Legal Lexikon

Erinnerung


Erinnerung – Rechtliche Bedeutung und Anwendung

Die Erinnerung stellt im deutschen Recht einen bedeutenden Rechtsbehelf dar, der sich insbesondere im Zivilprozessrecht sowie im Bereich der Zwangsvollstreckung und Kostenfestsetzung wiederfindet. Der Begriff „Erinnerung” ist rechtlich eindeutig definiert und differenziert sich in Anwendung und Zweck von anderen Rechtsbehelfen wie dem Widerspruch, der Beschwerde oder dem Einspruch. Dieser Artikel bietet eine detaillierte, thematisch gegliederte Übersicht über die rechtlichen Aspekte der Erinnerung, deren Anwendungsbereiche, Rechtsgrundlagen, Unterschiede zu anderen Rechtsbehelfen sowie prozessuale Besonderheiten.


Allgemeine Definition der Erinnerung

Die Erinnerung ist ein formloser Rechtsbehelf, der gegen bestimmte gerichtliche oder behördliche Maßnahmen oder Entscheidungen eingelegt werden kann, wenn das Gesetz keine förmliche Beschwerde vorsieht. Hauptsächlich kommt sie im Kostenrecht, im Vollstreckungsrecht sowie im Mahnverfahren zum Tragen. Sie bietet Betroffenen die Möglichkeit, eine Überprüfung durch das jeweils zuständige Gericht oder die zuständige Stelle zu erwirken.


Rechtsgrundlagen der Erinnerung

Zivilprozessordnung (ZPO)

Eine der wichtigsten Rechtsgrundlagen für die Erinnerung findet sich in der Zivilprozessordnung (ZPO). In § 766 ZPO ist die sogenannte „Vollstreckungserinnerung” geregelt. Sie richtet sich gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Vollstreckungsorgans und dient der Überprüfung von Maßnahmen im Zwangsvollstreckungsverfahren.

§ 766 ZPO – Erinnerung gegen Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts
Die Vorschrift erlaubt es, gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung, soweit nicht ein anderes Rechtsmittel gegeben ist, Erinnerung einzulegen.

Kostenrechtliche Erinnerung

Ein weiterer Kernbereich ist das Kostenrecht. Nach § 11 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und § 104 Abs. 3 ZPO ist die Erinnerung zulässig, wenn Einwendungen gegen die Festsetzung von Kosten durch den Kostenbeamten oder die Kostenfestsetzungsstelle erhoben werden.

§ 11 Abs. 2 RVG – Erinnerung gegen Kostenansätze
Diese Regelung bietet eine Möglichkeit, gegen Kostenansätze, die auf der Rechtsgrundlage des RVG beruhen, vorzugehen.

Erinnerung im Mahnverfahren

Auch im Mahnverfahren (§ 573 ZPO) kann die Erinnerung eingelegt werden, insbesondere bei erlassenen Mahnbescheiden, wenn Verfahrensfehler geltend gemacht werden sollen.


Anwendungsbereiche der Erinnerung

Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO)

Die Vollstreckungserinnerung dient dazu, Maßnahmen des Gerichtsvollziehers oder Vollstreckungsorgans zu überprüfen. Sie kann eingelegt werden, wenn Verfahrensrechte verletzt oder gesetzliche Vorschriften im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht beachtet wurden.

Zulässigkeit und Form:
Die Erinnerung ist grundsätzlich formlos und fristlos möglich, sofern kein anderes Rechtsmittel vorgesehen ist. Sie ist nicht an eine Ausschlussfrist gebunden, kann jedoch ausgeschlossen sein, wenn bereits eine sofortige Beschwerde statthaft ist.

Verfahrensverlauf:
Nach Einlegung prüft das zuständige Vollstreckungsgericht die Maßnahme auf Rechtmäßigkeit. Ein mündlicher Termin ist nicht zwingend erforderlich, kann aber gewährt werden.

Kostenrechtliche Erinnerung

Im Rahmen der Kostenfestsetzung – etwa gegen Kostenrechnungen oder Kostenfestsetzungsbeschlüsse – dient die Erinnerung dazu, fehlerhafte Berechnungen oder Verfahrensfehler zu beanstanden.

Gegenstand der Erinnerung kann sein:

  • Die fehlerhafte Festsetzung der Höhe von Gerichts- oder Anwaltskosten
  • Unzuständige Festsetzungsstellen
  • Fehler im Erstattungsverfahren

Erinnerung im Mahnverfahren

Im Mahnverfahren kann die Erinnerung gegen den Erlass bestimmter Verfügungen oder den Inhalt von Mahnbescheiden eingelegt werden, sofern keine Rüge im Rahmen eines Widerspruchs oder Einspruchs möglich ist.


Verfahren und Wirkung der Erinnerung

Form und Frist

Form:
Die Erinnerung ist in der Regel nicht formgebunden und kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Einlegung ist auch durch elektronische Dokumente zulässig.

Fristen:
Für die Einlegung der Erinnerung sieht das Gesetz grundsätzlich keine Frist vor. Ausnahmen bestehen nur, wenn eine Verjährung oder anderweitige Ausschlussfristen laufen oder ein anderes Rechtsmittel vorrangig ist.

Entscheidung über die Erinnerung

Die Entscheidung obliegt regelmäßig dem Gericht oder der Stelle, gegen deren Maßnahme sich die Erinnerung richtet. Die Entscheidung kann mit der Überprüfung der ursprünglichen Maßnahme einhergehen und gegebenenfalls eine Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der Maßnahme nach sich ziehen. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist beispielsweise in Fällen der Vollstreckungserinnerung grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, es liegt eine abweichende gesetzliche Regelung vor.


Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen

Unterschied zur Beschwerde

  • Die Beschwerde (§ 567 ff. ZPO) ist ein förmlicheres Rechtsmittel und gegenüber der Erinnerung subsidiär; sie ist einzulegen, wenn das Gesetz sie vorsieht, insbesondere bei Entscheidungen mit gravierenderer Rechtswirkung.
  • Die Erinnerung ist auf die Korrektur von Maßnahmen oder Entscheidungen mit geringerem Gewicht beschränkt.

Unterschied zum Widerspruch und Einspruch

  • Der Widerspruch findet beispielsweise im Mahnverfahren Anwendung, wenn der Schuldner gegen einen Mahnbescheid vorgehen möchte. Die Erinnerung kann hingegen gegen formale Verfahrensfehler oder Vollstreckungsmaßnahmen eingelegt werden.
  • Der Einspruch ist ein Rechtsmittel gegen Versäumnisurteile oder gerichtliche Entscheidungen, nicht jedoch gegen Maßnahmen der Kostenfestsetzung oder Zwangsvollstreckung.

Unterschied zur sofortigen Beschwerde

  • Die sofortige Beschwerde ist in Fällen vorgesehen, in denen eine gesetzliche Anordnung dies explizit vorsieht (z. B. gegen Beschlüsse nach § 104 Abs. 3 ZPO). Die Erinnerung ist in diesen Fällen nicht statthaft.

Bedeutung und praktische Relevanz

Die Erinnerung ist insbesondere im Rahmen der Zwangsvollstreckung und der Kostenfestsetzung von hoher praktischer Relevanz. Sie garantiert eine weitere Kontrollinstanz bei Verfahrensfehlern oder fehlerhaften Maßnahmen, ohne die Einhaltung aufwendiger Fristen oder formeller Anforderungen. Die niedrige Zugangsschwelle stellt sicher, dass Betroffene auch ohne besondere Hürden eine rechtliche Überprüfung erhalten.

Gleichzeitig trägt die Erinnerung zur Rechtssicherheit und zum Schutz berechtigter Interessen bei, indem sie schnelle Korrekturmöglichkeiten für Verfahrenshandlungen bietet.


Fazit

Die Erinnerung ist ein zentraler, regelmäßig formloser und fristloser Rechtsbehelf im deutschen Verfahrensrecht, insbesondere im Bereich der Zwangsvollstreckung, Kostenfestsetzung und im Mahnverfahren. Sie dient der Überprüfung und Korrektur bestimmter gerichtlicher oder behördlicher Maßnahmen, sofern kein vorrangiges oder besonderes Rechtsmittel vorgesehen ist. Die zentrale Funktion der Erinnerung liegt dabei in der Sicherstellung materieller und verfahrensrechtlicher Richtigkeit sowie dem Schutz berechtigter Interessen innerhalb des Prozessrechts und angrenzender Rechtsgebiete.

Häufig gestellte Fragen

Besteht eine rechtliche Pflicht, Kunden an vertragliche Fristen oder Termine zu erinnern?

Grundsätzlich besteht für Unternehmen nach deutschem Recht keine allgemeine, gesetzliche Verpflichtung, ihre Kunden aktiv an vertragliche Fristen, Zahlungstermine oder andere Obliegenheiten aus dem Vertrag zu erinnern. Diese Erinnerungspflicht kann sich aber aus besonderen Umständen ergeben, etwa wenn dies vertraglich vereinbart wurde (z.B. in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder individuellen Verträgen) oder als Nebenpflicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), etwa wenn eine Partei offensichtlich erheblich nachteiligen Schaden erleiden könnte und dies leicht durch eine Benachrichtigung vermeidbar wäre. Ausnahmen können sich ebenfalls aus bestimmten Branchen oder gesetzlichen Spezialvorschriften ergeben, etwa im Bereich der Versicherungen (§ 38 VVG – Zahlungserinnerung der Versicherungsprämie) oder bei Dauerschuldverhältnissen mit Verbrauchern.

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für Zahlungserinnerungen und Mahnungen?

Zahlungserinnerungen sind rechtlich grundsätzlich nicht vorgeschrieben, da der Schuldner automatisch nach Ablauf der Zahlungsfrist in Verzug gerät (§ 286 Abs. 1 BGB). Eine Zahlungserinnerung dient lediglich als Service und ist rechtlich unverbindlich. Erst ab der ersten Mahnung, die nach Eintritt des Verzugs verschickt wird, entstehen bestimmte gesetzliche Konsequenzen, etwa das Recht, Verzugszinsen und Mahnkosten zu verlangen. Die Mahnung muss klar erkennen lassen, welche Forderung geltend gemacht wird und zur Zahlung innerhalb einer angemessenen Frist auffordern. Im Handel zwischen Unternehmen (B2B) ist eine Mahnung nicht zwingend erforderlich, bei Verbrauchern tritt Verzug normalerweise erst nach einer Mahnung oder 30 Tage nach Rechnungsstellung ein (§ 286 Abs. 3 BGB).

Gibt es besondere rechtliche Vorgaben für Erinnerungen im Datenschutzkontext?

Ja, Erinnerungen (z.B. an Termine, Vertragserfüllungen oder Zahlungen), die personenbezogene Daten enthalten oder verarbeiten, unterliegen den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Versendung von Erinnerungen bedarf einer rechtlichen Grundlage, in der Regel der Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO) oder bei Marketing-Erinnerungen einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Zudem müssen notwendige technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten getroffen sein, und die Betroffenenrechte (Auskunft, Löschung, Widerspruch) sind zu gewährleisten.

Welche Anforderungen gelten für Erinnerungen an Widerrufsfristen und Kündigungsmöglichkeiten?

Nach deutschem Recht besteht keine generelle Pflicht, Verbraucher aktiv an das Ende einer Widerrufsfrist oder an Kündigungsmöglichkeiten zu erinnern. Für bestimmte Vertragsarten wie Abonnements und Dauerschuldverhältnisse gilt seit dem 1. Juli 2022 allerdings, dass Anbieter bei sogenannten “Kündigungsbutton”-Verträgen (z.B. Online-Abos) unaufgefordert per E-Mail an die nächste Kündigungsmöglichkeit erinnern müssen (§ 312k Abs. 2 BGB). Erfolgt dies nicht, kann sich die Vertragslaufzeit nicht automatisch verlängern. Auch im Bereich von Versicherungen gibt es Hinweispflichten auf Kündigungsmöglichkeiten vor Vertragsverlängerung.

Ist die Missachtung einer (vertraglich vereinbarten) Erinnerung rechtlich relevant?

Wenn im Vertrag eine ausdrückliche Pflicht zur Erinnerung vorgesehen ist und diese unterlassen wird, kann dies eine Pflichtverletzung darstellen, die zu Schadensersatzansprüchen führen kann (§§ 280, 286 BGB). Voraussetzung ist jedoch, dass dem Vertragspartner durch die unterlassene Erinnerung tatsächlich ein Schaden entstanden ist und dies nachweisbar auf das Versäumnis zurückzuführen ist. Ohne eine vertraglich vereinbarte Pflicht entsteht keine Haftung.

Dürfen Erinnerungen automatisiert versendet werden? Welche rechtlichen Aspekte sind dabei zu beachten?

Automatisierte Erinnerungen sind grundsätzlich erlaubt, müssen sich jedoch an die rechtlichen Rahmenbedingungen halten, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und IT-Sicherheit. Dies umfasst die Einhaltung der DSGVO, § 13 TMG (bei Telemedien) und § 7 UWG (Unlauterer Wettbewerb), insbesondere wenn die Nachricht als Werbung eingestuft werden kann. Bei sensiblen Daten ist eine besondere Sorgfalt bei der technischen Ausgestaltung der Automatisierung erforderlich, sowie eine korrekte Empfängeradressierung. Die Empfänger dürfen nicht ungewollt belästigt werden (Spam-Verbot).

Welcher Unterschied besteht rechtlich zwischen einer Erinnerung und einer Mahnung?

Rechtlich ist eine Erinnerung lediglich ein unverbindlicher Hinweis auf eine bevorstehende oder bereits eingetretene Verpflichtung, während eine Mahnung einen rechtlichen Charakter hat und regelmäßig Voraussetzung für den Eintritt des Verzugs ist. Nur nach erfolgter Mahnung (oder Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfrist) entstehen Ansprüche auf Verzugszinsen und ggf. Mahnkosten. Die Erinnerung kann freiwillig und formlos erfolgen, die Mahnung muss jedoch den gesetzlichen Mindestanforderungen entsprechen.