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Erhaltungsmaßnahmen


Begriffserklärung und Definition von Erhaltungsmaßnahmen

Erhaltungsmaßnahmen sind im deutschen Recht all jene Handlungen, die dazu dienen, einen bestehenden Zustand – insbesondere von Sachen, Gebäuden, Grundstücken oder Rechten – zu bewahren, zu sichern oder wiederherzustellen. Sie haben das Ziel, eine Verschlechterung, den Untergang oder die Wertminderung des Rechtsguts zu verhindern. Üblicherweise stehen diese Maßnahmen im Zusammenhang mit bestehenden Rechtsverhältnissen, insbesondere im Miet-, WEG-, Erb-, Zivil- und Verwaltungsrecht.

Der Begriff ist dabei kein einheitlicher Begriff des Gesetzes, sondern findet sich in geprägter und unpräziser Form in vielen Rechtsnormen. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang der Erhaltungsmaßnahmen variieren dabei abhängig von der jeweiligen rechtlichen Grundlage und vom Regelungszusammenhang.


Erhaltungsmaßnahmen im Mietrecht

Pflicht zum Erhalt der Mietsache (§ 535 BGB)

Im Mietrecht kommt Erhaltungsmaßnahmen eine zentrale Bedeutung zu. Gemäß § 535 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache dem Mieter „im vertragsgemäßen Zustand“ zu überlassen und während der Mietzeit „in diesem Zustand zu erhalten“. Zu den Erhaltungsmaßnahmen gehören daher sämtliche Handlungen, die erforderlich sind, um diesen Zustand zu wahren, beispielsweise die Beseitigung von Schäden und die Durchführung notwendiger Reparaturen.

Umfang der Erhaltungspflicht

  • Instandhaltungsmaßnahmen: Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Gebrauchs.
  • Instandsetzungsmaßnahmen: Beseitigung bestehender Mängel und Schäden.
  • Wartung und Pflege: Regelmäßige und vorbeugende Maßnahmen, wie Kontrollen, Wartung von Heizungsanlagen oder Dachrinnenreinigung.

Lediglich unwesentliche und vertraglich auf den Mieter übertragene kleine Instandhaltungen (Kleinreparaturen) sind hiervon ausgenommen, sofern eine entsprechende Vereinbarung wirksam getroffen wurde.

Rechtsfolgen bei unterlassenen Erhaltungsmaßnahmen

Unterlässt der Vermieter notwendige Erhaltungsmaßnahmen, kann der Mieter nach § 536a BGB Schadenersatz verlangen oder nach angemessener Fristsetzung selbst Maßnahmen ergreifen und Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 536a Abs. 2 BGB – Selbstvornahme).


Erhaltungsmaßnahmen im Wohnungseigentumsrecht (WEG)

Im Wohnungseigentumsrecht regelt das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums. Nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG (a.F., seit 01.12.2020 § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG n.F.) gehören zu den ordnungsgemäßen Maßnahmen der Verwaltung insbesondere die „ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung“ des gemeinschaftlichen Eigentums.

Entscheidungskompetenz und Finanzierung

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist grundsätzlich verpflichtet, Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum zu beschließen und zu finanzieren. Jedes einzelne Mitglied kann die Durchführung notwendiger Erhaltung durch gerichtliche Hilfe durchsetzen (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG).

Abgrenzung zu baulichen Veränderungen

Erhaltungsmaßnahmen sind nicht mit Modernisierungen oder sonstigen baulichen Veränderungen gleichzusetzen. Sie dienen lediglich der Bewahrung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.


Erhaltungsmaßnahmen im Umweltrecht

Im Umweltrecht dienen Erhaltungsmaßnahmen regelmäßig dazu, den Natur- und Umweltschutz zu gewährleisten. Sie finden sich unter anderem im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), wo Maßnahmen zur Pflege und Entwicklung von Natur und Landschaft erfasst werden.

Beispiele

  • Pflege von Landschaftsschutzgebieten
  • Maßnahmen im Rahmen der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie zur Sicherung von Lebensräumen geschützter Arten

Teilweise werden Erhaltungsmaßnahmen durch behördliche Anordnungen oder durch Verpflichtungen aus Schutzverordnungen erforderlich.


Erhaltungsmaßnahmen im Sachenrecht

Auch im Sachenrecht finden sich Regelungen im Zusammenhang mit Erhaltungsmaßnahmen, vor allem im Rahmen der Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums nach §§ 744, 745 BGB und im Zusammenhang mit Erbengemeinschaften (§§ 2038, 2057a BGB).

Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung

Jeder Miteigentümer bzw. jeder Miterbe kann nach den Vorschriften des BGB verlangen, dass notwendige Maßnahmen zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands vorgenommen werden.


Erhaltungsmaßnahmen im Erbrecht

Verwaltung und Sicherung des Nachlasses

Nach § 2038 BGB ist jeder Miterbe verpflichtet, zur ordnungsgemäßen Verwaltung und damit auch zu Erhaltungsmaßnahmen am Nachlass mit beizutragen. Dies umfasst die Sicherung, Bewahrung und Werterhaltung der Nachlassgegenstände. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Miterbe erforderliche Maßnahmen alleine treffen, insbesondere zur Abwendung drohender Schäden.


Erhaltungsmaßnahmen im öffentlichen Recht

Im öffentlichen Recht treten Erhaltungsmaßnahmen häufig im Rahmen von Maßnahmen der Gefahrenabwehr, des Denkmalschutzes oder des Verwaltungszwangs auf.

Beispiele:

  • Anordnung zur Sicherung von gefährdeten Gebäuden durch Bauaufsichtsbehörden (§ 60 BauO Bln bzw. jeweilige Landesbauordnung)
  • Denkmalschutzrechtliche Maßnahmen zur Erhaltung von Kulturdenkmälern nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder

Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

Erhaltungsmaßnahmen sind deutlich gegenüber der Modernisierung, Sanierung und baulichen Veränderung abzugrenzen. Sie dienen ausschließlich dem Zweck, den vorhandenen Zustand zu sichern, nicht aber zur Verbesserung oder Erweiterung.


Zusammenfassung

Erhaltungsmaßnahmen stellen in zahlreichen Rechtsgebieten ein zentrales Instrument zur Bewahrung von Sachsubstanz, Rechten und Zuständen dar. Sie sind von Modernisierung und baulichen Veränderungen zu unterscheiden und begründen regelmäßig Pflichtenkreise für Eigentümer, Vermieter, Mieter, Erbengemeinschaften und sonstige Inhaber von Rechten. Ihre genaue Ausgestaltung, Umfang und rechtliche Durchsetzbarkeit ist von den jeweiligen gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen abhängig.


Relevante Gesetzesgrundlagen (Auszug)

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): §§ 535, 544, 744, 2038, 2057a
  • Wohnungseigentumsgesetz (WEG): § 19
  • Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
  • Landesbauordnungen
  • Denkmalschutzgesetze der Länder

Durch die komplexe Einbindung in unterschiedliche Rechtsmaterien und die Vielschichtigkeit der Anwendungsfälle sind Erhaltungsmaßnahmen ein bedeutendes und regelmäßig konfliktträchtiges Thema im deutschen Rechtssystem.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen erfüllt sein?

Für die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen im rechtlichen Sinne, beispielsweise im Mietrecht nach § 555a BGB, ist es erforderlich, dass es sich tatsächlich um Maßnahmen handelt, die der Erhaltung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Mietsache dienen. Gesetzlich definiert ist, dass diese Arbeiten ohne Zustimmung des Mieters vorgenommen werden dürfen, sofern sie notwendig sind. Notwendig ist eine Erhaltungsmaßnahme immer dann, wenn ein bestehender oder drohender Mangel an der Mietsache besteht oder wenn Rechtsvorschriften, behördliche Auflagen oder öffentlich-rechtliche Anforderungen (z. B. aus dem Bauordnungsrecht) eine Durchführung erfordern. Vermieter sind verpflichtet, Mieter nach § 555c BGB rechtzeitig über Art, Umfang, Beginn und voraussichtliche Dauer der Maßnahme zu informieren, wobei bestimmte Fristen und Formvorschriften einzuhalten sind. Außerdem dürfen Erhaltungsmaßnahmen nicht mit Modernisierungsmaßnahmen vermischt werden, da hier jeweils unterschiedliche rechtliche Anforderungen und Ankündigungspflichten bestehen. Der Mieter muss die Durchführung dulden, es sei denn, es bestehen besondere Härtegründe.

Welche Benachrichtigungsfristen sind vor Beginn von Erhaltungsmaßnahmen einzuhalten?

Gemäß § 555c BGB ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter rechtzeitig vor Beginn von Erhaltungsmaßnahmen zu informieren. Rechtzeitig bedeutet im Regelfall mindestens drei Tage im Voraus, wobei die Ankündigung schriftlich oder zumindest in Textform erfolgen muss. Die Mitteilung muss dabei den genauen Zeitpunkt, die voraussichtliche Dauer, das Ausmaß und den Zweck der Maßnahmen beinhalten. Abweichungen hiervon sind nur in dringenden Fällen, beispielsweise bei akuten Gefahren für die Mietsache, möglich; dann entfällt die Pflicht zur rechtzeitigen Ankündigung und die Maßnahmen dürfen unmittelbar durchgeführt werden. Versäumt der Vermieter diese Informationspflicht ohne einen rechtfertigenden Grund, kann der Mieter unter Umständen Schadensersatzansprüche geltend machen oder die Duldung der Arbeiten verweigern.

Dürfen Erhaltungsmaßnahmen zu einer Mieterhöhung führen?

Nach § 559 BGB berechtigen reine Erhaltungsmaßnahmen den Vermieter grundsätzlich nicht zur Umlage der dadurch entstehenden Kosten auf die Miete. Erhaltungsmaßnahmen sind ausschließlich dazu bestimmt, den ursprünglichen Zustand der Mietsache wiederherzustellen beziehungsweise zu bewahren. Eine Umlage der Kosten auf den Mieter ist nur dann möglich, wenn die Maßnahmen zugleich Modernisierungen im Sinne von § 555b BGB darstellen und zu einer dauerhaften Verbesserung des Wohnwerts oder einer nachhaltigen Einsparung von Energie oder Wasser führen. Vermieter müssen die strikte Abgrenzung zwischen Erhaltung und Modernisierung beachten, da andernfalls eine unzulässige Mieterhöhung droht, gegen die der Mieter rechtlich vorgehen kann.

Inwieweit ist der Gebrauch der Mietsache während Erhaltungsmaßnahmen eingeschränkt und welche Rechte ergeben sich daraus für den Mieter?

Während der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen kann es zu zeitlich begrenzten Einschränkungen beim Gebrauch der Mietsache kommen. Der Mieter ist dabei nach § 555a Abs. 1 BGB grundsätzlich verpflichtet, die Maßnahmen zu dulden, sofern sie ordnungsgemäß angekündigt und durchgeführt werden. Kommt es jedoch zu erheblichen Beeinträchtigungen, die über das übliche Maß hinausgehen (z. B. starke Lärmbelästigungen, Unbewohnbarkeit einzelner Räume oder das vollständige Entfallen der Gebrauchstauglichkeit), besteht nach § 536 BGB das Recht des Mieters auf eine angemessene Mietminderung für die Dauer der Beeinträchtigung. Zusätzlich kann der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen Schadenersatzansprüche geltend machen, falls ihm durch die Durchführung der Erhaltungsmaßnahmen unmittelbare finanzielle Schäden entstehen, die über das gewöhnliche Maß hinausgehen.

Welche Rechte und Pflichten bestehen, wenn Erhaltungsmaßnahmen nicht oder verspätet durchgeführt werden?

Kommt der Vermieter seiner Pflicht zur Durchführung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen nicht oder verspätet nach, sieht das Gesetz verschiedene Reaktionsmöglichkeiten für den Mieter vor. Zum einen kann der Mieter nach § 536 BGB die Miete mindern, sofern ein Mangel der Mietsache vorliegt. Weiterhin kann der Mieter nach § 536a BGB Schadensersatz verlangen, wenn der Vermieter den Mangel verschuldet oder nicht rechtzeitig beseitigt hat. Bei Gefahr im Verzug (bspw. Rohrbruch) kann der Mieter nach vorheriger Ankündigung und Fristsetzung zur Selbstvornahme berechtigt sein (§ 536a Abs. 2 BGB), das heißt, er darf die erforderlichen Maßnahmen selbst veranlassen und vom Vermieter Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen. Voraussetzung ist stets, dass der Vermieter rechtzeitig und nachweisbar auf den Mangel und die Erforderlichkeit der Maßnahme hingewiesen wurde.

Welche Besonderheiten gelten für Erhaltungsmaßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden?

Erhaltungsmaßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden sind in einem besonderen rechtlichen Rahmen durchzuführen. Hier gelten neben den mietrechtlichen Vorschriften zusätzlich die Vorgaben des Denkmalschutzgesetzes der jeweiligen Bundesländer. Erhaltungsmaßnahmen bedürfen in der Regel einer Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörde. Dabei sind die Anforderungen an Materialien und Ausführung oft strenger und auf die Erhaltung des historischen Bestands ausgerichtet. Maßnahmen ohne erforderliche Genehmigung können Bußgelder und die Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nach sich ziehen. Vermieter sind verpflichtet, sowohl die Mieter als auch die zuständigen Behörden rechtzeitig über geplante Maßnahmen zu informieren und bei der Ausführung die behördlichen Auflagen strikt zu beachten. Auch Mieter müssen dulden, dass behördlich angeordnete oder genehmigte Erhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Sie haben jedoch weiterhin Anspruch auf Mietminderung bei erheblichen Beeinträchtigungen.