Begriff und Grundlagen von Erdaufschlüssen
Erdaufschlüsse bezeichnen das Aufbrechen, Öffnen oder Freilegen von Böden oder Gesteinsschichten, um Erkenntnisse über deren Zusammensetzung, Struktur, Lagerungsverhältnisse und insbesondere boden- oder grundstücksbezogene Eigenschaften zu erlangen. Im rechtlichen Kontext ist der Begriff ein Sammelbegriff für Maßnahmen, die im Rahmen von Bauvorhaben, geologischen Untersuchungen, Rohstofferkundungen oder abfallrechtlichen Untersuchungen durchgeführt werden. Erdaufschlüsse können in Form von Bohrungen, Grabungen, Schächten oder Sondierungen erfolgen. Die vordergründigen Ziele sind häufig die Erkundung des Baugrunds, die Überprüfung von Altlasten oder die Vorbereitung von Bau- und Infrastrukturprojekten.
Rechtliche Grundlagen von Erdaufschlüssen
Gesetzliche Vorschriften
Die Durchführung von Erdaufschlüssen ist durch verschiedene Gesetze und Verordnungen geregelt. Maßgeblich sind dabei insbesondere das Baugesetzbuch (BauGB), das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG), das Wasserhaushaltsgesetz (WHG), das Naturschutzgesetz (BNatSchG) sowie landesspezifische Regelungen und Vorschriften.
1. Bodenschutzrecht
Das Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) enthält Vorschriften zum Schutz des Bodens, insbesondere zur Vermeidung und Bewertung schädlicher Bodenveränderungen. Gemäß § 3 BBodSchG dürfen Arbeiten am Boden, wie Erdaufschlüsse, nur durchgeführt werden, wenn Bodenfunktionen nicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Ferner sind Untersuchungen auf Verdachtsflächen und Altlastenverdachtsflächen rechtlich vorgeschrieben (§ 9 BBodSchG), wobei umfangreiche Anforderungen an Planung, Durchführung und Dokumentation solcher Maßnahmen bestehen.
2. Baurecht
Im Baugesetzbuch (BauGB) ist geregelt, dass Bauherren im Zusammenhang mit Bauvorhaben Untersuchungen des Baugrunds (Baugrunduntersuchungen) als Teil des Bauantragswesens einleiten dürfen bzw. müssen. Erdaufschlüsse im Vorfeld von Bauvorhaben bedürfen oft besonderer Genehmigungen oder Anzeigen, insbesondere bei Eingriffen in den Naturhaushalt (§ 14 BauGB).
3. Wasser- und Naturschutzrecht
Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) schreibt bei Eingriffen in das Grundwasser – wie sie etwa bei Bohrungen entstehen können – spezielle Genehmigungs- und Anzeigepflichten (z.B. §§ 8 ff. WHG) vor. Auch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verlangt, dass Eingriffe in Natur und Landschaft, die mit Erdaufschlüssen häufig einhergehen, minimiert und – sofern unvermeidbar – kompensiert werden, etwa durch Ausgleichsmaßnahmen.
4. Geologisches Landesrecht
Die Exploration von Rohstoffen und die geologische Landesaufnahme regeln spezifische Landesgesetze, wie etwa das Lagerstättengesetz oder Landesbodenschutzgesetze. Diese setzen häufig weitergehende Anzeige-, Erlaubnis- und Dokumentationspflichten fest, insbesondere wenn Erdaufschlüsse im Zusammenhang mit Rohstofferkundung oder wissenschaftlicher Forschung stehen.
Genehmigungen und Anzeigeverfahren
Anzeigepflicht
In zahlreichen Fällen besteht für die Durchführung von Erdaufschlüssen eine Anzeigepflicht gegenüber den zuständigen Behörden, insbesondere gegenüber den unteren Bodenschutzbehörden, Wasserbehörden oder Bauaufsichtsbehörden. Die Anzeige hat in der Regel vor Beginn der Maßnahme zu erfolgen und muss genaue Angaben zum Umfang, zur Zielstellung, zur Lage und zum vorgesehenen technischen Ablauf des Erdaufschlusses enthalten.
Genehmigungserfordernisse
Ist zu erwarten, dass durch den Erdaufschluss erhebliche Eingriffe in den Boden, das Grundwasser oder die Natur erfolgen, so ist meist eine behördliche Genehmigung erforderlich. Diese kann als Erlaubnis, Bewilligung oder im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem UVPG erteilt werden. Die konkrete Notwendigkeit richtet sich nach Art, Umfang und Standort der geplanten Maßnahme.
Besondere Regelungen
- Im Bereich der Altlastenbeseitigung kann das Handeln ohne behördliche Anordnung bußgeldbewährt sein.
- Bei Wasserrechtsangelegenheiten, etwa dem Erstellen von Grundwassermessstellen, greift zumeist das Wasserhaushaltsgesetz mit seinen Anzeige- und Erlaubnispflichten.
- Forstarbeiten und Erdaufschlüsse im Wald unterliegen dem Forstrecht und häufig zusätzlichen landesrechtlichen Vorschriften.
Pflichten und Verantwortlichkeiten bei der Durchführung
Sorgfaltspflichten
Durchführende haben umfangreiche Sorgfaltspflichten, um Gefahren für Mensch und Umwelt sowie schädliche Bodenveränderungen zu vermeiden. Dazu zählen unter anderem
- der Schutz des Grundwassers,
- die ordnungsgemäße Trennung und Zwischenlagerung von Bodenmaterial,
- die Vermeidung von Schadstoffausbreitung,
- die Einhaltung technischer und sicherheitstechnischer Standards.
Dokumentations- und Mitteilungspflichten
Jede Maßnahme des Erdaufschlusses ist zu dokumentieren. Die Dokumentation umfasst u. a.
- Art, Umfang und Tiefe der Aufschlüsse,
- Beprobung und Untersuchungsergebnisse,
- getroffene Schutzmaßnahmen,
- ggf. Abfallentsorgung.
Diese Unterlagen müssen der zuständigen Behörde auf Verlangen vorgelegt werden.
Haftung
Wer Erdaufschlüsse vornimmt, haftet für Schäden, die durch unsachgemäße Durchführung oder unzureichende Sicherung entstehen. Dies kann sowohl zu privatrechtlichen (Schadensersatz, Beseitigung) als auch öffentlich-rechtlichen (Ordnungsverfügung, Bußgeld, Sanierungsverfügung) Folgen führen.
Verwertungs- und Entsorgungsrecht
Im Zuge von Erdaufschlüssen anfallendes Bodenmaterial kann entweder verwertet oder, wenn belastet, als Abfall eingestuft werden. Maßgeblich sind hierbei u. a. das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sowie die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV).
Verwertung zählt zu den vorrangigen Zielen des Abfallrechts. Erst wenn eine Verwertung nicht möglich oder zumutbar ist, kommt eine Entsorgung unter Beachtung abfallrechtlicher Vorschriften in Betracht. Jeglicher Transport, Lagern und Entsorgung bedürfen der Nachweisführung und ggf. behördlicher Genehmigung.
Bedeutung in der Praxis
Erdaufschlüsse sind aus Sicht des Bau-, Umwelt-, und Infrastrukturrechts ein zentrales Element der Grundstücks- und Standortentwicklung. Sie dienen der Sicherheit, dem Schutz von Mensch und Umwelt sowie der Einhaltung rechtlicher Vorgaben bei Planung und Durchführung technischer Vorhaben.
Literatur und Rechtsquellen (Auswahl)
- Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)
- Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)
- Baugesetzbuch (BauGB)
- Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
- Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)
- Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
- Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG)
- Lagerstättengesetze der Länder
Zusammenfassung
Erdaufschlüsse sind umfassend geregelt und mit zahlreichen rechtlichen Verpflichtungen verbunden. Von der Anzeige und Genehmigung über die sorgfältige Durchführung bis zur ordnungsgemäßen Dokumentation und etwaigen Verwertung oder Entsorgung des Materials sind Normadressaten verpflichtet, eine Vielzahl von Rechtsvorschriften zu beachten, um Umweltschutz und Rechtskonformität jederzeit zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist für die Genehmigung eines Erdaufschlusses rechtlich zuständig?
Die Zuständigkeit für die Genehmigung eines Erdaufschlusses richtet sich in Deutschland nach den jeweiligen Landesgesetzen, dem Bundesbergrecht sowie, je nach Zweck des Erdaufschlusses, ggf. nach weiteren Fachgesetzen (beispielsweise Naturschutzrecht, Wasserhaushaltsgesetz, Bodenschutzrecht). Grundsätzlich fällt die Genehmigung für bergbauliche Erdaufschlüsse unter den Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes (BBergG). In diesem Fall ist die jeweilige Bergbehörde des Bundeslandes zuständig, in dem der Aufschluss erfolgen soll. Handelt es sich um andere Zwecke wie etwa geotechnische Untersuchungen, archäologische Ausgrabungen oder sonstige wissenschaftliche Erkundungen, können auch andere Behörden, etwa Umweltämter, Bauämter oder untere Denkmalschutzbehörden, zuständig sein. Es ist daher notwendig, das konkrete Vorhaben im Einzelfall zu prüfen und die einschlägigen Rechtsnormen heranzuziehen.
Welche rechtlichen Auflagen sind mit einem Erdaufschluss verbunden?
Erdaufschlüsse unterliegen in Deutschland einer Vielzahl rechtlicher Auflagen. Neben der grundsätzlichen Genehmigungspflicht sind insbesondere Auflagen zum Umwelt-, Wasser- und Bodenschutz einzuhalten. Dazu zählen Maßnahmen zur Vermeidung und Minimierung von Umweltschäden, Sicherungsmaßnahmen zur Vorbeugung von Ausbreitungen von Schadstoffen sowie Anforderungen an den Rückbau nach Beendigung der Arbeiten. Weiterhin können Melde- und Dokumentationspflichten bestehen, etwa im Hinblick auf gefundene Bodendenkmäler oder Altlasten. Im Falle von Eingriffen in Natur und Landschaft bedarf es in der Regel einer Eingriffs-Ausgleichs-Bewertung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und gegebenenfalls einer entsprechenden Kompensation. Auch arbeits- und sicherheitsrechtliche Bestimmungen, etwa bei Arbeiten in kontaminierten Bereichen, müssen beachtet werden.
Welche Haftungsregelungen gelten bei Schäden durch Erdaufschlüsse?
Wer einen Erdaufschluss vornimmt, haftet grundsätzlich für alle verursachten Schäden an Grundstücken, Gütern oder der Umwelt. Diese Haftung reicht von zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen geschädigter Dritter (z. B. Grundstückseigentümer, Nachbarn) bis hin zu öffentlich-rechtlichen Pflichten zur Gefahrenabwehr, Wiederherstellung oder Schadensbeseitigung. Gemäß Wasserhaushaltsgesetz (§ 22 WHG) bestehen bei Gewässerverunreinigungen strenge Haftungs- und Sanierungspflichten. Im Bodenschutzrecht greifen zudem die Regelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes (§ 4 BBodSchG) hinsichtlich der Verantwortlichkeit für schädliche Bodenveränderungen. Bei vorsätzlich oder fahrlässig verursachten Schäden kommen darüber hinaus ggf. Bußgelder oder strafrechtliche Konsequenzen in Betracht.
Inwieweit sind Erdaufschlüsse melde- oder anzeigepflichtig?
Viele Erdaufschlüsse sind melde- bzw. anzeigepflichtig, auch wenn keine ausdrückliche Genehmigungspflicht besteht. So verlangen beispielsweise das Bundesberggesetz (BBergG) oder die jeweiligen Landesbodenschutzgesetze in bestimmten Konstellationen eine vorherige Anzeige oder Mitteilung an die zuständige Behörde. Das gilt insbesondere für Maßnahmen, die in den Verdacht von Altlasten, Kampfmitteln oder Bodendenkmälern eingreifen könnten. Darüber hinaus besteht nach einzelnen Fachgesetzen die Pflicht, bestimmte Ergebnisse (z. B. Schadstofffunde, archäologische Entdeckungen) unverzüglich zu melden. Eine unterlassene Anzeige kann verwaltungs- oder ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Welche rechtlichen Folgen hat ein unerlaubter Erdaufschluss?
Ein nicht genehmigter oder nicht ordnungsgemäß angezeigter Erdaufschluss stellt in den meisten Fällen eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeldern oder Zwangsmaßnahmen geahndet werden. Zudem kann die Behörde die sofortige Einstellung der Arbeiten anordnen und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen. Verursacht der unerlaubte Erdaufschluss Umweltschäden, können weitergehende Maßnahmen wie Sanierungsanordnungen, Kostenbescheide oder Schadensersatzforderungen gegenüber dem Verursacher ergehen. In Fällen von grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kommt zusätzlich eine strafrechtliche Verfolgung, etwa wegen Umweltstraftaten, in Betracht.
Welche Besonderheiten gelten für Erdaufschlüsse in Schutzgebieten?
Erdaufschlüsse innerhalb von Natur-, Landschafts-, Wasserschutz- oder FFH-Gebieten unterliegen besonders strengen rechtlichen Anforderungen. In diesen Gebieten sind nicht nur die allgemeinen naturschutzrechtlichen Genehmigungen einzuholen, sondern auch die speziellen Vorgaben der jeweiligen Schutzgebietsverordnung zu beachten, die häufig ein striktes Verbot bodenverändernder Maßnahmen vorsehen, von dem nur in Ausnahmefällen oder mit strengen Auflagen abgewichen werden darf. Oftmals wird eine zusätzliche Verträglichkeitsprüfung (z. B. nach § 34 BNatSchG) sowie die Zustimmung weiterer Fachbehörden erforderlich. Unberechtigte Eingriffe in Schutzgebiete können zu besonders hohen Bußgeldern und weitergehenden behördlichen Maßnahmen führen.
Welche Rolle spielt das Eigentumsrecht bei Erdaufschlüssen?
Das deutsche Grundstücksrecht sieht vor, dass ein Erdaufschluss grundsätzlich nur mit dem Einverständnis des Grundstückseigentümers erfolgen darf (§ 903 BGB). Eine Ausnahme hiervon ergibt sich nur, wenn ein gesetzlicher Gestattungsanspruch besteht (z. B. zugunsten öffentlicher Träger bei hoheitlichen Maßnahmen oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Überlassungs- oder Duldungsanspruchs gem. Gesetz). Ohne entsprechende Einwilligung oder gesetzliche Ermächtigung ist jeder Eingriff als Besitz- oder Eigentumsstörung zu werten, die Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche des Eigentümers nach sich ziehen kann. Auch bei öffentlichen Projekten ist daher im Regelfall ein formelles Verwaltungsverfahren mit Ausgleichsregelungen durchzuführen.