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Ersatzeinziehung


Ersatzeinziehung – Begriff, rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche

Definition der Ersatzeinziehung

Die Ersatzeinziehung ist ein Instrument des deutschen Strafrechts, das als Rechtsfolge der Straftat die Einziehung eines Vermögenswertes zulässt, der an die Stelle des ursprünglich aus der Straftat erlangten Gegenstands getreten ist. Sie dient vorrangig dazu, dem Täter rechtswidrig erlangte Vermögensvorteile auch dann zu entziehen, wenn der originär aus der Straftat erlangte Gegenstand nicht mehr vorhanden oder nicht mehr zweifelsfrei identifizierbar ist. Die Ersatzeinziehung basiert auf den §§ 73 ff. Strafgesetzbuch (StGB) und stellt ein zentrales Instrument zur Sicherstellung der Vermögensabschöpfung im Rahmen des deutschen Strafrechtssystems dar.

Rechtliche Grundlagen der Ersatzeinziehung

Historische Entwicklung

Die Ersatzeinziehung hat sich aus der Vermögensabschöpfung entwickelt, um bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen und eine effektive Bekämpfung von Kriminalität zu gewährleisten. Insbesondere nach der Reform des Vermögensabschöpfungsrechts durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 erhielt die Ersatzeinziehung eine erhebliche Bedeutung. Ziel der Reform war es, die Regelungen übersichtlicher zu gestalten und den Zugriff des Staates auf aus Straftaten herrührende Vermögenswerte zu verbessern.

Gesetzliche Regelungen und Voraussetzungen

Die maßgeblichen Regelungen zur Ersatzeinziehung finden sich insbesondere in § 73c StGB und den darauf verweisenden Vorschriften. Nach § 73c Abs. 1 StGB ordnet das Gericht die Einziehung eines Ersatzgegenstands an, wenn der unmittelbar aus der Straftat erlangte Gegenstand

  • nicht (mehr) auffindbar ist,
  • dem Zugriff durch Veräußerung, Verbrauch oder Vermischung entzogen wurde,
  • aber an seine Stelle ein anderer Vermögensgegenstand getreten ist.

Das Ziel besteht darin, zu verhindern, dass Straftäter:innen durch die Umwandlung oder das Verschleiern der Erlangnisse dem staatlichen Zugriff entkommen.

Umfang der Einziehung

Die Einziehung kann sowohl Sachen, Rechte als auch geldwerte Vorteile erfassen, die an die Stelle des ursprünglichen Erwerbs getreten sind. Dies schließt auch Surrogate, also Ersatzwerte, und Kompensationsleistungen ein, die anstelle des ursprünglich erlangten Vermögenswertes getreten sind.

Typische Anwendungsfälle der Ersatzeinziehung

Die Ersatzeinziehung findet typischerweise Anwendung bei folgenden Konstellationen:

  • Das aus der Straftat erlangte Bargeld wurde auf ein Konto eingezahlt (Kontoguthaben-Einziehung).
  • Erlangte Sachen wurden veräußert, der Erlös befindet sich jedoch noch beim Täterschuldner.
  • Der ursprünglich erlangte Gegenstand wurde verbraucht, dafür aber ein Gegenwert (z. B. Kaufpreis, Versicherungssumme) erhalten.
  • Vermögenswerte wurden verschleiert oder umgewandelt, wodurch direkte Zuordnung erschwert wurde.

Verhältnis zur Wertersatzeinziehung

Die Ersatzeinziehung ist von der Wertersatzeinziehung (§ 73c Abs. 1 Alt. 2 StGB) abzugrenzen, die dann greift, wenn weder der ursprüngliche Erlangungsgegenstand noch ein Surrogat vorhanden ist. In diesem Fall wird auf den Wertersatz, also auf einen Geldbetrag, abgezielt. Die Ersatzeinziehung hingegen bezieht sich auf konkrete Vermögensgegenstände, die als Surrogat an die Stelle des ursprünglich Erlangten treten.

Verfahrensrechtliche Aspekte

Ermittlungsverfahren und gerichtliche Entscheidung

Die Einziehung und die Ersatzeinziehung können sowohl im selbstständigen Einziehungsverfahren als auch im Hauptverfahren angeordnet werden. Für die Anordnung ist eine hinreichende Feststellung erforderlich, dass die Voraussetzungen, insbesondere die Substitution des Erlangten, vorliegen. Das Gericht muss umfänglich prüfen, ob ein Surrogat existiert und in welchem Umfang eine Einziehung erfolgen kann.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Gegen die Anordnung einer Ersatzeinziehung können die Verfügungsberechtigten Rechtsmittel einlegen, z. B. Berufung oder Beschwerde, mit denen die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme überprüft werden kann. Insbesondere hat auch der Dritte, in dessen Besitz sich der Surrogatgegenstand befindet, das Recht, Einwendungen und Ansprüche geltend zu machen (§ 111k StPO).

Drittbetroffenheit und Schutz Dritter

Oft betrifft die Ersatzeinziehung nicht nur den Täter oder Täterin, sondern auch Dritte, etwa im Fall einer Kontoübertragung oder einer Schenkung. In diesen Fällen finden die Regelungen zum Schutz redlicher Dritter Anwendung (§ 73e StGB). Demnach ist die Einziehung ausgeschlossen, wenn ein Dritter das Surrogat in Unkenntnis der zugrundeliegenden Straftat und ohne rechtsgeschäftliche Verbundenheit mit dem Täter erworben hat (gutgläubiger Erwerb).

Europäische und internationale Dimension

Das Instrument der Ersatzeinziehung ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern findet sich ähnlich auch im europäischen und internationalen Vermögensabschöpfungsrecht, beispielsweise in der EU-Richtlinie 2014/42/EU und diversen internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung organisierter Kriminalität und Geldwäsche. Deutschland ist verpflichtet, entsprechende Regelungen im innerstaatlichen Recht vorzuhalten und anzuwenden, um eine effektive Durchsetzung auch grenzüberschreitend sicherzustellen.

Praxis und Bedeutung

In der praktischen Anwendung ist die Ersatzeinziehung von großer Bedeutung, um zu verhindern, dass Straftäter:innen durch verschiedenste Transaktionsmethoden den unrechtmäßig erworbenen Vermögensvorteil behalten oder verschleiern. Gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität, Korruption, Geldwäsche und organisierter Kriminalität ist sie ein zentrales Mittel zur Sicherstellung und Rückführung von Vermögenswerten an die Allgemeinheit oder berechtigte Geschädigte.

Literatur und weiterführende Vorschriften

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 73, 73a, 73b, 73c, 73d, 73e
  • Strafprozessordnung (StPO), insbesondere §§ 111b ff. StPO (Sicherstellung und Einziehung)
  • Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BGBl. 2017 I S. 872

Zusammenfassung

Die Ersatzeinziehung ist ein elementares Instrument der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, das sicherstellt, dass Straftaten nicht wirtschaftlich begünstigt werden. Sie schließt Strafbarkeitslücken, indem dem Täter auch dann der Vermögensvorteil entzogen werden kann, wenn dieser nicht mehr in ursprünglicher Form vorhanden ist. Die rechtlichen Regelungen sind komplex und unterliegen stetigen Anpassungen im Rahmen der Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Bedeutung der Ersatzeinziehung wird in der Praxis durch die zunehmende Komplexität von Vermögensdelikten und Verschleierungshandlungen weiter gestärkt.

Häufig gestellte Fragen

Wann kommt eine Ersatzeinziehung im Strafverfahren in Betracht?

Eine Ersatzeinziehung gemäß § 73c StGB kommt dann in Betracht, wenn das ursprünglich aus einer Straftat Erlangte (z.B. Geldbeträge, Gegenstände oder Vermögenswerte) nicht mehr beim Täter oder bei einem Dritten vorgefunden werden kann und somit die unmittelbare Einziehung nach § 73 StGB nicht möglich ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Täter die Erlöse aus der Tat bereits verbraucht, verschenkt, versteckt oder anderweitig unzugänglich gemacht hat. Die Ersatzeinziehung ist als subsidiäre Maßnahme ausgestaltet, um zu verhindern, dass der Täter durch bloßes Verfügen über das Erlangte der Einziehung entgeht. Sie richtet sich stets auf Wertersatz, das heißt, es wird die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des ursprünglich Erlangten angeordnet. Die Wertersatzeinziehung ist zwingend, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen; das Ermessen des Gerichts ist hier auf die Feststellung der Höhe und Möglichkeit der Zahlung beschränkt.

Welche Vermögenswerte sind von der Ersatzeinziehung umfasst?

Die Ersatzeinziehung bezieht sich auf den Wert des ursprünglich Erlangten, das aus der rechtswidrigen Tat stammt, und nicht mehr im Vermögen des Täters auffindbar ist. Gegenstand der Wertersatzeinziehung kann daher grundsätzlich jeder Vermögensvorteil sein, der dem Täter oder einem Dritten zugeflossen ist, unabhängig von seiner konkreten Form: Das können Geldbeträge, aber auch Sachen, Rechte oder sonstige Vermögenswerte sein. Entscheidend ist ausschließlich der Wert, der aus der Straftat erlangt wurde. Zur Höhe wird gemäß § 73d StGB – soweit möglich – auf den Wert des Erlangten im Zeitpunkt des Erhaltens abgestellt. Ungeachtet dessen können auch spätere Wertsteigerungen oder Wertminderungen relevant werden, etwa durch Umtausch, Wertverlust oder Wertzuwachs des ursprünglich Erlangten.

Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast bei der Ersatzeinziehung?

Im Strafverfahren trägt grundsätzlich die Staatsanwaltschaft die Beweislast für die Voraussetzungen einer Ersatzeinziehung, insbesondere für das Erlangen eines Vermögenswertes aus der Straftat sowie den Umstand, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters oder eines Dritten vorhanden ist. Das Gericht muss eine eigenständige und umfassende Prüfung vornehmen und die entsprechenden Feststellungen begründen. Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, aktiv mitzuwirken, er kann jedoch im Rahmen seiner Verteidigungsrechte Gegenvorbringen einbringen und beweiskräftige Umstände darlegen, die gegen die Ersatzeinziehung sprechen. Damit liegt aber keine Umkehr der Beweislast vor; es bleibt bei der Verantwortung der Strafverfolgungsbehörden und des Gerichts.

Gibt es Möglichkeiten, sich gegen die Anordnung einer Ersatzeinziehung zu wehren?

Gegen die Anordnung einer Ersatzeinziehung kann sich der Betroffene mit den im Strafverfahren vorgesehenen Rechtsmitteln zur Wehr setzen, etwa durch das Einlegen von Berufung oder Revision gegen das Urteil. In der Rechtsmittelinstanz wird insbesondere überprüft, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Ersatzeinziehung korrekt festgestellt und angewendet wurden. So kann beispielsweise geltend gemacht werden, dass das Gericht die Höhe des Wertersatzes fehlerhaft bestimmt hat oder dass das ursprünglich aus der Straftat Erlangte tatsächlich noch vorhanden ist und daher die unmittelbare Einziehung hätte erfolgen müssen. Auch Verstöße gegen das rechtliche Gehör oder Ermittlungsdefizite können gerügt werden.

Wie verhält sich die Ersatzeinziehung zu zivilrechtlichen Ansprüchen Dritter?

Die Ersatzeinziehung berührt grundsätzlich nicht die Rechte Dritter, insbesondere zivilrechtliche Ansprüche etwaiger Geschädigter. Kommt es zu einer Wertersatzeinziehung, so erlangt der Staat einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Täter. Geschädigte können weiterhin ihre zivilrechtlichen Forderungen, insbesondere auf Schadensersatz oder Herausgabe, verfolgen. Allerdings ist zu beachten, dass die strafprozessuale Einziehung Vorrang vor der zivilrechtlichen Vollstreckung hat: Der Staat kann seine Forderung bevorzugt im Wege der Vollstreckung durchsetzen, bevor ein Geschädigter im Wege der Zwangsvollstreckung Zugriff auf das Vermögen des Täters nimmt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass das durch Ersatzeinziehung Erlangte an die Geschädigten ausgekehrt wird, sofern diese einen entsprechenden Antrag nach § 459h StPO stellen.

Kann eine Ersatzeinziehung trotz Unvermögens des Täters angeordnet werden?

Die Anordnung der Ersatzeinziehung ist nicht von der aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder Zahlungsbereitschaft des Täters abhängig. Selbst wenn der Täter zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen ausreichenden Besitz oder kein entsprechendes Vermögen (Unvermögen) hat, muss das Gericht die Wertersatzeinziehung dennoch aussprechen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Die nachfolgende Durchsetzbarkeit der Forderung ist zunächst eine Frage des Vollstreckungsverfahrens. Die Möglichkeit einer späteren Zahlungsunfähigkeit mindert also nicht die Verpflichtung des Staates, einen entsprechenden Einziehungsbetrag festzusetzen und titulieren zu lassen.

Welche Rolle spielt das Verschulden des Täters bei der Anordnung einer Ersatzeinziehung?

Anders als im Bereich des Schadensersatzrechts kommt es bei der Anordnung der Ersatzeinziehung grundsätzlich nicht auf ein Verschulden des Täters im Sinne einer persönlichen Vorwerfbarkeit an. Maßgeblich ist ausschließlich das objektive Erlangen eines Vermögensvorteils aus einer rechtswidrigen Tat und der Umstand, dass dieser Vermögenswert nicht mehr vorhanden ist. Die Ersatzeinziehung verfolgt keinen Strafcharakter, sondern dient der Vermögensabschöpfung mit dem Ziel, rechtswidrig erlangte Werte dem Wirtschaftskreislauf zu entziehen. Einwendungen wegen fehlenden Verschuldens können daher grundsätzlich nicht zum Ausschluss der Wertersatzeinziehung führen. Jedoch bestehen nach § 73e StGB Ausnahmen, wenn etwa die Einziehung im Einzelfall unverhältnismäßig wäre.