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Erfüllbarkeit

Begriff und Grundgedanke der Erfüllbarkeit

Erfüllbarkeit beschreibt den Zeitpunkt und die Umstände, unter denen eine vereinbarte Leistung rechtlich zulässig erbracht werden darf. Sie beantwortet die Frage: Darf der Schuldner jetzt leisten, und darf der Gläubiger die Leistung jetzt entgegennehmen? Erfüllbarkeit ist damit von der Fälligkeit zu unterscheiden. Während Erfüllbarkeit das „Dürfen“ der Leistung betrifft, bezeichnet Fälligkeit das „Müssen“, also den Zeitpunkt, ab dem die Leistung verlangt werden kann. Hinzu tritt die Durchsetzbarkeit, die regelt, ob eine Forderung auch gegen Widerstand mit staatlicher Hilfe durchgesetzt werden kann.

Abgrenzungen und zentrale Begriffe

Erfüllbarkeit versus Fälligkeit

Erfüllbarkeit liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung rechtlich schon erbringen darf. Fälligkeit liegt vor, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen kann und der Schuldner leisten muss. Eine Leistung kann erfüllbar sein, ohne bereits fällig zu sein (zum Beispiel bei erlaubter vorzeitiger Leistung). Umgekehrt ist eine Leistung regelmäßig fällig, wenn sie zugleich erfüllbar ist; fehlt es an der Erfüllbarkeit, kann Fälligkeit nicht eintreten.

Erfüllbarkeit versus Durchsetzbarkeit

Durchsetzbarkeit setzt in der Regel Fälligkeit und das Fehlen durchgreifender Einreden voraus. Eine Leistung kann erfüllbar und fällig sein, aber wegen einer bestehenden Einrede vorübergehend nicht durchsetzbar. Erfüllbarkeit betrifft die Zulässigkeit der Leistungserbringung, nicht deren erzwungene Realisierung.

Erfüllbarkeit, Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit

Fehlt es dauerhaft an der Möglichkeit, die geschuldete Leistung zu erbringen, liegt Unmöglichkeit vor; dann entfällt Erfüllbarkeit. Auch vorübergehende Leistungshindernisse können die Erfüllbarkeit suspendieren. In besonderen Konstellationen kann eine Leistung trotz theoretischer Möglichkeit rechtlich unzumutbar sein; auch das kann Erfüllbarkeit ausschließen.

Voraussetzungen der Erfüllbarkeit

Bestimmtheit von Inhalt und Umfang der Leistung

Erfüllbarkeit setzt voraus, dass feststeht, was zu leisten ist. Art, Menge, Qualität und etwaige Auswahlrechte müssen bestimmbar sein. Bei Gattungsschulden ist die Auswahl eines geeigneten Leistungsgegenstands erforderlich; bei Stückschulden bezieht sich die Erfüllbarkeit auf das individuelle Objekt.

Zeitliche Faktoren: Termin, Bedingung, Frist

Erfüllbarkeit hängt vom vereinbarten Leistungszeitpunkt ab. Bei einem Termin ist die Leistung zu einem kalendermäßig bestimmbaren Zeitpunkt zulässig. Bei Befristungen kommt es auf den Eintritt des Zeitpunkts an. Bei Bedingungen wird Erfüllbarkeit erst mit Eintritt des Ereignisses eröffnet. Fristen können die Erfüllbarkeit vor ihrem Ablauf ausschließen oder begrenzen.

Ort und Art der Leistung

Die Leistung muss am richtigen Ort und in der richtigen Art angeboten werden. Der Leistungs- beziehungsweise Erfüllungsort ergibt sich aus Vereinbarung oder den Umständen. Transport-, Versendungs- oder Bringleistungen beeinflussen, wo und wie ordnungsgemäß geleistet werden darf.

Berechtigung zur Entgegennahme

Erfüllbarkeit setzt voraus, dass die Leistung an den richtigen Empfänger angeboten wird. Der Gläubiger oder eine empfangsberechtigte Person muss zur Entgegennahme befugt sein. Bestehen Zweifel an der Empfangszuständigkeit, kann die Erfüllbarkeit praktisch gehemmt sein.

Teilleistung und Vorleistung

Ob Teilleistungen erfüllbar sind, hängt von Vereinbarung und Leistungscharakter ab. Ist eine ungeteilte Leistung geschuldet, sind Teilleistungen regelmäßig nicht erfüllbar. Vorleistungen sind nur erfüllbar, wenn sie nicht ausgeschlossen sind oder sich aus der Natur des Geschäfts ergeben.

Rechtsfolgen der Erfüllbarkeit

Annahme der Leistung durch den Gläubiger

Mit Eintritt der Fälligkeit und Erfüllbarkeit besteht grundsätzlich eine Pflicht des Gläubigers, die ordnungsgemäß angebotene Leistung anzunehmen. Vor Fälligkeit kann der Gläubiger eine Leistung in der Regel zurückweisen, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist. Bei Geldschulden ist vorzeitige Leistung im Grundsatz möglich; ob sie angenommen werden muss, richtet sich nach Vereinbarung und Umständen des Einzelfalls.

Ordnungsgemäßes Leistungsangebot

Ein ordnungsgemäßes Angebot erfordert, dass die Leistung in der geschuldeten Art, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit erbracht oder ernsthaft angeboten wird. Wird eine erfüllbare und fällige Leistung ordnungsgemäß angeboten und dennoch nicht angenommen, können die besonderen Regeln zum Annahmeverzug eingreifen. Das wirkt sich unter anderem auf Risiko- und Kostenfragen aus.

Beginn von Verzugsfolgen

Erfüllbarkeit allein führt nicht zu Verzugsfolgen. Verzug setzt grundsätzlich Fälligkeit und ein schuldhaftes Ausbleiben der Leistung trotz Mahnung oder eines gleichwertigen Ereignisses voraus. Ist die Leistung nicht erfüllbar, kann Verzug nicht entstehen.

Aufrechnung und Zurückbehaltung

Bei der Aufrechnung kommt es darauf an, dass sich Forderungen gegenüberstehen, die einander inhaltlich entsprechen und rechtlich aufrechenbar sind. Die Erfüllbarkeit spielt insofern eine Rolle, als die Leistungslage beider Ansprüche einander gegenübergestellt wird. Ähnliches gilt für Zurückbehaltungsrechte, die oft voraussetzen, dass die Gegenleistung zumindest erfüllbar ist.

Gefahr- und Kostenübergang

Lehnt der Gläubiger eine ordnungsgemäß angebotene, erfüllbare und fällige Leistung ab, können bestimmte Gefahren und Kosten auf ihn übergehen. Dazu zählen etwa Mehraufwendungen der Aufbewahrung oder Risiken des zufälligen Untergangs, soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen.

Typische Fallgruppen

Geldschulden

Geldleistungen sind häufig vor dem Fälligkeitstermin erfüllbar, sofern keine abweichenden Vereinbarungen bestehen. Ob der Gläubiger vorzeitig erbrachte Zahlungen annehmen muss, richtet sich nach der Ausgestaltung des Schuldverhältnisses. Besonderheiten können sich bei verzinslichen oder langfristigen Zahlungsverpflichtungen ergeben.

Stück- und Gattungsschulden

Bei Stückschulden ist Erfüllbarkeit an die Übergabe des konkret bestimmten Gegenstands geknüpft. Bei Gattungsschulden ist zunächst ein tauglicher Gegenstand aus der Gattung auszuwählen und bereitzustellen; erst dann ist die Leistung erfüllbar.

Dauerschuldverhältnisse

Bei fortlaufenden Leistungen (etwa regelmäßige Zahlungen oder wiederkehrende Dienste) richtet sich die Erfüllbarkeit nach den einzelnen Leistungsabschnitten. Vorzeitige Erfüllung ganzer zukünftiger Abschnitte ist häufig nicht vorgesehen oder an besondere Bedingungen geknüpft.

Bedingte und befristete Geschäfte

Steht eine Leistung unter einer Bedingung, entsteht Erfüllbarkeit erst mit Eintritt des Ereignisses. Bei Befristungen hängt Erfüllbarkeit vom Beginn des festgelegten Zeitraums ab. Vorher abgegebene Leistungsangebote sind in der Regel rechtlich wirkungslos.

Zug-um-Zug-Leistungen

Bei gegenseitigen Verträgen kann Erfüllbarkeit davon abhängen, dass beide Parteien gleichzeitig leisten. Die eine Leistung ist dann erfüllbar, wenn die andere Seite ihrerseits leisten kann und leisten soll. Das wechselseitige Gleichgewicht beeinflusst Annahme- und Leistungsverpflichtungen.

Praktische Einordnung

Erfüllbarkeit ist ein grundlegender Baustein des Leistungsrechts. Sie klärt, ab wann eine Leistung überhaupt rechtlich zulässig erbracht werden darf. Erst ihre Bejahung eröffnet die Frage nach Fälligkeit, Annahmepflichten und möglichen Verzugs- oder Risikofolgen. Wer die Erfüllbarkeit richtig einordnet, kann die zeitliche und inhaltliche Struktur vertraglicher Pflichten klar verstehen.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Erfüllbarkeit in einfachen Worten?

Erfüllbarkeit heißt, dass eine vereinbarte Leistung rechtlich zulässig erbracht werden darf. Der Schuldner darf leisten, der Gläubiger darf annehmen. Es geht um das „Dürfen“, nicht um das „Müssen“.

Worin liegt der Unterschied zwischen Erfüllbarkeit und Fälligkeit?

Erfüllbarkeit beschreibt, ab wann eine Leistung zulässig erbracht werden darf. Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, ab dem die Leistung verlangt werden kann und erbracht werden muss. Eine Leistung kann erfüllbar sein, ohne schon fällig zu sein.

Muss eine Leistung vor Fälligkeit angenommen werden?

Vor Fälligkeit kann der Gläubiger eine Leistung regelmäßig zurückweisen, sofern nichts anderes vereinbart ist. Ob vorzeitig erbrachte Leistungen anzunehmen sind, hängt von Vereinbarung, Leistungsart und den Umständen ab.

Welche Rolle spielt die Erfüllbarkeit beim Annahmeverzug?

Lehnt der Gläubiger eine ordnungsgemäß angebotene, erfüllbare und fällige Leistung ab, können die Regeln zum Annahmeverzug eingreifen. Das hat Auswirkungen auf Risiken, Kosten und das weitere Leistungsprogramm.

Wann ist eine Geldforderung erfüllbar?

Geldleistungen sind häufig bereits vor dem Fälligkeitstermin erfüllbar, wenn keine entgegenstehenden Abreden bestehen. Ob eine vorzeitige Zahlung angenommen werden muss, richtet sich nach der konkreten Gestaltung des Schuldverhältnisses.

Wie wirkt sich eine Bedingung oder Frist auf die Erfüllbarkeit aus?

Bei Bedingungen tritt Erfüllbarkeit erst mit Eintritt des Ereignisses ein. Bei Fristen und Terminen ist die Leistung mit Beginn des vorgesehenen Zeitpunkts erfüllbar; vorher abgegebene Leistungsangebote sind grundsätzlich wirkungslos.

Welche Bedeutung hat Erfüllbarkeit bei gegenseitigen Verträgen (Zug-um-Zug)?

Bei Zug-um-Zug-Verhältnissen ist eine Leistung regelmäßig dann erfüllbar, wenn die Gegenleistung ebenfalls erbracht werden kann. Erfüllbarkeit und Annahmepflicht stehen in einem wechselseitigen Zusammenhang.

Welche Auswirkungen hat fehlende Erfüllbarkeit auf Verzug und Schadensersatz?

Ist eine Leistung nicht erfüllbar, kann Verzug nicht eintreten. Verzugs- und Schadensfolgen setzen grundsätzlich voraus, dass die Leistung fällig und erfüllbar ist und gleichwohl ausbleibt.