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Ergänzungsabgabe


Begriffsdefinition und rechtliche Einordnung der Ergänzungsabgabe

Die Ergänzungsabgabe ist ein Begriff aus dem deutschen Steuerrecht und bezeichnet eine besondere Form der Steuer, die neben bestehenden Steuern erhoben wird. Sie hat eine eigenständige rechtliche Qualität und dient insbesondere dem Ausgleich von Einnahmebedarf auf Ebene des Bundes. Die bekannteste und derzeit einzige praktische Ausprägung der Ergänzungsabgabe in Deutschland ist der Solidaritätszuschlag.

Historische Entwicklung der Ergänzungsabgabe

Ursprünge und Entwicklung im Grundgesetz

Die Ergänzungsabgabe wurde durch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Gemäß Artikel 106 Absatz 1 Nummer 6 GG steht dem Bund das Recht zu, Ergänzungsabgaben zu den Einkommen- und Körperschaftsteuern zu erheben. Die Einführung diente vor allem dem Ziel, dem Bund ein flexibles Instrument zur Deckung zusätzlicher finanzieller Bedarfe zu verschaffen, ohne den Steuertarif der Hauptsteuerarten verändern zu müssen.

Bedeutung im Finanzausgleich

Die Ergänzungsabgabe stellt keine eigene Steuerart dar, sondern wird als Zuschlag auf bestehende Steuern (in der Praxis auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer) erhoben. Ihre Einführung trägt dem Gedanken Rechnung, Bund und Länder steuerlich zu entflechten und mit klaren Einnahmequellen zu versehen.

Verfassungsrechtliche Grundlagen der Ergänzungsabgabe

Gesetzliche Grundlagen

Die Erhebung einer Ergänzungsabgabe ist im Grundgesetz geregelt. Der relevante Passus verweist explizit auf ergänzende Abgaben zur Einkommen- und Körperschaftsteuer. Die steuerrechtliche Ausgestaltung erfolgt im Einzelnen durch einfachgesetzliche Regelungen, wie etwa das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG).

Steuerliche Systematik

Ergänzungsabgaben sind nach der Systematik des deutschen Steuerrechts Bundessteuern. Sie stehen ausschließlich dem Bund zu und werden parallel zu den genannten Gemeinschaftsteuern erhoben, jedoch nicht mit diesen geteilt. Die verfassungsrechtliche Legitimation ergibt sich aus dem Ziel, den Bund handlungs- und leistungsfähig zu halten, insbesondere in finanziellen Ausnahmesituationen.

Abgrenzung zu anderen Steuerarten

Im Unterschied zu Zuschlagsteuern wie der Kirchensteuer, die von den Landesfinanzbehörden verwaltet werden, ist die Ergänzungsabgabe eine eigenständige Steuer des Bundes, die ausschließlich und unmittelbar an diesen fließt. Sie besitzt damit eine Sonderstellung im Gefüge der deutschen Steuern.

Anwendungsbereiche und praktische Umsetzung

Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe

Die bekannteste und einzige gegenwärtig erhobene Ergänzungsabgabe in der Bundesrepublik Deutschland ist der Solidaritätszuschlag. Er wurde erstmals 1991 zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt und wird als prozentualer Zuschlag auf die Einkommen- sowie Körperschaftsteuer erhoben. Die Besteuerungsgrundlage, das Verwaltungsverfahren und die Zweckbindung ergeben sich aus dem Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 (SolZG 1995).

Veranlagungsverfahren und Erhebung

Die Ergänzungsabgabe wird im Rahmen der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung festgesetzt. Die steuerpflichtige Person erhält einen gesonderten Festsetzungsbescheid, in dem die Ergänzungsabgabe als selbstständiger Posten ausgewiesen wird. Die Erhebung erfolgt gemeinsam mit der Hauptsteuer durch die Finanzbehörden.

Bemessungsgrundlage

Als Bemessungsgrundlage dient die festgesetzte Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Der Satz der Ergänzungsabgabe ist in einem separaten Gesetz festgelegt und kann entweder als fester Prozentsatz oder als gestaffelter Wert ausgestaltet werden. Im Fall des Solidaritätszuschlags beträgt dieser Satz in der ursprünglichen Fassung 5,5 Prozent.

Verfassungsrechtliche Kontrolle und Rechtsprechung

Rolle des Bundesverfassungsgerichts

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Ergänzungsabgabe unterliegt einer umfassenden Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere entscheidet das Gericht über Streitfälle, ob und in welchem Umfang die Erhebung einer solchen Steuer mit dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG), dem Grundsatz der Steuerrechtsklarheit sowie der Belastungsgleichheit im deutschen Steuersystem vereinbar ist.

Rechtsprechung zum Solidaritätszuschlag

Mehrfach wurde die Zulässigkeit des Solidaritätszuschlags vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Zuletzt bestätigte das Gericht im Urteil vom 17. Januar 2006 (Az. 2 BvL 2/04) die Vereinbarkeit dieser Ergänzungsabgabe mit dem Grundgesetz. Die zeitliche Befristung und die Zweckbindung sind fortwährende Themen in der verfassungsrechtlichen Diskussion.

Steuerrechtliche Bedeutung und finanzpolitische Funktion

Finanzielle Bedeutung

Die Ergänzungsabgabe ist ein bedeutendes Instrument zur kurzfristigen Deckung von Mehrbedarfen im Bundeshaushalt. Durch die Möglichkeit einer relativen unkomplizierten Einführung und Anpassung – sowohl in Bezug auf die Höhe als auch auf die Dauer der Abgabenerhebung – steht ein flexibles finanzpolitisches Instrument zur Verfügung.

Steuerpolitische Diskussion

Die Einführung, Verlängerung oder Abschaffung einer Ergänzungsabgabe ist regelmäßig Gegenstand politischer und steuerfachlicher Debatten. Während der Bund auf den damit erzielbaren Einnahmen beharrt, werden regelmäßig Forderungen nach deren Abschaffung erhoben.

Unterschiede zu anderen steuerlichen Instrumenten

Zuschlagsteuern und Sonderabgaben

Die Ergänzungsabgabe unterscheidet sich sowohl von den reinen Zuschlagsteuern, die von Körperschaften der öffentlichen Hand (wie den Kirchen) erhoben werden, wie auch von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion. Sie ist stets an eine bereits bestehende Steuer gebunden und wird separat ausgewiesen.

Keine Zweckgebundenheit

Verfassungsrechtlich ist für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe keine direkte Zweckbindung erforderlich. Der Gesetzgeber muss jedoch einen legitimen, sachlichen Grund für die Einführung einer solchen Ergänzungsabgabe geltend machen und diese im Gesetzgebungsverfahren umfassend begründen.

Internationaler Vergleich

Ergänzungsabgaben in anderen Ländern

Die rechtliche Konstruktion der Ergänzungsabgabe findet sich in vergleichbarer Form nur vereinzelt im internationalen Steuerrecht. Sie stellt eine Besonderheit des deutschen Finanzverfassungsrechts dar und ist in anderen Staaten üblicherweise nicht bekannt.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Ergänzungsabgabe nimmt als eigenständige Steuer mit Zuschlagscharakter im deutschen Steuerrecht eine besondere Stellung ein. Ihre verfassungsrechtliche Verankerung gestattet es dem Bund, flexibel auf Haushaltsnotwendigkeiten zu reagieren. Aktuell ist der Solidaritätszuschlag die einzige Erhebungsform. Die Diskussion um deren weitere Erhebung oder Abschaffung bleibt ein zentrales Thema in der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland.


Quellenangabe:

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 106
  • Solidaritätszuschlagsgesetz (SolZG)
  • Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse und Urteile zum Solidaritätszuschlag
  • Fachliteratur zum deutschen Steuer- und Finanzrecht (u. a. Tipke/Lang: Steuerrecht)

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen rechtlichen Information und ersetzt keine individuelle Beratung.

Häufig gestellte Fragen

Wann und unter welchen Voraussetzungen kann eine Ergänzungsabgabe erhoben werden?

Eine Ergänzungsabgabe kann in Deutschland nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes vom Bund erhoben werden, wenn das Steuersystem des Bundes besondere Finanzbedarfe aufweist, die durch die regulären Steuereinnahmen nicht gedeckt werden können. Die Voraussetzung ist, dass ein vorübergehender, nicht dauerhaft angelegter Mehrbedarf an Bundesmitteln besteht. Die Erhebung einer Ergänzungsabgabe setzt einen Bundestagsbeschluss in Form eines Bundesgesetzes voraus, das die Höhe, den Zeitraum sowie den Erhebungszweck regelt. Das Gesetzgebungsverfahren unterliegt dabei den allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Vorbehalt des Gesetzes und der Beteiligung des Bundesrates, sofern die Abgabe Bundessteuern betrifft, deren Aufkommen auch auf die Länder verteilt wird. Die Ergänzungsabgabe steht ausschließlich dem Bund zu; eine Beteiligung der Länder oder Gemeinden ist ausgeschlossen. Juristisch gesehen darf eine Ergänzungsabgabe zudem nicht permanent erhoben werden, da sie als Ausgleichsinstrument für außergewöhnliche Belastungen des Bundeshaushalts konzipiert ist und nicht als verdeckte Steuererhöhung dienen darf.

Welche verfassungsrechtlichen Grenzen bestehen bei der Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe?

Die wichtigste verfassungsrechtliche Grenze stellt das sogenannte Verbot der Doppelbesteuerung dar. Das bedeutet, dass Ergänzungsabgaben nicht zu einer unzulässigen Überschreitung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen führen dürfen. Der Gesetzgeber muss beim Erlass und bei der Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe das rechtsstaatliche Übermaßverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 GG) beachten. Außerdem ist sicherzustellen, dass die Ergänzungsabgabe stets befristet erhoben wird und einem konkreten Finanzierungsbedarf dient. Ein Verstoß gegen diese Grundsätze kann zur Verfassungswidrigkeit der Abgabe führen. Ferner dürfen durch die Ergänzungsabgabe nicht bestimmte gesellschaftliche Gruppen willkürlich benachteiligt werden; sie muss systematisch zur jeweiligen Steuer passen, auf die sie erhoben wird.

Wie wird die Ergänzungsabgabe verwaltungstechnisch erhoben und wer ist hiervon betroffen?

Ergänzungsabgaben werden in der Regel als Zuschlag zu einer bestehenden Steuer, etwa der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, erhoben. Verwaltungstechnisch stellt dies einen Zusatzbetrag dar, der zusammen mit der Hauptsteuer vom zuständigen Finanzamt erhoben und eingezogen wird. Die betroffenen Steuerpflichtigen sind somit alle natürlichen und juristischen Personen, die der jeweiligen Hauptsteuer unterliegen. Die rechtliche Grundlage und die jeweilige Bemessungsgrundlage finden sich im Gesetz, das die Ergänzungsabgabe regelt. Eine eigenständige Festsetzung oder ein separates Veranlagungsverfahren ist nicht vorgesehen; die Abgabe wird zusammen mit der Hauptsteuer festgesetzt und in den Steuerbescheid integriert.

Ist eine nachträgliche Verlängerung oder Wiedererhebung der Ergänzungsabgabe zulässig?

Eine nachträgliche Verlängerung oder Wiedererhebung einer Ergänzungsabgabe ist rechtlich problematisch, da sie nach dem Grundsatz der Periodizität und dem Charakter der Ergänzungsabgabe als temporäres finanzpolitisches Instrument nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig ist. Der Bundesgesetzgeber ist an das Ziel und die zeitliche Begrenzung, die im Erlassgesetz formuliert sind, gebunden. Eine dauerhafte oder immer wieder verlängerte Erhebung würde gegen den Verfassungsgrundsatz der Steuerartenabgrenzung sowie gegen die haushaltspolitischen Anforderungen aus dem Grundgesetz verstoßen. Ausnahmsweise kann eine Wiedererhebung gerechtfertigt werden, wenn erneut ein besonderer, zeitlich befristeter Mehrbedarf des Bundes nachweisbar ist. Hierzu wäre jedoch stets ein neues Gesetzgebungsverfahren erforderlich.

Welche Rechtsmittel stehen Steuerpflichtigen gegen die Festsetzung einer Ergänzungsabgabe zur Verfügung?

Steuerpflichtigen stehen grundsätzlich dieselben Rechtsmittel zur Verfügung wie bei anderen Steuerverwaltungsakten. Nach § 347 Abgabenordnung (AO) kann gegen den Steuerbescheid, in dem die Ergänzungsabgabe enthalten ist, Einspruch eingelegt werden. Im weiteren Verlauf ist eine Klage vor dem Finanzgericht möglich, sollte dem Einspruch nicht abgeholfen werden. Die Prüfung durch die Gerichte erstreckt sich dabei sowohl auf die formelle als auch die materielle Rechtmäßigkeit der Ergänzungsabgabe im Einzelfall, einschließlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Eine direkte Verfassungsbeschwerde ist subsidiär, das heißt, sie kann erst nach Ausschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden, wenn Grundrechte betroffen sind.

Inwiefern sind Bund und Länder im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Ergänzungsabgabe beteiligt?

Zwar ist die gesetzgeberische Kompetenz für Ergänzungsabgaben dem Bund vorbehalten, jedoch kann je nach Art der Hauptsteuer, auf die die Ergänzungsabgabe aufgeschlagen wird, eine Mitwirkung des Bundesrates nötig sein. Wird die Abgabe etwa auf bundesgesetzlich geregelte Steuern erhoben, deren Aufkommen jedoch teilweise oder vollständig an die Länder weitergegeben wird, so ist ein Zustimmungsgesetz erforderlich. Situationen, in denen ausschließlich Bundessteuern betroffen sind, fallen hingegen nicht unter die Mitwirkungspflicht des Bundesrates gemäß Art. 105 GG. Das Einhalten der verfassungsrechtlichen Kompetenzausübung ist hierbei strikt zu beachten, ansonsten ist das Gesetz zur Erhebung der Ergänzungsabgabe verfassungswidrig.

Wie unterscheidet sich die Ergänzungsabgabe von anderen Sonderabgaben und Steuerzuschlägen?

Rechtlich unterscheidet sich die Ergänzungsabgabe insbesondere in Bezug auf Erhebungskompetenz, Zweckbindung und Dauer. Während Sonderabgaben zweckgebunden sind und auch von anderen Hoheitsträgern als dem Bund erhoben werden können (z.B. Landwirtschaftsabgaben, Rundfunkbeiträge), ist die Ergänzungsabgabe immer ausschließlich eine Bundesabgabe und grundsätzlich nicht zweckgebunden. Steuerzuschläge können hingegen dauerhaft sein und dienen der Aufstockung bestehender Steuern, sind aber oft Bestandteil des regulären Steuersystems (wie das Kirchensteueraufkommen). Ergänzungsabgaben sind explizit auf einen vorübergehenden Mehrbedarf des Bundes angelegt, was sie in ihrer Erhebung und Funktion von anderen Abgaben unterscheidet.