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Entnahmerecht des Gesellschafters

Entnahmerecht des Gesellschafters

Das Entnahmerecht des Gesellschafters bezeichnet die Befugnis, Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen. Gemeint sind insbesondere Geldbeträge, aber auch Sachen oder Nutzungen. Die Reichweite dieses Rechts, seine Grenzen und die Voraussetzungen für zulässige Entnahmen hängen maßgeblich von der Rechtsform der Gesellschaft, dem Gesellschaftsvertrag sowie innergesellschaftlichen Beschlüssen ab.

Begriff und Einordnung

Eine Entnahme ist die Vermögensverschiebung aus dem Gesellschaftsvermögen in die private Sphäre eines Gesellschafters. Sie unterscheidet sich von Gehaltszahlungen, Dienstleistungen oder Kaufpreisen dadurch, dass ihr keine eigenständige Leistung gegenübersteht. Entnahmen können laufend zur Deckung privater Bedürfnisse erfolgen oder an die Gewinnverwendung anknüpfen. In ihrer Funktion bewegt sich die Entnahme im Spannungsfeld zwischen Eigentumsposition der Gesellschaft, Beteiligungsrechten der Gesellschafter und dem Schutz von Gesellschaftsgläubigern.

Rechtsquellen und Regelungsgefüge

Das Entnahmerecht wird in erster Linie durch den Gesellschaftsvertrag geprägt. Gesetzliche Grundgedanken zur Kapitalerhaltung, zur Vermögensbindung der Gesellschaft sowie zur Gleichbehandlung und Treue der Gesellschafter setzen den vertraglichen Spielraum in Grenzen. Für bestimmte Rechtsformen gelten zusätzlich zwingende Kapital- und Gläubigerschutzregeln, die Entnahmen beschränken oder an Verfahren (z. B. Beschlussfassungen) knüpfen.

Formen der Entnahme

Laufende Entnahmen

Laufende Entnahmen sind regelmäßig wiederkehrende Bezüge eines Gesellschafters im Geschäftsjahr. Sie dienen typischerweise der privaten Lebensführung und werden häufig auf einem separaten Privatkonto erfasst. Sie mindern das dem Gesellschafter zugeordnete Eigenkapital, ohne die Gewinnermittlung als Aufwand zu berühren.

Gewinnentnahmen

Gewinnentnahmen stützen sich auf festgestellte oder beschlossene Gewinne. Sie erfolgen nach Gewinnermittlung beziehungsweise nach einem Gewinnverwendungsbeschluss. Ohne entsprechende Grundlage liegt regelmäßig keine Gewinnentnahme vor, sondern eine Vorabentnahme oder ein Vorschuss.

Voraus- und Abschlagsentnahmen

Vorausentnahmen sind Entnahmen auf noch nicht festgestellte Gewinnanteile. Sie setzen eine vertragliche oder beschlussmäßige Grundlage voraus, sind regelmäßig verrechnungspflichtig und können bei ausbleibendem Gewinn rückforderbar sein.

Sach- und Nutzungsentnahmen

Neben Geld können auch Sachen (z. B. Geräte, Fahrzeuge, Waren) oder Nutzungen (z. B. private Verwendung eines betrieblichen Gegenstands) entnommen werden. Diese Entnahmen erfordern Bewertung und klare Zuordnung, da sie das Gesellschaftsvermögen in natura mindern.

Gesellschaftsformen im Vergleich

Einzelunternehmen und freiberufliche Praxis

Der Inhaber kann Beträge aus dem Betriebsvermögen entnehmen. Entnahmen berühren nicht den Gewinn als Aufwand, sondern mindern das Eigenkapital. Grenzen ergeben sich aus der Bindung des Betriebsvermögens an die Fortführung und aus Gläubigerschutzgesichtspunkten.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Das Entnahmerecht ist weitgehend vertraglich gestaltbar. Ohne abweichende Vereinbarung sind Entnahmen grundsätzlich möglich, unterliegen aber Treue- und Gleichbehandlungsgrundsätzen sowie der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft.

Offene Handelsgesellschaft (OHG) und Partnerschaftsgesellschaft

Gesellschafter sind zur Entnahme typischerweise berechtigt, soweit Gesellschaftsvertrag und Beschlüsse dies vorsehen. Besonderes Gewicht hat die laufende Geschäftstätigkeit: Entnahmen dürfen die ordnungsgemäße Fortführung nicht gefährden und keine ungerechtfertigten Nachteile für Mitgesellschafter oder Gläubiger verursachen.

Kommanditgesellschaft (KG)

Kommanditisten unterliegen besonderen Beschränkungen: Entnahmen dürfen das haftende Kapital nicht unzulässig mindern. Für persönlich haftende Gesellschafter gelten ähnliche Grundsätze wie in der OHG.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und Unternehmergesellschaft (UG)

Ein allgemeines Entnahmerecht besteht nicht. Auszahlungen an Gesellschafter erfolgen regelmäßig auf Basis von Gewinnverwendungsbeschlüssen (Ausschüttung). Zahlungen außerhalb zulässiger Ausschüttungen können gegen Kapitalerhaltungsregeln verstoßen und sind rückgewährpflichtig.

Aktiengesellschaft (AG)

Ein Entnahmerecht besteht nicht. Auszahlungen an Aktionäre erfolgen als Dividenden auf Grundlage eines Gewinnverwendungsbeschlusses in einem formalisierten Verfahren. Außerhalb dieses Rahmens sind Auszahlungen unzulässig.

Grenzen und Pflichten

Gesellschaftsvertrag und Beschlüsse

Art, Höhe, Zeitpunkt und Verfahren von Entnahmen werden durch den Gesellschaftsvertrag, Gesellschafterbeschlüsse und gegebenenfalls Geschäftsordnungen geordnet. Abweichungen von diesen Vorgaben können Rückzahlungsansprüche auslösen.

Kapitalerhaltung und Vermögensbindung

In Personenunternehmen wirkt die Vermögensbindung über die Fortführungsinteressen und interne Kapitalregeln. In Kapitalgesellschaften gelten strenge Kapitalerhaltungsvorgaben. Unzulässige Auszahlungen sind regelmäßig zurückzugewähren; Verantwortliche Organmitglieder können zusätzlich in Anspruch genommen werden.

Liquiditätsbindung, Fortführung, Treuepflicht

Entnahmen dürfen die Zahlungsfähigkeit und die ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht beeinträchtigen. Die Treuepflicht gebietet Rücksicht auf Gesellschaftsinteressen und die Gleichbehandlung der Gesellschafter.

Krise, Insolvenznähe und Anfechtung

In der Krise unterliegen Auszahlungen verschärften Maßstäben. Zahlungen, die Gläubiger benachteiligen oder gegen Auszahlungsverbote verstoßen, können anfechtbar sein. In solchen Konstellationen kommen Rückgewähr- und Haftungsansprüche in Betracht.

Abgrenzungen

Entnahme vs. Darlehen an den Gesellschafter

Beim Darlehen bleibt der entnommene Betrag als Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter bilanziert; es besteht Rückzahlungs- und Zinsabrede. Entnahmen mindern demgegenüber das Eigenkapital des Gesellschafters; eine Rückzahlungspflicht besteht nur bei Unzulässigkeit oder vertraglicher Vereinbarung.

Entnahme vs. Vergütung

Vergütungen (z. B. Gehalt, Tätigkeitsvergütung, Miete) beruhen auf einem Leistungsaustausch und sind Betriebsausgaben der Gesellschaft. Entnahmen stellen keinen Aufwand dar, sondern eine Vermögensentnahme ohne Gegenleistung.

Entnahme vs. Ausschüttung/Dividende

In Kapitalgesellschaften erfolgt die Auszahlung an Gesellschafter als Ausschüttung auf Basis eines Gewinnverwendungsbeschlusses. Ein freies Entnahmerecht besteht dort nicht. In Personengesellschaften sind Entnahmen gesellschaftsvertraglich ausgestaltet und vom Gewinnverteilungs- bzw. -verwendungsregime zu trennen.

Verdeckte Gewinnausschüttung

Auszahlungen oder Vorteilsgewährungen in Kapitalgesellschaften, die außerhalb des ordnungsgemäßen Ausschüttungsverfahrens erfolgen oder dem Fremdvergleich nicht standhalten, können als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert werden. Dies hat rechtliche und steuerliche Folgen.

Buchführung und Dokumentation

Kapitalkonto und Privatkonto

In Personengesellschaften werden Entnahmen auf Privat- oder variablen Kapitalkonten erfasst. Ein negatives Kapitalkonto zeigt an, dass Entnahmen und Verlustanteile das zugeordnete Eigenkapital übersteigen. Dies kann Einfluss auf Gewinnanteile, Entnahmemöglichkeiten und interne Ausgleichspflichten haben.

Belegwesen und Nachweis

Entnahmen sollten nachvollziehbar dokumentiert werden, insbesondere durch Beschlüsse, Buchungsunterlagen und Bewertungsnachweise bei Sachentnahmen. Die Nachvollziehbarkeit ist für die Abgrenzung zu Vergütungen oder Darlehen sowie für interne Kontrollzwecke bedeutsam.

Steuerliche Einordnung

Mitunternehmerschaft

Bei Personengesellschaften mindern Entnahmen nicht den steuerlichen Gewinn. Besteuerungsmaßstab ist der Gewinnanteil, unabhängig von der tatsächlichen Entnahme. Entnahmen beeinflussen jedoch Kapitalkonten und können bei Sachentnahmen als Entnahmen in Geldwert zu erfassen sein.

Körperschaften

Bei Kapitalgesellschaften erfolgen Auszahlungen an Gesellschafter grundsätzlich als Ausschüttungen. Außerhalb ordentlicher Ausschüttungen geleistete Vorteile können anders qualifiziert werden und besondere steuerliche Konsequenzen haben.

Umsatzsteuerliche Aspekte

Sach- und Nutzungsentnahmen können als unentgeltliche Wertabgaben behandelt werden. Maßgeblich sind die Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen und dessen bisherige Nutzung.

Rechtsfolgen unzulässiger Entnahmen

Rückgewähr und Verzinsung

Unzulässige Entnahmen können Rückzahlungsverpflichtungen auslösen. Unter Umständen sind Nutzungen oder Zinsen herauszugeben. Die Gesellschaft kann auf Ausgleich der Vermögensminderung bestehen.

Haftung und Verantwortlichkeit

Neben der Rückgewähr kommen Haftungsfolgen gegenüber der Gesellschaft und in bestimmten Konstellationen gegenüber Gläubigern in Betracht. Leitungsorgane, die unzulässige Auszahlungen veranlassen, können zusätzlich in Anspruch genommen werden.

Interne Ausgleichsansprüche

Zwischen Gesellschaftern können Ausgleichsansprüche entstehen, wenn ungleichmäßige oder pflichtwidrige Entnahmen die Beteiligungsverhältnisse stören oder den Gesellschaftszweck beeinträchtigen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was versteht man unter dem Entnahmerecht des Gesellschafters?

Es ist die Befugnis, Vermögenswerte aus dem Gesellschaftsvermögen in die private Sphäre eines Gesellschafters zu übertragen. Inhalt und Grenzen ergeben sich aus Rechtsform, Gesellschaftsvertrag und innergesellschaftlichen Beschlüssen sowie aus Kapital- und Gläubigerschutzregeln.

Gibt es in einer GmbH ein Entnahmerecht wie in einer Personengesellschaft?

Nein. In einer GmbH erfolgen Auszahlungen an Gesellschafter grundsätzlich als Ausschüttungen auf Basis eines Gewinnverwendungsbeschlusses. Freie Entnahmen außerhalb dieses Verfahrens sind unzulässig und regelmäßig zurückzugewähren.

Darf ein Gesellschafter laufend Entnahmen vornehmen?

In Personengesellschaften können laufende Entnahmen zulässig sein, wenn der Gesellschaftsvertrag oder Beschlüsse dies vorsehen und die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft gewahrt bleibt. In Kapitalgesellschaften besteht ein solches laufendes Entnahmerecht nicht.

Wie unterscheiden sich Entnahmen von Vergütungen und Dividenden?

Entnahmen sind Vermögensabflüsse ohne Gegenleistung und mindern das Eigenkapital des Gesellschafters. Vergütungen beruhen auf Leistungsaustausch und sind Aufwand der Gesellschaft. Dividenden sind Ausschüttungen nach formalisiertem Gewinnverwendungsbeschluss in Kapitalgesellschaften.

Wann sind Entnahmen unzulässig?

Unzulässig sind Entnahmen insbesondere bei Verstößen gegen gesellschaftsvertragliche Regelungen, Kapitalerhaltungs- und Gläubigerschutzregeln oder bei Gefährdung der Zahlungsfähigkeit. In der Krise unterliegen Auszahlungen erhöhten Anforderungen und können anfechtbar sein.

Muss eine unzulässige Entnahme zurückgezahlt werden?

Ja. Unzulässige Entnahmen sind grundsätzlich zurückzugewähren. Zusätzlich können Nutzungen oder Zinsen herauszugeben sein; weitere Haftungsfolgen kommen in Betracht.

Was ist der Unterschied zwischen Entnahme und Gesellschafterdarlehen?

Bei der Entnahme fließt Vermögen ohne Rückzahlungsverpflichtung ab, soweit sie zulässig ist. Ein Gesellschafterdarlehen ist ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter und wird als Forderung bilanziert; es unterliegt Zins- und Rückzahlungsabreden.