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Erkrankung des Arbeitnehmers


Begriff und rechtliche Einordnung der Erkrankung des Arbeitnehmers

Die Erkrankung des Arbeitnehmers stellt einen zentralen Aspekt des deutschen Arbeitsrechts dar. Sie beschreibt den Zeitraum, in dem die Arbeitsfähigkeit eines Arbeitnehmers durch gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgehoben oder gemindert ist, sodass er die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht oder nur eingeschränkt erbringen kann. Die arbeitsrechtlichen Vorschriften differenzieren dabei nicht zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen. Maßgeblich sind die Krankheit und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit.

Voraussetzungen und Definition der Arbeitsunfähigkeit

Begriff der Arbeitsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer infolge einer Krankheit seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr einer Verschlimmerung der Erkrankung ausüben kann. Die Rechtsprechung und das Entgeltfortzahlungsgesetz (§ 3 Abs. 1 EFZG) legen zugrunde, dass die Definition der Arbeitsunfähigkeit an die medizinische Beurteilung anknüpft.

Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

Die Feststellung einer Erkrankung bzw. Arbeitsunfähigkeit erfolgt üblicherweise durch ärztliches Attest. Der sogenannte „gelbe Schein“ (Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit) dient sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch gegenüber Sozialversicherungsträgern als Beleg. Die Arbeitsunfähigkeit muss grundsätzlich spätestens ab dem vierten Kalendertag durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen werden; abweichende Regelungen im Arbeitsvertrag oder durch den Arbeitgeber sind möglich.

Rechte und Pflichten im Krankheitsfall

Anzeige- und Nachweispflicht

Arbeitnehmer sind gemäß § 5 EFZG verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Der Nachweis der Erkrankung durch ein ärztliches Attest ist spätestens am vierten Tag vorzulegen, wobei der Arbeitgeber berechtigt ist, dies bereits ab dem ersten Tag zu verlangen.

Konsequenzen bei Verletzung der Anzeige- und Nachweispflicht

Bei Nichtbeachtung dieser Pflichten drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Abmahnung oder im Wiederholungsfall unter Umständen auch eine Kündigung.

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Erkrankt ein Arbeitnehmer unverschuldet, gewährt das Entgeltfortzahlungsgesetz einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für bis zu sechs Wochen (§ 3 Abs. 1 EFZG). Als Verschulden gelten grob fahrlässige oder vorsätzliche Verstöße gegen die eigene Gesundheitspflicht.

Versicherungsschutz während der Krankheit

Gesetzliche Krankenversicherung

Arbeitnehmer sind im Krankheitsfall über die gesetzliche Krankenversicherung gegen Verdienstausfall abgesichert. Endet die Entgeltfortzahlung nach sechs Wochen, erhalten Versicherte Krankengeld.

Unfallversicherung

Erkrankungen infolge von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten fallen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier treten besondere Melde- und Nachweispflichten gegenüber dem Unfallversicherungsträger.

Krankheit und arbeitsvertragliche Nebenpflichten

Treue- und Rücksichtnahmepflicht

Auch während einer Erkrankung bleiben die Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Arbeitnehmer haben alles zu unterlassen, was den Heilungsprozess verzögern könnte, und müssen sich so verhalten, dass eine möglichst rasche Genesung und Rückkehr an den Arbeitsplatz begünstigt werden.

Krankheit und Kündigung

Kündigung durch den Arbeitgeber

Eine Erkrankung allein schützt nicht vor einer Kündigung. Kündigungen wegen Krankheitszeiten sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Voraussetzungen sind insbesondere:

  • Negative Gesundheitsprognose
  • Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
  • Interessenabwägung

Die Voraussetzungen sind nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Eine sogenannte krankheitsbedingte Kündigung erfordert eine umfassende Interessenabwägung und Prognose der weiteren Entwicklung.

Kündigungsschutz und Schwerbehinderung

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern finden besondere Schutzvorschriften Anwendung. Eine Kündigung bedarf der Zustimmung des Integrationsamts.

Krankheitsbedingte Abwesenheit und Urlaub

Erkrankung während des Urlaubs

Erkrankt ein Arbeitnehmer während eines genehmigten Urlaubs, werden die entsprechenden Urlaubstage nach § 9 Bundesurlaubsgesetz nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, sofern eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.

Anspruch auf Urlaubsabgeltung

Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und fortbestehender Arbeitsunfähigkeit kann ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung nicht genommenen Urlaubs bestehen, der grundsätzlich nach § 7 Abs. 4 BUrlG geregelt ist.

Datenschutz und Diskretion im Krankheitsfall

Die Diagnose selbst geht den Arbeitgeber grundsätzlich nichts an. Arbeitgeber dürfen nur die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer erfragen, jedoch keine Angaben zur Art der Erkrankung oder der Diagnose verlangen oder speichern. Lediglich im Falle von Arbeitsunfällen oder meldepflichtigen Infektionen bestehen hiervon abweichende Mitteilungspflichten.

Schlussbemerkung

Die Erkrankung des Arbeitnehmers ist ein arbeitsrechtlich hochkomplexes Thema mit weitreichenden Auswirkungen auf das individuelle Arbeitsverhältnis. Sie berührt grundlegende Rechte und Pflichten sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber und steht im unmittelbaren Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen sowie kündigungsrechtlichen Aspekten. Eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen und aktueller Rechtsprechung ist für die rechtssichere Abwicklung von Krankheitsfällen im Arbeitsverhältnis unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber melden?

Ja, der Arbeitnehmer ist nach § 5 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Das bedeutet, die Meldung hat ohne schuldhaftes Zögern, also in der Regel spätestens am ersten Krankheitstag zu Beginn der Arbeitszeit, entweder telefonisch, per E-Mail oder auf einen anderen vom Arbeitgeber vorgegebenen Weg zu erfolgen. Diese Mitteilungspflicht besteht unabhängig davon, ob eine ärztliche Bescheinigung bereits vorliegt.

Wann und wie muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden?

Spätestens am vierten Kalendertag der Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage bereits ab dem ersten Tag zu verlangen, wenn er dies ausdrücklich vorschreibt (§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Die Bescheinigung wird häufig als „gelber Schein“ bezeichnet und bestätigt die Dauer der voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit. Seit Januar 2023 erfolgt die Meldung gesetzlich Krankenversicherter in der Regel elektronisch vom Arzt zur Krankenkasse und von dort abrufbar für den Arbeitgeber.

Kann der Arbeitgeber während der Krankheit eine Nachuntersuchung verlangen?

Der Arbeitgeber darf keine eigene medizinische Untersuchung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers verlangen. Er kann aber den Medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten und so überprüfen lassen, ob die attestierte Arbeitsunfähigkeit berechtigt ist (§ 275 SGB V). Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten ggf. abweichende Vorgaben, insbesondere bei Zweifel an der Dienstfähigkeit.

Was geschieht, wenn der Arbeitnehmer gegen die Anzeigepflichten verstößt?

Verletzt der Arbeitnehmer seine Anzeige- oder Nachweispflichten, kann dies eine Abmahnung und im Wiederholungsfall auch eine (verhaltensbedingte) Kündigung rechtfertigen. Zudem kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung so lange verweigern, bis die ordnungsgemäße Anzeige oder der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nachgereicht wurde. Wichtig ist, dass nicht die Erkrankung an sich, sondern der Pflichtverstoß sanktioniert wird.

Ist eine Kündigung während einer Erkrankung rechtlich zulässig?

Eine Kündigung während einer Arbeitsunfähigkeit ist grundsätzlich möglich. Das Arbeitsrecht kennt kein generelles „Kündigungsverbot“ bei Krankheit. Eine Kündigung ist aber dann unwirksam, wenn sie allein wegen der Erkrankung ausgesprochen oder willkürlich erfolgt. Der Arbeitgeber muss für eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit bestimmte Voraussetzungen erfüllen, insbesondere eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen und eine Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers.

Erhält der Arbeitnehmer während der Krankheit weiterhin Gehalt?

Im Krankheitsfall erhält der Arbeitnehmer für bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG durch den Arbeitgeber, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen bestanden hat. Nach Ablauf dieser Frist kann ggf. Krankengeld durch die Krankenkasse gezahlt werden. Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur, wenn den Arbeitnehmer kein Verschulden an der Erkrankung trifft.

Welche Pflichten bestehen während der Krankschreibung weiterhin?

Auch während der Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Heilungsprozess verzögern könnte. Tätigkeiten, die den Genesungsverlauf gefährden oder geeignet sind, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu begründen (zum Beispiel schwere Gartenarbeit oder Nebenjobs, die die Erkrankung infrage stellen), können zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

Muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Auskunft über die Diagnose geben?

Nein, der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die genaue Diagnose oder Art der Erkrankung mitzuteilen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthält keine Angaben zur Ursache der Arbeitsunfähigkeit. Eine Ausnahme besteht nur, wenn dies aus arbeitsrechtlichen oder versicherungsrechtlichen Gründen explizit gesetzlich vorgeschrieben ist, was im Regelfall nicht zutrifft.