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Erbschaft- und Schenkungsteuer


Begriff und Rechtsgrundlagen der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist eine Steuer, die im deutschen Steuerrecht auf den unentgeltlichen Erwerb von Vermögen durch Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung unter Lebenden sowie bestimmte Zweckzuwendungen erhoben wird. Die Vorschriften zur Erbschaft- und Schenkungsteuer finden sich primär im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Die Verwaltung der Steuer obliegt den Landesfinanzbehörden. Ziel der Besteuerung ist die Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit und die fiskalische Abschöpfung von Vermögensübertragungen.


Steuergegenstand und Steuerpflicht

Steuergegenstand

Steuerpflichtig ist grundsätzlich jeder Erwerb von Todes wegen, jede Schenkung unter Lebenden und jede Zweckzuwendung im Sinne des § 1 Abs. 1 ErbStG. Hierzu zählen insbesondere:

  • Erwerb durch Erbe, Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs
  • Schenkungen unter Lebenden
  • Zweckzuwendungen, bei denen eine Vermögensmasse unmittelbar zur Verwendung für einen bestimmten Zweck übertragen wird

Steuerpflicht

Persönliche Steuerpflicht

Die unbeschränkte Steuerpflicht entsteht, wenn sowohl der Erwerber als auch der Erblasser oder Schenker zur Zeit der Entstehung der Steuer Inländer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind. Bei beschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) wird der Erwerb von Vermögen besteuert, das sich im Inland befindet, wenn weder der Erwerber noch der Erblasser/Schenker Inländer ist.

Sachliche Steuerpflicht

Von der sachlichen Steuerpflicht sind alle Vermögensübertragungen im Sinne des § 1 ErbStG umfasst, sofern keine Steuerbefreiung nach § 13 ff. ErbStG greift.


Steuerklassen und Steuersätze

Steuerklassen

Für die Besteuerung werden Erwerber nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser oder Schenker in drei Steuerklassen eingeteilt (§ 15 ErbStG):

  • Steuerklasse I: Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Stiefkinder, Enkel (sofern die Eltern verstorben sind)
  • Steuerklasse II: Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehegatten
  • Steuerklasse III: Übrige Erwerber (alle weiteren Personen, z.B. Lebensgefährten ohne eingetragene Partnerschaft)

Steuersätze

Die Steuersätze richten sich nach Steuerklasse und dem Wert des Erwerbs (§ 19 ErbStG). Sie reichen von 7 % bis 50 %. Die Stufung der Sätze erfolgt progressiv, abhängig vom Wert des steuerpflichtigen Erwerbs und der jeweiligen Steuerklasse.


Steuerbefreiungen und Freibeträge

Persönliche Freibeträge

Nach § 16 ErbStG stehen den Erwerbern gesetzliche Freibeträge zu, deren Höhe sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis richtet. Beispielsweise beträgt der Freibetrag für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500.000 €, für Kinder jeweils 400.000 €.

Sachliche Steuerbefreiungen

Bestimmte Vermögenswerte sind von der Besteuerung ganz oder teilweise befreit (§ 13 ff. ErbStG):

  • Familienheim (Eigenheim-Freistellung): Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Erwerb des selbstgenutzten Familienheims durch Ehegatte oder Kinder steuerfrei sein.
  • Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie Beteiligungen an Kapitalgesellschaften: Hier existieren teilweise umfangreiche Steuervergünstigungen, insbesondere zur Sicherung der Unternehmensnachfolge (Regelverschonung, Optionsverschonung, § 13a,b ErbStG).

Ermittlung und Bewertung des steuerpflichtigen Erwerbs

Bewertung des Vermögens

Die Bewertung erfolgt nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG). Maßgebend ist grundsätzlich der Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erwerbs. Bei Betriebsvermögen, Grundstücken und Anteilen an Kapitalgesellschaften kommen spezielle Bewertungsverfahren zur Anwendung (§§ 10, 12 ErbStG; §§ 157 ff. BewG).

Abzüge

Von dem Gesamtwert des Erwerbs können Nachlassverbindlichkeiten, Schulden und bestimmte abzugsfähige Kosten wie Beerdigungskosten, Grabpflege und Erbfallschulden abgesetzt werden (§ 10 Abs. 5 ErbStG).


Entstehung und Festsetzung der Steuer

Entstehung der Steuer

Die Erbschaftsteuer entsteht kraft Gesetzes mit dem Tod des Erblassers bzw. mit dem Zeitpunkt der Ausführung einer Schenkung (§ 9 ErbStG).

Festsetzung und Erhebung

Der Erwerber ist verpflichtet, dem zuständigen Finanzamt innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis vom Erwerb schriftlich Anzeige zu erstatten (§ 30 ErbStG). Das Finanzamt setzt die Steuer durch Steuerbescheid fest. Die Festsetzung verjährt grundsätzlich nach vier Jahren (§ 169 AO).


Rechtsmittel und Verjährung

Möglichkeiten der Überprüfung

Gegen die Festsetzung der Steuer kann Einspruch innerhalb eines Monats eingelegt werden (§ 355 AO). Weiterhin kann bei ablehnender Entscheidung Klage beim Finanzgericht erhoben werden.

Verjährung

Die Festsetzungsverjährung beträgt vier Jahre (§ 169 AO), bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, bei Steuerhinterziehung zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 AO).


Internationale Aspekte

Doppelbesteuerung

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bestehen mit einigen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) im Bereich der Erbschaftsteuer. Ohne Abkommen bestehen Anrechnungsmöglichkeiten nach § 21 ErbStG.

Ausländisches Vermögen

Bei Erwerben mit Auslandsbezug gelten ggf. Besonderheiten hinsichtlich der Bemessungsgrundlage, Bewertung und Erhebung.


Bedeutung und aktuelle Entwicklungen

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist ein zentrales Element der Vermögensbesteuerung in Deutschland. Sie wird immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen und gerichtlicher Überprüfungen, insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung und die Unternehmensnachfolge. Insbesondere nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurden etliche Reformen umgesetzt.


Literaturhinweise

  • Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)
  • Bewertungsgesetz (BewG)
  • Anwendungserlass zur Erbschaftsteuer (AEAO zum ErbStG)
  • Bundesministerium der Finanzen: Erläuterungen zur Erbschaftsteuer

Durch diese umfassende Darstellung der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden sämtliche relevante rechtliche Aspekte sowie die Verwaltung und Systematik der Steuer im deutschen Recht beleuchtet.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer?

Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird zunächst der Wert sämtlicher Vermögensgegenstände (z. B. Immobilien, Geld, Wertpapiere, Unternehmensanteile, Hausrat) festgestellt, die der Erwerber von dem Erblasser oder Schenker erhält. Vom Gesamtwert des Erwerbs werden anschließend die sogenannten Nachlassverbindlichkeiten (wie z. B. bestehende Schulden des Erblassers, Beerdigungskosten, Kosten der Nachlassregelung bis zu den im Gesetz vorgesehenen Höchstgrenzen) sowie Steuerbefreiungen, etwa für Hausrat, bewegliche Gegenstände oder das Familienheim (§ 13 ErbStG), abgezogen. Schließlich werden die persönlichen Freibeträge gemäß § 16 ErbStG berücksichtigt, deren Höhe sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erwerber und Erblasser/Schenker richtet. Der nach Anrechnung der Freibeträge verbleibende Betrag bildet die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, auf deren Grundlage die Steuer nach den im ErbStG festgelegten Steuersätzen und Steuerklassen zu berechnen ist. Besonderheiten bestehen für den Erwerb von Unternehmensvermögen und bestimmte begünstigte Vermögensarten, für die Verschonungsregelungen gelten können.

Wann und wie muss die Erbschaft- oder Schenkungsteuer erklärt und bezahlt werden?

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegt einer eigenständigen Anzeigepflicht. Jede Person, die durch Erbschaft oder Schenkung Eigentum erwirbt, muss den Erwerb innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis beim zuständigen Finanzamt anzeigen, sofern der Erwerb nicht bereits durch einen Notar oder das Nachlassgericht gemeldet wurde (§ 30 ErbStG). Für die Erbschaftsteuer legt das Finanzamt nach Eingang der Anzeige auf Basis der gemeldeten Werte die Steuer fest und fordert den Erwerber üblicherweise zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf. Die Steuer entsteht im Erbfall mit dem Tod des Erblassers, bei Schenkungen mit Ausführung der Zuwendung. Das Finanzamt erlässt auf Grundlage der Steuererklärung einen Steuerbescheid mit Zahlungsaufforderung. Die Steuer ist spätestens einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids zu entrichten (§ 31 ErbStG).

Welche Rolle spielen Steuerklassen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer?

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz unterscheidet für die Berechnung der Steuer zwischen drei Steuerklassen, die sich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker richten (§ 15 ErbStG). Steuerklasse I gilt für Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge (Kinder, Enkel) des Erblassers/Schenkers. Steuerklasse II umfasst Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefkinder, Schwiegerkinder und Schwiegereltern. Steuerklasse III gilt für alle übrigen Erwerber, wie entfernte Verwandte oder Nichtverwandte. Die Steuerklasse hat erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Höhe der Freibeträge (§ 16 ErbStG) als auch auf die anzuwendenden Steuersätze (§ 19 ErbStG), die bei entfernteren Verwandten oder Nichtverwandten deutlich höher ausfallen können. Ein nahes Verwandtschaftsverhältnis ist daher steuerlich grundsätzlich vorteilhaft.

Gibt es Begünstigungen für bestimmte Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer?

Das deutsche Erbschaftsteuerrecht sieht insbesondere für Unternehmensvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie für das sogenannte Familienheim besondere steuerliche Begünstigungen vor. Beim Erwerb von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sowie bestimmten Anteilen an Kapitalgesellschaften kann unter bestimmten Voraussetzungen eine weitgehende oder vollständige Verschonung von der Steuer (sog. Regelverschonung 85 % oder Optionsverschonung 100 % nach §§ 13a, 13b ErbStG) in Anspruch genommen werden, wenn das Unternehmen im Inland fortgeführt und bestimmte Lohnsummen- sowie Behaltensfristen eingehalten werden. Beim Familienheim besteht die Möglichkeit einer vollständigen Steuerbefreiung, wenn der Erwerber (z. B. Ehegatte) die Immobilie für einen bestimmten Zeitraum zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a-c ErbStG). Jede Begünstigung ist an enge gesetzliche Voraussetzungen gebunden und sollte im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

Wie erfolgt die Bewertung von Immobilien und Unternehmensanteilen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer?

Bei der Bewertung von Vermögensgegenständen für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sind die Vorgaben des Bewertungsgesetzes (BewG) maßgebend. Immobilien werden in der Regel zum sogenannten gemeinen Wert bewertet, der dem Verkehrswert entspricht. Hierzu werden je nach Art des Grundstücks das Vergleichswert-, Ertragswert- oder Sachwertverfahren herangezogen. Für Unternehmensanteile gelten spezielle Regelungen: Bei nicht börsennotierten Unternehmen ist auf den gemeinen Wert abzustellen, der durch sachkundige Dritte im Rahmen der Ermittlung des Unternehmenswerts (z. B. Ertragswertverfahren) zu bestimmen ist. Für Anteile an börsennotierten Unternehmen ist regelmäßig der Kurswert zum Stichtag relevant (§§ 11-13 BewG). Die Bewertung kann im Einzelfall sehr komplex sein und erhebliche Auswirkungen auf die Steuerlast haben.

Welche Folgen hat eine Schenkung oder Erbschaft von Auslandsvermögen für die Besteuerung in Deutschland?

Sowohl bei Schenkungen als auch bei Erbschaften von Vermögen im Ausland kann eine Steuerpflicht in Deutschland bestehen. Entscheidend ist, ob der Erwerber oder der Erblasser/Schenker als unbeschränkt steuerpflichtig gilt, also zum Zeitpunkt der Zuwendung einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (§ 2 ErbStG). Dann unterliegt grundsätzlich das gesamte weltweite Vermögen der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht (sog. Welteinkommensprinzip). Bei beschränkt Steuerpflichtigen (nur Inlandsvermögen) werden nur bestimmte im Gesetz definierte Vermögenswerte besteuert. Um eine doppelte Besteuerung durch ausländische Staaten zu vermeiden, existieren mit einigen Ländern Doppelbesteuerungsabkommen, die den Umfang der inländischen Besteuerung beschränken oder Anrechnungen/Doppelbesteuerungsvergütungen vorsehen. Eine sorgfältige Prüfung der steuerlichen Situation ist hier unerlässlich.