Begriff und Zielsetzung der Entgelttransparenz
Entgelttransparenz bezeichnet im arbeitsrechtlichen Kontext die Offenlegung sowie Nachvollziehbarkeit der Vergütungsstrukturen innerhalb eines Unternehmens oder einer Institution. Ziel der Entgelttransparenz ist es, geschlechterbezogene oder anderweitig ungerechtfertigte Entgeltdiskriminierung zu verhindern und faire sowie nachvollziehbare Lohnstrukturen zu fördern. Das zentrale Anliegen besteht darin, Benachteiligungen auszuschließen und die Gleichbehandlung aller Beschäftigten zu gewährleisten.
Gesetzliche Grundlagen der Entgelttransparenz
Europarechtliche Vorgaben
Die Grundlage der Entgelttransparenzpflichten in Deutschland und anderen EU-Mitgliedsstaaten fußt auf verschiedenen europarechtlichen Richtlinien, insbesondere:
- Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie): Stellt das Prinzip des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit heraus.
- Richtlinie (EU) 2023/970 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts, welche neue Vorgaben zur Lohntransparenz und zum Diskriminierungsschutz enthält.
Diese Vorgaben verpflichten Arbeitgeber, sowohl unmittelbare als auch mittelbare Entgeltdiskriminierung zu unterlassen und Transparenzmaßnahmen zu ergreifen.
Nationale Rechtsquellen in Deutschland
Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG)
Das Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz, EntgTranspG) trat am 6. Juli 2017 in Kraft und ist das zentrale Gesetz zur Entgelttransparenz in Deutschland. Es soll helfen, das in Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz verankerte Gleichberechtigungsgebot in der Arbeitswelt zu verwirklichen.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das AGG untersagt Diskriminierung u. a. auch aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben, einschließlich der Entgeltgestaltung (§ 2 Abs. 1 AGG).
Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und Mitbestimmungsgesetze
Das Betriebsverfassungsgesetz statuiert Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Lohn- und Gehaltsgestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), die einen Beitrag zur Transparenz leisten.
Anwendungsbereich und Pflichten des Entgelttransparenzgesetzes
Individueller Auskunftsanspruch
Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten haben gemäß §§ 10 ff. EntgTranspG einen individuellen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Sie erhalten auf Anfrage Informationen über:
- Die Kriterien und Verfahren zur Festlegung des eigenen Entgelts
- Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt von mindestens sechs Kollegen des anderen Geschlechts, die eine gleichwertige Tätigkeit ausüben
Der Auskunftsanspruch besteht jedoch nur gegenüber Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden je Betriebsstätte und ist nach § 12 EntgTranspG regelmäßig alle zwei Jahre ausübbar.
Betriebliche Verfahren zur Überprüfung der Entgeltgleichheit
Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten sind nach §§ 17 ff. EntgTranspG verpflichtet, betriebsinterne Verfahren zur Überprüfung und Herstellung der Entgeltgleichheit einzurichten. Diese Verfahren können als Prüfverfahren oder als auditspezifische Prozesse ausgestaltet sein. Die Ergebnisse sind auf Wunsch den zuständigen Gremien, etwa dem Betriebsrat, vorzulegen.
Berichtspflichten
Bestimmte Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten und zur Erstellung eines Lageberichts nach § 264 und § 289 HGB verpflichtet, müssen zusätzlich regelmäßig einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit veröffentlichen (§ 21 EntgTranspG). Der Bericht ist Teil des Lageberichts und muss öffentlich zugänglich gemacht werden.
Rechtsfolgen bei Verstößen gegen Entgelttransparenzgebote
Klagemöglichkeiten und Rechtsdurchsetzung
Beschäftigte, die eine Entgeltdiskriminierung vermuten und deren Auskunftsanspruch nach §§ 10 ff. EntgTranspG nicht erfüllt wird, können ihre Ansprüche auf gleiches Entgelt und ggf. Schadensersatz nach § 15 AGG sowie nach dem EntgTranspG gerichtlich geltend machen. Wird der Anspruch auf Auskunft verweigert, besteht eine unmittelbare Klagemöglichkeit vor den Arbeitsgerichten.
Folgen fehlender Gesetzeskonformität für Arbeitgeber
Verstößt ein Unternehmen gegen Transparenzpflichten, können arbeitsgerichtliche und aufsichtsbehördliche Konsequenzen (z. B. Bußgelder oder Maßnahmen durch Antidiskriminierungsstellen) die Folge sein. Zudem steigt das Risiko von Imageschäden und Nachzahlungen bei festgestellter Diskriminierung.
Datenschutz und Vertraulichkeit im Rahmen der Entgelttransparenz
Im Rahmen der Entgelttransparenz müssen Unternehmen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten. Die Weitergabe von Entgeltinformationen hat anonymisiert oder aggregiert zu erfolgen, sodass die betroffenen Personen nicht identifizierbar sind. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass keine personenbezogenen Daten unbefugt offengelegt werden und die Interessen der Betroffenen gewahrt bleiben.
Bedeutung und aktuelle Entwicklungen
Die Bedeutung der Entgelttransparenz wächst mit der fortschreitenden gesellschaftlichen und politischen Diskussion um Lohngerechtigkeit und Gleichbehandlung. Insbesondere durch die neue EU-Richtlinie 2023/970 und deren verpflichtende Umsetzung in den Mitgliedstaaten werden die Transparenzanforderungen weiter verschärft und ausgebaut. Unternehmen sind künftig umfassender verpflichtet, Gehaltsstrukturen offenzulegen und proaktive Maßnahmen gegen Entgeltdiskriminierung zu ergreifen.
Literatur und weiterführende Informationen
- Gesetz über die Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz – EntgTranspG)
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Richtlinie (EU) 2023/970 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Offizielle Informationen zur Entgelttransparenz
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: Leitfäden zu betrieblicher Entgeltgleichheit
Fazit
Entgelttransparenz ist ein zentrales Instrument zur Förderung von Gleichbehandlung im Arbeitsleben und zur Verhinderung von Entgeltdiskriminierung. Mit der gesetzlichen und politischen Entwicklung auf nationaler und europäischer Ebene steigen die Anforderungen für Unternehmen und Organisationen, nachvollziehbare, gerechte und rechtskonforme Vergütungsstrukturen sicherzustellen. Dies trägt zur Stärkung von Fairness, Vertrauen und Chancengleichheit in der Arbeitswelt bei.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Entgelttransparenz in Deutschland?
Das zentrale Regelwerk zur Entgelttransparenz in Deutschland ist das „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“ (Entgelttransparenzgesetz, EntgTranspG), das am 6. Juli 2017 in Kraft getreten ist. Ergänzende Vorgaben ergeben sich aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie einschlägigen Vorgaben des Europäischen Rechts, insbesondere der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien. Das EntgTranspG gibt Beschäftigten das Recht auf Auskunft über Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung sowie die durchschnittliche Vergütung von Kolleginnen des anderen Geschlechts gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit. Es verpflichtet Unternehmen, betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit zu implementieren. Zudem sieht das Gesetz Berichtspflichten für große Unternehmen vor, wie beispielsweise die Erstellung eines Gleichstellungsberichts für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Eine Missachtung dieser Pflichten kann zu arbeitsrechtlichen Schritten oder Schadensersatzansprüchen führen.
Wer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Auskunft über das Entgelt von Kolleginnen und Kollegen?
Nach den Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes besteht ein individueller Auskunftsanspruch für Arbeitnehmerinnen in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten. Der Anspruch richtet sich auf Informationen darüber, wie das eigene Entgelt im Verhältnis zu dem von Kolleginnen des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit steht. Antragsberechtigt sind nur Beschäftigte, keine Bewerberinnen oder ehemalige Angestellte. Der Auskunftsanspruch kann alle zwei Jahre schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber oder, sofern vorhanden, dem Betriebsrat geltend gemacht werden. Bei kollektiver Interessenvertretung ist der Betriebsrat die erste Anlaufstelle, andernfalls der Arbeitgeber selbst.
Welche Informationen müssen im Rahmen des Auskunftsanspruchs offengelegt werden?
Arbeitgeber müssen die durchschnittliche monatliche Bruttovergütung des Vergleichspersonenkreises des jeweils anderen Geschlechts offenlegen, wobei das Medianentgelt als Vergleichswert herangezogen wird. Zusätzlich sind Informationen zu den maßgeblichen Entgeltbestandteilen (z.B. Grundgehalt, Zulagen, Prämien) und den angewandten Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung mitzuteilen. Dabei sind Datenschutz und die Anonymität des Vergleichspersonenkreises zu wahren, weshalb eine Auskunft nur erteilt werden muss, wenn der Vergleichspersonenkreis mindestens sechs Personen umfasst. Die Informationen müssen innerhalb von drei Monaten erteilt werden, andernfalls kann der Beschäftigte ggf. Schadensersatz geltend machen.
Inwieweit schützt das Gesetz die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz der Betroffenen?
Das Entgelttransparenzgesetz schreibt ausdrücklich vor, dass bei der Erteilung von Auskünften der Datenschutz zu beachten ist. Die individuellen Gehaltsangaben anderer Arbeitnehmerinnen dürfen nicht offengelegt werden; stattdessen werden Durchschnittswerte, meist auf Basis des Medians, genannt. Angaben, aus denen Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich wären – etwa bei zu kleinen Vergleichsgruppen -, müssen verweigert werden. Zudem sind die erhaltenen Informationen vertraulich zu behandeln und dürfen ausschließlich für die vorgesehenen Zwecke genutzt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt nach den Vorgaben der DSGVO und des BDSG.
Welche rechtlichen Folgen drohen bei Verstößen gegen das Entgelttransparenzgesetz?
Wird dem Auskunftsverlangen nicht oder nicht richtig nachgekommen, stehen demder Beschäftigten unterschiedliche rechtliche Möglichkeiten offen: Einerseits können Individualbeschwerden bei den zuständigen Arbeitsgerichten eingeleitet werden. Zudem kann, bei nachgewiesener Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts, ein Anspruch auf Nachzahlung und ggf. auf Schadensersatz nach § 15 AGG bestehen. Darüber hinaus können Verstöße gegen Berichtspflichten oder Gleichstellungsanforderungen aufsichtsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings sieht das Entgelttransparenzgesetz keine Bußgeldtatbestände vor; viele Ansprüche müssen zivilrechtlich durchgesetzt werden.
Wie werden gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten juristisch bewertet?
Für die Feststellung einer gleichen oder gleichwertigen Tätigkeit kommt es auf objektive arbeitsplatzbezogene Merkmale an. Maßgeblich sind hierbei der Inhalt, die Anforderungen, die Verantwortung sowie die Arbeitsbedingungen der jeweiligen Tätigkeiten, nicht etwa die Berufstitel. Die Bewertung erfolgt unabhängig vom Wert oder Ansehen der Tätigkeiten und orientiert sich an den tatsächlichen Aufgaben. Als gleichwertig gelten Tätigkeiten dann, wenn sie von vergleichbarem Wert und Umfang sind, auch wenn die Tätigkeitsfelder unterschiedlich sein können. In Zweifelsfällen entscheiden Arbeitsgerichte auf Grundlage der betrieblichen Realität und entwickelter Bewertungsverfahren.
Welche Rolle spielen Betriebsräte und Personalvertretungen im Entgelttransparenzgesetz?
Betriebsräte und Personalvertretungen nehmen bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben eine Schlüsselrolle ein. Sie sind in Unternehmen ab einer bestimmten Größe (ab 200 Beschäftigten) für die Entgegennahme und Bearbeitung von Auskunftsanträgen zuständig. Sie achten darauf, dass die Arbeitgeber die Verfahren zur Entgeltfindung transparent gestalten und bei betrieblichen Prüfverfahren zur Entgeltgleichheit mitwirken. Zudem sind sie verpflichtet, bei der Entwicklung und Überarbeitung betrieblicher Entgeltregelungen mitzuwirken und Missstände zu adressieren. Ihnen steht ein Initiativrecht zu, das die Einführung und Überprüfung von Transparenzmaßnahmen ermöglicht.
Wie werden Unternehmen zur Entgeltberichterstattung verpflichtet?
Unternehmen mit in der Regel mehr als 500 Beschäftigten und die nach dem Handelsgesetzbuch zur Erstellung eines Lageberichts verpflichtet sind, müssen regelmäßig (alle drei bis fünf Jahre) einen Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit erstellen und veröffentlichen. Der Bericht soll Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und zur Herstellung von Entgeltgleichheit darstellen sowie den Status quo analysieren. Nichtbeachtung dieser Berichtspflicht kann insbesondere für börsennotierte Unternehmen aufsichtsrechtliche Konsequenzen oder Reputationsschäden nach sich ziehen. Die Veröffentlichungspflicht richtet sich nach § 289f HGB in Verbindung mit dem EntgTranspG.