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Erpressung


Rechtsbegriff Erpressung

Begriff und Definition

Erpressung bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Straftat, bei der eine Person eine andere Person rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der gesetzliche Tatbestand der Erpressung ist in § 253 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Ziel der Erpressung ist stets eine Bereicherung, die auf Kosten des Opfers erfolgt.

Historische Entwicklung

Die Erpressung als Straftatbestand wurde mit dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871 erstmals umfassend kodifiziert und seither mehrfach angepasst. Die aktuelle Gesetzesfassung berücksichtigt neben traditionellen auch moderne Erscheinungsformen, wie etwa die digitale Erpressung („Cybergrooming“, „Ransomware“).

Tatbestand der Erpressung

Objektive Tatbestandsmerkmale

Täter und Opfer

Der Täter kann jede natürliche, schuldfähige Person sein. Das Opfer ist regelmäßig jede Person, von der eine Handlung, Duldung oder Unterlassung erzwungen werden soll.

Handlung: Nötigungsmittel

  • Drohung mit einem empfindlichen Übel: Zentral ist die Ankündigung eines zukünftigen Schadens, dessen Eintritt das Opfer als erheblich empfindet. Die Drohung muss geeignet sein, das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinflussen.
  • Nötigen: Das Opfer muss durch die Drohung zu einer bestimmten Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst worden sein, die es sonst nicht vorgenommen hätte.

Erfolg: Vermögensnachteil

Die geforderte Handlung, Duldung oder Unterlassung muss zu einem Vermögensnachteil für das Opfer oder einen Dritten führen. Gleichzeitig muss beim Täter oder einem Dritten ein Vermögensvorteil entstehen. Die rechtswidrige Bereicherungsabsicht ist ein wesentliches Merkmal.

Subjektive Tatbestandsmerkmale

  • Vorsatz: Der Täter muss mit Wissen und Wollen hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale handeln.
  • Bereicherungsabsicht: Es muss eine Absicht bestehen, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Rechtswidrigkeit und Schuld

Die Tat ist nur strafbar, wenn sie rechtswidrig erfolgt und der Täter schuldhaft, also ohne rechtfertigenden Grund, handelt. Eine Ausnahme bildet das „rechtmäßige Übel“, etwa bei berechtigter Geltendmachung eines Anspruchs.

Abgrenzungen zu anderen Straftatbeständen

Erpressung und Nötigung

Die Erpressung (§ 253 StGB) ist eine qualifizierte Form der Nötigung (§ 240 StGB). Während sich die Nötigung auf die Erzwingung eines bestimmten Verhaltens beschränkt, setzt die Erpressung zusätzlich einen Vermögensbezug voraus: Die Handlung muss unmittelbar zu einem Vermögensnachteil und einer Bereicherungslage führen.

Raub und Erpressung

Der Raub (§ 249 StGB) ist eine besonders schwere Form der Wegnahme unter Anwendung von Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Im Gegensatz zur Erpressung erfolgt beim Raub ein unmittelbares Wegnehmen fremder Sachen, während die Erpressung eine mitwirkende Handlung des Opfers voraussetzt.

Betrug und Erpressung

Beim Betrug (§ 263 StGB) erlangt der Täter einen Vermögensvorteil durch Täuschung; bei der Erpressung erfolgt die Vermögensverschiebung durch Drohung. Beide Delikte zielen auf Vermögensschädigung, unterscheiden sich jedoch nach Art des eingesetzten Mittels.

Strafrechtliche Folgen

Grundtatbestand

Der Grundtatbestand der Erpressung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 253 Abs. 1 StGB). Das Gericht kann von einer Strafe absehen, wenn der Schaden gering ist.

Qualifizierte Erpressung (Schwere Erpressung)

Unter bestimmten Voraussetzungen kommt eine härtere Sanktion nach § 255 StGB („Schwere Erpressung“) in Betracht, etwa wenn der Täter Gewalt gegen die Person anwendet oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben droht. Hier droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.

Versuch

Auch die versuchte Erpressung ist strafbar (§ 23 Abs. 1, § 12 StGB). Bereits das Ansetzen zur Tat kann so zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Strafzumessung

Die Strafhöhe ist im Einzelfall abhängig von der Schwere des Angriffs, dem entstandenen Vermögensnachteil, dem Vorliegen von Vorstrafen und weiteren Umständen, wie z. B. der Niederträchtigkeit des Vorgehens.

Praktische Erscheinungsformen und Besonderheiten

Digitale und Online-Erpressung

Mit der fortschreitenden Digitalisierung treten neue Erscheinungsformen der Erpressung auf, wie die sogenannte „Ransomware-Erpressung“, bei der Schadsoftware Daten verschlüsselt und ein Lösegeld verlangt wird. Auch „Cybermobbing“ oder „Cyberbullying“ kann zu Erpressungssituationen führen.

Wirtschaftskriminalität

Im wirtschaftlichen Kontext sind beispielsweise Schutzgelderpressungen, Erpressung im Rahmen von Unternehmensübernahmen oder Insidererpressung Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen.

Erpresserische Menschenraub (Geiselnahme)

Die Geiselnahme mit dem Ziel der Erpressung ist ein eigenständiger Straftatbestand (§ 239a StGB), der besonders hohe Strafen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe vorsieht.

Rechtsschutz und Verfolgung

Anzeige und Strafverfolgung

Erpressung zählt zu den Offizialdelikten. Die Strafverfolgung erfolgt somit von Amts wegen, eine Strafanzeige durch das Opfer ist nicht Voraussetzung, wird aber regelmäßig zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens empfohlen.

Opferrechte

Betroffene einer Erpressung haben Anspruch auf Zeugenschutz, Beratung und gegebenenfalls Entschädigung. Darüber hinaus können zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz gegenüber dem Täter geltend gemacht werden.

Internationales Strafrecht und Erpressung

Viele europäische und außereuropäische Rechtsordnungen kennen die Erpressung als Straftatbestand in ähnlich ausgestalteter Form. Im internationalen Kontext sind auch grenzüberschreitende Erscheinungsformen wie grenzüberschreitende Cybererpressung relevant.

Literaturhinweise

  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Fischer, Strafgesetzbuch (Standardkommentar)
  • Kindhäuser, Strafrecht Besonderer Teil
  • Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch (Kommentar)

Hinweis: Dieser Artikel bietet eine ausführliche und sachlich fundierte Übersicht zum Thema Erpressung im deutschen Recht und beleuchtet die wichtigsten rechtlichen Aspekte, Definitionen und Abgrenzungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen Erpressung gemäß deutschem Strafrecht?

Die Erpressung ist nach § 253 Strafgesetzbuch (StGB) eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft wird. In besonders schweren Fällen – beispielsweise wenn der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, eine Gefahr für Leib oder Leben des Opfers verursacht oder als Mitglied einer Bande handelt (§ 253 Abs. 4 StGB i.V.m. § 250 StGB) – kann das Strafmaß noch erheblich steigen und bis zu zehn Jahre oder mehr betragen. Neben der Freiheitsstrafe können auch Nebenstrafen, etwa die Einziehung des durch die Tat erlangten Vermögensvorteils (§§ 73 ff. StGB), ausgesprochen werden. Die konkrete Strafe hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere ob Gewalt ausgeübt oder angedroht wurde, wie hoch der verursachte Schaden ist, ob eine Wiederholungsgefahr besteht und ob Vorstrafen vorliegen. Daneben werden Geständnisse und die Wiedergutmachung des Schadens häufig strafmildernd gewertet.

Welche Rolle spielen Drohungen und Gewalt bei der rechtlichen Bewertung einer Erpressungstat?

Für eine strafbare Erpressung nach deutschem Recht ist entscheidend, dass der Täter das Opfer durch die Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch Gewaltanwendung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wodurch dem Täter oder Dritten ein Vermögensvorteil entsteht und dem Opfer ein Vermögensnachteil droht. Die Drohung muss objektiv geeignet sein, einen Menschen in Angst zu versetzen und zur gewünschten Handlung zu motivieren. Gewalt liegt vor, wenn der Täter physischen Zwang ausübt; bei der Drohung genügt bereits die Ankündigung eines künftigen Übels, das vom Opfer als erheblich empfunden wird. Wie schwer Drohung oder Gewalt wiegen, beeinflusst maßgeblich das Strafmaß und den Tatbestand; so kann die Tat z.B. zur schweren oder sogar besonders schweren Erpressung qualifiziert werden.

Besteht ein Unterschied zwischen Erpressung und Nötigung?

Ja, juristisch wird bei einer Erpressung nach § 253 StGB gegenüber der bloßen Nötigung nach § 240 StGB zusätzlich vorausgesetzt, dass das Opfer zu einer Vermögensverfügung gebracht wird und dadurch ein Vermögensnachteil eintritt. Während bei der Nötigung jedwede Handlung, Duldung oder Unterlassung genügen kann, ist für die Erpressung die wirtschaftliche Komponente wesensbestimmend. Erpressung ist deshalb immer auch eine Nötigung, allerdings mit dem speziellen Zusatz, dass eine Bereicherungsabsicht des Täters gegeben sein muss.

Wie kann sich ein Beschuldigter im Strafverfahren gegen den Vorwurf der Erpressung verteidigen?

Ein Beschuldigter kann verschiedene Verteidigungsstrategien nutzen. Er kann bestreiten, dass eine Drohung mit einem empfindlichen Übel ausgesprochen oder Gewalt ausgeübt wurde, oder glaubhaft machen, dass das angebliche „Übel“ für das Opfer nicht hinreichend schwerwiegend war, um den Straftatbestand zu erfüllen. Ebenso kann argumentiert werden, dass keine rechtswidrige Bereicherungsabsicht bestand oder kein Vermögensnachteil für das Opfer eingetreten ist. In Einzelfällen kommen auch Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe in Frage, etwa Notwehr oder Notstand gemäß § 34 StGB. Eine umfassende Einlassung zur Sache erfolgt jedoch regelmäßig erst nach erfolgter Akteneinsicht durch den Verteidiger, um keine taktischen Nachteile zu riskieren. Außerdem kann ein Täter durch Schadenswiedergutmachung oder ein Geständnis eine Strafmilderung bewirken.

Gibt es besondere Regelungen für versuchte Erpressung?

Auch der Versuch der Erpressung ist nach deutschem Strafrecht strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB i.V.m. § 253 StGB). Das bedeutet, dass bereits die ernsthafte Ausführungshandlung, wie z. B. das Versenden einer Drohung oder die mündliche Ankündigung eines empfindlichen Übels mit dem Ziel, eine Vermögensverfügung zu erlangen, strafbar ist, selbst wenn das Opfer nicht darauf eingeht oder die geforderte Handlung nicht ausführt. Das Strafmaß für den Versuch ist niedriger als für die vollendete Tat; der Richter kann gemäß § 23 Abs. 2 StGB die Strafe mildern oder von Strafe absehen. Für die Sanktionierung sind unter anderem die Nähe zur Vollendung und das Maß der Gefährlichkeit des Versuchs entscheidend.

Wie kann ein Opfer von Erpressung rechtlich gegen den Täter vorgehen?

Ein Opfer sollte umgehend Anzeige bei der Polizei erstatten. Die Ermittlungsbehörden setzen daraufhin strafprozessuale Maßnahmen wie die Sicherung von Beweismitteln, zum Beispiel Chat-Nachrichten, E-Mails oder sonstige Kommunikation, in Gang. Opfer haben Anspruch auf rechtlichen Beistand, können sich einen Rechtsanwalt nehmen und ggf. als Nebenkläger auftreten, um aktiv am Verfahren mitzuwirken. Parallel zum Strafverfahren besteht ebenso die Möglichkeit, Schadenersatz- oder Schmerzensgeldansprüche im Rahmen eines zivilrechtlichen Klageverfahrens geltend zu machen. In besonders schweren Fällen kann auch Opferschutz, etwa durch kontaktverbietende Maßnahmen oder das Zeugenschutzprogramm, in Anspruch genommen werden.

Verjährt der Straftatbestand der Erpressung?

Ja, wie die meisten Straftaten unterliegt auch die Erpressung der strafrechtlichen Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 78 Abs. 3 StGB grundsätzlich fünf Jahre ab Beendigung der Tat. In besonders schweren Fällen kann sich die Frist jedoch gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB auf zehn Jahre verlängern. Nach Ablauf der Verjährung kann der Täter nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Bei unterbrochenen Verfahren, beispielsweise durch bestimmte richterliche oder staatsanwaltschaftliche Maßnahmen, kann sich die Verjährung jedoch verlängern (§ 78c StGB). Für zivilrechtliche Ansprüche, etwa auf Schadenersatz, gelten eigenständige Verjährungsfristen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Welche Unterschiede bestehen zwischen Erpressung und räuberischer Erpressung?

Der Unterschied liegt in der Anwendung von Gewalt: Während bei der „einfachen“ Erpressung schon die Androhung eines empfindlichen Übels genügt, erfordert die räuberische Erpressung nach § 255 StGB, dass der Täter Gewalt gegen eine Person oder eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben androht oder anwendet (ähnlich wie beim Raub). Die räuberische Erpressung wird deshalb als Verbrechen geahndet, mit einem Strafrahmen von nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe, und zählt zu den schwersten Eigentums- und Vermögensdelikten. Auch hier sind besondere strafschärfende Umstände denkbar, etwa das Mitführen einer Waffe oder die Tatbegehung als Mitglied einer Bande.