Erbschaft- und Schenkungsteuer

Erbschaft- und Schenkungsteuer: Begriff, Zweck und Systematik

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine Personensteuer, die Vermögensübergänge von Todes wegen (Erbschaften, Vermächtnisse) und unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden (Schenkungen) erfasst. Beide Steuerarten sind materiell weitgehend gleich aufgebaut und werden nach einheitlichen Bewertungs- und Tarifregeln erhoben. Ziel ist, unentgeltliche Vermögensübertragungen nach Leistungsfähigkeit zu besteuern und dabei persönliche Näheverhältnisse, Vorsorgeaspekte sowie die Fortführung von Betrieben zu berücksichtigen.

Steuerpflicht: Wer und was wird erfasst?

Persönliche Steuerpflicht

Unbeschränkte Steuerpflicht besteht, wenn der Erblasser oder Schenker oder der Erwerber einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Dann wird der weltweite Erwerb einbezogen. Bei fehlender Inlandsanbindung besteht beschränkte Steuerpflicht; steuerbar sind dann nur bestimmte Inlandswerte (z. B. inländische Immobilien oder Betriebsstätten). Weitere Zurechnungsregeln können den Umfang der Steuerpflicht erweitern oder begrenzen.

Sachliche Steuerpflicht

Steuerbar sind alle unentgeltlichen Erwerbe. Dazu gehören Erbschaften, Vermächtnisse, Pflichtteilserfüllungen, Schenkungen, gemischte Schenkungen (Zuwendung mit Gegenleistung unter dem Wert), sowie Zuwendungen unter Auflage. Nicht erfasst werden echte Gegenleistungen zum Marktpreis. Steuerfreiheiten und Freibeträge mindern den steuerpflichtigen Erwerb.

Steuerklassen und persönliche Freibeträge

Die Steuer knüpft an das persönliche Verhältnis zwischen Zuwendendem und Erwerber an. Dieses Verhältnis bestimmt die Steuerklasse und beeinflusst sowohl Freibeträge als auch Steuersätze.

Steuerklassen

  • Steuerklasse I: Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, Kinder und Stiefkinder, Enkel (unter besonderen Voraussetzungen), Eltern und Großeltern beim Erwerb von Todes wegen.
  • Steuerklasse II: Geschwister, Nichten und Neffen, Schwiegerkinder und Schwiegereltern, geschiedene Ehegatten, Stiefeltern, Pflegekinder und Pflegeeltern.
  • Steuerklasse III: Alle übrigen Erwerber, insbesondere nicht verwandte Personen und nicht eingetragene Lebensgefährten.

Persönliche Freibeträge und 10-Jahres-Zeitraum

Jeder Erwerber hat einen persönlichen Freibetrag, der pro Zuwendendem gilt und alle Erwerbe innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren zusammenfasst. Typische Freibeträge sind:

  • Ehegatten und eingetragene Lebenspartner: 500.000 EUR
  • Kinder und Stiefkinder: 400.000 EUR
  • Enkelkinder: 200.000 EUR (400.000 EUR, wenn der eigene Elternteil bereits vorverstorben ist)
  • Weitere Abkömmlinge (z. B. Urenkel): 100.000 EUR
  • Eltern und Großeltern beim Erwerb von Todes wegen: 100.000 EUR
  • Alle übrigen Erwerber: 20.000 EUR

Zusätzlich gibt es besondere Versorgungsfreibeträge, insbesondere für Ehegatten/eingetragene Lebenspartner (regelmäßig 256.000 EUR) sowie für Kinder altersabhängig in gestaffelter Höhe. Diese Versorgungsfreibeträge werden um auf Renten und Versorgungsbezüge entfallende Kapitalwerte gekürzt.

Bewertung des Erwerbs

Allgemeiner Bewertungsmaßstab

Maßgeblich ist der gemeine Wert, also der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre. Für Kapitalvermögen gilt grundsätzlich der Verkehrswert. Bei Gesellschaftsanteilen und Betriebsvermögen kommen anerkannte Verfahren (z. B. Ertragswert- oder vereinfachte Ertragswertverfahren) zur Anwendung.

Immobilien

Grundstücke und Gebäude werden nach Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren bewertet, je nach Art der Immobilie und Datenlage. Bodenrichtwerte, Mieten, Restnutzungsdauer und objektspezifische Merkmale fließen ein.

Schulden und Lasten

Mit dem Erwerb verbundene, rechtlich bestehende Schulden und Lasten (z. B. Hypotheken, Vermächtnisse, Auflagen) sind abzugsfähig. Pflichtteilsansprüche sind beim Berechtigten erst im Zeitpunkt der Erfüllung steuerbar; beim Erben mindern erfüllte Pflichtteilsleistungen den Erwerb.

Tarif und Entstehung der Steuer

Steuersätze

Die Steuersätze sind progressiv und hängen von Steuerklasse und Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs ab. Übliche Spannen:

  • Steuerklasse I: ca. 7 % bis 30 %
  • Steuerklasse II: ca. 15 % bis 43 %
  • Steuerklasse III: ca. 30 % bis 50 %

Die genauen Sätze steigen stufenweise mit dem Erwerbswert an.

Stichtag und Entstehung

Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer mit dem Tod des Erblassers. Bei Schenkungen entsteht sie mit Ausführung der Zuwendung. Für die Bewertung ist in der Regel dieser Stichtag maßgeblich.

Sonderregelungen und Begünstigungen

Familienheim

Das selbstgenutzte Familienheim kann unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei auf Ehegatten/eingetragene Lebenspartner und Kinder übergehen. Erforderlich ist regelmäßig eine fortdauernde Selbstnutzung zu Wohnzwecken über einen bestimmten Zeitraum; bei Kindern kann eine Wohnflächenbegrenzung gelten. Ein vorzeitiger Auszug kann die Begünstigung entfallen lassen, es sei denn, wichtige Gründe stehen entgegen.

Hausrat und bewegliche Gegenstände

Für Hausrat gilt in der Steuerklasse I ein gesonderter Freibetrag bis 41.000 EUR. Für andere bewegliche Gegenstände (z. B. Schmuck, Kunst) besteht in der Steuerklasse I zusätzlich ein Freibetrag bis 12.000 EUR; in den Steuerklassen II und III gilt ein einheitlicher Freibetrag bis 12.000 EUR für Hausrat und andere bewegliche Gegenstände zusammen.

Betriebsvermögen und Unternehmensnachfolge

Für Betriebsvermögen, Mitunternehmeranteile und bestimmte Anteile an Kapitalgesellschaften bestehen Verschonungsregeln. Je nach gewählter Variante sind 85 % oder 100 % des begünstigten Vermögens steuerfrei, wenn Behaltensfristen eingehalten und Lohnsummen- bzw. Substanzvorgaben erfüllt werden. Nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen kann die Verschonung mindern.

Land- und Forstwirtschaft

Für land- und forstwirtschaftliches Vermögen gelten besondere Bewertungsansätze und Begünstigungen, die die Fortführung der Bewirtschaftung abbilden. Auch hier sind Behaltens- und Bewirtschaftungsvorgaben maßgeblich.

Stundung und Zahlungserleichterungen

Das Recht sieht Stundungen und Ratenzahlungen vor, insbesondere bei Erwerben, die nicht liquide sind (z. B. Familienheim, Betriebsvermögen). Umfang und Dauer hängen von Art des Erwerbs und den gesetzlichen Voraussetzungen ab.

Typische Zurechnungsfragen

Vorempfänge und Zusammenrechnung

Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren werden zusammengerechnet. Frühere Zuwendungen (Vorempfänge) können den Freibetrag bereits verbrauchen und erhöhen den Steuersatz für spätere Erwerbe.

Zuwendung unter Auflage und Vorbehaltsnießbrauch

Bei einer Schenkung unter Auflage oder bei Vorbehalt eines Nießbrauchs mindern die Auflage bzw. die vorbehaltene Nutzung den steuerpflichtigen Erwerb. Der Wert der Last bemisst sich nach anerkannten Bewertungsgrundsätzen (z. B. Kapitalwert wiederkehrender Nutzungen).

Lebensversicherungen

Bezugsberechtigte aus Lebensversicherungen erwerben den Auszahlungsbetrag von Todes wegen. Der volle Auszahlungswert ist grundsätzlich steuerbar; die Zurechnung kann abweichen, wenn Prämien von Dritten getragen wurden oder Miteigentum am Vertrag vorlag.

Gemeinschaftskonten und -depots

Bei Oder-Konten und Gemeinschaftsdepots ist der Erwerbsanteil nach wirtschaftlichen Verhältnissen zu bestimmen. Ohne abweichende Anhaltspunkte wird häufig eine hälftige Beteiligung angenommen, tatsächliche Einlagen und Verfügungen können jedoch eine andere Zurechnung rechtfertigen.

Internationaler Bezug

Auslandsvermögen und Doppelbesteuerung

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten können sowohl der deutsche Fiskus als auch ausländische Staaten dieselben Erwerbe besteuern. Doppelbesteuerungsabkommen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ordnen in bestimmten Fällen Besteuerungsrechte zu. Soweit kein Abkommen besteht, sieht das Recht regelmäßig eine Anrechnung ausländischer Erbschaft- bzw. Schenkungsteuern bis zur Höhe der deutschen Steuer auf die ausländischen Werte vor.

Verfahren, Anzeige und Festsetzung

Anzeigepflichten

Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen sind dem zuständigen Finanzamt innerhalb bestimmter Fristen anzuzeigen (regelmäßig innerhalb von drei Monaten). Notare, Gerichte, Banken und Versicherer übermitteln ergänzende Daten.

Erklärung, Festsetzung und Fälligkeit

Das Finanzamt kann zur Abgabe einer Steuererklärung auffordern. Nach Prüfung der persönlichen Verhältnisse, Bewertung und Anrechnung von Freibeträgen ergeht ein Steuerbescheid. Die Steuer wird mit Fristsetzung fällig. In bestimmten Konstellationen haften Erwerber für die Steuer, die auf ihren Erwerb entfällt.

Abgrenzungen und besondere Konstellationen

Abgrenzung zu anderen Steuern

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist von der Einkommensteuer und der Grunderwerbsteuer abzugrenzen. Erträge aus geerbtem Vermögen unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer, nicht der Erbschaftsteuer. Der unentgeltliche Erwerb von Grundstücken ist regelmäßig erbschaft- oder schenkungsteuerlich zu erfassen; die Grunderwerbsteuer tritt bei unentgeltlichen Vorgängen üblicherweise zurück.

Erb- und Pflichtteilsverzicht, Abfindungen

Verzichte können unentgeltlich oder entgeltlich ausgestaltet sein. Eine Abfindung für einen Verzicht kann je nach Gestaltung zu einer schenkungs- oder einkommensteuerlichen Einordnung führen. Maßgeblich sind wirtschaftlicher Gehalt und Gegenleistung.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Erbschaft- und Schenkungsteuer

Was ist der Unterschied zwischen Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer?

Die Erbschaftsteuer erfasst unentgeltliche Erwerbe von Todes wegen, die Schenkungsteuer unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden. Beide folgen denselben Bewertungs- und Tarifregeln; Unterschiede bestehen im Entstehungszeitpunkt und bei einzelnen Begünstigungen.

Wer ist Steuerschuldner und wann entsteht die Steuer?

Steuerschuldner ist grundsätzlich der Erwerber. Die Steuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers, bei Schenkungen mit der Ausführung der Zuwendung.

Welche Freibeträge gibt es und wie oft können sie genutzt werden?

Es bestehen persönliche Freibeträge, deren Höhe vom Verwandtschaftsverhältnis abhängt. Sie gelten pro Zuwendendem und können nach Ablauf von zehn Jahren erneut in Anspruch genommen werden; innerhalb dieses Zeitraums werden Erwerbe zusammengerechnet.

Wie werden Immobilien für die Steuer bewertet?

Immobilien werden nach gesetzlich anerkannten Verfahren (Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren) zum gemeinen Wert bewertet. Bodenrichtwerte, Mieten, Restnutzungsdauer und objektspezifische Merkmale sind maßgeblich.

Gibt es Begünstigungen für das Familienheim?

Das selbstgenutzte Familienheim kann unter Voraussetzungen steuerfrei übergehen. Erforderlich ist insbesondere die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken über einen festgelegten Zeitraum; bei Kindern kann eine Wohnflächenbegrenzung gelten.

Wie werden Pflichtteilsansprüche steuerlich behandelt?

Der Pflichtteilsberechtigte versteuert die Erfüllung seines Anspruchs erst bei Zahlung. Beim Erben mindern erfüllte Pflichtteilszahlungen den steuerpflichtigen Erwerb.

Wie wirken sich frühere Schenkungen auf eine spätere Erbschaft aus?

Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren werden zusammengerechnet. Vorempfänge können Freibeträge ganz oder teilweise verbrauchen und den anwendbaren Steuersatz auf den Gesamterwerb beeinflussen.

Wie wird eine Doppelbelastung mit ausländischen Steuern behandelt?

Bei Auslandsbezug ordnen Doppelbesteuerungsabkommen Besteuerungsrechte zu. Besteht kein Abkommen, wird ausländische Erbschaft- oder Schenkungsteuer regelmäßig auf die deutsche Steuer für die ausländischen Werte angerechnet, begrenzt auf die entsprechende deutsche Steuer.