Begriff und Grundlagen der Entgeltumwandlung
Die Entgeltumwandlung ist ein zentrales Instrument der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland. Sie bezeichnet das arbeitsrechtlich und steuerlich geregelte Verfahren, bei dem ein Arbeitnehmer einen Teil seines Gehaltsanspruchs zugunsten einer betrieblichen Altersvorsorge in eine Versorgungsleistung umwandelt. Diese Umwandlung ist im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) normiert und stellt eine der wichtigsten Säulen der ergänzenden Altersvorsorge dar.
Gesetzliche Grundlagen
Rechtsrahmen und zentrale Vorschriften
Die gesetzlichen Grundlagen der Entgeltumwandlung befinden sich insbesondere im Betriebsrentengesetz (BetrAVG), ergänzt durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Regelungen im Einkommensteuergesetz (EStG) sowie im Sozialgesetzbuch IV (SGB IV). Nach § 1a BetrAVG hat jeder Arbeitnehmer seit dem 1. Januar 2002 einen individuellen Anspruch auf Entgeltumwandlung, sofern der Arbeitgeber grundsätzlich eine betriebliche Altersversorgung anbietet.
Anspruch der Arbeitnehmer
Gemäß § 1a BetrAVG kann jeder Arbeitnehmer verlangen, dass ein Teil seiner künftigen Entgeltansprüche durch Entgeltumwandlung für eine betriebliche Altersversorgung verwendet wird. Der Anspruch auf Entgeltumwandlung besteht bis zu einem Betrag von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung (West) für Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds. Durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) wurde der Anspruch ab dem 1. Januar 2019 mit weiteren Regelungen zur Arbeitgeberbeteiligung ergänzt.
Steuer- und Sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Die steuerliche Förderung der Entgeltumwandlung richtet sich nach § 3 Nr. 63 EStG. Beiträge, die aus dem Bruttoentgelt des Arbeitnehmers für Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds verwendet werden, sind in einem festgelegten Umfang steuerfrei. Auch sozialversicherungsrechtlich sind die umgewandelten Beiträge innerhalb der genannten Grenzen beitragsfrei (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 SvEV).
Formen und Durchführung der Entgeltumwandlung
Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung
Im Rahmen der Entgeltumwandlung kann der Arbeitgeber verschiedene Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung wählen:
- Direktversicherung
- Pensionskasse
- Pensionsfonds
- Unterstützungskasse
- Direktzusage (Pensionszusage)
Für die Entgeltumwandlung am relevantesten sind die ersten drei genannten Wege, da nur bei diesen der gesetzliche Anspruch nach § 1a BetrAVG besteht; bei Unterstützungskassen und Direktzusagen ist die Entgeltumwandlung freiwillig.
Ablauf der Entgeltumwandlung
Durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird die Umwandlung eines Teils des Bruttoentgelts zur Finanzierung einer Altersversorgung festgelegt. Der Arbeitgeber führt die Beiträge anschließend unmittelbar an den Versorgungsträger ab. Die Wertguthaben werden dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall (Alter, Invalidität, Tod) ausgezahlt.
Rechtliche Besonderheiten und Herausforderungen
Unverfallbarkeit der Anwartschaften
Sämtliche durch Entgeltumwandlung gebildeten Anwartschaften sind grundsätzlich sofort unverfallbar. Das bedeutet, der Anspruch auf die Versorgungsleistung bleibt auch bei einem Wechsel des Arbeitgebers erhalten (§ 1b Abs. 5 BetrAVG).
Portabilität und Versorgungsausgleich
Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, kann er nach § 4 BetrAVG verlangen, dass die bis dahin erworbenen Anwartschaften zum neuen Arbeitgeber übertragen werden. Die Portabilität der Anwartschaften erhöht die Attraktivität der Entgeltumwandlung als Vorsorgeinstrument.
Arbeitgeberzuschuss nach Betriebsrentenstärkungsgesetz
Seit Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Zuschuss in Höhe von mindestens 15 % des umgewandelten Entgelts zu zahlen, sofern durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge eingespart werden. Dies gilt für ab 2019 geschlossene Neuverträge und ab 2022 auch für bestehende Verträge (§ 1a Abs. 1a BetrAVG).
Nachweispflichten und Informationsrechte der Arbeitnehmer
Arbeitgeber sind verpflichtet, die Durchführung und Höhe der Entgeltumwandlung transparent darzustellen. Neben der Dokumentationspflicht über die Einbehaltung und Abführung der Beiträge besteht für den Arbeitnehmer das Recht auf Auskunft über den Stand der betrieblichen Altersversorgung (§ 4a BetrAVG).
Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen
Steuerliche Vorteile und nachgelagerte Besteuerung
Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung über die Entgeltumwandlung sind steuerfrei bis zur jeweiligen Höchstgrenze (§ 3 Nr. 63 EStG), jedoch wird die spätere Auszahlung der betrieblichen Altersversorgung als nachgelagerte Besteuerung voll einkommensteuerpflichtig (§ 22 Nr. 5 EStG).
Sozialversicherungspflicht nachgelagert
Auch in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen Versorgungsleistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge im Leistungsfall grundsätzlich der Beitragspflicht (§ 229 SGB V), was zu einer doppelseitigen Entlastung während der Freizeitphase und nachgelagerten Belastung im Rentenbezug führt.
Grenzen und Besonderheiten
Höchstgrenzen für Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit
Die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der umgewandelten Beiträge ist auf 8 % bzw. 4 % der jeweils aktuellen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt (§ 3 Nr. 63 S. 1 und 3 EStG). Darüber hinausgehende Beiträge sind steuer- und beitragspflichtig.
Wechselwirkungen mit anderen Fördermöglichkeiten
Entgeltumwandlung und Riester-Förderung sind grundsätzlich kombinierbar, können aber hinsichtlich steuerlicher Vorteile und Zulagen nur beschränkt gleichzeitig in Anspruch genommen werden. In Betrieben ohne Tarifbindung stehen dem Arbeitnehmer oftmals abweichende oder eingeschränkte Ansprüche zu.
Zusammenfassung und Bedeutung der Entgeltumwandlung
Die Entgeltumwandlung ist ein wesentlicher Baustein der deutschen Altersvorsorge und bietet sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern vielfältige rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Insbesondere aufgrund der gesetzlichen Förderungen, der Portabilität und der Unverfallbarkeit von Anwartschaften nimmt die Entgeltumwandlung einen festen Platz in der modernen Arbeitswelt ein. In rechtlicher Hinsicht sind zahlreiche Vorschriften sowohl aus dem Betriebsrentengesetz als auch aus dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht zu beachten. Die Entgeltumwandlung trägt damit wesentlich zur individuellen und betrieblichen Altersversorgungsplanung bei und unterliegt einem kontinuierlichen Anpassungsprozess durch den Gesetzgeber.
Häufig gestellte Fragen
Wann besteht für Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Einrichtung einer Entgeltumwandlung?
Gemäß § 1a Abs. 1 Satz 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sind Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet, ihren Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Entgeltumwandlung anzubieten. Die Verpflichtung bezieht sich auf alle Arbeitnehmer, einschließlich Teilzeitkräfte und geringfügig Beschäftigte, sofern sie in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Eine Einschränkung gilt lediglich, wenn bereits eine gleichwertige betriebliche Altersversorgung besteht oder der Arbeitgeber nachweist, dass eine Durchführung wegen Unzumutbarkeit (etwa aufgrund unverhältnismäßigen Aufwands) nicht möglich ist. Der Arbeitgeber muss zumindest eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds als Durchführungsweg anbieten. Die Verpflichtung umfasst nicht eine generelle Einrichtung einer betrieblichen Altersvorsorge für alle, sondern konkret das Angebot auf Gehaltsumwandlung auf Wunsch des Arbeitnehmers. Bei der konkreten Umsetzung sind kollektivrechtliche Regelungen wie Tarifverträge zu berücksichtigen, sofern diese Anwendung finden. Die unterlassene Einrichtung trotz wirksamer Aufforderung des Arbeitnehmers kann zur Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers führen.
Wie ist die rechtliche Stellung der umgewandelten Entgeltbestandteile im Insolvenzfall des Arbeitgebers?
Die Rechtsstellung der vom Arbeitnehmer umgewandelten Entgeltbestandteile ist gesetzlich besonders geschützt. Im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers gilt gemäß § 2 Abs. 2 BetrAVG ein Insolvenzschutz für Leistungen aus einer Direktversicherung, Pensionskasse oder einem Pensionsfonds – sofern diese auf einer Entgeltumwandlung beruhen. Das bedeutet, dass die Ansprüche entweder direkt aus der Versicherungspolice bestehen (bei Direktversicherung oder Pensionskasse/Pensionsfonds) und aus dem Vermögen des Arbeitgebers herausgelöst sind, oder – bei unmittelbarer Zusage – durch den Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) abgedeckt werden. Problematisch kann es werden, wenn Beiträge nicht ordnungsgemäß abgeführt wurden; in diesem Fall haftet der Arbeitgeber persönlich auf Schadensersatz. Wurde die Entgeltumwandlung beispielsweise über eine Direktversicherung durchgeführt und der Arbeitgeber hat die Prämien nicht weitergeleitet, kann der Arbeitnehmer Ansprüche gegen den Arbeitgeber oder subsidiär gegen den Insolvenzverwalter geltend machen.
Unterliegt die Entgeltumwandlung der Mitbestimmung des Betriebsrats?
Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist bei der Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung grundsätzlich eröffnet. Der Arbeitgeber ist berechtigt, Rahmenbedingungen unter Beteiligung des Betriebsrats festzulegen, insbesondere hinsichtlich der Auswahl des Durchführungsweges und der konkreten vertraglichen Gestaltungen mit Versicherern. Wird die Entgeltumwandlung jedoch auf Wunsch einzelner Arbeitnehmer durchgeführt, so besteht laut ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrats über die individuelle Durchführung, wohl aber über die kollektiven Ausgestaltungsfragen. Aber: Besteht eine kollektive Regelung oder ein Tarifvertrag, gehen diese dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats grundsätzlich vor (§ 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG).
Welche steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Höchstgrenzen gelten rechtlich für die Entgeltumwandlung?
Für steuerliche Zwecke ist gem. § 3 Nr. 63 EStG ein Betrag von bis zu 8 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der allgemeinen Rentenversicherung steuerfrei umwandelbar; bis zu 4 Prozent der BBG sind zugleich sozialversicherungsfrei. Im Jahr 2024 entspricht das einem steuerfreien Volumen von maximal 7.248 Euro und einer Sozialversicherungsfreiheit bis 3.624 Euro jährlich (West). Überschreitungen dieser Beträge führen zur Steuer- bzw. Sozialversicherungspflicht des umgewandelten Entgelts. Sonderregelungen und Übergangsvorschriften sind bei älteren Verträgen zu beachten. Zudem ist eine gleichzeitige Nutzung weiterer steuerlich geförderter Vorsorgeformen, wie Riester-Rente oder pauschalversteuerte Direktversicherung (§ 40b EStG a. F.), rechnerisch einzubeziehen.
Kann der Arbeitgeber die Durchführung der Entgeltumwandlung zeitlich begrenzen oder auf bestimmte Vertragsarten beschränken?
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber gem. § 1a BetrAVG verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Entgeltumwandlung anzubieten, allerdings nur bis zur Höhe von maximal 4 Prozent der BBG zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Ausgestaltung des Angebots – beispielsweise hinsichtlich Produktanbietern, Tarifen oder Vertragslaufzeiten – liegt im Ausgestaltungsspielraum des Arbeitgebers, der dabei das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren hat. Der Arbeitgeber kann auch auf einen bestimmten Anbieter oder Produktart (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) beschränken, sofern eine gleichwertige Versorgung möglich ist. Eine vollständige oder zeitlich willkürliche Begrenzung der Umwandlung, die den gesetzlichen Anspruch aushöhlt, ist jedoch nicht zulässig. Einschränkungen müssen also sachlich gerechtfertigt und auf das gesetzlich Erlaubte beschränkt sein.
Welche Formerfordernisse und Informationspflichten bestehen rechtlich bei der Einrichtung oder Änderung der Entgeltumwandlung?
Gemäß § 2a BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer die wesentlichen Inhalte der Versorgungszusage schriftlich, zumindest aber in Textform darzulegen. Hierunter fallen Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen der Leistung, die verwendeten Durchführungswege sowie etwaige Risiken, wie z.B. bei fondsgebundenen Anlagemodellen. Der Arbeitnehmer muss zudem über die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen aufgeklärt werden. Bei nachträglichen Anpassungen, etwa der Beitragshöhe oder des Produktgebers, ist eine erneute Information in nachvollziehbarer Weise gesetzlich vorgeschrieben. Die Rechtsprechung verlangt eine verständliche und rechtzeitige Information, die dem Arbeitnehmer eine eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht.
Besteht ein Anspruch auf Entgeltumwandlung auch während Elternzeit, Krankheit oder Sonderurlaub?
Der rechtliche Anspruch auf Entgeltumwandlung besteht grundsätzlich fort, solange ein Arbeitsverhältnis besteht (§ 1a BetrAVG), unabhängig von Kurzzeitunterbrechungen wie Urlaub oder Krankheit. Während der Elternzeit kann der Arbeitnehmer, sofern ein Anspruch auf Entgelt (z.B. Elterngeld, Mutterschaftsgeld) besteht, weiter Entgeltumwandlung betreiben. Bei Arbeitsverhältnissen ohne laufende Entgeltzahlung, etwa während unbezahlter Freistellung oder längerer Elternzeit ohne Gehaltszahlung, ruht das Recht auf Entgeltumwandlung faktisch. Gleiches gilt bei längerer Krankheit nach Ablauf der Lohnfortzahlung. In Abrede gestellt wird der Anspruch dann, wenn kein Entgelt gezahlt wird, das zur Umwandlung zur Verfügung stünde. Das fortbestehende Versicherungsverhältnis unterliegt dann zumeist einer Beitragsfreistellung, sofern der Arbeitnehmer keine privaten Beiträge leisten möchte oder kann.