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Entschädigung für Enteignungen in der ehem. DDR


Entschädigung für Enteignungen in der ehemaligen DDR

Begriff und rechtlicher Hintergrund

Die Entschädigung für Enteignungen in der ehemaligen DDR bezieht sich auf finanzielle Ausgleichsleistungen oder Maßnahmen zur Wiedergutmachung staatlicher Eingriffe in das Eigentum von Privatpersonen und Unternehmen, die im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem 2. Oktober 1990 erfolgt sind. Diese Enteignungen wurden vor allem im Zuge von Bodenreformen, Verstaatlichungen von Betrieben und in Zusammenhang mit Zwangsenteignungen durchgeführt. Nach der deutschen Wiedervereinigung entstanden vielfältige rechtliche Regelungen zur Behandlung von Restitutions- und Entschädigungsansprüchen, insbesondere im Rahmen des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz, VermG).

Historische Grundlagen der Enteignungen in der DDR

Bodenreform und Kollektivierungen

Bereits ab 1945 leitete die sowjetische Besatzungsmacht in der späteren DDR eine umfassende Bodenreform ein. Ziel war die Umverteilung und Enteignung von land- und forstwirtschaftlichem Großgrundbesitz mit Flächen über 100 Hektar. Die Flächen wurden entschädigungslos enteignet und an landlose Bauern und Umsiedler verteilt („Junkerland in Bauernhand“). Ab den 1950er Jahren erfolgte eine verstärkte Kollektivierung der Landwirtschaft, die zur Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) durch weitere Enteignungen führte. Auch in Industrie und Gewerbe fanden zahlreiche entschädigungslose oder gering entschädigte Enteignungen statt, vor allem im Rahmen der Nationalisierung von Betrieben.

Gesetzliche Grundlagen der Enteignungen

Die Enteignungen in der DDR basierten überwiegend auf verfügten Direktmaßnahmen der Behörden, Verordnungen oder speziellen Gesetzen, darunter:

  • Verordnung über Bodenreform vom 3. September 1945
  • Verstaatlichungsgesetze 1946 sowie 1949-1972
  • Gesetz über die Übertragung von Eigentum an Produktionsmitteln an das Volk (1950 und 1968)

Die enteigneten Eigentümer erhielten im Gegensatz zum Recht der Bundesrepublik Deutschland in der Regel keine oder nur geringe Entschädigungsleistungen.

Rechtliche Aufarbeitung nach der Wiedervereinigung

Vermögensgesetz (VermG) und Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“

Mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 wurden Restitutions- und Entschädigungsfragen neu geregelt. Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) von 1990 bildet dafür die zentrale rechtliche Grundlage. Maßgebliches Prinzip ist dabei der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“. Demnach sind Vermögenswerte, die nach DDR-Recht enteignet wurden und noch im Original vorhanden sind, grundsätzlich an die früheren Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger zurückzugeben, sofern keine Ausschlussgründe vorliegen.

Ausschluss der Rückgabe und Entschädigungsansprüche

Wurde eine Rückgabe des enteigneten Eigentums ausgeschlossen oder war sie nicht mehr möglich (z. B. wegen Weiterveräußerung, Bebauung im öffentlichen Interesse oder Unzumutbarkeit), besteht nach §§ 3 ff. VermG ein Anspruch auf Entschädigung. Hierbei wird zwischen verschiedenen Gruppen von Enteignungen unterschieden:

  • Enteignungen zwischen 1945 und 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone (vor Staatsgründung der DDR): Rückgabe grundsätzlich ausgeschlossen, stattdessen Entschädigung nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG).
  • Enteignungen nach 1949 in der DDR: Rückgabe möglich, falls keine Ausschlussgründe bestehen, sonst Entschädigung nach Vermögensgesetz.

Entschädigungstatbestände und Anspruchsberechtigte

Anspruchsvoraussetzungen

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch ist eine wirksame Enteignung nach DDR-Recht bzw. nach den einschlägigen Regelungen der Besatzungsverwaltung sowie ein Antrag auf Rückübertragung oder Entschädigung. Anspruchsberechtigt sind natürliche und juristische Personen sowie ihre Rechtsnachfolger, soweit sie nicht eine „unredliche Bereicherung“ im Sinne von § 4 Abs. 2 VermG erlangt haben.

Umfang und Bemessung der Entschädigung

Die Entschädigung richtet sich nach dem Wert des enteigneten Vermögens zum Zeitpunkt der Enteignung, wobei die Bewertung häufig über vergleichbare Grundstückswerte, Ertragswertverfahren oder Ersatzwertbestimmungen erfolgt. Die Höhe richtet sich laut § 5 EALG und § 9 VermG nach dem Zeitwert, jedoch mit deutlichen Abschlägen gegenüber aktuellen Marktpreisen. Die Entschädigung wird in der Regel in Form von Ausgleichsleistungsforderungen oder Entschädigungsansprüchen ausgezahlt.

Ausnahmen und Sonderregelungen

Einige Enteignungen, insbesondere im Zusammenhang mit nationalsozialistischen Verfolgungen oder besonderem öffentlichem Interesse, unterliegen Sondermaßnahmen. Hierzu gehören etwa das Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) für NS-verfolgungsbedingte Enteignungen oder gesonderte Regelungen für Infrastrukturprojekte.

Verfahren zur Geltendmachung und Auszahlung der Entschädigungen

Antragstellung

Entschädigungsansprüche mussten grundsätzlich bis zum 31. Dezember 1992 angemeldet werden (§ 30a VermG). Später eingehende Ansprüche können nur in Ausnahmefällen berücksichtigt werden.

Behörden und Zuständigkeiten

Die Bearbeitung der Entschädigungsfälle erfolgt überwiegend durch die Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen (LARoV) sowie das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV). Die Entscheidungen können im Verwaltungsrechtsweg vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden.

Formen der Entschädigung

Die Entschädigung wird überwiegend durch Geldleistungen gewährt; größere Ausgleichsfonds, insbesondere der Entschädigungsfonds nach dem EALG, bilden die finanzielle Basis. Alternativ sind in besonderen Fällen Ausgleichstitel oder Verzinsungsregelungen möglich.

Auswirkungen und gesellschaftliche Bedeutung

Umverteilung und soziale Auseinandersetzungen

Die Entschädigungsregelungen nach der Wiedervereinigung waren gesellschaftlich hoch umstritten, da sie einen Ausgleich zwischen den Interessen ehemaliger Eigentümer und der neuen Eigentümer, Pächter sowie öffentlicher Bedürfnisse herbeiführen mussten. Besonders die eingeschränkten Rückgabe- und Entschädigungsmöglichkeiten für Enteignungen von 1945 bis 1949, die als Teil der Kriegsfolgenlast verfassungsrechtlich anerkannt wurden, führten zu teils kontroversen Debatten.

Bedeutung für die Rechtsentwicklung

Die Regelungen zur Entschädigung für Enteignungen in der ehemaligen DDR entwickelten sich zu einem zentralen Baustein der deutschen Vereinigungspolitik und prägen noch heute die Rechtspraxis im Bereich der Vermögensauseinandersetzungen, Rückgabe- und Ausgleichsansprüche.

Weiterführende Rechtsnormen und Literatur

  • Vermögensgesetz (VermG)
  • Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG)
  • Einigungsvertrag
  • Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG)
  • Gesetz zur Regelung von Schuldverschreibungen aus Lastenausgleich, Umstellung und Währungsschnitten

Weiterführende Literatur

  • Bundesministerium der Justiz: „Handbuch zur Regelung offener Vermögensfragen“
  • Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen: „Leitfaden Vermögensrecht“
  • Deutscher Bundestag: „Rückgabe und Entschädigung von Eigentum in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung“

Dieser Artikel stellt die grundlegenden rechtlichen Aspekte zur Entschädigung für Enteignungen in der ehemaligen DDR nach aktuellem Stand des Vermögensrechts umfassend dar.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Bemessung der Entschädigung bei Enteignungen in der ehemaligen DDR aus rechtlicher Sicht?

Die Bemessung der Entschädigung für Enteignungen in der ehemaligen DDR erfolgt nach dem Rechtsrahmen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG), das im Zuge der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1994 in Kraft trat. In der Regel basiert die Höhe der Entschädigung auf dem Verkehrswert des enteigneten Vermögens zum Zeitpunkt des Vermögensverlustes, wobei verschiedene Bewertungsansätze zur Anwendung kommen können. Der Gesetzgeber sieht vorrangig die Naturalrestitution, also die Rückgabe des Grundstücks oder Eigentums, vor, sofern dies möglich ist und nicht durch heutige Rechtslagen ausgeschlossen wird (z.B. bei zwischenzeitlicher Veräußerung an Dritte oder Umnutzung zu öffentlichen Zwecken). Ist eine Rückgabe nicht möglich, treten Ausgleichsleistungen in Form von Entschädigungszahlungen in Kraft. Diese werden zumeist nach dem Wert bemessen, den das Vermögen im Zeitpunkt des Verlustes hatte, wobei Abzüge etwa für zwischenzeitliche Nutzungen und Investitionen oder eine allgemeine Begrenzung auf einen Höchstbetrag (in der Regel 50% des Verkehrswerts bei bestimmten Vermögensarten) einbezogen werden können. Bewertet werden vor allem Immobilien, landwirtschaftliche Flächen und Betriebseigentum, wobei spezifische Gutachterverfahren und rechtliche Vorgaben des EALG zu beachten sind. Weitere maßgebliche Vorgaben enthält das Verwaltungsvermögensgesetz (VermG). Für die Antragsteller besteht zudem die Pflicht, den Nachweis des Eigentums sowie des Zeitpunkts und der Umstände der Enteignung vorzulegen.

Welche Fristen und Formvorschriften müssen beim Antrag auf Entschädigung beachtet werden?

Die Antragstellung auf Entschädigung unterliegt festen Fristen, die im Rahmen des Vermögensgesetzes (VermG) und des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes geregelt sind. Ursprünglich war eine Ausschlussfrist bis zum 31. Dezember 1992 für die Anmeldung von Rückgabe- und Ausgleichsansprüchen vorgesehen; Nachträgliche Anträge sind in der Regel nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn der Anspruchsberechtigte von dem Vermögensverlust erst nach diesem Stichtag Kenntnis erlangt hat. Zu beachten ist die Schriftform der Antragstellung; die betreffenden Anträge müssen mit vollständigen Angaben, Nachweisen zur Eigentumslage und zum Enteignungsvorgang sowie Angaben zur Person des Antragstellers bei der zuständigen Behörde, meist der Landesbehörde für offene Vermögensfragen, eingereicht werden. Formfehler oder unvollständige Unterlagen können zur Ablehnung des Antrags oder zur Verzögerung des Verfahrens führen.

Welche Einschränkungen oder Ausschlussgründe bestehen für Entschädigungsansprüche?

Entschädigungsansprüche können im rechtlichen Kontext durch verschiedene Ausnahmetatbestände ausgeschlossen sein. Zu den wichtigsten Gründen zählen beispielsweise die Unmöglichkeit der Restitution aufgrund zwischenzeitlicher Umnutzung für öffentliche Zwecke (z.B. Schulen, Krankenhäuser, Behörden), bereits erfolgte Entschädigungsleistungen nach DDR-Recht, die insbesondere bei „Abgegoltenheit“ und wirksamer Entschädigung zur Sperre weiterer Ansprüche führen, sowie der Ausschluss bei Verjährung oder Versäumnis gesetzlicher Fristen. Zudem ist eine Entschädigung für bestimmte Personengruppen nicht oder nur eingeschränkt möglich, etwa bei Personen, die NS-Unrecht begangen haben oder deren Vermögen aufgrund von Entschädigungsverfahren nach alliiertem Recht entzogen wurde. Auch wirtschaftliche Grenzen, wie die Beschränkung der Ausgleichsleistungen durch Höchstbeträge, wirken sich einschränkend aus.

Welche rechtlichen Wege stehen bei Ablehnung eines Entschädigungsantrags offen?

Wird ein Antrag auf Entschädigung abgelehnt, hat der Antragsteller verschiedene rechtliche Möglichkeiten zur Überprüfung der Entscheidung. Zunächst kann er innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid bei der zuständigen Behörde einlegen. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, kann Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben des Vermögensgesetzes, des EALG und der einschlägigen Landegesetze. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens können auch Beweismittel, etwa Gutachten und Zeugenaussagen, eingebracht werden. Besteht danach weiterhin Uneinigkeit über die Höhe der Entschädigung oder die Anspruchsberechtigung, sind Rechtsmittel durch die Berufung zum Oberverwaltungsgericht und gegebenenfalls Revision zum Bundesverwaltungsgericht möglich.

Welche Steuern und Abgaben fallen auf Entschädigungsleistungen an?

Entschädigungszahlungen aus Enteignungen unterliegen grundsätzlich nicht der Einkommensteuer, sofern sie der Kompensation eines Vermögensverlustes dienen und nicht als laufende Einkünfte gezahlt werden. Allerdings können sich aus Nachzahlungen von Zinsen oder etwaige Vermögenszuwächse in Folge der Entschädigung steuerliche Folgen ergeben, sodass stets eine Einzelfallprüfung ratsam ist. Zudem können im Falle der Rückgabe von Immobilien Grunderwerbsteuer und weitere Abgaben (z.B. Notargebühren) anfallen; für bestimmte Restitutionsfälle sind jedoch Steuerbefreiungen und Gebührenreduzierungen durch Gesetze vorgesehen. Die genaue steuerliche Behandlung sollte jeweils mit einem Steuerberater geklärt werden.

Welche Rolle spielen Gutachten und Beweise im Entschädigungsverfahren?

Die Beweisführung im Entschädigungsverfahren ist von zentraler Bedeutung. Antragsteller sind grundsätzlich verpflichtet, Beweise für das Eigentum, den Zeitpunkt und die Art des Vermögensverlustes sowie die Umstände der Enteignung beizubringen. Besonders wichtig sind Eigentumsnachweise (etwa Grundbuchauszug, Archivdokumente, Verträge) sowie Unterlagen über die tatsächliche Nutzung und den Wert des Vermögens zum Zeitpunkt der Enteignung. Im Zweifelsfall wird ein Gutachten durch amtlich bestellte und vereidigte Sachverständige eingeholt, das insbesondere den Verkehrswert und die Höhe der Entschädigung bemisst. Die Kosten für Gutachten trägt zunächst die Behörde, allerdings können diese bei offenkundig unbegründeten Anträgen dem Antragsteller auferlegt werden.

Wie werden Erben oder Rechtsnachfolger bei der Entschädigung einbezogen?

Im Falle des Todes eines Anspruchsberechtigten gehen die Entschädigungs- und Rückgaberechte im Rahmen der allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften auf die Erben über. Maßgeblich ist hier die Vorlage eines Erbscheins oder anderer Erbnachweise. Rechtsnachfolger treten in die Rechtsstellung des ursprünglichen Eigentümers ein und können Anträge auf Entschädigung stellen oder bestehende Verfahren fortsetzen. Dabei gelten für Erben dieselben Fristen, Nachweispflichten und Ausschlussgründe wie für die ursprünglichen Berechtigten. Im Streitfall wird die Berechtigung zum Bezug der Entschädigung im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren überprüft.