Legal Wiki

Wiki»Wiki»Erlass von Steuern

Erlass von Steuern

Erlass von Steuern: Begriff und Einordnung

Der Erlass von Steuern ist eine behördliche Entscheidung, mit der eine festgesetzte oder fällige Steuerforderung ganz oder teilweise aufgehoben wird. Es handelt sich um eine Ausnahme vom Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung, die in besonderen Fällen zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse eingesetzt wird. Der Erlass kann sich sowohl auf Hauptsteuern als auch auf steuerliche Nebenleistungen wie Zinsen und Zuschläge beziehen, sofern die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies zulassen.

Ziel und Rechtsnatur

Billigkeitsmaßnahme und Ermessensentscheidung

Der Erlass ist eine Maßnahme der steuerlichen Billigkeit. Er dient dazu, außergewöhnliche Härten oder atypische Ergebnisse auszugleichen, die durch die Anwendung des allgemeinen Steuerrechts im Einzelfall entstehen können. Die zuständige Stelle trifft eine Ermessensentscheidung. Das bedeutet, sie wägt die Umstände des Einzelfalls gegen die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit ab und begründet ihre Entscheidung nachvollziehbar. Dabei sind allgemeine verwaltungsinterne Maßstäbe und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Abgrenzung zu ähnlichen Instrumenten

Stundung

Die Stundung verschiebt die Fälligkeit einer Steuerzahlung, lässt die Steuer aber bestehen. Sie kommt bei vorübergehenden Liquiditätsengpässen in Betracht, nicht zur endgültigen Entlastung.

Niederschlagung

Die Niederschlagung bedeutet, dass die Vollstreckung einer Forderung vorläufig eingestellt wird, weil sie derzeit nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchsetzbar ist. Die Forderung bleibt bestehen.

Steuerbefreiung und -vergünstigung

Steuerbefreiungen und -vergünstigungen ergeben sich aus allgemeinen gesetzlichen Regelungen und gelten typisierend. Der Erlass greift demgegenüber individuell in besonderen Fallkonstellationen.

Herabsetzung/Änderung der Steuerfestsetzung

Die Änderung eines Steuerbescheids betrifft die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzung (z. B. bei neuen Tatsachen oder offensichtlichen Unrichtigkeiten). Der Erlass setzt grundsätzlich eine wirksame Forderung voraus und mildert deren Wirkung aus Billigkeitsgründen.

Aussetzung der Vollziehung

Die Aussetzung der Vollziehung hemmt die Vollziehung eines angefochtenen Bescheids vorübergehend. Sie entscheidet nicht endgültig über das Bestehen der Forderung.

Voraussetzungen und typische Fallgruppen

Persönliche Gründe (unbillige persönliche Härte)

Ein Erlass aus persönlichen Gründen kommt in Betracht, wenn die Einziehung der Steuer im konkreten Fall zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Typische Aspekte sind eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz, außergewöhnliche Krankheits- oder Pflegekosten, unverschuldete Notlagen oder vergleichbare Belastungen. Maßgeblich ist eine Gesamtwürdigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der besonderen Umstände.

Sachliche Gründe (unbillige sachliche Härte)

Ein sachlich begründeter Erlass betrifft Konstellationen, in denen die Anwendung der allgemeinen Steuervorschriften im Einzelfall zu Ergebnissen führt, die dem Sinn und Zweck des Steuerrechts widersprechen. Hierzu zählen atypische Sachverhalte, systembedingte Unstimmigkeiten oder unvorhergesehene Kollisionen verschiedener steuerlicher Regelungsmechanismen.

Teilweiser oder vollständiger Erlass; Nebenleistungen

Der Erlass kann vollständig oder teilweise erfolgen. Eine teilweise Entlastung wird insbesondere dann erwogen, wenn eine vollständige Aufhebung nicht erforderlich oder mit Blick auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht angezeigt ist. Steuerliche Nebenleistungen (z. B. Zinsen, Säumniszuschläge) können gesondert beurteilt und in besonderen Situationen eigenständig erlassen werden.

Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit

Die Entscheidung über den Erlass muss gleichartige Fälle gleich behandeln. Sie hat sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten: Die Maßnahme darf nicht weiter gehen als zur Abwendung der unbilligen Härte erforderlich, soll aber wirksam Abhilfe schaffen.

Verfahren und Zuständigkeit

Zuständige Stelle

Zuständig ist regelmäßig die Behörde, die die Steuer festgesetzt oder beitreibt. Je nach Steuerart und Verfahrensstand können organisatorische Besonderheiten gelten.

Antrag und Mitwirkung

Der Erlass wird in der Regel auf Antrag geprüft. Die relevanten Tatsachen werden ermittelt, wobei Angaben zu den persönlichen, wirtschaftlichen oder sachlichen Umständen eine zentrale Rolle spielen. Je nach Fallgestaltung werden geeignete Nachweise herangezogen. Die Entscheidung beruht auf einer Abwägung des festgestellten Sachverhalts.

Entscheidung, Begründung und Dokumentation

Die Entscheidung ergeht als Verwaltungsakt. Sie enthält eine Begründung, aus der sich die wesentlichen Erwägungen der Abwägung ergeben. Ein Erlass kann mit Bedingungen oder Auflagen verbunden sein, soweit dies zur Sicherung des Entscheidungszwecks erforderlich ist.

Rechtsbehelfe gegen Ablehnung

Wird ein Erlassantrag abgelehnt, kann dagegen mit den allgemeinen Rechtsbehelfen gegen Verwaltungsakte vorgegangen werden. Maßgeblich sind die einschlägigen Fristen und Formerfordernisse. Streitpunkt ist häufig die Ausübung des Ermessens und die Frage, ob Ermessensfehler vorliegen.

Fristen und Zeitpunkt

Ein Erlass kann grundsätzlich nach Festsetzung und während der Einziehung in Betracht kommen. Eine zeitnahe Befassung mit dem Einzelfall erleichtert die Klärung der maßgeblichen Umstände. In bestimmten Konstellationen können Sperrwirkungen bestehen, etwa wenn andere Verfahren vorrangig sind.

Wirkungen und Grenzen des Erlasses

Rechtswirkungen

Ein gewährter Erlass lässt die erfasste Forderung in der ausgesprochenen Höhe entfallen. Dies gilt entsprechend für erlassene Nebenleistungen. Der Erlass wirkt auf den konkret bezeichneten Zeitraum oder Bescheid; er begründet regelmäßig keine Ansprüche für andere Zeiträume.

Widerruf, Rücknahme und Auflagen

Ein Erlass kann widerrufen oder zurückgenommen werden, etwa bei unzutreffenden Angaben, Wegfall der maßgeblichen Voraussetzungen oder Verstößen gegen Auflagen. In der Entscheidung können Vorbehalte vorgesehen sein, um auf Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse zu reagieren.

Auswirkungen auf Folgejahre und andere Abgaben

Der Erlass bezieht sich auf den konkreten Steueranspruch. Für spätere Zeiträume oder andere Abgaben entfaltet er grundsätzlich keine Bindungswirkung. Gleichwohl können vergleichbare Umstände in künftigen Entscheidungen berücksichtigt werden, sofern sie fortbestehen.

Besonderheiten bei Unternehmen, Selbständigen und Privatpersonen

Bei Unternehmen und Selbständigen stehen regelmäßig betriebswirtschaftliche Unterlagen und die Fortführungsfähigkeit im Mittelpunkt der Würdigung. Bei Privatpersonen sind häufig besondere Belastungen des Lebensunterhalts von Bedeutung. Typ- und branchenbezogene Besonderheiten können eine Rolle spielen, ohne individuelle Abwägungen zu ersetzen.

Beispiele für typische Konstellationen

  • Eine bereits rechtmäßig festgesetzte Steuer führt aufgrund eines unvorhersehbaren Ereignisses zu einer außergewöhnlichen wirtschaftlichen Belastung, die ohne Erlass die Existenz gefährden würde.
  • Ein atypischer Sachverhalt führt zu einer Doppelbelastung, die vom Regelungszweck so nicht vorgesehen ist, sodass eine sachliche Unbilligkeit vorliegt.
  • Säumniszuschläge sind entstanden, obwohl die verspätete Zahlung auf nachweislich außergewöhnlichen Umständen beruht, die eine pünktliche Entrichtung vorübergehend unmöglich machten.

Häufig gestellte Fragen zum Erlass von Steuern

Was bedeutet „Erlass von Steuern“ im rechtlichen Sinn?

Der Erlass ist eine behördliche Billigkeitsmaßnahme, durch die eine bestehende Steuerforderung ganz oder teilweise aufgehoben wird. Er wirkt individuell, ausnahmsweise und nach Ermessen, um unbillige Ergebnisse im Einzelfall zu vermeiden.

Worin unterscheidet sich der Erlass von einer Stundung?

Die Stundung verschiebt nur den Zahlungszeitpunkt, die Forderung bleibt bestehen. Der Erlass beseitigt die Forderung ganz oder teilweise. Beide Instrumente verfolgen unterschiedliche Zwecke und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen.

Kann ein Erlass auch Zinsen und Zuschläge betreffen?

Ja, ein Erlass kann sich auf steuerliche Nebenleistungen beziehen. Sie werden eigenständig geprüft, da ihre Entstehungsgründe und Funktionen von der Hauptsteuer abweichen können.

Wer entscheidet über den Erlass und auf welcher Grundlage?

Entscheidend ist die zuständige Steuerbehörde. Sie trifft eine Ermessensentscheidung auf Basis der festgestellten Tatsachen, der Grundsätze der Billigkeit, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit.

Gibt es einen Anspruch auf Erlass?

Ein genereller Anspruch besteht nicht. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Anspruch kann nur insoweit entstehen, als die Behörde ihr Ermessen fehlerfrei ausüben muss und gleichartige Fälle gleich zu behandeln sind.

Kann ein gewährter Erlass später widerrufen werden?

Ein Widerruf oder eine Rücknahme ist möglich, insbesondere bei unzutreffenden Angaben, bei Verstößen gegen Auflagen oder wenn die für den Erlass maßgeblichen Voraussetzungen nachträglich entfallen.

Wie lässt sich eine ablehnende Entscheidung überprüfen?

Gegen eine Ablehnung stehen die allgemeinen Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte zur Verfügung. Geprüft wird vor allem, ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und die wesentlichen Umstände berücksichtigt hat.

Gilt ein Erlass automatisch auch für zukünftige Steuerzeiträume?

Nein. Ein Erlass wirkt grundsätzlich nur für den konkret geregelten Anspruch. Für spätere Zeiträume bedarf es einer gesonderten Prüfung der jeweiligen Umstände.