Entschädigung für ungerechtfertigte Strafverfolgung

Begriff und Zweck

Die Entschädigung für ungerechtfertigte Strafverfolgung bezeichnet den Ausgleich von Nachteilen, die einer Person durch staatliche Maßnahmen im Rahmen eines Strafverfahrens entstanden sind, obwohl sich diese Maßnahmen im Nachhinein als unbegründet herausstellen. Ziel ist es, den durch Ermittlungen, Zwangsmaßnahmen oder Haft eingetretenen Schaden möglichst umfassend auszugleichen und das Vertrauen in einen rechtsstaatlichen Umgang mit Fehlentscheidungen zu sichern.

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich umfasst staatliche Maßnahmen der Strafverfolgung, die sich später als unbegründet oder unzutreffend erweisen. Dazu zählen insbesondere Freiheitsentziehungen wie vorläufige Festnahme und Untersuchungshaft, aber auch andere Eingriffe wie Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder vorläufige Entziehungen von Gegenständen und Dokumenten. Eine Entschädigung kommt in Betracht, wenn das Verfahren eingestellt wird oder mit einem Freispruch endet und die eingreifenden Maßnahmen sich als nicht gerechtfertigt erweisen.

Voraussetzungen des Anspruchs

Begünstigte Personengruppen

  • Personen, gegen die ein Strafverfahren geführt wurde, das später ohne Verurteilung beendet wurde.
  • Personen, die von freiheitsentziehenden Maßnahmen betroffen waren, die sich nachträglich als unbegründet darstellen.
  • Betroffene, deren Eigentum oder Rechte durch strafprozessuale Maßnahmen beeinträchtigt wurden, sofern diese sich als ungerechtfertigt herausstellen.

Maßgeblich ist, dass die Strafverfolgungsmaßnahme ex ante für notwendig gehalten wurde, sich ex post jedoch als unbegründet erweist. Der Anspruch knüpft regelmäßig an eine abschließende Entscheidung im Strafverfahren an.

Ausschlussgründe

Ein Anspruch ist ausgeschlossen, wenn die betroffene Person die Strafverfolgungsmaßnahme durch eigenes Verhalten in erheblicher Weise verursacht hat. Dazu zählen insbesondere bewusst irreführende Angaben, das Herbeiführen eines Verdachts durch Täuschung oder grob pflichtwidriges Verhalten im Zusammenhang mit der Maßnahme. Auch wenn das Verfahren aus Gründen beendet wird, die nichts mit der Unschuld zu tun haben, kann eine Entschädigung eingeschränkt oder ausgeschlossen sein. Einfache Mitwirkung an der Aufklärung stellt keinen Ausschlussgrund dar.

Umfang der Entschädigung

Vermögensschäden

Erstattet werden wirtschaftliche Nachteile, die kausal auf die ungerechtfertigte Strafverfolgung zurückgehen. Dazu gehören typischerweise Verdienstausfall, notwendige Auslagen und Aufwendungen im Zusammenhang mit der Maßnahme, Schäden an Sachen sowie weitere belegbare finanzielle Nachteile. Erforderlich ist ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen Maßnahme und Schaden.

Nichtvermögensschäden

Beeinträchtigungen immaterieller Art, wie der Verlust an Lebenszeit und Lebensqualität durch Freiheitsentzug, werden über pauschale Entschädigungen für Haft abgebildet. Bei besonders gravierenden Beeinträchtigungen können zusätzlich Billigkeitserwägungen eine Rolle spielen. Reine Rufschäden ohne nachweisbare vermögensmäßige Folgen werden nur ausnahmsweise selbstständig kompensiert.

Haftentschädigung

Für Zeiten rechtsgrundloser Freiheitsentziehung ist eine besondere Entschädigung vorgesehen. Sie wird regelmäßig als Tagessatz gewährt, unabhängig von individuellen Einkommensverhältnissen. Neben der pauschalen Haftentschädigung kommen ergänzend konkret nachgewiesene Vermögensschäden in Betracht.

Verfahren und Zuständigkeit

Antrag und Fristen

Die Entschädigung wird in der Regel durch einen förmlichen Antrag ausgelöst, der sich an die zuständige Stelle richtet, die nach Abschluss des Strafverfahrens mit der Entscheidung über die Entschädigung befasst ist. Für die Antragstellung gelten Fristen. Der Lauf der Frist beginnt üblicherweise mit der Bestandskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung. Das Versäumen von Fristen kann zum Verlust des Anspruchs führen.

Entscheidung und Rechtsmittel

Über den Antrag wird in einem eigenständigen Verfahren entschieden. Die Entscheidung umfasst die Frage, ob dem Grunde nach eine Entschädigung zusteht, und die Festsetzung der Höhe. Gegen ablehnende oder teilweise ablehnende Entscheidungen bestehen regelmäßig Rechtsbehelfe. Die Prüfung knüpft an den Ausgang des Strafverfahrens und die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen zum Zeitpunkt ihres Erlasses sowie an nachträgliche Erkenntnisse an.

Beweislast und Kausalität

Die betroffene Person trägt grundsätzlich die Darlegungslast für den Eintritt und das Ausmaß der geltend gemachten Schäden sowie für deren ursächlichen Zusammenhang mit der Strafverfolgungsmaßnahme. Je konkreter der Schaden beziffert und belegt wird, desto eher ist eine vollständige Kompensation möglich. Bei immateriellen Schäden im Zusammenhang mit Freiheitsentzug greifen pauschale Ansätze, die den Nachweis erleichtern.

Verhältnis zu anderen Rechtsbehelfen

Die Entschädigung für ungerechtfertigte Strafverfolgung ist als spezialgesetzlicher Ausgleich konzipiert und geht in ihrem Anwendungsbereich allgemeinen staatlichen Haftungsansprüchen vor. Unabhängig davon können in Einzelfällen ergänzende Ansprüche bestehen, soweit der besondere Entschädigungsmechanismus bestimmte Schäden nicht erfasst. Doppelkompensation desselben Schadens findet nicht statt.

Grenzen und Besonderheiten

Öffentliche Berichterstattung und Rehabilitierung

Folgen der öffentlichen Berichterstattung sind nur eingeschränkt Gegenstand der Entschädigung, sofern keine konkreten wirtschaftlichen Schäden nachweisbar sind. Maßnahmen der formellen Rehabilitierung und die Berichtigung öffentlicher Register können gesonderten Regeln unterliegen und sind vom Entschädigungsanspruch zu unterscheiden.

Kinder und Jugendliche

Bei minderjährigen Betroffenen gelten die allgemeinen Grundsätze sinngemäß. Die Bewertung immaterieller Beeinträchtigungen kann aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit abweichen. Ansprüche werden in der Regel durch gesetzliche Vertretung geltend gemacht.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat Anspruch auf Entschädigung bei ungerechtfertigter Strafverfolgung?

Anspruchsberechtigt sind Personen, gegen die ein Strafverfahren ohne Verurteilung beendet wurde und die durch Maßnahmen der Strafverfolgung Nachteile erlitten haben, etwa durch Haft, Beschlagnahmen oder andere Eingriffe.

Wird nur Untersuchungshaft entschädigt?

Nein. Erfasst werden neben Untersuchungshaft auch weitere ungerechtfertigte Maßnahmen der Strafverfolgung, beispielsweise vorläufige Festnahmen, Durchsuchungen oder Beschlagnahmen, sofern hierdurch Schäden entstanden sind.

Welche Schäden können ersetzt werden?

Erstattet werden nachweisbare Vermögensschäden wie Verdienstausfall, Aufwendungen und Sachschäden sowie pauschalierte immaterielle Nachteile bei Freiheitsentzug. Reine Rufschäden ohne wirtschaftliche Auswirkungen werden nur ausnahmsweise ausgeglichen.

Gibt es Ausschlussgründe?

Ja. Wer den Anlass für die Maßnahme erheblich selbst gesetzt hat, etwa durch schuldhaftes Fehlverhalten oder irreführende Angaben, kann ganz oder teilweise von der Entschädigung ausgeschlossen sein.

Welche Rolle spielt ein Mitverschulden?

Ein eigenes, erhebliches Mitverschulden kann den Anspruch mindern oder ausschließen. Maßgeblich ist, ob das Verhalten der betroffenen Person den Verdacht oder die Maßnahme wesentlich verursacht hat.

Welche Fristen sind zu beachten?

Für die Geltendmachung gelten feste Fristen, die in der Regel mit der Bestandskraft der verfahrensbeendenden Entscheidung zu laufen beginnen. Das Überschreiten der Frist kann den Anspruch entfallen lassen.

Wie wird die Höhe der Entschädigung bestimmt?

Die Höhe richtet sich nach pauschalen Sätzen für Freiheitsentzug und nach der konkreten Bezifferung nachweisbarer Vermögensschäden. Eine doppelte Entschädigung desselben Schadens findet nicht statt.

Kann zusätzlich ein Anspruch aus allgemeiner Staatshaftung bestehen?

Neben dem speziellen Entschädigungsmechanismus können ergänzende Ansprüche in Betracht kommen, wenn bestimmte Schäden dort nicht erfasst sind. Vorrangig ist jedoch der spezielle Ausgleich für ungerechtfertigte Strafverfolgung.