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Ergebnisabführungsvertrag


Begriff und Wesen des Ergebnisabführungsvertrags

Ein Ergebnisabführungsvertrag ist ein zentrales Instrument des deutschen Gesellschaftsrechts und bezeichnet einen schuldrechtlichen Unternehmensvertrag, durch den sich eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft (meist als Organgesellschaft bezeichnet) verpflichtet, ihren Jahresüberschuss (soweit rechtlich zulässig und handelsrechtlich nachweisbar) an eine herrschende Gesellschaft (Organträger) abzuführen. Die Regelungen zu Ergebnisabführungsverträgen sind primär im Aktiengesetz (AktG) sowie ergänzend im Handelsgesetzbuch (HGB) und im Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) normiert, wobei sie insbesondere im Kontext der sogenannten Organschaft, also einer engen Verbindung rechtlich selbständiger Unternehmen, von Bedeutung sind.

Abgrenzung zu anderen Unternehmensverträgen

Der Ergebnisabführungsvertrag ist eine besondere Ausprägung des Unternehmensvertrages. Weitere Formen sind Beherrschungsverträge und Gewinnabführungsverträge. Während der Gewinnabführungsvertrag allein die Abführung des bilanziellen Gewinns regelt, erweitert der Ergebnisabführungsvertrag diesen Umfang um die Möglichkeit, sowohl Gewinne als auch Verluste (im Wege des Verlustausgleichs) auszugleichen. Er bildet damit die Grundlage für die steuerliche Organschaft, bei der mehrere rechtlich selbständige Unternehmen steuerlich als einheitlich behandelt werden können.

Gesetzliche Grundlagen des Ergebnisabführungsvertrags

Regelungen im Aktiengesetz (§§ 291 ff. AktG)

Die wesentlichen Vorschriften finden sich in den §§ 291 ff. AktG. Gemäß § 291 Abs. 1 AktG kann eine Aktiengesellschaft als abhängige Gesellschaft (Organgesellschaft) einen Vertrag mit einem anderen Unternehmen (Organträger) abschließen, in dem sie sich verpflichtet, ihren Gewinn an diesen abzuführen. Der Vertrag bedarf zwingend der Zustimmung der Hauptversammlung der Organgesellschaft mit einer qualifizierten Mehrheit und ist notariell zu beurkunden.

Handelsrechtliche Vorschriften

Nach § 277 Abs. 3 HGB ist bei bestehendem Ergebnisabführungsvertrag ein entsprechender Posten für Abführungen an den Organträger auszuweisen. Aufgrund des Ergebnisabführungsvertrags unterliegt die Organgesellschaft bestimmten handelsrechtlichen Reservenbildungen und Ergebniskorrekturen.

Steuerrechtliche Vorschriften

Die steuerliche Behandlung des Ergebnisabführungsvertrags ist wesentlich für dessen praktische Bedeutung. Nach § 14 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) ist ein wirksamer Ergebnisabführungsvertrag Voraussetzung für die Anerkennung der Organschaft im Steuerrecht, wodurch u. a. eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten im Konzern möglich wird.

Inhalt und Gestaltung eines Ergebnisabführungsvertrags

Vertragsparteien

Klassischerweise bestehen Ergebnisabführungsverträge zwischen einer Muttergesellschaft (Organträger) und einer Tochtergesellschaft (Organgesellschaft). Zulässig sind dabei sämtliche Kapitalgesellschaften und Genossenschaften.

Vertragspflichten

Im Kern verpflichtet sich die Organgesellschaft, ihren gesamten, nach den handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn an den Organträger abzuführen. Umgekehrt ist der Organträger verpflichtet, Verluste der Organgesellschaft auszugleichen, so dass keine Substanzminderung erfolgen kann (§ 302 AktG). Die Verpflichtung zur Gewinnabführung kann dabei nicht auf den handelsrechtlichen Jahresüberschuss beschränkt werden.

Abführungspflicht des Organs

Die Organgesellschaft hat den abzuführenden Betrag grundsätzlich innerhalb der üblichen Fristen an den Organträger zu zahlen. Es sind jedoch Rücklagen zulässig, soweit dies vernünftigen kaufmännischen Ermessen entspricht oder gesetzlichen Vorschriften entspricht (§ 301 AktG).

Verlustübernahmepflicht des Organträgers

Gemäß § 302 AktG muss der Organträger während der gesamten Vertragsdauer etwaige Verluste der Organgesellschaft übernehmen. Diese Verpflichtung ist unabdingbar und verschafft eigenen Gläubigern der Organgesellschaft erweiterte Sicherheiten.

Form und Wirksamkeit

Ein Ergebnisabführungsvertrag bedarf gemäß § 293 AktG der Schriftform und notariellen Beurkundung. Zudem ist der Vertrag beim Handelsregister zur Eintragung anzumelden und erst mit dieser Eintragung wirksam (§ 294 AktG).

Mindestlaufzeit und Kündigung

Der Vertrag muss mindestens für fünf Jahre abgeschlossen werden (§ 302 Abs. 1 AktG) und kann vor Ablauf dieser Frist nur aus wichtigem Grund gekündigt werden, etwa im Falle einer Insolvenz einer der Vertragsparteien.

Auswirkungen und Rechtsfolgen

Handelsbilanzielle Auswirkungen

Die Bilanzierung des Ergebnisabführungsvertrags führt dazu, dass der Gewinn der Organgesellschaft „durchgeleitet“ und nicht thesauriert wird. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Eigenkapitalbildung und Dividendenfähigkeit der Organgesellschaft.

Steuerliche Auswirkungen und Konzernsteuerrecht

Zentrale Bedeutung hat der Ergebnisabführungsvertrag für die steuerliche Organschaft gemäß den §§ 14 ff. KStG. Durch den Vertrag entsteht eine Zusammenfassung der steuerlichen Ergebnisse von Organträger und Organgesellschaft. Auf diese Weise können Verluste und Gewinne innerhalb des Konzerns verrechnet werden, was zu erheblichen Steuervorteilen führen kann.

Voraussetzungen für steuerliche Anerkennung

Für die Anerkennung des Ergebnisabführungsvertrags im Steuerrecht sind besondere Anforderungen zu erfüllen. Der Vertrag muss insbesondere während der Mindestlaufzeit tatsächlich „durchgeführt“ werden, d. h. die vereinbarten Zahlungen müssen tatsächlich erbracht werden. Zudem dürfen sich keine Nebenabreden ergeben, die dem Charakter des Vertrags entgegenstehen.

Sonderrechte einzelner Aktionäre und Gläubigerschutz

Da ein Ergebnisabführungsvertrag häufig erhebliche Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Organgesellschaft und somit auf die Interessen ihrer Aktionäre oder Gläubiger haben kann, schreibt das Gesetz verschiedene Schutzmechanismen vor. Aktionären der Organgesellschaft steht unter Umständen ein Anspruch auf Barabfindung oder angemessene Ausgleichszahlungen zu (§ 304 AktG). Zugleich werden Gläubiger durch die Pflicht zur Verlustübernahme seitens des Organträgers gestärkt (§ 303 AktG).

Beendigung und Fortwirkungen des Ergebnisabführungsvertrags

Nach Ablauf der Mindestvertragsdauer kann der Ergebnisabführungsvertrag mit einer Frist von sechs Monaten zum Geschäftsjahresende gekündigt werden, sofern keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Nach Vertragsbeendigung bleibt die Pflicht des Organträgers zur Verlustübernahme für während der Vertragslaufzeit entstandene Verluste bestehen (§ 303 AktG).

Bedeutung in der Unternehmenspraxis

Der Ergebnisabführungsvertrag ist ein zentrales Instrument zur rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindung von Unternehmen. Er findet regelmäßig Anwendung in Konzernstrukturen, um die steuerliche Organschaft zu bilden und dadurch konzerninterne Leistungsverrechnungen sowie eine optimierte steuerliche Behandlung zu erreichen. Aufgrund der komplexen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen ist eine sorgfältige Vertragsgestaltung von erheblicher Bedeutung.

Literatur und weiterführende Vorschriften

Relevante Gesetzestexte sind im Aktiengesetz (insbesondere §§ 291-307 AktG), im Körperschaftsteuergesetz (§§ 14-19 KStG) und im Handelsgesetzbuch (§ 277 HGB) zu finden. Weitere Ausführungen und Kommentierungen bieten Fachliteratur zu Unternehmensverträgen sowie Konzern- und Steuerrecht. Der Ergebnisabführungsvertrag bleibt damit ein zentrales Rechtsinstitut im deutschen Wirtschaftsrecht mit erheblicher praktischer Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Anforderungen müssen für den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags erfüllt sein?

Für den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags im Sinne der §§ 291 ff. AktG (Aktiengesetz) müssen verschiedene gesetzliche Voraussetzungen beachtet werden. Zwingend ist der Vertrag schriftlich abzuschließen und von den Vertretungsorganen beider Gesellschaften zu unterzeichnen. Der Ergebnisabführungsvertrag bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft mit einer qualifizierten Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals (§ 293 Abs. 1 AktG). Bei einer GmbH ist die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich. Zudem muss der Vertrag zur Eintragung in das Handelsregister der abhängigen Gesellschaft angemeldet werden; erst mit dieser Eintragung wird der Vertrag wirksam. Weiterhin sind der Vertrag und die Zustimmungserklärungen aller beteiligten Gesellschaften in den Gesellschaftsregistern offenzulegen. Darüber hinaus bestehen nach § 293a AktG umfassende Informations- und Offenlegungspflichten, insbesondere ist ein gemeinsamer Bericht der Geschäftsführung(en) zu erstellen, der die Angemessenheit des Vertrags erläutert. In bestimmten Fällen (insb. bei Minderheitsgesellschaftern) ist darüber hinaus eine Prüfung des Vertrags durch einen gerichtlich bestellten Vertragsprüfer erforderlich (§ 293b AktG).

Welche Rechte stehen den Minderheitsgesellschaftern bei Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags zu?

Minderheitsgesellschafter der abhängigen Gesellschaft (z. B. eine AG oder GmbH) genießen beim Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags besonderen Schutz. Sie haben vor allem Anspruch auf eine angemessene Kompensation (Ausgleichszahlung) gemäß § 304 AktG, da ihre Beteiligung faktisch wirtschaftlich entwertet wird. Darüber hinaus steht ihnen im Regelfall ein Abfindungsanspruch (§ 305 AktG) zu, der ihnen gestattet, ihre Anteile gegen Barabfindung aufzugeben. Die Angemessenheit dieser Ausgleichs- und Abfindungsregelungen muss durch einen unabhängigen, gerichtlich bestellten Vertragsprüfer (idR ein Wirtschaftsprüfer) geprüft werden. Minderheitsgesellschafter können außerdem gegen den Vertragsabschluss Anfechtungsklage erheben, falls sie die Ausgleichs- und Abfindungsregelungen für zu niedrig halten oder formelle Fehler beim Vertragsabschluss feststellen.

Wann beginnt und endet die Laufzeit eines Ergebnisabführungsvertrags rechtlich wirksam?

Ein Ergebnisabführungsvertrag tritt nicht bereits mit seiner Unterzeichnung, sondern grundsätzlich erst mit Eintragung in das Handelsregister der abhängigen Gesellschaft in Kraft (§ 294 Abs. 2 AktG). Die Laufzeit ist im Gesetz geregelt: Nach § 302 Abs. 3 S. 1 AktG kann der Vertrag frühestens nach Ablauf von fünf Jahren (gerechnet ab Beginn des Geschäftsjahres, in dem der Vertrag wirksam geworden ist) ordentlich gekündigt werden, sofern nichts anderes vereinbart ist. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrags ist nur aus wichtigem Grund möglich, beispielsweise bei Veräußerung sämtlicher Anteile der herrschenden Gesellschaft, bei Insolvenz der herrschenden oder abhängigen Gesellschaft oder bei einer Verschmelzung oder Spaltung. Ansonsten bleibt der Vertrag bis zur Beendigung im Handelsregister eingetragen. Ein wirksam gelöster Vertrag führt zu Nachhaftungstatbeständen, insbesondere für Altverpflichtungen gemäß § 303 AktG.

Welche steuerrechtlichen Auswirkungen hat ein Ergebnisabführungsvertrag?

Ein Ergebnisabführungsvertrag ermöglicht es Gesellschaften, die sogenannte körperschaftsteuerliche Organschaft (§ 14 KStG) und gewerbesteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG) steuerrechtlich zu nutzen. Für die Anerkennung als Organschaft muss der Ergebnisabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während der gesamten Laufzeit durchgeführt werden. Außerdem muss die tatsächliche Durchführung der Ergebnisabführung nachgewiesen werden, d. h., der abzuführende Gewinn ist tatsächlich zu überweisen und kein bloßer buchhalterischer Vorgang. Bei ordnungsgemäßer Durchführung führt die steuerliche Organschaft dazu, dass Gewinne und Verluste zwischen Organträger und Organgesellschaft auf Ebene des Organträgers konsolidiert und damit steuerlich verrechnet werden können. Fehlt es an der tatsächlichen Durchführung, droht die steuerliche Aberkennung des Ergebnisabführungsvertrags mit erheblichen steuerlichen Nachteilen.

Können Ergebnisabführungsverträge nachträglich geändert werden?

Eine nachträgliche Änderung eines Ergebnisabführungsvertrags ist grundsätzlich möglich, erfordert aber – ähnlich wie beim Neuabschluss – die Zustimmung der Haupt- beziehungsweise Gesellschafterversammlung der abhängigen Gesellschaft sowie eine erneute notarielle Beurkundung und Eintragung im Handelsregister. Jede Vertragsänderung unterliegt denselben gesetzlichen Prüfungs- und Offenlegungsvorschriften wie der ursprüngliche Vertragsabschluss, insbesondere was die Rechte von Minderheitsgesellschaftern betrifft. Auch eine erneute Prüfung durch einen gerichtlich bestellten Vertragsprüfer kann erforderlich werden, falls sich die Änderungen nachteilig auf die Kompensations- oder Abfindungsregelungen auswirken können.

Können Aktionäre und Gesellschafter gegen einen Ergebnisabführungsvertrag Klage erheben?

Aktionäre und Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft haben das Recht, einen Ergebnisabführungsvertrag anzufechten. Die Klage kann sich insbesondere auf formelle Fehler beim Vertragsschluss, unzureichende Ausgleichs- oder Abfindungszahlungen oder sonstige Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben und Schutzrechte von Minderheitsgesellschaftern stützen. Die Anfechtung erfolgt als Anfechtungsklage gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung. Wird die Klage rechtzeitig erhoben, wird die Eintragung des Vertrags im Handelsregister zunächst nicht verhindert, wohl aber nachträglich die Wirksamkeit des Vertrags beseitigt, falls das Gericht den Anfechtungsgründen folgt.

Welche Haftung besteht nach Beendigung eines Ergebnisabführungsvertrags?

Nach Beendigung eines Ergebnisabführungsvertrags bestehen Nachhaftungstatbestände gemäß § 303 AktG. Die herrschende Gesellschaft haftet noch für alle Verpflichtungen der abhängigen Gesellschaft, die während der Vertragslaufzeit begründet wurden, und zwar für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Vertrag beendet wurde. Diese Nachhaftung gilt auch im Fall der ordentlichen oder außerordentlichen Beendigung des Vertrags und schützt Gläubiger der abhängigen Gesellschaft vor nachteiligen Vermögensverschiebungen während der Vertragsdauer.

Welche Rolle spielt der Vertragsprüfer beim Ergebnisabführungsvertrag?

Der Vertragsprüfer, meist ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer, wird gemäß § 293b AktG vom Gericht bestellt und hat die Aufgabe, die Angemessenheit der Ausgleichs- und Abfindungsregelungen im Ergebnisabführungsvertrag zu überprüfen. Er erstellt hierzu einen Prüfungsbericht, der den Gesellschaftern vor der Beschlussfassung vorzulegen ist. Der Prüfbericht muss insbesondere darauf eingehen, ob die im Vertrag festgelegten Ausgleichs- und Abfindungsleistungen angemessen sind und auf nachvollziehbaren Bewertungsmethoden beruhen. Ohne diesen Prüfungsbericht kann der Vertrag nicht wirksam beschlossen werden, sofern die Prüfung gesetzlich vorgeschrieben ist – insbesondere in Aktiengesellschaften und vergleichbaren Konstellationen.