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Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)


Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG): Definition und Anwendungsbereich

Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das am 27. September 1994 erlassen wurde. Es regelt die Gewährung von Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen für Vermögenswerte, die infolge der deutschen Teilung zwischen 1945 und 1990 im Beitrittsgebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) entzogen worden sind. Ziel des Gesetzes ist es, einen gerechten finanziellen Ausgleich für Personen zu schaffen, deren Vermögenswerte enteignet oder durch das SED-Regime anderweitig entzogen wurden und nicht mehr zurückgegeben werden können.

Das EALG stellt damit einen wesentlichen Teil der sogenannten offenen Vermögensfragen nach dem Einigungsvertrag dar und bildet das zentrale Gesetz zur abschließenden materiellen Entschädigung für bestimmte Enteignungsfälle der Nachkriegszeit.


Rechtsgrundlagen und gesetzeshistorischer Kontext

Hintergrund der Vermögensentziehungen

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in der sowjetischen Besatzungszone und später in der DDR zu zahlreichen Enteignungen von Grundbesitz, Unternehmen und anderem Vermögen. Diese erfolgten häufig im Rahmen der sogenannten Bodenreform, von Verwaltungsakten, Kombinatsbildungen oder von Grundstücksbeschlagnahmen. Nach der Wiedervereinigung 1990 entstand ein erheblicher Regelungsbedarf zur Rückführung oder finanziellen Kompensation der entzogenen Vermögenswerte.

Zusammenhang mit dem Einigungsvertrag

Der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR legte fest, dass bestimmte Enteignungen, insbesondere die im Zeitraum 1945 bis 1949 (vor Gründung der DDR) vollzogenen Maßnahmen, nicht rückabgewickelt werden, sondern durch Entschädigungsleistungen zu bereinigen sind. Daraus folgte die gesetzgeberische Notwendigkeit zur Schaffung des EALG.

Inkrafttreten und Regelungskompetenz

Das EALG wurde am 27. September 1994 erlassen und trat rückwirkend zum 29. September 1994 in Kraft. Es beruht auf Art. 143 Abs. 3 des Grundgesetzes und § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes.


Inhaltliche Schwerpunkte des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG)

Anwendungsbereich

Das EALG ist auf natürliche und juristische Personen anwendbar, deren Vermögenswerte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR oder im Ostteil Berlins in den oben genannten Entziehungsaktionen verloren gingen und für welche eine Rückgabe nicht in Betracht kommt. Dies betrifft insbesondere:

  • Enteignungen im Rahmen der Bodenreform (1945-1949)
  • Enteignungen in den Jahren 1949-1990, bei denen eine Rückübertragung ausgeschlossen ist
  • Enteignungen auf staatsvertraglicher Grundlage zwischen DDR und anderen Staaten (z.B. Österreichische Vermögensregelungen)

Ausschlusstatbestände

Leistungen nach EALG sind ausgeschlossen, wenn der Berechtigte bereits gemäß anderer Vorschriften, wie dem Vermögensgesetz, entschädigt wurde oder eine Rückübertragung erhalten hat. Ebenso sind Ansprüche ausgeschlossen, sofern Vermögenswerte auf Grundlage von Reparationsleistungen an die Sowjetunion oder als Folge von Maßnahmen zwischenstaatlicher Vereinbarungen entzogen wurden.


Struktur und Ausgestaltung der Entschädigungsleistungen

Grundlagen der Entschädigung

Das Gesetz unterscheidet zwischen sogenannten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen, abhängig davon, ob es sich um inländische oder ausländische Berechtigte handelt und ob die Enteignung wieder rückgängig gemacht werden konnte. Die Leistung erfolgt grundsätzlich in Form einer Geldentschädigung, deren Höhe abhängig von Art und Wert des entzogenen Vermögens zum Stichtag der Entziehung ist.

Ermittlung des Entschädigungswertes

Die Bewertung des Vermögens richtet sich nach den Wertverhältnissen zum Entziehungszeitpunkt unter Abzug etwaiger Gegenleistungen oder Entschädigungen, die damals erbracht wurden. Bestimmte Kappungsgrenzen und pauschalierte Bewertungsmaßstäbe (z.B. Grundstückswertverordnung) kommen hierbei zur Anwendung.

Ausgleichsleistungen für Alteigentümer

Für Eigentümer von land- und forstwirtschaftlichen Flächen sieht das EALG Ausgleichsleistungen vor, die als prozentual berechnete Einmalzahlung oder in Form von Annuitäten (jährlichen Rentenzahlungen) erfolgen können.

Rechte ausländischer Geschädigter

Das Gesetz differenziert zwischen deutschen und ausländischen Anspruchsberechtigten. Für Personen mit Sitz oder Wohnsitz im Ausland sieht es gegebenenfalls niedrigere oder pauschalierte Leistungen vor.


Leistungsmodalitäten und Verfahren

Antragstellung

Ansprüche nach dem EALG sind innerhalb einer bestimmten Frist bei der zuständigen Behörde (häufig das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen) geltend zu machen. Die Fristen zur Antragstellung sind gesetzlich normiert und eine verspätete Anmeldung führt in der Regel zum Ausschluss.

Nachweisführung

Der Antragsteller ist verpflichtet, Besitz und Recht am entzogenen Vermögen nachzuweisen. Bei fehlender Dokumentation besteht die Möglichkeit, eine eidesstattliche Versicherung beizubringen.

Höhe und Auszahlung der Leistung

Die Entschädigungsleistungen werden meist gestaffelt oder in Teilbeträgen ausgezahlt. Es stehen sowohl Einmalzahlungen als auch wiederkehrende Leistungen zur Verfügung. Ein Anspruch auf Verzinsung besteht grundsätzlich nicht.


Besondere Regelungen und Teilbereiche des EALG

Entschädigungsfonds und Finanzierungsstruktur

Die Finanzierung der Entschädigungsleistungen erfolgt überwiegend über den Entschädigungsfonds des Bundes, welcher mit öffentlichen Mitteln ausgestattet ist.

Soziale Härtefallregelungen

Das EALG sieht sogenannte “soziale Härtefallregelungen” für besondere wirtschaftliche Notlagen der Anspruchsteller vor, beispielsweise, wenn diese sich in einer existenzgefährdenden Situation befinden. Die Gewährung erfolgt auf Antrag und nach Einzelfallprüfung.

Sonderregelungen für land- und forstwirtschaftliches Vermögen

Da die “Bodenreform” als politische Maßnahme in großem Umfang beratende Land- und Forstwirte in der DDR betroffen hat, bestehen besondere Ausgleichsmechanismen (z.B. für die sogenannte “Neubauernland”-Regelung).

Übergangsregelungen und Verjährung

Das EALG enthält Vorschriften zur Verjährung und zum Erlöschen von Ansprüchen. Außerdem regelt es, unter welchen Umständen bereits entstandene Ansprüche auf Dritte übergehen können und wie mit mehrfachen Ansprüchen umzugehen ist.


Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen

Bedeutung in der gerichtlichen Praxis

Das EALG hat im Laufe der Jahre zu einer umfangreichen Rechtsprechung geführt, vor allem bei Fragen der Anspruchsberechtigung, der Wertermittlung sowie bei der Abgrenzung der Zuständigkeit zu anderen Gesetzen, wie dem Vermögensgesetz oder den Entschädigungsregelungen für NS-Unrecht.

Kritik und Reformbedarf

Das Gesetz ist Gegenstand wiederholter Diskussionen, insbesondere hinsichtlich der Angemessenheit der Leistungen und der komplexen Antragsverfahren. Verschiedene politische Initiativen befassten sich mit der Möglichkeit einer weiteren Vereinfachung oder Verbesserung der materiellen Entschädigung.


Literaturhinweise

  • Gesetzestext: [Bundesgesetzblatt I 1994, S. 2624 ff.]
  • Kommentierungen: Herzig, “Vermögensrechtliche Rückabwicklung in Ostdeutschland”, Loseblattwerk, Stand jeweils aktuell.
  • Gerichtsurteile: BVerwG, Urt. v. 10.6.1997; BVerfG, Beschl. v. 22.3.2001

Zusammenfassung

Das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) bildet einen rechtlichen Kernbestandteil zur Kompensation von Enteignungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Es regelt abschließend den finanziellen Ausgleich für den nicht rückübertragbaren Entzug von Vermögenswerten, legt anspruchsberechtigte Personengruppen, Bewertungsmaßstäbe und Verfahrenswege fest und schafft eine abschließende Regelung der offenen Vermögensfragen im betreffenden Rechtsgebiet der deutschen Wiedervereinigungsgeschichte. Die praktische Bedeutung reicht, trotz ablaufender Fristen und abnehmender Zahl an Betroffenen, bis in die jüngste Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Personengruppen sind nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) antragsberechtigt?

Das EALG regelt die Berechtigung für Personen, deren Vermögenswerte im Beitrittsgebiet der ehemaligen DDR enteignet oder eingezogen wurden. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich natürliche und juristische Personen, deren Vermögensgegenstände (wie Immobilien, Grundstücke oder Unternehmen) in der SBZ/DDR im Zeitraum zwischen 1945 und 1990 rechtsgrundlos entzogen wurden. Dazu zählen insbesondere Alteigentümer und deren Rechtsnachfolger, wie etwa Erben. Nicht antragsberechtigt sind hingegen Personen, deren Entschädigungsanspruch bereits auf anderer gesetzlicher Grundlage erfüllt oder abgegolten wurde, oder deren Ansprüche auf völkerrechtlichen Regelungen beruhen, wie beispielsweise frühere Alliierte. Die Antragsberechtigung ist außerdem bei vergebenen Rückübertragungsansprüchen zusätzlich von etwaigen Rücknahme- oder Ausschlussfristen abhängig. Auch im Rahmen von Erbengemeinschaften richtet sich die Antragsstellung nach den gesetzlichen Erbfolgeregeln. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können nur eingeschränkt oder gar nicht antragsberechtigt sein, sofern sie nicht als Treuhänder für private Eigentümer aufgetreten sind.

Welche Fristen sind bei der Antragstellung nach dem EALG zu beachten?

Das EALG sieht strikte Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen vor. Ursprünglich mussten die Anträge zur Entschädigung oder auf Ausgleichsleistungen bis zum 31. Dezember 1992 gestellt werden. Für bestimmte Fälle, etwa bei nachträglich bekanntgewordenen Sachverhalten, wurden Nachfristregelungen geschaffen, die jedoch sehr eng auszulegen sind. Spätere Anträge sind nur in extremen Ausnahmefällen möglich, wenn dem Antragsteller die früheren Fristen aus rechtlich relevanten Gründen nicht zugänglich waren. Erb- oder Eigentumsübertragungen, die später stattfinden, begründen keine neuen Fristen, sondern müssen auf bereits form- und fristgerecht gestellten Anträgen aufbauen. Die Einhaltung der Fristen ist zentral für die Wirksamkeit des Entschädigungsanspruchs, da verspätete Anträge grundsätzlich als unzulässig zurückgewiesen werden.

Welche Formen der Entschädigung werden durch das EALG gewährt?

Das EALG unterscheidet grundsätzlich zwischen Naturalrestitution (Rückübertragung des enteigneten Vermögens) und einer Geldentschädigung, der sogenannten Ausgleichsleistung. Die Rückübertragung des enteigneten Vermögens ist vorrangig, sofern eine Rückgabe tatsächlich möglich und mit öffentlichem Interesse sowie Rechten Dritter vereinbar ist (§ 1 Abs. 6 EALG). Ist eine Rückübertragung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen, z.B. wegen erfolgter Bebauung oder Weiterveräußerung, kommt eine Geldentschädigung gemäß Bewertung nach dem Zeitwert der Sache in Betracht. Die Höhe dieser Ausgleichsleistungen ist gesetzlich in komplizierten Verfahren festgelegt und kann durch nachträgliche Veräußerungen oder Belastungen beeinflusst werden. Bei Gebäuden und Grundstücken werden auch Ertragswerte und damalige Verkehrswerte berücksichtigt. Zusätzlich bestehen Sonderregelungen für Betriebsvermögen und Mobilien.

Gibt es Besonderheiten bei der Zinsberechnung für Ausgleichsleistungen?

Für den Zeitraum zwischen Enteignung und Auszahlung der Ausgleichsleistungen regelt das EALG ausdrücklich die Zinsansprüche. Die Verzinsung beginnt grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, allerdings höchstens ab dem 01. Juli 1994. Die Höhe des Zinssatzes wird gesetzlich festgelegt und unterliegt keinen marktüblichen Zinsen, sondern orientiert sich am Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 288 BGB) sowie den besonderen gesetzlichen Vorschriften des EALG. Zinsen werden nur auf die zugesprochene Entschädigungssumme und nicht auf den ursprünglichen Geschädigungswert gezahlt. Es gelten Ausschlussfristen, und Verzögerungen durch Nichtvorlage von erforderlichen Unterlagen mindern den Zeitraum der Zinsberechnung. Die konkreten Details zur Zinsberechnung finden sich in den einschlägigen Durchführungsverordnungen und Verwaltungsanweisungen.

Wie erfolgt die Anrechnung anderer Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsleistungen auf Ansprüche nach dem EALG?

Das EALG sieht eine umfassende Anrechnung von bereits geleisteten Entschädigungen, Ausgleichs- oder Wiedergutmachungsleistungen vor, die im In- oder Ausland gewährt wurden, um eine Doppeltentschädigung zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Leistungen aus den Alliierten Rückerstattungsregelungen, ausländische Ausgleichszahlungen oder Leistungen nach gesetzlichen Vorgängervorschriften. Die angerechneten Beträge vermindern den Ausgleichsanspruch entsprechend, wobei der Werttag der Auszahlung und etwaige Zinsen zu berücksichtigen sind. Die Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob die Leistung in Geld, Sachwerten oder in anderer Form erbracht wurde. Auch bereits erhaltene Vergünstigungen (z.B. preiswerter Erwerb von Ersatzgrundstücken) werden berücksichtigt. Die genaue Abwicklung erfolgt durch die zuständigen Ämter für offene Vermögensfragen.

Welche Besonderheiten bestehen bei landwirtschaftlichen Flächen im Rahmen des EALG?

Landwirtschaftliche Nutzflächen und forstwirtschaftliche Flächen unterliegen eigenen Regelungsmechanismen nach dem EALG. Die Restitution ist bei in „gesellschaftlichem Besitz” befindlichen Flächen gemäß § 3 Abs. 2 EALG in der Regel ausgeschlossen, es sei denn, es bestehen besondere Ausnahmen, etwa wenn der Altrechtler nachweislich als land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb fortgeführt hätte. Für enteignete Flächen werden zumeist Ausgleichsleistungen gezahlt, deren Höhe auf Basis von Bodenrichtwerten und gemäß Vorschriften des Bundes bewertet wird. Die Flächenankaufsregelungen ermöglichen es zudem, dass ehemalige Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger vergünstigt Ersatzflächen erwerben, sofern diese im Rahmen der Vermögenszuordnung verfügbar sind. Hierbei sind strikte Nachweis- und Antragserfordernisse zu beachten.