Begriff und Definition der Eroberung
Der Begriff Eroberung bezeichnet die gewaltsame Aneignung von Territorium, beweglichen Sachen oder Rechten, üblicherweise durch einen Staat, eine Staatsgruppe oder andere kollektive Akteure im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Die Eroberung ist primär im Völkerrecht, teilweise auch im nationalen Recht, von Bedeutung. Der Fokus liegt auf der Übertragung von Gebietshoheit oder Herrschaftsrechten entgegen der Zustimmung des vormaligen Inhabers. Der Begriff “Eroberung” ist hierbei von friedlichen Erwerbsformen (z.B. Kauf, Tausch, Abtretung) abzugrenzen.
Eroberung im Völkerrecht
Historische Entwicklung
Bis ins 20. Jahrhundert galt Eroberung als anerkannte Form der Gebietserlangung. Die Konsequenz eines erfolgreichen militärischen Vorgehens war die Übertragung von Souveränität über das eroberte Gebiet auf den Siegerstaat (“Recht des Eroberers”). Im Zuge der Haager Landkriegsordnung (1907), des Briand-Kellogg-Pakts (1928) und der Charta der Vereinten Nationen (1945) vollzog sich ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel: Die Eroberung fremden Territoriums wurde völkerrechtlich untersagt.
Völkerrechtlicher Status nach der UN-Charta
Nach Artikel 2 Ziff. 4 der UN-Charta ist der Angriffskrieg untersagt. Die dauerhafte Aneignung von Gebiet mittels Eroberung gilt als Nichtigkeitstatbestand, das heißt: Die Eroberung kann keine rechtmäßige Gebietshoheit begründen und führt auf internationaler Ebene nicht zur Anerkennung neuer Souveränitätsverhältnisse (“ex injuria jus non oritur”). Internationale Organisationen und die Staatengemeinschaft erkennen Gebietsgewinne durch Gewalt grundsätzlich nicht an (Nichtanerkennungsprinzip, “Stimson-Doktrin”).
Rechtsfolgen rechtswidriger Eroberung
Die rechtswidrige Eroberung (“Annexion”) kann verschiedene Folgen haben:
- Unwirksamkeit der Besitzergreifung: Die ursprünglichen (staatlichen) Rechte bleiben bestehen.
- Internationale Sanktionen: Erobernde Staaten können international sanktioniert werden (z. B. Wirtschaftssanktionen, politische Isolation).
- Verbot der Anerkennung: Andere Staaten sind nach internationalem Recht verpflichtet, den Rechtsstatus des eroberten Gebiets nicht anzuerkennen.
Unterschied zwischen Okkupation und Annexion
Im Völkerrecht werden folgende Differenzierungen vorgenommen:
- Okkupation: Zeitweilige Besetzung fremden Territoriums infolge bewaffneter Auseinandersetzung; Hoheitsrechte bleiben grundsätzlich beim ursprünglichen Souverän.
- Annexion: Dauerhafte Eingliederung des eroberten Gebiets in den Staatsverband des besetzenden Staates; ist nach geltendem Völkerrecht verboten.
Ausnahmen und umstrittene Fälle
Einzelfälle können völkerrechtlich umstritten sein, etwa beim Zerfall von Vielvölkerstaaten, Sezessionen, oder bei Situationen, in denen der rechtmäßige Erwerb von Gebiet im Grenzbereich zwischen Eroberung und freiwilligem Anschluss verläuft. Grundsätzlich bleibt aber das Gewaltverbot maßgeblich.
Eroberung im nationalen Recht
Strafrechtliche Bewertung
Die Aneignung beweglicher Sachen durch Gewalt ist als Raub (§ 249 StGB, Deutschland) oder als räuberische Erpressung (§ 255 StGB, Deutschland) strafbar. Hierfür ist keine territoriale Eroberung, sondern der Gewalteinsatz im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten entscheidend. Die strafrechtliche Bewertung von Handlungen im Zusammenhang mit Eroberungen obliegt im Übrigen dem Völkerstrafrecht, insbesondere den Normen zu Angriffskrieg und Kriegsverbrechen.
Eigentumserwerb durch Eroberung
Im Privatrecht und Sachenrecht ist der Grundstückserwerb durch Gewaltaund repressiven Akt ausgeschlossen. Das Erfordernis eines gültigen Erwerbstatbestandes (z. B. Übereignung, Einigung und Übergabe, Grundbucheintragung) schließt eine “Eroberung” als Legitimationsgrundlage für Eigentumsübertragungen aus.
Staatshaftung und Rechtsschutz
Kommt es im Rahmen einer militärischen Eroberung zu Enteignungen, Beschädigungen oder Verlusten, können völkerrechtlich geschützte Individualrechte verletzt werden. Geschädigte natürliche oder juristische Personen können Schadensersatzansprüche ausschließlich auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge oder spezifischer Regelungen (z. B. Humanitäres Völkerrecht, Genfer Konventionen) geltend machen.
Eroberung im Kontext des internationalen Strafrechts
Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression
Die Durchführung einer Eroberung im Sinne einer gewaltsamen Aneignung von Land oder Rechten ist nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) als Verbrechen der Aggression sowie als Kriegsverbrechen ahndbar. Verantwortliche Akteure können strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie die Grenzen der Charta der Vereinten Nationen überschreiten und in anderer Staaten souveräne Rechte eingreifen.
Menschenrechte und Humanitäres Völkerrecht
Im Rahmen von Eroberungen sind zudem massive Verletzungen von Menschenrechten (z. B. Vertreibung, Deportation, Zwangsansiedlung) häufig. Humanitäres Völkerrecht schützt die Zivilbevölkerung und regelt Mindeststandards, insbesondere zum Schutz vor Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Eroberung und das Prinzip der Gebietsintegrität
Das völkerrechtliche Prinzip der Gebietsintegrität garantiert Staaten die Unversehrtheit ihres Staatsgebiets. Eroberungen stellen regelmäßig eine Verletzung dieses Prinzips dar. An der Unzulässigkeit der Eroberung hält die Staatengemeinschaft bis heute fest. Allenfalls in engen, klar umrissenen Ausnahmefällen (“Selbstbestimmungsrecht der Völker”, etwa bei Dekolonisierung) kann durch breite internationale Anerkennung eine Grenzverschiebung legitimiert werden.
Zusammenfassung und Bedeutung für die Rechtswissenschaft
Eroberung ist im modernen Rechtssystem als Mittel der Gebietserweiterung oder zur Eigentumsaneignung unzulässig. Insbesondere das Völkerrecht schließt Eroberungen kategorisch aus; entsprechende Gebietsgewinne werden nicht anerkannt. Auch nach nationalem Recht bildet Gewalt kein Legitimationsgrund für Rechtsübergänge an Eigentum oder Herrschaftsrechten. Die umfassende Ächtung des Eroberungsaktes dient dem Schutz des internationalen Friedens, der Stabilität staatlicher Grenzen und der Rechte der betroffenen Bevölkerung.
Siehe auch:
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen regeln die Eroberung von Territorien im Völkerrecht?
Die Eroberung fremder Gebiete durch einen Staat wird im geltenden Völkerrecht strikt reglementiert und ist seit dem frühen 20. Jahrhundert grundsätzlich untersagt. Mit dem Inkrafttreten des Briand-Kellogg-Pakts von 1928, der den Kriegsverzicht als Mittel internationaler Politik vorsieht, sowie der Charta der Vereinten Nationen von 1945 wurde die gewaltsame Aneignung von Territorien ausdrücklich verboten. Artikel 2 Ziffer 4 der UN-Charta verbietet die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates. Die völkerrechtlichen Grundsätze des Selbstbestimmungsrechts der Völker sowie der staatlichen Souveränität stehen Eroberungen grundsätzlich entgegen. Auch das Genfer Abkommen IV sowie die Haager Landkriegsordnung stellen Eroberung und Besetzung unter eine Vielzahl spezifischer Regeln, die überwiegend dem Schutz der Zivilbevölkerung sowie dem vorübergehenden Charakter etwaiger Besatzungen dienen. Sofern es dennoch zu Gebietsgewinnen durch Krieg kommt, werden diese seit 1945 von der internationalen Staatengemeinschaft in der Regel nicht anerkannt, und es können weitreichende Sanktionen und Maßnahmen der Vereinten Nationen erfolgen.
Welche Konsequenzen drohen Staaten, die Territorien durch Eroberung annektieren?
Staaten, die durch die Anwendung von Gewalt Territorien anderer Staaten in Besitz nehmen oder annektieren, setzen sich erheblichen völkerrechtlichen Konsequenzen aus. Häufig erfolgt die Nichtanerkennung solcher Gebietsänderungen durch die internationale Gemeinschaft, gestützt auf Resolutionen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung der UN. Weiterhin drohen wirtschaftliche Sanktionen, diplomatische Isolierung, der Ausschluss aus bestimmten internationalen Organisationen und Prozesse vor internationalen Gerichten wie dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Darüber hinaus besteht die Möglichkeit individueller strafrechtlicher Verfolgung von Staatsführern und militärischem Führungspersonal durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen des Verbrechens der Aggression. Die betroffenen Gebiete gelten völkerrechtlich oft als besetzt, sodass dem Besatzungsrecht – insbesondere dem humanitären Völkerrecht – besondere Bedeutung zukommt.
Wie werden Eroberungen im internationalen Vertragsrecht behandelt?
Eroberte Gebiete gelten gemäß internationalem Vertragsrecht weiterhin als Teil des Ursprungsstaats, solange keine rechtsgültige, beispielsweise in einem Friedensvertrag vereinbarte, Gebietsabtretung erfolgt. Die bloße Machtausübung des Erobererstaat wird als „faktische Herrschaft” (de facto) und nicht als legitime Souveränität (de jure) angesehen. Internationale Organisationen und Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, sogenannte „Fait accompli”-Situationen nicht anzuerkennen (Principle of Non-Recognition). Verträge, die unter Zwang zu Gebietsabtretungen führen, sind gemäß Artikel 52 der Wiener Vertragsrechtskonvention nichtig.
Welche Ausnahmen sieht das Völkerrecht bei der Verwendung von Gewalt zur Gebietseroberung vor?
Die Anwendung von Gewalt zur Gebietseroberung ist im Völkerrecht ausschließlich in sehr engen Ausnahmefällen zulässig. Gemäß Artikel 51 der UN-Charta ist das Recht auf Selbstverteidigung anerkannt, wodurch sich Staaten im Falle eines bewaffneten Angriffs verteidigen dürfen. Jedoch erlaubt auch die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts keine dauerhafte Annexion fremder Gebiete, sondern nur vorübergehende militärische Kontrolle im Kontext der Konfliktbeilegung. Weitere Ausnahmen können von einer durch den UN-Sicherheitsrat legitimierten militärischen Intervention im Rahmen der kollektiven Sicherheit bestehen, allerdings führen auch diese nicht zu legalen Gebietsgewinnen zugunsten intervenierender Staaten.
Wie unterscheiden sich „Eroberung” und „Besetzung” in rechtlicher Hinsicht?
Im Völkerrecht wird streng zwischen „Eroberung” (acquisition by conquest) und „Besetzung” (occupation) unterschieden. Eine Besetzung beschreibt die vorübergehende Kontrolle eines fremden Gebiets durch militärische Kräfte, ohne die Absicht oder die Legitimität einer dauerhaften Aneignung. Das Besatzungsrecht, insbesondere die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konventionen, regelt die Verpflichtungen des Besatzungsstaats, insbesondere hinsichtlich der Rechte der Bevölkerung, der Verwendung von Ressourcen und der Untersagung jeglicher Annexion. Im Gegensatz dazu bedeutet eine Eroberung die dauerhafte Einverleibung des Gebiets durch den Aggressor, die nach heutiger Rechtslage strikt verboten und völkerrechtlich unwirksam ist.
Wie bewertet die Rechtsprechung internationaler Gerichte die Aneignung von Gebieten durch Eroberung?
Die internationale Rechtsprechung, insbesondere durch den Internationalen Gerichtshof (IGH), hat in zahlreichen Urteilen klargestellt, dass die Aneignung von Territorien durch Gewalt nicht zulässig ist. Wichtige Fälle wie die Advisory Opinion zur Westsahara (1975) oder die Urteile in den Streitigkeiten zwischen Israel und Palästina unterstreichen, dass territoriale Veränderungen durch Krieg oder Androhung von Gewalt nicht rechtmäßig sind und keine Legitimität erzeugen. Der IGH verweist regelmäßig auf das Prinzip „ex injuria jus non oritur” (aus Unrecht entsteht kein Recht), das im Kontext der Eroberung zentrale Bedeutung hat.
Können durch Einverständnis oder Volksabstimmungen Eroberungen nachträglich legitimiert werden?
Auch wenn nach einer gewaltsamen Okkupation Volksabstimmungen oder nachträgliche Zustimmungserklärungen der lokalen Bevölkerung initiiert werden, ist dies nach herrschender völkerrechtlicher Auffassung keine Legitimierung der ursprünglichen Eroberung. Das Völkerrecht schreibt vor, dass Veränderungen von Staatsgrenzen nur auf friedlichem Wege und mit Zustimmung aller betroffenen Staaten erfolgen dürfen. Einvernehmen unter Zwang oder in einem Klima der Besatzung gilt als mangelhaft und führt nicht zur völkerrechtlichen Anerkennung entsprechender Gebietsänderungen. Die Rechtsprechung und die Praxis der internationalen Gemeinschaft lehnen Legitimationsversuche durch sogenannte Referenden unter Besatzungsbedingungen ab.