Erpresserischer Menschenraub: Begriff, Zweck und Einordnung
Erpresserischer Menschenraub bezeichnet das Entführen oder das Sich-Bemächtigen einer Person, um mit der hierdurch geschaffenen Zwangslage eine Vermögensforderung durchzusetzen oder zu erleichtern. Geschützt werden vor allem die persönliche Freiheit und Unversehrtheit des Opfers sowie die Vermögensordnung. Das Delikt zählt zu den schwersten Formen von Freiheitsdelikten und ist darauf angelegt, frühzeitig einzugreifen, noch bevor eine Erpressung tatsächlich vollzogen wird.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Objektiver Tatbestand
Entführen
Entführen bedeutet, das Opfer gegen oder ohne seinen freien Willen an einen anderen Ort zu verbringen und dadurch der Herrschaft des Täters zu unterstellen. Auch eine Ortsveränderung durch Täuschung kann ausreichen, wenn dadurch eine Zwangslage entsteht und die Bewegungsfreiheit faktisch aufgehoben wird.
Sich bemächtigen
Sich bemächtigen liegt vor, wenn der Täter ohne Ortsveränderung die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Opfer erlangt, etwa durch Fesseln, Einsperren oder Überwältigen. Maßgeblich ist, dass das Opfer der Macht des Täters ausgeliefert ist.
Erpressungsbezug und Nötigung
Die Tathandlung muss darauf gerichtet sein, eine Vermögensleistung zu erlangen oder zu sichern. Der Zwang richtet sich typischerweise gegen das Opfer; die geforderte Leistung kann aber vom Opfer selbst oder von Dritten stammen (z. B. Angehörige oder Unternehmen). Es genügt, dass die Beeinträchtigung der Freiheit als Druckmittel zur Durchsetzung der Vermögensforderung eingesetzt werden soll.
Subjektiver Tatbestand
Vorsatz
Erforderlich ist Vorsatz hinsichtlich der Entführung oder des Sich-Bemächtigens sowie des Einsatzes der Zwangslage zur Durchsetzung einer Vermögensforderung. Der Täter muss die wesentlichen Umstände erkennen und wollen.
Absicht rechtswidriger Bereicherung
Zudem muss die Absicht bestehen, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Die Forderung darf nicht auf einem bestehenden, durchsetzbaren Anspruch beruhen. Maßgeblich ist die Zweckrichtung: Die geschaffene Lage dient dazu, wirtschaftlichen Druck aufzubauen.
Vollendung, Versuch und Beendigung
Das Delikt ist bereits vollendet, sobald das Opfer entführt oder seiner Freiheit bemächtigt wurde und die Zwangslage zur Erpressung genutzt werden soll. Es ist nicht erforderlich, dass bereits Forderungen gestellt, Zahlungen geleistet oder die Erpressung erfolgreich abgeschlossen wurde. Ein Versuch ist strafbar, wenn der Täter zur Tat unmittelbar ansetzt, es aber nicht zur Vollendung kommt. Die Tat endet regelmäßig, wenn die Zwangslage aufgehoben ist und die Erpressungshandlungen abgeschlossen sind.
Abgrenzungen zu verwandten Delikten
Geiselnahme
Geiselnahme ähnelt dem erpresserischen Menschenraub in der Art der Freiheitsbeeinträchtigung. Der Unterschied liegt im Zweck: Während es beim erpresserischen Menschenraub um eine Vermögensforderung geht, richtet sich die Geiselnahme auf das Erzwingen irgendeiner Handlung, Duldung oder Unterlassung – nicht zwingend mit wirtschaftlichem Bezug.
Freiheitsberaubung
Freiheitsberaubung setzt die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit voraus, ohne einen Erpressungszweck. Wird jedoch die Freiheitsentziehung zur Durchsetzung einer Vermögensforderung instrumentalisiert, tritt der erpresserische Menschenraub als speziellere Regelung in den Vordergrund.
Erpressung und Raub
Erpressung ist auf die Erlangung einer Vermögensleistung durch Nötigung gerichtet, ohne dass es einer Entführung oder eines Sich-Bemächtigens bedarf. Raub ist die Wegnahme unter Gewaltanwendung oder Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben. Kommt es im Rahmen eines erpresserischen Menschenraubs auch zu einer Vermögensverschiebung, können die Delikte nebeneinander stehen; die Freiheitsdelikte werden dabei nicht durch die Vermögensdelikte verdrängt.
Rechtsfolgen und Strafrahmen
Erpresserischer Menschenraub ist ein Verbrechen mit sehr hohem Strafrahmen. Die Mindeststrafe ist erheblich. In minderschweren Fällen sieht das Gesetz eine deutliche Milderung vor. Führt die Tat zu gravierenden Folgen – etwa zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod des Opfers – sind besonders hohe Strafen möglich. Umgekehrt kann eine freiwillige Abkehr von der Tat mit unverzüglicher Freilassung des Opfers und ohne Erreichen des Erpressungsziels strafmildernd berücksichtigt werden.
Konkurrenzen und Beteiligungsformen
Tateinheit und Tatmehrheit
Eine gleichzeitige Verwirklichung weiterer Delikte ist möglich. Die Freiheitsdelikte werden in der Regel nicht durch die Erpressung oder andere Vermögensdelikte verdrängt. Die rechtliche Einordnung als Tateinheit oder Tatmehrheit hängt vom konkreten Ablauf ab, insbesondere davon, ob mehrere Delikte durch dieselbe Handlungseinheit verwirklicht werden.
Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe
Alle allgemeinen Formen der Tatbeteiligung kommen in Betracht. Wer die Tat als Mitwirkender planvoll fördert, kann als Mittäter verantwortlich sein. Anstiften bedeutet, einen anderen zur Tat zu bestimmen; Beihilfe meint die vorsätzliche Förderung der Tat. Auch arbeitsteilige, verabredete Begehungsweisen werden erfasst.
Besondere Fallgruppen und Bewertungskriterien
Minderjährige und schutzbedürftige Personen
Ist das Opfer besonders schutzbedürftig, wirkt sich dies regelmäßig erschwerend aus. Täuschungshandlungen, das Ausnutzen von Abhängigkeiten oder eine erhebliche psychische Belastung können in der rechtlichen Bewertung eine Rolle spielen.
Waffen, gefährliche Mittel und Gewaltintensität
Der Einsatz von Waffen, gefährlichen Werkzeugen oder das Zufügen erheblicher körperlicher oder seelischer Leiden wirkt sich erheblich strafschärfend aus. Entscheidend sind die konkrete Gefährlichkeit und die Intensität der Drohkulisse.
Dauer der Freiheitsentziehung
Lange Andauer, wechselnde Verbringungsorte oder besondere Demütigungen können die Schwere der Tat erhöhen. Kurze, aber äußerst gefährliche Situationen sind ebenfalls gravierend.
Grenzüberschreitende Sachverhalte
Bei Bezügen zu mehreren Staaten können unterschiedliche Rechtsordnungen berührt sein. Zuständigkeit und anwendbares Recht richten sich nach Ort der Tatbegehung, Erfolgseintritt und weiteren Anknüpfungspunkten. Internationale Zusammenarbeit dient der Verfolgung solcher Taten und der Rückführung von Opfern.
Praktische Einordnung und typische Konstellationen
Typisch sind Fälle, in denen eine Person entführt oder überwältigt wird, um von Angehörigen oder Unternehmen Geld zu erlangen, oder um die Herausgabe von Vermögenswerten zu erzwingen. Auch das kurzfristige Festhalten einer Person, um als Druckmittel einen Zugangscode, Wertgegenstände oder eine Zahlung zu erhalten, kann darunter fallen. Nicht erfasst sind Situationen, in denen zwar die Freiheit beeinträchtigt wird, aber kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird; solche Fälle werden anderweitig eingeordnet.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Erpresserischer Menschenraub in einfachen Worten?
Es handelt sich um das Entführen oder Festhalten eines Menschen, um durch die so geschaffene Zwangslage Geld oder andere Vermögensvorteile zu erzwingen.
Worin unterscheidet sich Erpresserischer Menschenraub von Geiselnahme?
Beim erpresserischen Menschenraub geht es um eine Vermögensforderung. Bei der Geiselnahme soll eine Handlung, Duldung oder Unterlassung erzwungen werden, ohne dass ein zwingender Bezug zu Vermögen besteht.
Ab wann ist die Tat vollendet?
Bereits mit der Entführung oder dem Sich-Bemächtigen einer Person, wenn dies dazu dienen soll, eine Vermögensforderung durchzusetzen oder zu erleichtern. Ein tatsächlicher Zahlungsvorgang ist nicht erforderlich.
Ist ein Versuch strafbar?
Ja. Wer zur Tat ansetzt, die Vollendung aber nicht erreicht, macht sich bereits strafbar.
Wie verhält sich Erpresserischer Menschenraub zu Erpressung, Raub und Freiheitsberaubung?
Er presst eine Vermögensleistung unter Ausnutzung einer Freiheitsentziehung. Kommt es zu einer Vermögensverschiebung, können Erpressung oder Raub zusätzlich verwirklicht sein. Die einfache Freiheitsberaubung tritt zurück, wenn die Erpressungszwecksetzung vorliegt.
Welche Faktoren beeinflussen das Strafmaß?
Gewaltintensität, Einsatz von Waffen, Dauer der Freiheitsentziehung, Folgen für das Opfer, Beteiligung mehrerer Personen und die Höhe des erstrebten Vermögensvorteils wirken sich maßgeblich auf die Strafhöhe aus.
Gibt es strafmildernde Regelungen bei freiwilliger Freilassung?
Eine eigenständige, rechtzeitige Abkehr von der Tat mit unverzüglicher Freilassung des Opfers und ohne Erreichen des Erpressungsziels kann strafmildernd berücksichtigt werden.