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Erblastentilgungsfonds


Begriff und rechtliche Einordnung des Erblastentilgungsfonds

Der Erblastentilgungsfonds war ein staatlich eingerichteter Sonderfonds zur Finanzierung und Abwicklung von aus der deutschen Teilung resultierenden Altschulden und Verbindlichkeiten. Seine Aufgabe war es, insbesondere Staatsschulden und Lastenverpflichtungen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu übernehmen und abzubauen. Der Erblastentilgungsfonds wurde im Kontext der deutschen Wiedervereinigung von 1990 geschaffen und war ein zentrales Instrument für die fiskalische Bewältigung der deutschen Einheit.

Gesetzliche Grundlagen

Schaffung und Zweck gem. Erblastentilgungsfondsgesetz (ELFG)

Der Erblastentilgungsfonds wurde durch das Erblastentilgungsfondsgesetz (ELFG), Gesetz vom 27. September 1990 (BGBl. I S. 2143), gegründet. Die gesetzliche Grundlage regelte detailliert die Errichtung, Verwaltung, Aufgaben und den Abbau des Fonds.

Der Zweck des Fonds war laut § 1 ELFG, „die nach dem Stand vom 1. Juli 1990 bestehenden Verbindlichkeiten der Deutschen Demokratischen Republik abzubauen und den damit verbundenen Zins- und Tilgungsdienst zu erbringen.”

Rechtsstellung als Sondervermögen

Gemäß § 2 ELFG wurde der Erblastentilgungsfonds als ein Sondervermögen des Bundes errichtet. Ein Sondervermögen ist eine rechtlich verselbstständigte Wirtschafts- und Vermögenseinheit, die außerhalb des regulären Bundeshaushalts geführt wird und eigenständig auftritt. Der Fonds trat – im Rahmen seiner spezifischen gesetzlichen Regelungen – als Rechtsträger auf.

Aufgaben und Funktionsweise

Übernahme der DDR-Schulden

Der maßgebliche Aufgabenbereich des Fonds war die Übernahme und Verwaltung der offenen Kreditverbindlichkeiten, Garantien und sonstigen finanziellen Verpflichtungen, wie sie von der DDR zum Zeitpunkt der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der Bundesrepublik Deutschland am 1. Juli 1990 bestanden.

Tilgungsmodaliäten und Finanzierung

Die Finanzierung des Tilgungsfonds erfolgte im Wesentlichen durch Bundeszuschüsse, Erlöse aus dem Verkauf von Vermögenswerten der Treuhandanstalt (insbesondere im Rahmen der Privatisierung ostdeutscher Unternehmen) und Einnahmen aus dem Verkauf von Restitutionsvermögen.

Der Tilgungszeitraum und die Modalitäten wurden durch das Erblastentilgungsfondsgesetz und weitere haushaltsrechtliche Gesetze festgelegt. Es durfte ausschließlich für die im Gesetz bestimmten Zwecke verwendet werden.

Haushaltsrechtliche Aspekte

Die Verwaltung erfolgte durch das Bundesministerium der Finanzen. Die haushaltsmäßige Abgrenzung zum Bundeshaushalt war strikt, da das Sondervermögen keine allgemeine Deckungsfunktion für den Bundeshaushalt hatte, sondern auf bestimmte Aufgabenbereiche begrenzt war.

Gemäß § 6 ELFG waren Haushalt und Wirtschaftspläne des Fonds gesondert aufzustellen und bei der Haushalts- und Rechnungsprüfung gesondert zu berücksichtigen.

Beteiligte Institutionen und Zuständigkeiten

Bundesministerium der Finanzen

Das Bundesministerium der Finanzen hatte die maßgebliche Verwaltungsverantwortung für den Fonds inne. Es erstellte die Jahresabschlüsse und wirkte an der Überwachung und Steuerung der Mittelverwendung mit.

Treuhandanstalt

Die Treuhandanstalt übertrug die Erlöse aus den Privatisierungen und den Veräußerungen ehemaliger DDR-Betriebe zweckgebunden an den Erblastentilgungsfonds. Die Mittel dienten prioritär der Schuldenreduktion.

Bundesrechnungshof

Die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Erblastentilgungsfonds erfolgte durch den Bundesrechnungshof nach den Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung.

Abwicklung und Auflösung

Historischer Verlauf bis zur Auflösung

Mit Fortschreiten der Schuldentilgung wurde der Fonds schrittweise reduziert. Der Erblastentilgungsfonds wurde schließlich durch Artikel 1 des „Gesetzes zur Auflösung von Sondervermögen des Bundes im Bereich der Finanzverwaltung” zum 31. Dezember 2017 aufgelöst. Die verbleibenden Verbindlichkeiten gingen auf den Bundeshaushalt über.

Bedeutung und Kritik

Finanzierung der Deutschen Einheit

Der Erblastentilgungsfonds stellte ein zentrales Instrument zur Bewältigung der finanziellen Belastungen der Wiedervereinigung dar. Mit seiner Hilfe sollten die Finanzierungslasten der von der DDR übernommenen Verbindlichkeiten vom regulären Bundeshaushalt entkoppelt und transparent gemacht werden.

Haushalts- und Transparenzkritik

Kritisch wurde angemerkt, dass die Auslagerung von Altschulden in einen Sonderfonds die strukturellen Haushaltsbelastungen der Bundesrepublik nur formell, jedoch nicht ökonomisch reduzierte. Die Schaffung einer gesonderten Rechnungsführung wurde jedoch grundsätzlich als geeignet betrachtet, die Finanzierungslasten der Wiedervereinigung nachvollziehbar darzustellen.

Rechtsfolgen und Auswirkungen

Mit der Auflösung des Fonds sind alle Rechte und Pflichten dieses Sondervermögens auf den Bund übergegangen. Die steuer- und haushaltsrechtlichen Besonderheiten des Erblastentilgungsfonds sind mit Ablauf der Fondsexistenz entfallen.

Literatur und Weiterführendes

  • Bundestagsdrucksachen zur Errichtung und Auflösung des Erblastentilgungsfonds
  • Bundesgesetzblatt: Erblastentilgungsfondsgesetz (ELFG)
  • Jahresberichte des Bundesrechnungshofes zur Fondsverwaltung
  • Berichte des Bundesministeriums der Finanzen zur bilanziellen Entwicklung

Zusammenfassung:
Der Erblastentilgungsfonds war eine zentrale Institution des deutschen Wiedervereinigungsprozesses zur Tilgung ostdeutscher Altschulden. Rechtlich als Sondervermögen ausgestaltet, besaß er eine eigenständige Haushaltswirtschaft, wurde von Bundesministerien verwaltet und durch Treuhanderlöse finanziert. Die gesetzlich geregelte Zweckbindung und Abwicklung machten ihn zu einem befristeten Instrument der deutschen Finanz- und Wiedervereinigungspolitik.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Erblastentilgungsfonds?

Der Erblastentilgungsfonds ist in erster Linie durch das Gesetz zur Errichtung eines Erblastentilgungsfonds (Erblastentilgungsfondsgesetz – ELFG) geregelt. Das ELFG wurde im Zuge der deutschen Wiedervereinigung geschaffen, um die im Zusammenhang mit der deutschen Teilung entstandenen Altschulden gesamtdeutsch zu bewältigen. Zu den wesentlichen Rechtsgrundlagen zählen neben dem ELFG auch diverse Ausführungsbestimmungen sowie relevante Haushaltsgesetze des Bundes. Insbesondere sind nachstehende Rechtsbereiche einschlägig: Verfassungsrechtlich ist die Schuldenübernahme mit dem Grundgesetz (insbesondere Art. 115 GG, Schuldenregel) abzugleichen. Darüber hinaus beeinflussen europarechtliche Vorgaben zum staatlichen Haushaltsdefizit (z. B. Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU) die Handhabung des Erblastentilgungsfonds. Maßgeblich sind ferner die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum öffentlichen Schuldenrecht und zur Haushaltsklarheit (z.B. im Kontext von Sondervermögen), die die rechtliche Ausgestaltung flankieren.

Welche juristischen Akteure sind in die Verwaltung und Überwachung des Erblastentilgungsfonds eingebunden?

Die Verwaltung des Erblastentilgungsfonds obliegt dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) als zuständigem Ressort; hierbei wird das BMF durch spezialisierte Abteilungen und gegebenenfalls nachgelagerte Behörden unterstützt, zum Beispiel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Rahmen der Finanzaufsicht. Die parlamentarische Kontrolle erfolgt durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, der auf Grundlage der haushaltsrechtlichen Bestimmungen Mitwirkungs- und Kontrollrechte gegenüber Fonds und Sondervermögen wahrnimmt. Zudem hat der Bundesrechnungshof ein gesetzlich verbrieftes Prüfungs- und Berichtsrecht hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Fondswirtschaft. In Fällen mit EU-Bezug können auch europäische Stellen, wie der Europäische Rechnungshof, im Rahmen ihrer Kompetenzen tätig werden.

Inwiefern unterliegt der Erblastentilgungsfonds der Schuldenbremse des Grundgesetzes?

Spezifisch juristisch ist zu beachten, dass gemäß Art. 115 GG, durch die sogenannte Schuldenbremse, die Kreditaufnahme des Bundes begrenzt und für Sondervermögen strenge Einschränkungen vorgesehen wurden. Der Erblastentilgungsfonds ist jedoch als Sondervermögen eingerichtet worden, das ausdrücklich mit der Übernahme von Altschulden – also Schulden, die vor dem Inkrafttreten der Schuldenbremse entstanden – betraut ist. Die Einordnung als “Altverbindlichkeit” ist rechtlich signifikant, da dadurch eine Ausnahme von laufenden Kreditaufnahmeregeln ermöglicht wurde. Allerdings wird eine Neuverschuldung im Fonds auf Grundlage der Haushaltsgesetzgebung und mit Blick auf die Vorgaben der deutschen Verfassung dauerhaft ausgeschlossen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Fonds war mehrfach Gegenstand juristischer Kontroversen und verfassungsgerichtlicher Verfahren, wobei letztinstanzlich die explizite Bindung an die Tilgung historischer Lasten als zulässig erachtet wurde.

Welche rechtlichen Haftungsregeln gelten im Kontext des Erblastentilgungsfonds?

Der Haftungsrahmen des Erblastentilgungsfonds ist primär auf Bundesschuldenrecht gestützt; das heißt, der Fonds haftet aus seinen Mitteln und als juristisch unselbständiges Sondervermögen letztlich subsidiär der Bund. Nach §§ 37, 38 BHO handelt das BMF für das Sondervermögen, haftet aber nicht persönlich; Gläubigerforderungen richten sich gegen das Sondervermögen bzw. sekundär gegenüber der Bundesrepublik Deutschland. Eine Durchgriffshaftung auf einzelne Länder oder andere Institutionen ist – sofern nicht ausdrückliche rechtsgeschäftliche Verpflichtung eingegangen wurde – rechtlich ausgeschlossen. Auch ein Rückgriff auf die Organe der Fondsverwaltung ist nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung denkbar, was auf allgemeine Amtshaftungsregelungen verweist.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Transparenz und Berichterstattung über den Erblastentilgungsfonds?

Für den Erblastentilgungsfonds gelten die Grundsätze der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit nach §§ 12, 13 BHO sowie der jährlichen öffentlichen Berichterstattung (§ 114 BHO, Grundsatz der Rechnungslegung). Das Bundesministerium der Finanzen ist daher verpflichtet, alle Einnahmen und Ausgaben gesondert nachzuweisen und dem Bundestag jährlich einen umfassenden Bericht vorzulegen. Diese Berichte sind Prüfungsvorbehalten durch den Bundesrechnungshof unterworfen. Verstöße gegen die Pflichten zur Berichterstattung und Dokumentation können als Haushaltsuntreue oder Pflichtverletzung administrativ oder sogar strafrechtlich relevant werden. Überdies gilt nach dem Informationsfreiheitsgesetz die Verpflichtung zur Auskunft, wenngleich mit Ausnahmen im Hinblick auf das Staatswohl und den Schutz vertraulicher Angaben.

Bedingt der Erblastentilgungsfonds nachträgliche Änderungen im Haushaltsrecht?

Ja, regelmäßig erforderte die Einrichtung und Fortentwicklung des Erblastentilgungsfonds Anpassungen im Haushaltsrecht. Dies betrifft insbesondere Änderungen der Bundeshaushaltsordnung und flankierende Verwaltungsvorschriften, z.B. zur regelmäßigen Tilgung und Zuweisung von Einnahmen, Regelungen zu Zuführungen aus dem Bundeshaushalt sowie zu Rücklagen oder Umschuldungen. Auch neue haushaltsrechtliche Stellungnahmen, Vorabprüfungen im Gesetzgebungsverfahren und oftmals umfangreiche Begründungen hinsichtlich verfassungsrechtlicher Vereinbarkeit waren bzw. sind notwendig, um die fortlaufende Rechtssicherheit des Fonds zu gewährleisten.

Wie werden Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erblastentilgungsfonds juristisch geklärt?

Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Verwaltung, Mittelverwendung oder Tilgungsabwicklung des Erblastentilgungsfonds entstehen, unterliegen den allgemeinen Rechtswegen der Bundesrepublik Deutschland. Zuständig sind im Streitfall zunächst die Verwaltungsgerichte, soweit es um die Kontrolle der Haushaltsführung und der rechtmäßigen Mittelverwendung geht (vgl. Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Bei verfassungsrechtlichen Angelegenheiten, etwa bei der Frage der Zulässigkeit von Fondsausgaben nach Art. 93 GG, kommt das Bundesverfassungsgericht als letztinstanzliches Organ in Betracht. Zivilrechtliche Streitigkeiten, z.B. über Darlehens- oder Anleihebedingungen, werden vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen, wobei hier die speziellen Fondskonditionen zu beachten sind. Rechtsmittel und Klagemöglichkeiten richten sich stets nach der jeweils betroffenen Prozessordnung.