Begriff und rechtliche Einordnung der Erpressung
Erpressung bezeichnet das Erzwingen einer Vermögensverfügung durch das Ausüben von Druck. Der Druck kann in Form von Gewalt oder der Ankündigung eines Übels erfolgen. Das Opfer wird dadurch zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst, die einen Vermögensnachteil herbeiführt. Ziel oder Folge ist ein ungerechtfertigter Vermögensvorteil für die handelnde Person oder eine dritte Person.
Schutzrichtung und Kernmerkmal
Erpressung greift in zwei rechtlich geschützte Bereiche ein: die freie Willensentschließung der betroffenen Person und deren Vermögensinteressen. Kennzeichnend ist, dass das Opfer selbst eine Vermögensverfügung vornimmt oder hinnimmt, diese aber durch den ausgeübten Druck veranlasst wird. Die so erlangte Bereicherung muss ohne anerkannten rechtlichen Grund erfolgen.
Abgrenzung zu verwandten Taten
Erpressung unterscheidet sich von Raub dadurch, dass beim Raub eine Wegnahme gegen oder ohne den Willen der betroffenen Person erfolgt, während bei der Erpressung die Person aufgrund des Drucks selbst verfügt. Gegenüber der Nötigung kommt bei der Erpressung zusätzlich die Vermögenskomponente hinzu. Vom Betrug grenzt sich die Erpressung dadurch ab, dass nicht Täuschung, sondern Druck das Mittel der Beeinflussung ist.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Nötigungsmittel: Gewalt und Drohung
Als Mittel der Erpressung kommen Gewalt oder die Drohung mit einem Übel in Betracht. Gewalt meint typischerweise körperlich wirkenden Zwang. Eine Drohung ist das Inaussichtstellen eines Nachteils, auf dessen Eintritt die handelnde Person Einfluss beansprucht.
Was ist ein empfindliches Übel?
Ein Übel ist empfindlich, wenn dessen Ankündigung geeignet ist, eine besonnene Person in der konkreten Lage zu dem geforderten Verhalten zu veranlassen. Das kann materielle Nachteile, aber auch immaterielle Beeinträchtigungen umfassen, etwa die Ankündigung, belastende Informationen zu offenbaren.
Handlung, Duldung oder Unterlassung des Opfers
Erforderlich ist, dass die betroffene Person aufgrund des Drucks aktiv etwas tut (z. B. Geld übergibt), etwas duldet (z. B. Zugriff zulässt) oder etwas unterlässt (z. B. eine Forderung nicht geltend macht). Zwischen dem Druck und der Vermögensverfügung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.
Vermögensnachteil und Vermögensvorteil
Die Verfügung muss beim Opfer zu einem wirtschaftlich messbaren Nachteil führen. Zugleich muss auf Seiten der handelnden Person oder eines Dritten ein Vorteil entstehen oder erstrebt werden. Maßgeblich ist eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung.
Stoffgleichheit und Kausalität
Der erstrebte Vorteil muss aus dem Nachteil des Opfers herrühren oder mit ihm eng verknüpft sein. Die Vermögensverschiebung muss Folge des Drucks sein. Ohne diesen Zusammenhang liegt keine Erpressung vor.
Vorsatz und Bereicherungsabsicht
Erforderlich ist Vorsatz hinsichtlich aller wesentlichen Merkmale, insbesondere der Druckausübung und der Vermögensverfügung. Hinzukommen muss die Absicht, sich oder Dritte zu bereichern.
Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung
Die angestrebte Bereicherung muss ohne rechtlich anerkannten Grund erfolgen. Eine Forderung darf nicht mit unzulässigen Mitteln erzwungen werden, selbst wenn sie dem Grunde nach bestehen könnte. Die Rechtsordnung missbilligt die Kombination aus Druck und Vermögensverschiebung.
Erscheinungsformen und besondere Konstellationen
Räuberische Erpressung und besonders schwere Fälle
Setzt die handelnde Person bei der Erpressung Gewalt gegen eine Person ein oder droht mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, spricht man von räuberischer Erpressung. Besonders schwere Fälle liegen vor, wenn erschwerende Umstände hinzutreten, etwa der Einsatz von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen, bandenmäßiges Vorgehen oder gravierende Folgen für das Opfer. Diese Konstellationen sind mit deutlich höheren Strafandrohungen verbunden.
Erpressung im digitalen Umfeld
Digitale Erpressung umfasst etwa Drohungen, sensible Daten zu veröffentlichen, erzwungene Zahlungen nach Verschlüsselung von Daten (Ransomware) oder das Androhen der Veröffentlichung intimer Inhalte (Sextortion). Auch hier gilt: Entscheidend ist die durch Drohung oder Gewalt erzwungene Vermögensverfügung.
Erpressung durch Offenbarungsdrohung
Die Ankündigung, wahre oder behauptete Informationen bekannt zu machen, kann ein empfindliches Übel darstellen. Ob eine Erpressung vorliegt, hängt davon ab, ob dadurch eine Vermögensverfügung erzwungen und ein rechtswidriger Vorteil erstrebt wird. Die Offenbarungsdrohung ist insbesondere dann problematisch, wenn sie allein dem Zweck dient, wirtschaftliche Vorteile zu erlangen.
Serien- und bandenmäßiges Vorgehen
Serientaten sowie arbeitsteiliges Zusammenwirken mehrerer Personen werden im Rahmen der Strafzumessung regelmäßig als erschwerend gewertet. Organisierte Strukturen und professionelle Vorgehensweisen können zu einer erheblichen Verschärfung der rechtlichen Bewertung führen.
Versuch, Teilnahme und Konkurrenzen
Versuch und Rücktritt
Der Versuch der Erpressung ist rechtlich relevant, wenn bereits zur Tat angesetzt wurde, die Vollendung aber ausbleibt. Ein Rücktritt kann unter bestimmten Voraussetzungen die Strafbarkeit mindern oder entfallen lassen.
Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe
Erpressung kann auch gemeinschaftlich begangen werden. Wer die Haupttat anregt oder unterstützt, kann wegen Teilnahme verantwortlich sein. Maßgeblich ist der Beitrag zur Druckausübung oder zur Vermögensverschiebung.
Konkurrenz zu Betrug, Nötigung, Raub
Erpressung kann mit anderen Delikten zusammentreffen. Täuschung und Drohung können sich überschneiden; je nach Schwerpunkt wird die Tat rechtlich eingeordnet. Kommt es zur Wegnahme statt zur Verfügung, rückt Raub in den Vordergrund. Bei reinem Druck ohne Vermögensbezug ist die Einordnung als Nötigung naheliegend.
Rechtsfolgen
Strafen und Strafzumessung
Erpressung wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet. Maßgeblich für die Höhe sind unter anderem Art und Intensität des Drucks, die Höhe des Vermögensschadens, Vorstrafen, Dauer und Anzahl der Taten sowie besondere Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person. Bei räuberischer Erpressung und besonders schweren Fällen ist mit deutlich höheren Strafen zu rechnen.
Nebenfolgen und Vermögensabschöpfung
Rechtsfolgen können Einziehung erlangter Werte, Verfall von Tatgewinnen, Sperrwirkungen für bestimmte Tätigkeiten sowie Eintragungen in Auskünften sein. Einziehung dient dazu, Vorteile aus der Tat abzuschöpfen.
Zivilrechtliche Ansprüche
Unabhängig vom Strafverfahren kommen Ansprüche auf Ersatz des Vermögensschadens in Betracht. Diese richten sich auf Rückgewähr erlangter Werte oder auf Wertersatz. Daneben können Ansprüche wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen entstehen.
Verjährung und Verfolgung
Erpressung wird in der Regel von Amts wegen verfolgt. Die Verfolgung ist zeitlich begrenzt; die Dauer richtet sich nach der Schwere des Tatvorwurfs und ist bei qualifizierten Formen länger.
Verfahren und Beweisfragen
Ermittlungsablauf in Grundzügen
Das Verfahren umfasst in der Regel die Sicherung von Kommunikationsdaten, Auswertung digitaler Spuren, Vernehmungen und gegebenenfalls verdeckte Maßnahmen in schweren Fällen. Ziel ist die Klärung der Druckausübung, der Vermögensverfügung und des Vermögensschadens.
Beweisbesonderheiten
Häufig stehen Aussagen der Beteiligten im Mittelpunkt, ergänzt um schriftliche und digitale Kommunikation, Transaktionsdaten und technische Auswertungen. Bei digitalen Konstellationen spielen forensische Analysen von Geräten und Netzwerken eine besondere Rolle.
Internationale Bezüge
Grenzüberschreitende Sachverhalte sind im Bereich digitaler Erpressung häufig. Rechtshilfe, Auslieferung und internationale Zuständigkeiten können eine Rolle spielen, insbesondere wenn Server, Beteiligte und Vermögensflüsse in verschiedenen Staaten liegen.
Häufig gestellte Fragen
Was unterscheidet Erpressung von Nötigung?
Erpressung beinhaltet stets eine Vermögensverfügung mit wirtschaftlichem Nachteil und einen damit verknüpften Vorteil auf Täterseite. Nötigung erfasst demgegenüber Druckhandlungen ohne zwingenden Vermögensbezug.
Liegt Erpressung vor, wenn mit einer an sich zulässigen Handlung gedroht wird?
Ja, das ist möglich. Entscheidend ist, ob die Drohung ein empfindliches Übel darstellt und damit eine Vermögensverfügung erzwungen wird, die zu einem rechtswidrigen Vorteil führt. Auch die Drohung mit einer an sich erlaubten Handlung kann im Einzelfall die Schwelle zur Erpressung überschreiten.
Ist der Versuch einer Erpressung strafbar?
Der Versuch ist rechtlich relevant, wenn bereits zur Tat angesetzt wurde, aber keine Vermögensverfügung eintritt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein wirksamer Rücktritt die Verantwortlichkeit beeinflussen.
Welche Strafen sind bei Erpressung möglich?
Vorgesehen sind Geld- und Freiheitsstrafen. Die Bandbreite hängt von der Schwere des Einzelfalls ab. Bei räuberischer Erpressung und besonders schweren Konstellationen ist mit deutlich erhöhten Strafen zu rechnen.
Wie wird digitale Erpressung eingeordnet?
Digitale Erpressung folgt denselben Grundsätzen wie analoge Fälle: Durch Drohung wird eine Vermögensverfügung erzwungen. Hinzu treten häufig spezifische Aspekte wie Datenverschlüsselung, Veröffentlichung sensibler Inhalte oder Nutzung anonymer Zahlungswege.
Wer kann Opfer einer Erpressung sein?
Betroffen sein können natürliche Personen, Unternehmen und andere Organisationen. Maßgeblich ist, dass eine Vermögensverfügung erzwungen und ein wirtschaftlicher Nachteil herbeigeführt wurde.
Worin besteht der Unterschied zwischen Erpressung und Betrug?
Beim Betrug wird das Opfer durch Täuschung zu einer Vermögensverfügung veranlasst. Bei der Erpressung beruht die Verfügung auf Druck, also Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel. In gemischten Fällen entscheidet der Schwerpunkt des Geschehens.