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Erkrankung des Arbeitnehmers

Erkrankung des Arbeitnehmers: Begriff, Bedeutung und rechtlicher Rahmen

Die Erkrankung des Arbeitnehmers beschreibt aus arbeitsrechtlicher Sicht eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die dazu führen kann, dass die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung vorübergehend nicht oder nur eingeschränkt erbracht werden kann. Zentral ist die Abgrenzung zwischen einer bloßen Krankheit und einer Arbeitsunfähigkeit. Nur bei Arbeitsunfähigkeit greifen typische Schutzmechanismen wie die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber oder Leistungen der Krankenversicherung.

Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit

Erkrankung ist ein weiter Begriff für eine gesundheitliche Störung. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn die konkrete Tätigkeit aufgrund der Erkrankung nicht mehr erfüllt werden kann oder wenn die Ausübung der Arbeit die Genesung voraussichtlich erheblich verzögern würde. Nicht jede Erkrankung führt automatisch zur Arbeitsunfähigkeit; umgekehrt ist maßgeblich, ob die Person ihre individuelle Tätigkeit ausführen kann.

Allgemeine Krankheit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit

Rechtlich wird unterschieden zwischen allgemeiner Krankheit, Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Bei allgemeinen Krankheiten gelten vor allem die Regeln zur Entgeltfortzahlung und zum Krankengeld. Bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten treten Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversicherung hinzu, etwa spezielle Geldleistungen und Rehabilitationsleistungen. In allen Konstellationen bleibt die arbeitsrechtliche Grundfrage gleich: Besteht Arbeitsunfähigkeit und welche Pflichten haben die Beteiligten?

Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Anzeigepflicht und Krankmeldung

Arbeitnehmer sind verpflichtet, den Arbeitgeber über eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich zu informieren. Diese Pflicht besteht unabhängig von der Ursache der Erkrankung und unabhängig davon, ob die Arbeit vor Ort oder im Homeoffice erbracht wird.

Nachweispflicht und ärztliche Bescheinigung (elektronische AU)

Die Arbeitsunfähigkeit wird durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen. Der Nachweis ist grundsätzlich spätestens ab dem vierten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit erforderlich; der Arbeitgeber kann den Nachweis früher verlangen. Das Verfahren ist weitgehend elektronisch ausgestaltet: Arztpraxen übermitteln die Daten an die gesetzliche Krankenversicherung, und Arbeitgeber rufen die Informationen in der Regel elektronisch ab. Der Diagnoseinhalt wird dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt.

Datenschutz und Vertraulichkeit

Gesundheitsdaten unterliegen einem besonderen Schutz. Der Arbeitgeber erhält nur die Information, dass Arbeitsunfähigkeit besteht, deren Beginn und voraussichtliche Dauer, sowie gegebenenfalls die Information über eine Erst- oder Folgebescheinigung. Diagnosen bleiben vertraulich.

Rücksichtnahme- und Mitwirkungspflichten

Beide Parteien haben Rücksichtnahmepflichten. Arbeitnehmer müssen den Verlauf der Arbeitsunfähigkeit transparent im rechtlich vorgesehenen Umfang anzeigen und den Genesungsprozess nicht vereiteln. Arbeitgeber haben auf die gesundheitliche Situation angemessen Rücksicht zu nehmen, etwa bei der Kommunikation oder bei organisatorischen Maßnahmen.

Vergütung und Leistungen bei Krankheit

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Arbeitnehmer haben bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung durch den Arbeitgeber für einen begrenzten Zeitraum. Die Fortzahlung entspricht grundsätzlich dem Arbeitsentgelt, das ohne Arbeitsunfähigkeit erzielt worden wäre, inklusive regelmäßig gezahlter Zulagen. Ein anfänglicher Wartezeitraum zu Beginn des Arbeitsverhältnisses kann bestehen.

Beginn, Dauer, Unterbrechung und Wiederanlauf

Die Entgeltfortzahlung greift für bis zu sechs Wochen je Fall der Arbeitsunfähigkeit. Tritt dieselbe Erkrankung erneut auf, werden Zeiten zusammengezählt. Ein neuer Anspruch entsteht in der Regel, wenn zwischen den Zeiträumen eine bestimmte Zeit ohne Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Erkrankung verstrichen ist oder ein längerer Bezugszeitraum abgelaufen ist. Bei verschiedenen, voneinander unabhängigen Erkrankungen können sich neue Ansprüche ergeben.

Ausschluss- und Kürzungsgründe

Der Anspruch setzt voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht durch ein vorwerfbares Verhalten des Arbeitnehmers verursacht wurde. Berechnungsfragen betreffen die Einbeziehung variabler Entgeltbestandteile, Zuschläge und regelmäßiger Überstunden sowie Abzüge für Zeiten ohne Vergütungsanspruch.

Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung

Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung kann bei gesetzlich Versicherten Krankengeld in Betracht kommen. Es ersetzt einen Teil des weggefallenen Einkommens und ist zeitlich begrenzt, typischerweise auf einen längeren, aber ebenfalls begrenzten Zeitraum. Das Krankengeld unterliegt betragsmäßigen Deckelungen und wird von der Krankenkasse gezahlt. Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten gelten Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit eigenen Geldleistungen.

Besonderheiten bei Minijob, Teilzeit, Probezeit und Befristung

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht grundsätzlich auch bei geringfügiger Beschäftigung und Teilzeit, angepasst an die individuellen Arbeitszeiten und Vergütungsstrukturen. Während der Probezeit gelten die allgemeinen Regeln zur Arbeitsunfähigkeit; zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ist ein Wartezeitraum zu beachten. Bei befristeten Verträgen endet die Entgeltfortzahlung mit dem Vertragsende; nachfolgende Leistungen richten sich nach dem Sozialversicherungsrecht.

Urlaub, Nebentätigkeit und Verhalten während der Erkrankung

Krankheit während des Urlaubs

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs und ist arbeitsunfähig, werden die betroffenen Urlaubstage grundsätzlich nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet, sofern die Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß nachgewiesen wird. Offene Urlaubsansprüche können unter bestimmten Voraussetzungen auf spätere Zeiträume übertragen werden.

Arbeiten trotz Erkrankung und Homeoffice

Erkrankung bedeutet nicht zwingend Arbeitsunfähigkeit. Wer krank, aber arbeitsfähig ist, bleibt grundsätzlich zur Arbeitsleistung verpflichtet. Liegt Arbeitsunfähigkeit vor, besteht keine Arbeitspflicht, auch nicht im Homeoffice. Entscheidend sind der Gesundheitszustand und die ärztliche Einschätzung.

Nebentätigkeiten während der Arbeitsunfähigkeit

Nebenbeschäftigungen während attestierter Arbeitsunfähigkeit können rechtliche Folgen haben, wenn sie der Genesung entgegenstehen oder im Widerspruch zur bescheinigten Unfähigkeit stehen. Maßgeblich sind die Art der Tätigkeit, die gesundheitliche Beeinträchtigung und etwaige vertragliche Nebentätigkeitsregelungen.

Kontrolle, Fehlzeitenmanagement und Wiedereingliederung

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und Prüfmechanismen

Bei begründeten Zweifeln an der attestierten Arbeitsunfähigkeit kann eine Überprüfung über den Begutachtungsdienst der Krankenversicherung veranlasst werden. Arbeitgeber dürfen organisatorisch notwendige Rückfragen stellen, müssen aber die Privatsphäre und den Datenschutz wahren. Unberechtigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz oder vorgetäuschte Erkrankungen können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Bei längeren oder häufigen Erkrankungen sieht das Gesetz ein betriebliches Eingliederungsmanagement als Angebot des Arbeitgebers vor. Es dient dazu, Wege zu suchen, wie die Arbeitsfähigkeit erhalten oder wiederhergestellt und das Arbeitsverhältnis gesichert werden kann. Die Teilnahme ist freiwillig; Gesundheitsschutz und Vertraulichkeit sind zu wahren.

Arbeitsschutz und Prävention

Arbeitgeber haben Schutzpflichten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Dazu gehören regelmäßige Gefährdungsbeurteilungen, geeignete Präventionsmaßnahmen und die Berücksichtigung gesundheitlicher Belange bei der Arbeitsorganisation. Diese Pflichten bestehen unabhängig davon, ob eine aktuelle Erkrankung vorliegt.

Kündigung und Krankheit

Kündigung während der Krankheit

Eine Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitnehmer erkrankt ist. Bestehen jedoch besondere Schutzrechte oder betriebliche Pflichten (etwa Beteiligung einer Interessenvertretung), sind diese zu beachten. Läuft während einer Arbeitsunfähigkeit eine Kündigungsfrist, bleibt der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die gesetzliche Dauer bestehen, endet aber spätestens mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Krankheitsbedingte Kündigung

Eine krankheitsbedingte Kündigung kann in Betracht kommen, wenn langfristige oder häufige Erkrankungen die künftige Erfüllung der Arbeitsleistung erheblich beeinträchtigen, betriebliche Interessen wesentlich stören und mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Es ist eine Prognose über die künftige gesundheitliche Entwicklung und eine Interessenabwägung erforderlich. Das BEM kann für die Beurteilung eine Rolle spielen.

Aufhebungsvertrag und sozialrechtliche Folgen

Endet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich, können sozialrechtliche Wartezeiten oder Leistungskürzungen eine Rolle spielen. Auch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit beeinflussen möglicherweise Ansprüche gegen Sozialleistungsträger. Die rechtlichen Auswirkungen hängen von den konkreten Vereinbarungen und dem Zeitpunkt ab.

Besondere Konstellationen

Auslandserkrankung

Erkrankungen im Ausland lösen ebenfalls Anzeige- und Nachweispflichten aus. Für den Leistungsbezug sind zusätzlich die Vorgaben der Krankenversicherung und etwaige zwischenstaatliche Regelungen maßgeblich. Die Anerkennung ausländischer Bescheinigungen richtet sich nach formalen Anforderungen und Abkommen.

Krankheit des Kindes

Eltern können zur Betreuung eines erkrankten Kindes von der Arbeit freigestellt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht Anspruch auf Kinderkrankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung für ein gesetzlich festgelegtes Jahreskontingent an Tagen. Der Arbeitslohn ruht in dieser Zeit regelmäßig, soweit keine abweichenden Regelungen gelten.

Mehrfachbeschäftigung

Bei mehreren Arbeitsverhältnissen ist die Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf jede Tätigkeit gesondert zu betrachten. Eine Erkrankung kann die Ausübung einer Tätigkeit ausschließen, eine andere jedoch zulassen. Entgeltfortzahlung und Leistungen werden für jedes Arbeitsverhältnis nach dessen Voraussetzungen beurteilt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt eine Erkrankung als Arbeitsunfähigkeit im arbeitsrechtlichen Sinn?

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine konkrete vertragliche Tätigkeit krankheitsbedingt nicht ausüben kann oder wenn die Ausübung die Genesung erheblich verzögern würde. Entscheidend ist die individuelle Tätigkeit, nicht die Diagnose als solche.

Ab wann und wie lange besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung?

Der Anspruch setzt eine gewisse Dauer des Arbeitsverhältnisses voraus und besteht für bis zu sechs Wochen je Fall der Arbeitsunfähigkeit. Bei derselben Erkrankung werden Zeiten zusammengerechnet; ein neuer Anspruch entsteht unter bestimmten zeitlichen Voraussetzungen.

Muss der Arbeitgeber über die Diagnose informiert werden?

Nein. Der Arbeitgeber hat nur Anspruch auf Informationen über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit, deren Beginn und voraussichtliche Dauer sowie den Status als Erst- oder Folgebescheinigung. Diagnosen bleiben vertraulich.

Was gilt bei Krankheit während des Urlaubs?

Wird während des Urlaubs Arbeitsunfähigkeit ordnungsgemäß nachgewiesen, werden die betroffenen Tage grundsätzlich nicht auf den Urlaub angerechnet. Der Urlaub kann zu einem späteren Zeitpunkt genommen werden, vorbehaltlich der gesetzlichen und vertraglichen Regeln.

Darf während attestierter Arbeitsunfähigkeit eine Nebentätigkeit ausgeübt werden?

Eine Nebentätigkeit ist rechtlich problematisch, wenn sie dem attestierten Zustand widerspricht oder die Genesung beeinträchtigt. In solchen Fällen können arbeits- und sozialrechtliche Konsequenzen entstehen.

Ist eine Kündigung während der Krankheit möglich?

Eine Kündigung kann auch während der Krankheit erfolgen. Alle gesetzlichen Schutzvorschriften und Beteiligungsrechte sind zu beachten. Die Entgeltfortzahlung läuft innerhalb der gesetzlichen Dauer fort, endet jedoch spätestens mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.

Was passiert nach Ablauf der Entgeltfortzahlung?

Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung kommt bei gesetzlich Versicherten regelmäßig Krankengeld in Betracht, das einen Teil des entfallenen Entgelts ersetzt. Umfang und Dauer richten sich nach den Regeln der gesetzlichen Krankenversicherung.

Welche Besonderheiten gelten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten?

Bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten greifen zusätzlich die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese umfassen besondere Geld- und Rehabilitationsleistungen und unterscheiden sich in Details vom Krankengeld der Krankenversicherung.