Entsendegesetz: Begriff, Zweck und Einordnung
Das Entsendegesetz regelt die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten, die vorübergehend zur Erbringung von Dienstleistungen nach Deutschland entsandt werden. Es stellt sicher, dass für diese Personen wesentliche Schutzstandards des hiesigen Arbeitsrechts gelten. Ziel ist der Schutz von Beschäftigten sowie fairer Wettbewerb zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen.
Anwendungsbereich
Wen betrifft das Entsendegesetz?
Betroffen sind in erster Linie Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, die Beschäftigte zur vorübergehenden Arbeitsleistung nach Deutschland schicken. Ebenfalls erfasst sind Konstellationen mit Subunternehmerketten sowie bestimmte Bereiche mit branchenspezifischen Arbeitsbedingungen. Öffentliche Auftraggeber müssen die Einhaltung der einschlägigen Mindestarbeitsbedingungen im Rahmen von Vergaben berücksichtigen.
Was gilt als Entsendung?
Eine Entsendung liegt vor, wenn Beschäftigte zeitlich befristet in Deutschland arbeiten, während das Arbeitsverhältnis zum ausländischen Arbeitgeber fortbesteht. Typische Fälle sind Dienstleistungsverträge über die Grenze, innerkonzernliche Einsätze oder die grenzüberschreitende Überlassung von Arbeitskräften. Nicht als Entsendung gelten gewöhnliche innerstaatliche Versetzungen ohne Auslandsbezug.
Sektorale Geltung und öffentliche Aufträge
In verschiedenen Branchen bestehen erweiterte Mindestbedingungen, die allgemein angewendet werden. Dazu zählen traditionell unter anderem Bau, Gebäudereinigung, Sicherheitsdienstleistungen, Postdienste sowie weitere arbeitsintensive Bereiche. Bei öffentlichen Aufträgen spielen diese Standards eine besondere Rolle, weil Auftragnehmer und Nachunternehmer sie einzuhalten haben.
Kernarbeitsbedingungen, die einzuhalten sind
Vergütung und Entlohnung
Es gilt mindestens der allgemeine gesetzliche Mindestlohn in Deutschland. In vielen Branchen bestehen darüber hinaus höhere Mindestentgelte, die vorrangig sind. Zur Vergütung zählen alle verpflichtenden Entgeltbestandteile, die in Deutschland für die betroffene Tätigkeit gelten. Reine Aufwandsentschädigungen für Reise, Unterkunft oder Verpflegung sind grundsätzlich kein Lohn, soweit sie Kosten erstatten. Zuschläge und Zulagen können zu berücksichtigen sein, sofern sie nicht ausschließlich Aufwendungen ausgleichen.
Arbeitszeit, Ruhezeiten, Urlaub
Maßgeblich sind die deutschen Regeln zu Höchstarbeitszeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten. Auch ein Mindestmaß an bezahltem Jahresurlaub ist sicherzustellen. Je nach Branche können zusätzlich allgemein verbindlich geltende tarifliche Regelungen Anwendung finden, etwa zu Zuschlägen oder besonderen Ausgleichsmechanismen.
Arbeitsschutz und Unterbringung
Arbeitsschutzrechtliche Anforderungen gelten auch für entsandte Beschäftigte. Werden Unterkünfte durch den Arbeitgeber bereitgestellt, müssen sie bestimmten Standards entsprechen, insbesondere hinsichtlich Sicherheit, Hygiene und Belegungsdichte.
Weitere Schutzstandards
Schutzregelungen zugunsten bestimmter Personengruppen, das Diskriminierungsverbot sowie Vorgaben zur Gleichbehandlung sind zu beachten. Bei grenzüberschreitender Überlassung von Arbeitskräften richtet sich die Gleichstellung mit Stammbeschäftigten nach den in Deutschland maßgeblichen Vorgaben.
Langzeitentsendung
Dauert eine Entsendung länger als ein Jahr, erweitert sich der Umfang der in Deutschland anzuwendenden Arbeitsbedingungen. In eng umgrenzten Fällen ist eine Verlängerung des Schwellenwerts auf bis zu 18 Monate möglich. Bei Langzeitentsendungen nähern sich die maßgeblichen Bedingungen weitgehend denen an, die für vergleichbare Beschäftigte am Einsatzort gelten. Bestimmte Bereiche wie Beendigungsmodalitäten oder betriebliche Altersversorgung bleiben davon ausgenommen.
Tarifverträge und ihre Ausdehnung
Branchentarifverträge können auf Grundlage gesetzlicher Verfahren für allgemein anwendbar erklärt werden. Dann gelten ihre Mindestentgelte und weiteren festgelegten Arbeitsbedingungen auch für ausländische Arbeitgeber, die in Deutschland Leistungen erbringen. Diese Ausdehnung dient der Sicherung einheitlicher Standards innerhalb der jeweiligen Branche.
Kontrolle und Durchsetzung
Behördliche Prüfungen und Zusammenarbeit
Die Einhaltung der Vorgaben wird von zuständigen Behörden überwacht. Dazu gehören Kontrollen vor Ort, Prüfungen von Unterlagen sowie die Zusammenarbeit mit Stellen in anderen Staaten zur Klärung grenzüberschreitender Sachverhalte.
Unterlagen und Meldepflichten
Für bestimmte Tätigkeiten bestehen Anmelde- und Dokumentationspflichten. Typischerweise sind Arbeitszeiten, Entgeltbestandteile und relevante Vertragsunterlagen nachweisbar zu führen. In definierten Fällen ist eine Bereithaltung in deutscher Sprache vorgesehen. Die Pflichten zielen darauf ab, die Überprüfung der Mindestarbeitsbedingungen zu ermöglichen.
Bußgelder, Zahlungsverpflichtungen und Haftung
Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden. Zudem kommen Nachzahlungen von Entgelt und Sozialabgaben in Betracht. In einigen Branchen haften Generalunternehmer gesamtschuldnerisch für bestimmte Entgeltansprüche gegenüber Beschäftigten von Nachunternehmern. Bei öffentlichen Aufträgen können schwerwiegende Verstöße vergaberechtliche Folgen haben.
Abgrenzungen und Zusammenhänge
Entsendegesetz und allgemeiner Mindestlohn
Grundlegender Zusammenhang
Der allgemeine Mindestlohn bildet die untere Grenze der Vergütung. Ist ein branchenspezifisches Mindestentgelt höher, geht dieses vor. Für entsandte Beschäftigte gilt stets der jeweils maßgebliche höhere Standard am Arbeitsort in Deutschland.
Entsendung, Dienstreise, Arbeitnehmerüberlassung
Eine Dienstreise ohne Auslandsbezug fällt nicht unter das Entsendegesetz. Bei Entsendungen bleibt das ausländische Arbeitsverhältnis bestehen, während die Arbeitsleistung vorübergehend in Deutschland erbracht wird. Die grenzüberschreitende Überlassung von Arbeitskräften unterliegt ergänzenden Regeln zur Gleichstellung mit der Stammbelegschaft des Einsatzbetriebs.
Internationaler Kontext
Das Entsendegesetz setzt europäische Vorgaben zur Entsendung von Arbeitnehmern um und ordnet zwingende Arbeitsbedingungen für den Einsatzstaat an. Fragen des anwendbaren Vertragsrechts werden durch Kollisionsnormen gelöst; bestimmte Mindeststandards des Einsatzstaats sind unabhängig von einer Rechtswahl verbindlich. Soziale Sicherung und aufenthaltsrechtliche Aspekte werden durch eigenständige Regelungswerke erfasst und sind vom Entsendegesetz zu unterscheiden.
Rechte der Beschäftigten und Pflichten der Unternehmen
Entsandte Beschäftigte können die Einhaltung der maßgeblichen Mindestarbeitsbedingungen am Einsatzort verlangen. Unternehmen, die Dienstleistungen in Deutschland erbringen, müssen die einschlägigen Standards umsetzen, die Verfügbarkeit von Nachweisen sicherstellen und mit den Behörden kooperieren. Auftraggeber haben branchenspezifische Haftungs- und Sorgfaltspflichten im Blick zu behalten, insbesondere in Subunternehmerketten.
Häufig gestellte Fragen zum Entsendegesetz
Was gilt als Entsendung im Sinne des Entsendegesetzes?
Eine Entsendung liegt vor, wenn Beschäftigte vorübergehend in Deutschland arbeiten, während ihr Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber im Ausland fortbesteht. Typisch sind grenzüberschreitende Dienstleistungen, innerkonzernliche Einsätze und die Überlassung von Arbeitskräften aus dem Ausland.
Welche Mindestarbeitsbedingungen müssen eingehalten werden?
Maßgeblich sind der allgemeine Mindestlohn oder – falls vorhanden – höhere branchenspezifische Mindestentgelte, Regeln zu Arbeitszeit, Ruhezeiten und bezahltem Urlaub, Arbeitsschutzvorgaben, Gleichbehandlung sowie Vorgaben zur Unterbringung, wenn der Arbeitgeber Wohnraum bereitstellt.
Gilt das Entsendegesetz auch für kurze Einsätze?
Ja, Grundstandards wie Mindestentgelt und Arbeitsschutz gelten grundsätzlich auch bei kurzen Einsätzen. Einzelne Anzeige- oder Dokumentationspflichten können von Einsatzdauer, Branche und Tätigkeit abhängen.
Wie verhält sich das Entsendegesetz zum allgemeinen Mindestlohn?
Der allgemeine Mindestlohn bildet die Untergrenze. In Branchen mit höheren allgemein geltenden Mindestentgelten gilt der höhere Satz. Entscheidend ist jeweils der am Einsatzort maßgebliche Standard.
Was bedeutet Langzeitentsendung?
Bei einer Entsendung von mehr als zwölf Monaten (mit Verlängerungsmöglichkeit bis zu achtzehn Monaten) erweitert sich der Katalog der in Deutschland anzuwendenden Arbeitsbedingungen. Ausgenommen bleiben bestimmte Bereiche wie Beendigungsmodalitäten oder betriebliche Altersversorgung.
Wer kontrolliert die Einhaltung und welche Folgen haben Verstöße?
Zuständige Behörden überwachen die Einhaltung durch Prüfungen und Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen. Verstöße können Bußgelder, Nachzahlungen und vergaberechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Haften Auftraggeber für Verstöße von Subunternehmern?
In bestimmten Branchen besteht eine Haftung des Auftraggebers beziehungsweise Generalunternehmers für Entgeltansprüche der Beschäftigten von Nachunternehmern. Ziel ist der Schutz der Beschäftigten und die Absicherung von fairen Wettbewerbsbedingungen.
Welche Rolle spielen Tarifverträge?
Werden Branchentarifverträge für allgemein anwendbar erklärt, gelten ihre Mindestentgelte und weiteren Arbeitsbedingungen auch für ausländische Arbeitgeber und deren entsandte Beschäftigte in Deutschland. Sie ergänzen und konkretisieren die gesetzlichen Mindeststandards.