Erregung öffentlichen Ärgernisses: Begriff und Bedeutung
Die Erregung öffentlichen Ärgernisses bezeichnet ein strafbares Verhalten, bei dem eine sexuelle Handlung in einer Weise vorgenommen wird, die geeignet ist, in der Allgemeinheit Anstoß zu erregen. Geschützt werden die öffentliche Ordnung und die sittlichen Empfindungen unbeteiligter Personen im öffentlichen Raum. Es geht nicht um Moralfragen im Privaten, sondern um den störungsfreien, respektvollen Umgang an Orten, die für eine unbestimmte Vielzahl von Menschen zugänglich sind.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Sexuelle Handlung von einigem Gewicht
Erfasst sind Handlungen mit eindeutig sexuellem Bezug und einer gewissen Intensität. Dazu zählen etwa Geschlechtsverkehr oder vergleichbare Handlungen mit erheblichem körperlichem Bezug. Gewöhnliche Zärtlichkeiten wie Umarmungen oder Küsse reichen hierfür grundsätzlich nicht aus, solange sie nicht die Schwelle zu einer sexuellen Handlung überschreiten.
Öffentlichkeit und öffentliches Ärgernis
Öffentlich ist eine Handlung, wenn sie an einem Ort stattfindet, der von einer unbestimmten Zahl von Personen betreten oder eingesehen werden kann, etwa Straßen, Parks, Bahnhöfe oder allgemein zugängliche Anlagen. Öffentlich kann eine Handlung auch sein, wenn sie von einem privaten Ort aus für Dritte ohne besondere Hindernisse einsehbar ist, beispielsweise vor offenem Fenster zur Straße hin. Ein tatsächliches Beobachten durch andere ist nicht zwingend erforderlich; maßgeblich ist, ob die Handlung generell geeignet ist, Anstoß in der Allgemeinheit zu erregen.
Eignung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses
Die Handlung muss objektiv geeignet sein, bei unbeteiligten Dritten Empörung oder Anstoß hervorzurufen. Es genügt die abstrakte Eignung; ob sich tatsächlich jemand gestört fühlt, ist nicht entscheidend. Bewertet wird dies nach dem Maßstab eines durchschnittlichen, situationsangemessen empfindenden Menschen.
Subjektive Seite (Vorsatz)
Erforderlich ist zumindest bedingter Vorsatz. Die handelnde Person muss die wesentlichen Umstände erkennen und zumindest billigend in Kauf nehmen, dass die sexuelle Handlung in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und Anstoß erregen kann.
Abgrenzungen zu anderen Rechtsverstößen
Exhibitionistische Handlungen
Exhibitionistische Handlungen betreffen das gezielte Zurschaustellen des eigenen Körpers in sexualbezogener Weise. Die Erregung öffentlichen Ärgernisses setzt demgegenüber eine sexuelle Handlung voraus, die über ein bloßes Entblößen hinausgeht. Beide Konstellationen können sich überschneiden, sind aber rechtlich getrennt geregelt.
Störungen der öffentlichen Ordnung ohne Sexualbezug
Nicht jede störende Verhaltensweise in der Öffentlichkeit fällt unter die Erregung öffentlichen Ärgernisses. Fehlender Sexualbezug führt regelmäßig dazu, dass die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. In Betracht kommen dann andere Normen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.
Sexuelle Belästigung und Ehrverletzungen
Handlungen, die gezielt auf einzelne Personen abzielen, können gesondert als Übergriffe mit Bezug zur persönlichen Würde eingeordnet werden. Diese betreffen den Schutz individueller Personen und haben andere Voraussetzungen als das Anknüpfen an die Allgemeinheit.
Privater Raum versus öffentliche Zugänglichkeit
Handlungen im abgeschirmten, nicht einsehbaren Privatbereich erfüllen den Tatbestand nicht. Entscheidend ist, ob ein öffentlicher Bezug besteht, etwa durch die Einsehbarkeit von der Straße oder von allgemein zugänglichen Flächen aus.
Rechtsfolgen und Konsequenzen
Strafrahmen
Die Erregung öffentlichen Ärgernisses ist eine Straftat. Es kommen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe in Betracht. Die konkrete Höhe richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Intensität der Handlung, Ort und Zeit, Anzahl potenziell betroffener Personen sowie der persönlichen Situation der handelnden Person.
Eintragungen und Nebenfolgen
Eine Verurteilung kann zu Eintragungen in das Strafregister führen und sich auf behördliche Führungszeugnisse auswirken. Unter Umständen kommen Bewährungsentscheidungen, Auflagen und weitere Nebenfolgen in Betracht, abhängig vom Urteil und der individuellen Situation.
Besondere Umstände
Die Anwesenheit besonders schutzbedürftiger Personen, eine erhöhte Öffentlichkeit (z. B. stark frequentierte Plätze) oder eine gesteigerte Rücksichtslosigkeit können sich bei der Strafzumessung auswirken. Umgekehrt können untergeordnete Fälle mit geringer Außenwirkung anders bewertet werden.
Mehrere Beteiligte und mehrere Taten
Wirken mehrere Personen zusammen, können sie als Beteiligte verantwortlich sein. Wiederholte Handlungen oder mehrere rechtlich getrennte Vorgänge können zu einer gesonderten Bewertung führen.
Praxisnahe Konstellationen
Typische Fallgestaltungen
Als Beispiele kommen in Betracht: sexuelle Handlungen in einem Park, auf öffentlichen Sitzgelegenheiten, in Hauseingängen oder in einem Fahrzeug an einem frei einsehbaren Ort. Auch eine Handlung auf privatem Grund kann erfasst sein, wenn sie ohne Mühe von der Straße aus beobachtet werden kann.
Grenzfälle
Handlungen an abgelegenen Orten, die faktisch nicht einsehbar sind, begründen regelmäßig keinen öffentlichen Bezug. Reine Nacktheit ohne sexualbezogene Handlung erfüllt den Tatbestand in der Regel nicht, kann aber unter anderen Vorschriften relevant werden. Übliche Zärtlichkeiten bleiben außerhalb des Anwendungsbereichs, solange sie nicht die Schwelle zur sexuellen Handlung überschreiten.
Häufig gestellte Fragen
Fällt bloße Nacktheit unter die Erregung öffentlichen Ärgernisses?
Bloße Nacktheit ohne sexualbezogene Handlung genügt in der Regel nicht. Der Tatbestand setzt eine sexuelle Handlung von einigem Gewicht voraus. Unabhängig davon können andere Vorschriften einschlägig sein, wenn es zu Störungen der öffentlichen Ordnung kommt.
Muss jemand die Handlung tatsächlich gesehen haben?
Eine tatsächliche Wahrnehmung durch Dritte ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Handlung objektiv geeignet ist, in der Öffentlichkeit Anstoß zu erregen, etwa weil sie an einem frei einsehbaren Ort vorgenommen wird.
Reicht Küssen aus, um den Tatbestand zu erfüllen?
Gewöhnliche Zärtlichkeiten wie Küssen reichen grundsätzlich nicht aus. Erforderlich ist eine sexuelle Handlung mit deutlichem körperlichem Bezug und einer gewissen Intensität.
Spielt es eine Rolle, ob Kinder anwesend sein könnten?
Die mögliche Anwesenheit besonders schutzbedürftiger Personen kann bei der Bewertung der Eignung zur Anstoß erregenden Wirkung und bei der Strafzumessung eine Rolle spielen. Der Tatbestand setzt jedoch in erster Linie die Vornahme einer sexuellen Handlung in öffentlichem Bezug voraus.
Gilt der Tatbestand auch im Auto?
Ja, wenn das Fahrzeug an einem Ort steht, der ohne weiteres einsehbar ist, etwa an einer öffentlichen Straße oder auf einem Parkplatz. Entscheidend ist die Öffentlichkeit der Wahrnehmungsmöglichkeit, nicht die Tatsache, dass die Handlung in einem Fahrzeug stattfindet.
Ist ein Livestream oder eine Veröffentlichung im Internet erfasst?
Der Tatbestand knüpft typischerweise an Handlungen im physischen öffentlichen Raum an. Reine Online-Darstellungen unterliegen anderen Regelungsbereichen. Mischformen können je nach Einsehbarkeit vor Ort und Verbreitungsweg unterschiedlich bewertet werden.
Welche Strafen sind möglich?
In Betracht kommen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe. Die konkrete Sanktion hängt von der Intensität der Handlung, dem Ausmaß der Öffentlichkeit und weiteren Umständen des Einzelfalls ab.