Entnahmerecht des Gesellschafters
Das Entnahmerecht des Gesellschafters ist ein zentrales Element im Gesellschaftsrecht, insbesondere bei den Personengesellschaften wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG). Es regelt die Befugnis eines Gesellschafters, Vermögenswerte – meist in Form von Geld – aus dem Gesellschaftsvermögen zu entnehmen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, Ausgestaltung und Grenzen dieses Rechts sind vielfältig und maßgeblich für das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern.
Rechtliche Grundlagen des Entnahmerechts
Gesetzliche Regelungen
Die gesetzlichen Regelungen zum Entnahmerecht sind primär im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert:
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 718 BGB): Die einzelnen Gesellschafter können grundsätzlich nicht über ihren Anteil am Gesellschaftsvermögen verfügen, da das Vermögen der Gesellschaft als Gesamthandsgemeinschaft zusteht. Ein Entnahmerecht kann gesellschaftsvertraglich vereinbart werden.
- Offene Handelsgesellschaft (§ 122 HGB): Hier besteht ein gesetzliches Entnahmerecht. Nach § 122 Abs. 1 HGB kann jeder Gesellschafter jährlich bis zu 4 % seines Kapitalanteils entnehmen, sofern der Gesellschaftervertrag nichts Abweichendes bestimmt.
- Kommanditgesellschaft (§ 169 Abs. 1 HGB): Für Kommanditisten ist ein Entnahmerecht nur insoweit vorgesehen, als dass ihre Einlage unberührt bleibt. Ein weitergehendes Entnahmerecht kann gesellschaftsvertraglich eingeräumt werden.
Gesellschaftsvertragliche Regelungen
Das Entnahmerecht kann durch den Gesellschaftsvertrag modifiziert, erweitert oder ausgeschlossen werden. Besondere Voraussetzungen und Entnahmehöhen werden typischerweise individuell vereinbart, um spezifischen Bedürfnissen der Gesellschafter und der Gesellschaft Rechnung zu tragen.
Arten und Ausübung des Entnahmerechts
Regelmäßige und außerordentliche Entnahmen
- Regelmäßige Entnahmen: Gesetzlich vorgesehene, periodische Entnahmen, beispielsweise die jährlichen Entnahmen in der OHG nach § 122 HGB.
- Außerordentliche Entnahmen: Entnahmen, die außerhalb des gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Rahmens erfolgen, bedürfen in der Regel der Zustimmung der Mitgesellschafter oder eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses.
Form und Durchführung von Entnahmen
Entnahmen erfolgen i.d.R. als Barauszahlung oder Überweisung. Die Entnahme wird buchhalterisch als Verminderung des Gesellschafterkontos erfasst. Für die ordnungsgemäße Durchführung ist häufig die Zustimmung der Geschäftsführung oder der Mitgesellschafter erforderlich, falls im Gesellschaftsvertrag keine besondere Regelung besteht.
Grenzen und Beschränkungen des Entnahmerechts
Gesellschaftsvertragliche Grenzen
Der Gesellschaftsvertrag kann das Entnahmerecht in vielerlei Hinsicht beschränken, insbesondere:
- Begrenzung der Entnahmebeträge
- Festsetzung von Mindestkapitalbeständen der Gesellschaft
- Verknüpfung mit wirtschaftlicher Lage der Gesellschaft
Gesetzliche Schranken
Gesetzlich ist das Entnahmerecht stets an bestimmte Bedingungen geknüpft. Insbesondere darf durch Entnahmen keine Unterbilanz oder Überschuldung entstehen, die die Existenz der Gesellschaft gefährdet. Bei mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen greift das sog. Trennungsprinzip, wonach Entnahmen nur aus dem eigenen Gesellschaftsvermögen erfolgen dürfen.
Haftungsrechtliche Konsequenzen
Eine Überschreitung des zulässigen Entnahmerahmens kann erhebliche Haftungsfolgen nach sich ziehen. Entnimmt ein Gesellschafter unberechtigt Mittel, haftet er der Gesellschaft gegenüber auf Rückzahlung und ggf. auf Schadensersatz. In Insolvenzfällen entsteht zudem die Pflicht zur Masseanreicherung, falls Entnahmen kurz vor Insolvenzreife erfolgen.
Steuerliche Aspekte des Entnahmerechts
Entnahmen sind grundsätzlich keine Betriebsausgaben und wirken sich steuerlich nicht gewinnmindernd auf die Gesellschaft aus. Sie stellen eine Verlagerung von bereits versteuerten oder zu versteuernden Gewinnen in das Privatvermögen des Gesellschafters dar. Es besteht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Deklaration im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit.
Beendigung und Wegfall des Entnahmerechts
Mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters oder der Beendigung der Gesellschaft erlischt grundsätzlich auch das Entnahmerecht. Offene Entnahmeforderungen werden im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz berücksichtigt. Bestehen offene Rückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, so können diese mit anderen Ansprüchen verrechnet werden.
Besonderheiten bei bestimmten Gesellschaftsformen
Entnahmerecht in der GmbH & Co. KG
In der GmbH & Co. KG gilt hinsichtlich des Entnahmerechts dasselbe wie in der KG. Insbesondere ist hier die Unterscheidung zwischen Komplementär und Kommanditist maßgeblich. Die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin regelt etwaige Entnahmen für sich nach gesellschaftsvertraglichen und steuerlichen Vorgaben.
Entnahmerecht bei Ein-Personen-Gesellschaften
Bei Ein-Personen-Gesellschaften wird das Entnahmerecht zumeist sehr weit ausgelegt, da hier keine weiteren Gesellschafterinteressen betroffen sind, dennoch sind auch in diesem Fall rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen zu beachten.
Zusammenfassung
Das Entnahmerecht des Gesellschafters ist ein wesentlicher Bestandteil des Gesellschaftsrechts, durch das Gesellschafter im wirtschaftlichen Sinne am Gesellschaftsvermögen partizipieren können. Seine Ausgestaltung ist abhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform, den gesetzlichen Vorgaben und den gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Im Rahmen des Entnahmerechts sind insbesondere die rechtlichen, haftungsrechtlichen und steuerlichen Konsequenzen zu berücksichtigen, um die finanziellen Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter gleichermaßen zu schützen.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln das Entnahmerecht eines Gesellschafters?
Das Entnahmerecht eines Gesellschafters ist maßgeblich im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Für die offene Handelsgesellschaft (OHG) und die Kommanditgesellschaft (KG) finden sich zentrale Regelungen in den §§ 122, 169 bis 172 HGB. Im Gesellschaftsvertrag können zudem spezifische Entnahmeregeln getroffen werden, die den gesetzlichen Rahmen ergänzen oder modifizieren. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) greift grundsätzlich § 722 BGB, wobei auch hier abweichende gesellschaftsvertragliche Bestimmungen zulässig sind. Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) steht das Entnahmerecht nicht im Vordergrund, da Gesellschafter Auszahlungen grundsätzlich durch Gewinnausschüttungen (nach § 29 GmbHG) und nicht durch laufende Entnahmen ermöglicht werden. Die Gesellschafter haben bei Personengesellschaften grundsätzlich das Recht, sowohl Gewinne zu entnehmen als auch Vorschüsse auf den laufenden Gewinn zu erhalten. Allerdings bestehen gewisse Beschränkungen, etwa hinsichtlich der Liquiditätslage der Gesellschaft oder bei drohender Überschuldung und Insolvenzgefahr. Die genaue Ausgestaltung im Einzelfall ist regelmäßig dem Gesellschaftsvertrag zu entnehmen; gesetzliche Bestimmungen treten subsidiär hinzu.
Unter welchen Voraussetzungen darf ein Gesellschafter Entnahmen vornehmen?
Die Voraussetzungen für Entnahmen sind insbesondere im Gesellschaftsvertrag geregelt, subsidiär greifen die gesetzlichen Vorschriften. Grundsätzlich ist der Gesellschafter zur Entnahme von ihm zustehenden Gewinnanteilen nach Feststellung des Jahresabschlusses berechtigt. Bei Personengesellschaften sieht § 122 HGB für die OHG ein „Vorausentnahmerecht“ (bis zu 4% seines Kapitalanteils) vor, bevor der Jahresgewinn endgültig festgestellt wird. Darüber hinausgehende Entnahmen, etwa von Gewinnanteilen über den Vorausgewinn hinaus oder Kapitalentnahmen, sind nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter bzw. nach Feststellung des Jahresgewinns zulässig. Voraussetzung für jede Entnahme ist zudem, dass keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintritt oder vertieft wird; andernfalls steht der Erhalt der Gesellschaft im Vordergrund (§ 30 GmbHG analog, § 172 Abs. 4 HGB für Kommanditisten). Der gesellschaftsvertragliche Rahmen kann weitere Bedingungen, etwa Zustimmungserfordernisse oder Liquiditätsgrenzen, festlegen.
Welche rechtlichen Beschränkungen gelten für das Entnahmerecht?
Das Entnahmerecht unterliegt mehreren rechtlichen Beschränkungen. Zunächst darf der Gesellschafter niemals mehr entnehmen, als ihm nach Gesellschaftsvertrag und gesetzlicher Regelung zusteht. Bei Personengesellschaften ist insbesondere § 122 Abs. 1 HGB („Vorausentnahme“) zu beachten. Eine Entnahme, die zur Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führt, ist stets unzulässig (§ 30 GmbHG für GmbH/Komplementär-Gesellschafter, § 172 Abs. 4 HGB für Kommanditisten). Im Insolvenzfall erlöschen Entnahmerechte grundsätzlich (§ 123 HGB). Bei Kommanditisten ist die Rückzahlung der Hafteinlage gem. § 172 Abs. 4 HGB untersagt; sie führt zu einer „Haftsumme“ gegenüber Gläubigern bis zur Höhe der wieder entnommenen Einlage. Zudem können vertragliche Sperrfristen, Zustimmungserfordernisse oder Entnahmebeschränkungen der Gesellschaftsvertrag vorsehen.
Was geschieht, wenn ein Gesellschafter unberechtigte Entnahmen vornimmt?
Unberechtigte Entnahmen durch Gesellschafter stellen grundsätzlich eine Pflichtverletzung dar und können zivilrechtliche Rückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen den betreffenden Gesellschafter begründen (§ 812 BGB – ungerechtfertigte Bereicherung). Zudem können diese Entnahmen zum Schadensersatz verpflichten, wenn der Gesellschaft durch die unberechtigte Auszahlung ein Schaden entstanden ist. In Fällen grober Pflichtverletzung kann dies darüber hinaus eine fristlose Abberufung als Geschäftsführer oder den Ausschluss aus der Gesellschaft rechtfertigen. Besonders strikt sind die Regelungen bei Kapitalgesellschaften (GmbH): Nach § 43 GmbHG kann der Geschäftsführer (auch als Gesellschafter-Geschäftsführer) ggf. zur persönlichen Haftung herangezogen werden. Strafrechtliche Konsequenzen sind in gravierenden Fällen (wie Untreue nach § 266 StGB) möglich.
In welchem Umfang kann der Gesellschafter Vorschüsse auf den Gewinn entnehmen?
Gemäß § 122 Abs. 1 HGB darf bei der OHG jeder Gesellschafter jährlich bis zu 4% seines Kapitalanteils als Vorschuss auf den zu erwartenden Gewinn entnehmen, ohne dass ein Gesellschafterbeschluss erforderlich wäre. Höhere oder abweichende Vorschüsse auf den Gewinn sind grundsätzlich nur zulässig, wenn dies durch Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vereinbart wurde oder mittels Gesellschafterbeschluss zugestimmt wurde. Nach endgültiger Feststellung des Jahresabschlusses können Gesellschafter zusätzlich ihren anteiligen Gewinn entnehmen. Vorschüsse auf Gewinne, die sich im Nachhinein als nicht gerechtfertigt herausstellen, weil der tatsächliche Gewinn geringer ausfällt, sind zurückzuzahlen. Bei der KG gilt für Kommanditisten § 169 Abs. 1 HGB, der eine Entnahme der ihrem Konto gutgeschriebenen Gewinne erlaubt; hiervon kann im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden.
Wie ist das Entnahmerecht des Kommanditisten in der KG ausgestaltet?
Das Entnahmerecht des Kommanditisten ist primär in § 169 HGB geregelt. Demnach steht dem Kommanditisten nach Feststellung des Jahresabschlusses grundsätzlich ein Anspruch auf Auszahlung seines Gewinnanteils zu, der seinem Kapitalanteil gutgeschrieben wurde. Vorschüsse dürfen nur entnommen werden, wenn dies ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag zugelassen oder von den Gesellschaftern genehmigt worden ist. Eine besondere Einschränkung sieht § 172 Abs. 4 HGB vor: Der Kommanditist darf seine Hafteinlage nicht durch Entnahmen mindern. Entnahmen unter die Haftsumme führen dazu, dass der Kommanditist im Außenverhältnis gegenüber den Gesellschaftsgläubigern wieder mit der Höhe der entnommenen Beträge haftet. Entnahmen sind außerdem durch die Liquiditätslage der Gesellschaft beschränkt; sie dürfen nicht zur Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führen.
Welche Mitbestimmungsrechte haben Gesellschafter beim Entnahmerecht anderer Gesellschafter?
Die Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter richten sich nach Art und Umfang der beantragten Entnahme und nach den Vorgaben im Gesellschaftsvertrag. Standardmäßig kann jeder Gesellschafter in einer Personengesellschaft Entnahmen bis zur Höhe seines anteiligen, festgestellten Gewinns und ggf. vereinbarter Vorschüsse selbstständig vornehmen (§ 122 HGB). Soll über diesen Rahmen hinaus entnommen werden, ist in der Regel die Zustimmung der übrigen Gesellschafter erforderlich. Bei außergewöhnlichen Entnahmen, etwa Kapitalentnahmen oder wenn Sondergewinne infrage stehen, bedarf es regelmäßig eines Gesellschafterbeschlusses. Der Gesellschaftsvertrag kann darüber hinaus Zustimmungspflichten, Vetorechte oder Mehrheitsentscheidungen für bestimmte Entnahmen regeln. Dieses kollektive Mitbestimmungsrecht dient dazu, die Liquidität und Stabilität der Gesellschaft zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt der Gesellschaftsvertrag für das Entnahmerecht?
Der Gesellschaftsvertrag ist die maßgebliche Grundlage für die Regelung des Entnahmerechts. Er kann das gesetzliche Entnahmerecht erweitern, einschränken oder modifizieren. Häufig werden im Gesellschaftsvertrag detaillierte Bestimmungen über Umfang, Zeitpunkt, Zweck, Verfahren und Kontrolle von Entnahmen aufgenommen. Beispielhaft sind Regelungen zu festen Entnahmeterminen, Mindest- oder Höchstbeträgen, Genehmigungsvorbehalten und etwaigen Sperrfristen. Des Weiteren kann der Gesellschaftsvertrag eine Verrechnung von Vorschüssen, die Verzinsung von Entnahmen oder eine Verpflichtung zur Rückzahlung im Verlustfall vorsehen. Werden keine oder nur unzureichende Regelungen getroffen, greifen die gesetzlichen Bestimmungen als Auffangregelung. Der sorgfältigen gesellschaftsvertraglichen Regelung des Entnahmerechts kommt damit eine erhebliche Bedeutung zu, um Konflikte und Liquiditätsprobleme zu verhindern.