Entschädigung für Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz
Die Entschädigung für Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz (BLG) bezeichnet einen besonderen öffentlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch, der im Falle einer behördlichen Inanspruchnahme von Vermögenswerten oder Diensten zugunsten hoheitlicher Aufgaben entsteht. Zentrale Grundlage hierfür ist das Bundesleistungsgesetz vom 28. August 1968 (BGBl. I S. 1251), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3536). Das Gesetz regelt, in welchen Fällen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Entschädigung für die zwangsweise Nutzung von Grundstücken, Sachen, Leistungen oder Arbeitskraft durch öffentliche Stellen zu leisten ist.
Rechtliche Grundlagen
Allgemeiner Rahmen des Bundesleistungsgesetzes
Das Bundesleistungsgesetz (BLG) schafft die gesetzliche Befugnis, im Spannungs- oder Verteidigungsfall, bei Katastrophen sowie in bestimmten anderen Notlagen, Sachgüter und Dienstleistungen von natürlichen oder juristischen Personen nach Maßgabe eines festgelegten Entscheidungsprozesses in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig schreibt das Gesetz eine Kompensation für die betroffenen Personen oder Unternehmen vor.
Begriff der Inanspruchnahme
Unter Inanspruchnahme wird die zwangsweise oder mittels Verfügung erfolgende Nutzung, Verwertung oder Beanspruchung von Sachen, Grundstücken, Rechten oder Arbeitsleistungen verstanden. Dies kann sowohl die unmittelbare Beschlagnahme von Eigentum als auch die Verpflichtung zur Leistungserbringung umfassen.
Gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Entschädigung
Die hauptsächlichen Vorschriften zur Entschädigung finden sich in den §§ 9 bis 13 BLG. Diese Vorschriften legen unter anderem die Art und Weise der Bemessung, die Anspruchsgeltendmachung sowie den Rechtsweg fest.
Anspruchsvoraussetzungen einer Entschädigung
Voraussetzungen der Inanspruchnahme
Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch sind exakt geregelt:
- Rechtswirksame Anordnung der Inanspruchnahme: Maßgeblich ist eine entsprechende hoheitliche Maßnahme im Rahmen des BLG, etwa zur Deckung des Bedarfs im Verteidigungs- oder Spannungsfall, bei Naturkatastrophen oder öffentlich-rechtlichen Notlagen.
- Betroffenheit einer Person: Anspruchsberechtigt sind insbesondere Eigentümer, Besitzer, Inhaber von Rechten oder Verpflichtete, deren Eigentum, sonstige Rechte oder Arbeitskraft in Anspruch genommen werden.
Umfang der Entschädigungsberechtigung
Die Entschädigung umfasst sowohl den Ersatz des eingetretenen Schadens als auch unter bestimmten Umständen fiktiven Nutzungsausfalls. Zu unterscheiden ist dabei zwischen:
- Benutzungsentschädigung (Nutzungsentgelt für die Dauer der Inanspruchnahme)
- Schadensersatz (bei Verlust, Beschädigung oder Wertminderung des Vermögenswerts)
- Vergütung für geleistete Dienste
Bemessung der Entschädigung
Bewertungsmaßstab
Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Verkehrswert des betroffenen Vermögenswerts oder nach den zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme üblichen Tarifen bzw. Vergütungssätzen (§ 10 BLG). Es gilt der Grundsatz der vollen wirtschaftlichen Kompensation.
Besonderheiten der Wertermittlung
Im Falle von Immobilien oder Grundstücken ist die Wertermittlung nach den für die Enteignung geltenden Grundsätzen des Baugesetzbuchs durchzuführen. Für bewegliche Sachen und sonstige Leistungen gelten Bewertungsmaßstäbe entsprechend dem jeweiligen Zeitwert oder Marktpreis.
Berücksichtigung von bestehenden Belastungen
Bestehen auf dem in Anspruch genommenen Gut bereits dingliche Rechte, Vorbelastungen oder andere rechtliche Einschränkungen, so werden diese bei der Berechnung des Entschädigungsbetrags abgezogen.
Verfahren zur Geltendmachung und Auszahlung
Antragstellung und Mitwirkungspflichten
Die Antragstellung erfolgt durch Vorlage der maßgeblichen Unterlagen und Nachweise gegenüber der zuständigen Behörde. Dazu zählen insbesondere der Nachweis über das Eigentum oder das Recht am betroffenen Vermögenswert und eine Beschreibung des geltend gemachten Schadens oder entgangenen Nutzens.
Verwaltungsverfahren
Das Verwaltungsverfahren ist nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ausgestaltet. Die Behörde prüft den Sachverhalt und setzt die Entschädigung per Verwaltungsakt fest.
Auszahlung und Rechtsmittel
Die festgesetzte Entschädigung ist innerhalb einer festgesetzten Frist auszuzahlen. Widerspruch und Klage gegen die Höhe oder die Ablehnung der Entschädigung sind vor den Verwaltungsgerichten statthaft.
Rechtsfolgen und besondere Regelungen
Übergang von Rechten und Pflichten
Mit der Auszahlung der Entschädigung gehen alle Rechte an dem in Anspruch genommenen Vermögenswert auf die öffentliche Hand über, soweit rechtlich vorgesehen.
Sonderregelungen und Ausnahmen
Das BLG sieht in bestimmten Fällen Modifikationen oder den Ausschluss der Entschädigungspflicht vor, etwa wenn die Inanspruchnahme dem Betroffenen nicht unmittelbar einen Schaden verursacht oder bereits anderweitig eine Erstattung geleistet wird.
Verhältnis zu anderen Entschädigungsregelungen
Abgrenzung zur Enteignungsentschädigung
Die Entschädigung nach dem BLG unterscheidet sich von klassischen Enteignungsentschädigungen nach Art. 14 Abs. 3 GG insofern, als nicht zwangsläufig eine dauerhafte Eigentumsübertragung stattfindet, sondern oft lediglich ein vorübergehender Nutzungsentzug oder eine Dienstleistungsverpflichtung vorliegt.
Verbindungen zu Katastrophenschutzrecht und Zivilschutz
Das BLG greift ergänzend zu bestehenden Regelungen des Katastrophenschutzrechts (z. B. Katastrophenschutzgesetz) und Zivilschutzrechts. Schnittmengen entstehen insbesondere bei Großschadensereignissen oder in nationalen Notfällen.
Praxisrelevanz und Bedeutung
Die Regelungen zur Entschädigung nach dem Bundesleistungsgesetz sichern einen gesetzlichen Interessenausgleich zwischen Allgemeinwohlbelangen der öffentlichen Sicherheit und individuellen Eigentumsrechten. Die Vorschriften spielen eine wesentliche Rolle in Krisenszenarien und tragen zur sozialen Akzeptanz sowie Rechtssicherheit bei staatlichen Inanspruchnahmen bei.
Literatur und weiterführende Informationen
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Bundesleistungsgesetz (BLG) – aktuelle Fassung
- Schriftenreihe Bundeszentrale für politische Bildung: „Notstandsrecht in Deutschland“
- Kommentierungen zum BLG in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze
- BeckOK BLG, Kommentierung zu §§ 9-13 BLG
Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über Begriff und Regelungen zur Entschädigung für Inanspruchnahme nach dem Bundesleistungsgesetz und adressiert alle wesentlichen rechtlichen Branchen sowie praxisrelevanten Gesichtspunkte zu diesem Themenkomplex.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für einen Entschädigungsanspruch nach dem Bundesleistungsgesetz erfüllt sein?
Für einen Entschädigungsanspruch nach dem Bundesleistungsgesetz (BLG) müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Zunächst muss eine behördliche Inanspruchnahme (Leistungsanforderung) im Sinne des BLG erfolgt sein, das bedeutet, eine dafür zuständige Behörde muss gegenüber dem betroffenen Rechtsträger einen wirksamen Leistungsbescheid erlassen haben. Weiterhin muss es sich bei dem Gegenstand (wie Sachen, Rechte, Arbeits- oder Dienstleistungen) um eine vom BLG erfasste Leistung handeln. Die Inanspruchnahme muss außerdem im Zusammenhang mit Verteidigungsmaßnahmen, Zivilschutz oder im Rahmen von Katastrophen und Notständen angeordnet worden sein (§ 1 Absatz 1 BLG). Ein Anspruch auf Entschädigung besteht grundsätzlich nur, wenn der Betroffene durch die behördliche Maßnahme einen Nachteil erlitten hat, insbesondere in Form von Substanzverlust, Nutzungs- oder Gebrauchsbeeinträchtigung der Sache oder einen Vermögensschaden. Darüber hinaus darf kein Ausschlussgrund greifen, etwa weil eine Entschädigung bereits nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gewährt wurde. Schließlich muss der Antragsteller den Schaden und die Kausalität zwischen Inanspruchnahme und Schaden nachweisen; dies ist regelmäßig durch geeignete Unterlagen, Zeugen oder Gutachten zu belegen.
Welche Fristen sind bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu beachten?
Entschädigungsansprüche nach dem Bundesleistungsgesetz unterliegen bestimmten Ausschlussfristen, die zwingend einzuhalten sind. Nach § 35 BLG muss der Anspruch auf eine Geldentschädigung für Verluste oder Schäden innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Wegfall der Inanspruchnahme oder nach Beendigung der Maßnahme schriftlich bei der zuständigen Behörde geltend gemacht werden. Wird diese Frist versäumt, erlischt der Anspruch grundsätzlich, es sei denn, der Betroffene war ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert. In solchen Fällen kann gemäß den Vorschriften des § 32 des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Für die Verjährung der Ansprüche gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sofern das BLG keine spezielleren Regelungen trifft.
Wer ist zur Auszahlung der Entschädigung nach dem Bundesleistungsgesetz verpflichtet?
Die Zuständigkeit für die Auszahlung der Entschädigung liegt gemäß § 38 BLG grundsätzlich bei der öffentlichen Hand, das heißt bei Bund, Ländern oder Gemeinden, je nachdem, welche Behörde die Leistung angefordert und die Inanspruchnahme veranlasst hat. Die jeweilige Behörde ist verpflichtet, nach Feststellung der Entschädigungspflicht und -höhe die Zahlung an den Anspruchsberechtigten zu leisten. Soweit mehrere Träger öffentlicher Gewalt gemeinsam gehandelt haben, haften sie gesamtschuldnerisch für die Entschädigungspflicht. In bestimmten Ausnahmefällen kann der Bund die Kostentragung übernehmen, wenn etwa die Maßnahme im übergeordneten Bundesinteresse lag.
Welche Bemessungsgrundlagen und Maßstäbe werden zur Ermittlung der Höhe der Entschädigung herangezogen?
Die Entschädigung bemisst sich grundsätzlich nach dem tatsächlichen Wertverlust oder dem entstandenen Schaden, der durch die Inanspruchnahme entstanden ist. Gemäß §§ 28 ff. BLG erfolgt die Bewertung des Verlusts oder Schadens entweder nach dem Verkehrswert der Sache oder, wenn eine Sache zerstört oder beschädigt wurde, nach den Kosten der Wiederherstellung oder des Ersatzes. Für Nutzungs- oder Gebrauchsbeeinträchtigungen werden Entschädigungen in Höhe einer angemessenen Nutzungsvergütung gezahlt. Bei Arbeits- oder Dienstleistungen richtet sich die Entschädigung nach den im Wirtschaftsleben üblichen Entgelten. Maßgeblich für die Bemessung ist stets der Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme oder Schädigung. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der Entschädigung kann ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Wie erfolgt das Verfahren zur Feststellung und Auszahlung der Entschädigung?
Das Verfahren ist im Bundesleistungsgesetz und den ergänzenden Verwaltungsvorschriften genau festgelegt. Nach Anzeige oder Antrag beim zuständigen Entschädigungsamt prüft die Behörde zunächst, ob ein Entschädigungstatbestand vorliegt und welche Nachweise nötig sind, um Schaden und Kausalität schlüssig darzulegen. Der Betroffene ist verpflichtet, alle ihm zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung zu ergreifen und diese gegenüber der Behörde zu dokumentieren. Die Behörde kann die Vorlage geeigneter Beweismittel verlangen, wie Rechnungen, Gutachten oder Zeugenaussagen. Nach abschließender Prüfung erlässt die Behörde einen rechtsmittelfähigen Bescheid, in dem die Höhe der Entschädigung festgesetzt wird. Gegen diesen Bescheid steht dem Betroffenen der Rechtsweg offen, meist zunächst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Erst nach Bestandskraft erfolgt die Auszahlung auf das angegebene Konto. Bis zur Klärung sind Abschlagszahlungen möglich.
In welchen Fällen ist eine Naturalrestitution anstelle von Geldentschädigung vorgesehen?
Das BLG sieht grundsätzlich die Möglichkeit der Naturalrestitution vor, soweit und solange es nach Lage des Einzelfalles möglich und zumutbar ist (§ 30 BLG). Das bedeutet, der Betroffene kann verlangen, dass er statt einer Geldentschädigung entweder die ursprünglich in Anspruch genommene Sache oder eine gleichwertige Sache wieder zurückerhält oder, falls dies nicht möglich ist, einen Ersatz gleicher Art und Güte. Die Naturalrestitution hat Vorrang, es sei denn, sie ist aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich oder dem Anspruchsteller nicht zumutbar. Erst wenn die Naturalrestitution ausgeschlossen ist, kommt eine Geldentschädigung in Betracht.
Gibt es Besonderheiten bei der Entschädigung von Schäden an land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben?
Bei Inanspruchnahmen, die land- oder forstwirtschaftliche Betriebe betreffen, sind Besonderheiten zu beachten. Gemäß §§ 33 und 34 BLG wird neben dem unmittelbaren Substanzverlust auch auf die nachweisbaren Folgeschäden (zum Beispiel Ernteausfall, Beeinträchtigung der Bodenfruchtbarkeit oder Tierverluste) Rücksicht genommen. Die Bemessung erfolgt unter Heranziehung von Sachverständigen, die insbesondere die Besonderheiten des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs und die dort üblichen Betriebsabläufe berücksichtigen. Darüber hinaus sind Maßnahmen zu dokumentieren, mit denen ein eventueller weitergehender Schaden verhindert wurde, da der Mitverschuldensgrundsatz auch bei diesen Entschädigungsfällen gilt.
Können zur Entschädigung auch Zinsen oder Folgeschäden geltend gemacht werden?
Ja, unter bestimmten Voraussetzungen können neben der eigentlichen Entschädigung für die Inanspruchnahme auch Zinsen und Folgeschäden geltend gemacht werden. Die Verzinsung beginnt in der Regel ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, das heißt ab Zugang des rechtskräftigen Entschädigungsbescheids, sofern nicht schon vorher eine Mahnung ausgesprochen wurde. Hinsichtlich von Folgeschäden (wie z.B. Wertminderungen, Betriebsunterbrechungsschäden oder Gewinneinbußen) sind diese nur dann ersatzfähig, wenn sie nachweisbar ursächlich auf die eigentliche Inanspruchnahme zurückzuführen und in ihrer Höhe dokumentierbar sind. Das Bundesleistungsgesetz verweist hinsichtlich der Grundsätze der Schadensersatzberechnung ergänzend auf die einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.