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Erbschaft


Begriff der Erbschaft

Die Erbschaft (auch Nachlass genannt) bezeichnet im rechtlichen Sinne das gesamte Vermögen, das eine natürliche Person im Zeitpunkt ihres Todes hinterlässt. Der Rechtsbegriff umfasst sämtliche Vermögenswerte wie Immobilien, Geldvermögen, bewegliche Sachen, Rechte und Pflichten des Erblassers, mit Ausnahme höchstpersönlicher Rechte und Verbindlichkeiten. Die Erbschaft geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) unmittelbar auf den oder die Erben über.

Rechtsgrundlagen der Erbschaft

Erbrechtliches Regelungsystem

Das Erbrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) im fünften Buch (§§ 1922 ff. BGB) umfassend geregelt. Es bestimmt den Übergang der Erbschaft, die Verteilung des Nachlasses sowie die Rechtsstellung der Beteiligten, insbesondere Erben, Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte.

Die Gesamtrechtsnachfolge

Mit dem Tod des Erblassers geht gemäß § 1922 BGB das gesamte Vermögen als Einheit auf die Erben über. Die Erben treten rechtlich an die Stelle des Verstorbenen und haften grundsätzlich auch für dessen Verbindlichkeiten, vorbehaltlich der Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung.

Gesetzliche und gewillkürte Erbfolge

Gesetzliche Erbfolge

Liegt keine wirksame Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) vor, bestimmt sich die Reihenfolge der Erben nach den gesetzlichen Vorschriften. Die Erbfolge richtet sich nach Ordnungen (Verwandtenerbfolge) und berücksichtigt Ehegatten, Lebenspartner und Verwandte in bestimmter Rangfolge (§§ 1924 ff. BGB).

  • Erben erster Ordnung: Abkömmlinge (Kinder, Enkel)
  • Erben zweiter Ordnung: Eltern, deren Abkömmlinge
  • Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge

Der Ehegatte oder Lebenspartner hat daneben ein eigenes Erbrecht. Die Höhe des Erbteils hängt von Güterstand und Ordnung ab.

Gewillkürte Erbfolge

Durch letztwillige Verfügung kann der Erblasser von der gesetzlichen Erbfolge abweichen. Dies erfolgt durch Testament (§ 1937 BGB) oder Erbvertrag (§ 1941 BGB). Hierbei kann der Erblasser die Erben bestimmen, Vermächtnisse anordnen oder Auflagen erlassen.

Bestandteile und Umfang der Erbschaft

Aktiva und Passiva

Die Erbschaft besteht sowohl aus Vermögenswerten (Aktiva) als auch aus Verbindlichkeiten (Passiva). Zu den Aktiva zählen Barvermögen, Bankguthaben, Grundstücke, Hausrat, Kraftfahrzeuge und Rechte (z. B. Forderungen). Passiva umfassen Schulden aller Art, wie Kreditverbindlichkeiten, Steuerschulden oder Unterhaltspflichten.

Ausnahmen und Besonderheiten

Nicht zum Nachlass gehören höchstpersönliche Rechte, wie beispielsweise Nießbrauch, Unterhaltsansprüche oder erloschene Arbeitsverträge. Ansprüche mit höchstpersönlichem Charakter gehen nicht auf den Erben über.

Annahme, Ausschlagung und Verwaltung der Erbschaft

Annahme der Erbschaft

Die Erben können die Erbschaft durch ausdrückliche oder konkludente Handlung annehmen. Sobald die Erbschaft angenommen wurde, ist sie bindend und kann nicht mehr ausgeschlagen werden. Die Annahme kann auch durch Fristablauf eintreten, sofern keine Ausschlagung erfolgt ist.

Ausschlagung der Erbschaft

Die Erbschaft kann innerhalb einer Frist von sechs Wochen (bei Auslandsbeteiligung sechs Monate) beim Nachlassgericht ausgeschlagen werden (§ 1944 BGB). Die Ausschlagung erfolgt insbesondere bei Überschuldung des Nachlasses.

Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz

Um das Privatvermögen der Erben vor Haftung zu schützen, können sie Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragen (§§ 1975 ff. BGB). Die Nachlassverwaltung stellt sicher, dass die Nachlassverbindlichkeiten ausschließlich aus dem Nachlass bedient werden.

Rechte und Pflichten des Erben

Haftung für Nachlassverbindlichkeiten

Erben haften grundsätzlich unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB). Durch Nachlassverwaltung oder Duldung der Nachlassinsolvenz kann die Haftung auf den Nachlass beschränkt werden.

Teilungsanspruch und Erbengemeinschaft

Bei Mehrzahl von Erben entsteht eine Erbengemeinschaft. Die Erbengemeinschaft ist zur Auseinandersetzung des Nachlasses verpflichtet (§ 2042 BGB). Jeder Miterbe kann die Teilung verlangen, wobei bis zur Teilung der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen bleibt.

Besondere erbrechtliche Regelungen

Pflichtteilsrecht

Bestimmte Angehörige wie Abkömmlinge, Ehegatte und Eltern haben, auch bei Enterbung, Anspruch auf einen Pflichtteil (§ 2303 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch.

Vermächtnis und Auflage

Neben der Einsetzung als Erbe kann der Erblasser Vermächtnisse (z. B. Zuwendung einzelner Gegenstände) oder Auflagen anordnen. Vermächtnisnehmer sind keine Erben und erwerben keine Gesamtrechtsnachfolge, sondern einen Anspruch gegen den Nachlass (§ 2174 BGB).

Vorerbschaft und Nacherbschaft

Durch Anordnung einer Vorerbschaft kann der Erblasser bestimmen, dass der Vorerbe das Erbe nur für einen bestimmten Zeitraum oder unter bestimmten Bedingungen erhält, nach deren Eintritt der Nacherbe folgt (§§ 2100 ff. BGB).

Internationales Erbrecht

Der grenzüberschreitende Erwerb von Erbschaften unterliegt regelmäßig dem internationalen Privatrecht. Für Erbfälle ab August 2015 ist in der Europäischen Union die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) maßgeblich. Diese stellt vor allem auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Todeszeitpunkt ab.

Steuerrechtliche Aspekte der Erbschaft

Der Erwerb von Todes wegen unterliegt grundsätzlich der Erbschaftsteuer. Bemessungsgrundlage, Steuerklasse und Freibeträge richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis und dem Wert des erworbenen Nachlasses. Die Erbschaftsteuer wird insbesondere in Deutschland durch das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) §§ 1922-2385
  • Europäische Erbrechtsverordnung (EU) Nr. 650/2012
  • Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG)

Hinweis: Dieser Artikel bietet eine allgemeine und umfassende Darstellung des Begriffs „Erbschaft“ und der wichtigsten rechtlichen Gesichtspunkte, die im Rahmen eines Rechtslexikons relevant sind.

Häufig gestellte Fragen

Welche Möglichkeiten haben Erben, eine Erbschaft auszuschlagen, und welche Fristen sind dabei zu beachten?

Erben haben das gesetzliche Recht, eine Erbschaft auszuschlagen, wenn sie beispielsweise überschuldet ist oder andere Gründe gegen eine Annahme sprechen. Die Ausschlagung muss ausdrücklich und persönlich beim zuständigen Nachlassgericht oder bei einem Notar erklärt werden. Eine einfache schriftliche Mitteilung reicht nicht aus. Die Frist zur Ausschlagung beträgt grundsätzlich sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Anfall der Erbschaft und dem Grund seiner Berufung (zum Beispiel als gesetzlicher Erbe oder aufgrund eines Testaments) Kenntnis erlangt. Befindet sich der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland oder handelt es sich um einen Erbfall mit Bezug zum Ausland, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf sechs Monate. Wird die Ausschlagung nicht innerhalb dieser Frist erklärt, gilt die Erbschaft als angenommen, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, außer im Ausnahmefall einer Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung. Die Ausschlagung wirkt rückwirkend, als hätte der Erbe die Erbschaft nie angenommen. Zu beachten ist, dass mit der Ausschlagung alle Rechte und Pflichten aus dem Nachlass wegfallen, und etwaige Nach- oder Ersatzerben an die Reihe rücken.

Welche Haftungsrisiken bestehen für Erben im Zusammenhang mit Nachlassverbindlichkeiten?

Mit dem Tod des Erblassers gehen auch dessen Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über. Grundsätzlich haften Erben mit ihrem gesamten Vermögen, das heißt sowohl mit dem Nachlass als auch mit dem eigenen Privatvermögen, für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diese persönliche Haftung auf den Nachlass zu beschränken, beispielsweise im Wege der Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz. Eine Nachlassverwaltung kann beim Nachlassgericht beantragt werden, wenn der Nachlass überschuldet ist oder Unklarheit über die wirtschaftlichen Verhältnisse besteht. Wird eine solche Verwaltung angeordnet, haften Erben zunächst nur mit dem Nachlassvermögen. Ähnliche Wirkungen hat die Nachlassinsolvenz, die entweder auf Antrag der Erben oder eines Nachlassgläubigers beim Insolvenzgericht eröffnet werden kann. Ohne solche Schutzmaßnahmen erlischt die Haftungsbeschränkung und die Erben haften unbegrenzt. Wichtig ist eine rechtzeitige und sorgfältige Prüfung der Nachlassverbindlichkeiten, bevor über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft entschieden wird.

Wie erfolgt die Erbauseinandersetzung bei mehreren Erben und was ist rechtlich zu beachten?

Bei mehreren Erben entsteht kraft Gesetzes eine Erbengemeinschaft. Bis zur endgültigen Teilung des Nachlasses, also der sogenannten Erbauseinandersetzung, gehört der gesamte Nachlass gemeinschaftlich allen Erben zur gesamten Hand, das heißt, keiner kann über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen allein verfügen. Die Erbauseinandersetzung kann einvernehmlich durch sogenanntes Auseinandersetzungsabkommen erfolgen oder – sofern keine Einigkeit besteht – auf dem Rechtsweg durch eine Teilungsklage. Besondere Vorschriften gelten für teilbare und unteilbare Nachlassgegenstände. Bei Immobilien ist zur Übertragung des Eigentums die notarielle Beurkundung unerlässlich. Bestehen im Nachlass Schulden, müssen diese vor der Teilung getilgt bzw. abgesichert werden. Liegen Testamentsverfügungen oder ein Erbvertrag vor, sind deren Vorgaben zwingend zu beachten. Zudem kann im Testament eine Auseinandersetzung explizit ausgeschlossen oder an Bedingungen geknüpft werden (Auseinandersetzungsverbot). Die Erbengemeinschaft besteht bis zur vollständigen Erbauseinandersetzung fort.

Welche Formvorschriften gelten für die Beantragung eines Erbscheins?

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis über das Erbrecht einer Person oder einer Erbengemeinschaft. Er wird nur auf Antrag erteilt, ein Verfahren von Amts wegen ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Antragstellung erfolgt in der Regel schriftlich oder zur Niederschrift beim Nachlassgericht, kann aber auch bei einem Notar beurkundet werden. Dem Antrag sind Nachweise über den Erbfall (insbesondere Sterbeurkunde), das eigene Erbrecht (zum Beispiel Geburts- oder Heiratsurkunden, Testament, Erbvertrag) und die Staatsangehörigkeit des Erben beizufügen. Sind Testamente oder Erbverträge vorhanden, müssen diese im Original oder als amtlich beglaubigte Abschrift dem Nachlassgericht vorgelegt werden. Die Erteilung eines Erbscheins setzt regelmäßig auch eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben voraus. Die Kosten für den Erbschein richten sich nach dem Wert des Nachlasses und sind gesetzlich geregelt (Gerichts- und Notarkostengesetz).

Unter welchen Umständen ist ein Pflichtteilsanspruch durchsetzbar und wie wird er berechnet?

Der Pflichtteilsanspruch gewährt nahen Angehörigen (insbesondere Kindern, Ehegatten und Eltern bei kinderlosen Erblassern) einen Geldanspruch gegen die Erben, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) enterbt oder weniger als den Pflichtteil erhalten haben. Er entsteht mit dem Tod des Erblassers und ist unmittelbar vom Erben zu erfüllen. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 BGB). Relevant ist dabei der Wert des gesamten Nachlasses am Tag des Erbfalls, abzüglich etwaiger Nachlassverbindlichkeiten. Eventuelle Schenkungen zu Lebzeiten des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod werden unter Umständen (Pflichtteilsergänzungsanspruch) berücksichtigt. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Auskunftsanspruch bezüglich des Nachlasses sowie einen Wertermittlungsanspruch. Der Pflichtteil ist ausschließlich als Geldanspruch ausgestaltet; Sachen aus dem Nachlass können nicht verlangt werden. Die juristische Durchsetzung erfolgt erforderlichenfalls im Wege der Zahlungsklage.

Welche Auswirkungen haben frühere Schenkungen des Erblassers auf die Erbquote und den Pflichtteil?

Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, insbesondere innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod, können erhebliche Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch haben. Dies regelt der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Dabei wird der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet, um die Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil zu erhöhen. Allerdings wird der Wert der Schenkung für jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall liegt, um zehn Prozent abgeschmolzen („Abschmelzungsmodell“). Nach Ablauf von zehn Jahren findet also keine Berücksichtigung mehr statt. Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt die Zehnjahresfrist erst mit Auflösung der Ehe (also in aller Regel mit dem Tod). Schenkungen werden vielfach im Wege des Auskunftsanspruchs geltend gemacht, um die Höhe des ergänzten Pflichtteilsanspruchs zu bestimmen. Auf die Erbquote selbst wirken sich Schenkungen grundsätzlich nicht unmittelbar aus, soweit im Testament nichts anderes angeordnet ist, können aber im Rahmen der Erbauseinandersetzung als Voraus oder Ausgleichungspflicht berücksichtigt werden.

Welche Unterlagen benötigen Erben zur Nachlassabwicklung und welche Behördengänge sind erforderlich?

Für die ordnungsgemäße Nachlassabwicklung müssen Erben verschiedene Unterlagen vorlegen und Behördengänge absolvieren. Zunächst sind Erbdokumente (Sterbeurkunde, Testament/Erbvertrag, Erbschein) erforderlich. Banken verlangen zur Konteneröffnung bzw. -auflösung in der Regel den Erbschein oder das eröffnete Testament mit gerichtlichem Eröffnungsprotokoll. Bei Grundstücken ist für Grundbuchberichtigungen ein Erbschein vorzulegen. Vermietete Immobilien erfordern die Vorlage des Mietvertrages und gegebenenfalls Nachweise der Erbberechtigung. Für Fahrzeuge muss die Zulassungsstelle informiert werden, wo entsprechende Eigentumsnachweise zu erbringen sind. Versicherungen, Energieversorger und sonstige Vertragspartner sind über den Erbfall zu informieren, oft verlangen diese beglaubigte Kopien der Erbnachweise. Die Anzeige beim Finanzamt (Erbschaftsteueranmeldung) ist binnen drei Monaten nach Kenntnis des Erbfalls verpflichtend, insbesondere wenn die Erbschaft bestimmte steuerliche Freibeträge überschreitet. Bei minderjährigen Erben ist zudem in besonderen Fällen die Bestellung eines Ergänzungspflegers durch das Familiengericht erforderlich, z.B. bei Interessenkonflikten oder Rechtsgeschäften mit dem Nachlass.