben allgemeinen Grundsätzen für alle gesetzlichen Krankenkassen enthält das SGB V in den §§ 171 ff. spezielle Vorschriften für Ersatzkassen. Ersatzkassen sind nach § 4 Nr. 2 SGB V eine besondere Kassenart innerhalb der GKV und zählen zu den öffentlich-rechtlichen Körperschaften mit Selbstverwaltungsrecht. Weitere maßgebliche Vorschriften finden sich im Sozialgesetzbuch IV (SGB IV), das etwa das Versicherungsverhältnis und die Beitragspflicht bestimmt. Aufsichtsbehörden, insbesondere das Bundesamt für Soziale Sicherung, üben die Rechtsaufsicht über die Ersatzkassen aus. Zudem unterliegen Ersatzkassen spezifischen Regelungen zur Mitgliederaufnahme, zu Leistungen, zu Wahltarifen sowie zum Finanzausgleich nach dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Auch das Wettbewerbsrecht sowie diverse Vorschriften des Verwaltungsrechts und Datensicherheitsrechts sind anzuwenden.
Welche Pflichten haben Ersatzkassen gegenüber ihren Mitgliedern nach geltendem Recht?
Ersatzkassen unterliegen umfangreichen gesetzlichen Pflichtenkatalogen gegenüber ihren Mitgliedern. Sie sind gesetzlich verpflichtet, allen Anspruchsberechtigten einen Zugang zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern und dürfen grundsätzliche keine Diskriminierung ausüben. Zentrale Pflichten sind die umfassende Information, Beratung und Betreuung der Mitglieder gemäß § 13 SGB I sowie die ordnungsgemäße Durchführung und Gewährleistung des Leistungskatalogs nach SGB V, inbegriffen die Zahlung und Qualitätssicherung etwa bei Krankengeld, Pflegeleistungen und Rehabilitationsmaßnahmen. Zudem müssen Ersatzkassen Anträge form- und fristgerecht bearbeiten und sind verpflichtet, Mitglieder über Rechte, Pflichten und Leistungsumfang regelmäßig zu unterrichten. Bei Beschwerden und Widersprüchen sind bestimmte Fristen und Verfahrensregelungen gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und SGB X zu berücksichtigen. Die Mitgliedschaftsverwaltung, einschließlich An-, Um- und Abmeldungen, wird ebenfalls streng durch gesetzliche Vorgaben geregelt.
Welche rechtlichen Vorgaben bestehen für das Wechselrecht von Ersatzkassenmitgliedern?
Das Recht zum Wechsel der Krankenkasse ist durch das SGB V geregelt, insbesondere in den §§ 175 ff. Diese Bestimmungen sehen vor, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich das Recht haben, ihre Krankenkasse frei zu wählen oder zu wechseln, sofern eine Mindestbindungsfrist von zwölf Monaten beachtet wird. Mit dem Zugang einer schriftlichen Mitgliedschaftserklärung bei der neuen Ersatzkasse wird das Wechselverfahren eingeleitet. Nach dem Recht auf freie Kassenwahl müssen Ersatzkassen Wechselanträge akzeptieren und dürfen keine unzulässigen Wechselhindernisse aufbauen. Die Kündigungsfristen sind speziell geregelt und erfordern in der Regel eine Kündigung in Textform, wobei der Wechsel zu bestimmten anderen Kassenarten, wie Betriebs- oder Innungskrankenkassen, den selben gesetzlichen Rahmenbedingungen unterliegt. Ergänzend gelten besondere Regelungen bei besonderen Wahltarifen oder bei Beitragsschulden.
Welche Vorgaben gelten für die Selbstverwaltung und Satzungsgebung der Ersatzkassen?
Die Ersatzkassen besitzen das Recht auf Selbstverwaltung, welches sich durch die Wahl von Vertreterversammlungen und Vorständen durch die Mitglieder oder deren Vertreter manifestiert (§§ 43 ff. SGB IV). Diese Organe erlassen eigenverantwortlich die Satzungen, die das Innenverhältnis sowie Leistungen und Beitragserhebungen regeln und deren Zulässigkeit detailliert in § 194 SGB V bestimmt ist. Satzungen der Ersatzkassen müssen von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Sie dürfen keine sachwidrigen oder nicht gesetzlich gedeckten Regelungen enthalten. Klassische Satzungsinhalte betreffen Zusatzleistungen, Erhebungsmethoden von Zusatzbeiträgen oder etwa gezielte Wahltarife. Änderungen und Inkrafttreten von Satzungen sind öffentlich bekanntzumachen und gerichtlicher Kontrolle zugänglich.
Wie ist die Finanzierung der Ersatzkassen rechtlich geregelt?
Die Finanzierung der Ersatzkassen unterliegt grundlegenden Prinzipien des SGB V und IV. Die Einnahmen erfolgen im Wesentlichen aus Beiträgen von Mitgliedern und Arbeitgebern, die nach einheitlicher Beitragssatzhöhe bundesweit bestimmt werden (§ 241 SGB V), eventuell ergänzt durch kassenindividuelle Zusatzbeiträge (§ 242 SGB V). Über den Gesundheitsfonds werden die Beitragseinnahmen zentral gesammelt und im Rahmen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) nach Risiko, Alter, Geschlecht und Krankheiten an die Ersatzkassen verteilt (§ 266 SGB V). Dadurch werden Wettbewerbsverzerrungen weitestgehend vermieden. Gesetzlich vorgegebene Mindestreserven und Rücklagen (§§ 260 ff. SGB V) sind zu bilden. Zudem regelt das SGB V die Ausgabenstruktur und konkretisiert die zulässige Verwendung der Mittel, zum Beispiel für Leistungsaufwendungen, Prävention, Verwaltungskosten und freiwillige Satzungsleistungen. Bei finanziellen Schwierigkeiten greifen rechtliche Mechanismen der Aufsicht und ggf. der Fusion oder Schließung (§ 171a SGB V).
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für Leistungen und Wahltarife der Ersatzkassen?
Gemäß SGB V sind alle Ersatzkassen verpflichtet, den gesetzlich vorgeschriebenen Leistungskatalog anzubieten, der auf notwendige medizinische Versorgung zielt. Dies umfasst insbesondere die §§ 11 ff. SGB V, in denen Leistungen wie ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arzneimittel, Krankenhausversorgung sowie Präventions- und Rehabilitationsleistungen detailliert geregelt sind. Ersatzkassen dürfen durch Satzung zusätzliche Leistungen gewähren, solange diese nicht im Widerspruch zu gesetzlichen Vorgaben stehen und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit wahren. Für Wahltarife, zum Beispiel besondere Selbstbehalt- oder Beitragsrückerstattungstarife, gelten strenge gesetzliche Vorgaben (§ 53 SGB V) hinsichtlich Transparenz, Bindungsfristen und Informationspflichten. Eine Benachteiligung einzelner Mitgliedergruppen ist rechtlich untersagt.
Inwiefern sind Ersatzkassen an den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) gebunden?
Ersatzkassen sind integraler Bestandteil des Morbi-RSA, der nach § 266 SGB V den finanziellen Ausgleich zwischen allen gesetzlichen Krankenkassen regelt. Ziel ist die gerechte Verteilung der Beitragseinnahmen entsprechend der gesundheitlichen Risiken und Morbidität der Versicherten. Ersatzkassen melden dafür strukturierte und nach strikten datenschutzrechtlichen Maßgaben erhobene Daten über ihre Mitglieder an den Gesundheitsfonds, der wiederum eine finanzielle Zuweisung vornimmt. Eine Manipulation der Daten, etwa durch gezieltes Diagnosenmanagement, ist streng untersagt und durch verschiedene Kontrollmechanismen, wie Prüfungen durch den GKV-Spitzenverband und das Bundesamt für Soziale Sicherung, flankiert. Bei Verstößen greifen Sanktionen bis hin zur Rückforderung von Mitteln und aufsichtsrechtlichen Maßnahmen. Durch diese rechtliche Einbindung wird ein fairer Wettbewerb zwischen sämtlichen Kassenarten sichergestellt.
Welche Rechtswege stehen Mitgliedern bei Streitigkeiten mit Ersatzkassen offen?
Kommt es zu Streitigkeiten zwischen einem Mitglied und einer Ersatzkasse, etwa bezüglich Leistungen, Beiträgen oder Mitgliedschaft, sieht das deutsche Recht ein gestuftes System des Rechtsschutzes vor. Zunächst ist dem Widerspruchsverfahren nach §§ 78ff. SGG und SGB X zu folgen, das eine Überprüfung der Entscheidung der Ersatzkasse durch eine interne Widerspruchsstelle vorsieht. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann das Mitglied vor dem zuständigen Sozialgericht Klage erheben, was von der Entrichtung von Gerichtskosten befreit ist (§ 183 SGG). In besonderen Fällen sind einstweilige Anordnungen möglich, etwa zur Sicherung lebenswichtiger Leistungen. Auch das Ombudswesen der gesetzlichen Krankenversicherung steht offen, hat aber keine rechtlich bindende Wirkung. Rechtsanwaltliche Vertretung ist möglich, aber nicht zwingend. Das gesamte Streitverfahren ist in sozialrechtlichen Verfahrensnormen umfassend geregelt und gewährt weitreichenden Mitgliederschutz.