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Entgeltordnung


Begriff und Bedeutung der Entgeltordnung

Die Entgeltordnung ist ein zentrales Instrument des Arbeitsrechts und der Tarifpolitik in Deutschland. Sie regelt die Einordnung und Bewertung von Tätigkeiten im Hinblick auf ihre Vergütung innerhalb eines bestimmten Tarifvertrags oder eines anderen kollektivrechtlichen Vergütungsrahmens. Durch die systematische Zuordnung von Tätigkeiten zu bestimmten Entgeltgruppen sichert die Entgeltordnung die Gleichbehandlung bei der Bezahlung gleichwertiger Arbeit und gewährleistet Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Gehaltsstruktur in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen.

Rechtsgrundlagen der Entgeltordnung

Tarifrechtliche Einbindung

Entgeltordnungen sind typischerweise Bestandteil von Tarifverträgen. Sie finden sich sowohl im Bereich des öffentlichen Dienstes (z. B. im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – TVöD) als auch in zahlreichen branchenspezifischen Tarifwerken der Privatwirtschaft. Im öffentlichen Dienst ersetzen sie teilweise die seit 1949 geltenden Vergütungsordnungen der BAT (Bundes-Angestelltentarifvertrag) beziehungsweise der BMT-G (Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter). Im Bereich der Länder ist insbesondere der TV-L (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) maßgeblich.

Rechtlich wirken Entgeltordnungen wie Tarifverträge gemäß § 4 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) zwischen den tarifgebundenen Parteien unmittelbar und zwingend.

Gesetzliche Bestimmungen

Neben dem kollektivrechtlichen Hintergrund finden sich Grundlagen für die Existenz und Anwendung von Entgeltordnungen auch im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Insbesondere regelt § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und betrieblichen Entgeltstrukturen, soweit keine tarifliche Regelung besteht.

Aufbau und Struktur einer Entgeltordnung

Entgeltgruppen und Tätigkeitsmerkmale

Das zentrale Element jeder Entgeltordnung sind die Entgeltgruppen. Diese Gruppen repräsentieren unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und Wertigkeiten der Arbeitsaufgaben. Jeder Entgeltgruppe sind sogenannte Tätigkeitsmerkmale (auch: Tätigkeitsbeschreibungen oder Beispiele) zugeordnet, in denen typische Aufgaben oder Anforderungen für die jeweilige Vergütungsstufe beschrieben werden.

Die Einordnung eines Arbeitsplatzes in eine Entgeltgruppe erfolgt anhand einer Stellenbewertung oder Arbeitsplatzanalyse, wobei Inhalte, Arbeitsanforderungen und Qualifikationsmerkmale des konkreten Arbeitsplatzes maßgeblich sind.

Stufenregelungen

Im Rahmen der Entgeltgruppen sehen Entgeltordnungen häufig Stufenregelungen vor. Damit werden die tatsächlichen Gehaltszahlungen innerhalb einer Entgeltgruppe anhand von Erfahrungs- oder Dienstaltersstufen differenziert. Ziel ist es, die Berufserfahrung und die Betriebszugehörigkeit angemessen zu berücksichtigen.

Sonderregelungen

Viele Entgeltordnungen enthalten Sonderregelungen für bestimmte Beschäftigtengruppen, etwa für Auszubildende, Praktikanten, Beschäftigte in technischen Berufen oder Leitungspositionen. Auch Zulagen, Zuschläge sowie Regelungen zur Eingruppierung bei wechselnden Tätigkeiten sind typischerweise Bestandteil umfassender Entgeltordnungen.

Funktion und Zielsetzung der Entgeltordnung

Das Hauptziel einer Entgeltordnung besteht in der Sicherstellung einer systematischen, transparenten und gerechten Entlohnung aller Mitarbeitenden im Anwendungsbereich. Zugleich erfüllen Entgeltordnungen folgende Funktionen:

  • Schutz vor Diskriminierung: Einheitliche Kriterien verhindern eine ungerechtfertigte Benachteiligung oder bevorzugte Behandlung.
  • Rechtsicherheit und Nachvollziehbarkeit: Die Zuordnung von Tätigkeiten in festgelegte Gruppen ermöglicht klare und überprüfbare Vergütungsentscheidungen.
  • Vermeidung betrieblicher Konflikte: Die objektivierte Bewertung von Tätigkeiten reduziert das Konfliktpotenzial zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten bei Eingruppierungsentscheidungen.
  • Transparenz: Die Entgeltstruktur wird für alle Beteiligten nachvollziehbar.

Anwendungsbereich und Geltung

Geltung in öffentlichen und privaten Unternehmen

Entgeltordnungen entfalten ihre Wirkung sowohl in öffentlichen Institutionen und Behörden als auch in Unternehmen der Privatwirtschaft, soweit entsprechende tarifliche Rahmenbedingungen vorliegen. Im öffentlichen Dienst sind sie beispielsweise im TVöD, TV-L und im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verankert. In der Privatwirtschaft existieren spezifische Entgeltordnungen für zahlreiche Wirtschaftszweige, die durch tarifliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geregelt werden.

Auswirkungen bei Nichttarifbindung

Für nicht tarifgebundene Unternehmen kann eine Entgeltordnung im Rahmen individueller Arbeitsverträge oder durch Betriebsvereinbarungen Anwendung finden. Diese orientieren sich häufig an einschlägigen tariflichen Regelungen, können aber frei ausgehandelt werden. Ein gesetzlicher Zwang zur Anwendung bestimmter Entgeltordnungen besteht nicht, es sei denn, die betreffende tarifliche Regelung wurde durch Allgemeinverbindlicherklärung auf den gesamten Wirtschaftszweig ausgedehnt.

Eingruppierung und Rechtsschutz

Verfahren der Eingruppierung

Die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe erfolgt auf Grundlage der Tätigkeit, wie sie durch die Entgeltordnung bestimmt ist. Grundlage hierfür ist eine Arbeitsplatzbewertung, die die charakteristischen Merkmale und Anforderungen der jeweiligen Tätigkeit objektiviert und mit den maßgeblichen Tätigkeitsmerkmalen abgleicht.

Rechtsschutzmöglichkeiten bei Eingruppierungsstreitigkeiten

Beschäftigte, die die Richtigkeit ihrer Eingruppierung anzweifeln, können die Überprüfung durch den Arbeitgeber verlangen. Kommt es zu keiner Einigung, besteht die Möglichkeit, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) zu beschreiten. Die gerichtliche Überprüfung stellt sicher, dass Entgeltordnungen korrekt angewendet werden und keine unrechtmäßigen Benachteiligungen erfolgen.

Entwicklungen und Reformbestrebungen

Im Bereich des öffentlichen Dienstes wurden Entgeltordnungen in den vergangenen Jahren reformiert und an neue Anforderungen angepasst. Ziel der Modernisierung war es, die Bewertungssystematik zu vereinfachen und transparenter zu gestalten, neue Berufsbilder zu integrieren und eine geschlechtergerechte Bezahlung zu fördern. Insbesondere die Einführung des einheitlichen TVöD mit seiner Entgeltordnung im Jahr 2005 markiert einen Meilenstein in der Entwicklung kollektiver Entgeltregelungen für den öffentlichen Sektor.

Literatur

  • Däubler, Wolfgang u. a.: Tarifvertragsgesetz und Arbeitskampfrecht, Kommentar.
  • Litschen, Heiko: Die Eingruppierung der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, Nomos Verlag.
  • Richardi, Reinhard: Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar.

Hinweis: Dieser Artikel liefert einen umfassenden und aktuellen Überblick über den Begriff „Entgeltordnung“ unter besonderer Berücksichtigung seiner rechtlichen Implikationen, tarifrechtlichen Rahmenbedingungen sowie praxisbezogenen Fragestellungen im deutschen Arbeitsrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielt die Entgeltordnung bei der Einreihung von Tätigkeiten im öffentlichen Dienst?

Die Entgeltordnung ist im öffentlichen Dienst das zentrale Regelwerk, um verschiedene Tätigkeiten systematisch einzugruppieren und damit die Grundlage für die Eingruppierung von Beschäftigten zu schaffen. Juristisch gesehen ist die Entgeltordnung Bestandteil des Tarifvertrages, beispielsweise des TVöD oder TV-L, und stellt sicher, dass gleichartige Tätigkeiten, unabhängig vom jeweiligen Arbeitsplatz, tarifrechtlich gleich behandelt werden. Die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung beschreiben in Form von Oberbegriffen und darunterliegenden Beispielen die Anforderungen und Merkmale der jeweiligen Stelle. Die Zuordnung einer Tätigkeit zu einer bestimmten Entgeltgruppe erfolgt nach einer strengen Prüfung der Arbeitsvorgänge, die aus der übertragenen Aufgabe abzuleiten sind. Beschäftigte und Arbeitgeber haben einen Rechtsanspruch darauf, dass die Eingruppierung entsprechend der tatsächlichen Tätigkeit erfolgt; Abweichungen oder falsche Zuordnungen können im Rahmen des Eingruppierungsrechts gerichtlich überprüft und auch rückwirkend korrigiert werden. Die Entgeltordnung schützt so vor willkürlicher Behandlung und regelt verbindlich die Anspruchsgrundlage für das Tarifentgelt.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei einer fehlerhaften Eingruppierung?

Wird ein Beschäftigter nicht der korrekten Entgeltgruppe zugeordnet, besteht zunächst die Möglichkeit, die Entscheidung im Rahmen eines innerbetrieblichen Einigungs- oder Spruchverfahrens überprüfen zu lassen, etwa über die Personalvertretung. Kommt keine Einigung zustande, kann der Beschäftigte gegenüber dem öffentlichen Arbeitgeber einen sogenannten Antrag auf „Feststellung der zutreffenden Eingruppierung“ stellen. Im Streitfall ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet: Gemäß § 611a BGB in Verbindung mit den einschlägigen tarifvertraglichen Vorschriften kann die Eingruppierung eingeklagt werden. Die Arbeitsgerichte prüfen dabei, ob die Einreihung anhand der tatsächlichen Aufgaben und Tätigkeitsmerkmale erfolgt ist. Wichtig ist die Einhaltung tariflicher und gesetzlicher Ausschlussfristen, die einen rückwirkenden Anspruch begrenzen können. Die Gerichte nehmen regelmäßig eine sehr differenzierte Bewertung der Tätigkeit vor, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Zeugen, Arbeitsplatzbeschreibungen und Gutachten.

Wie ist das Verhältnis zwischen der Entgeltordnung und ergänzenden Dienstvereinbarungen oder Arbeitsverträgen?

Rechtlich vorrangig sind die Regelungen der Entgeltordnung als Bestandteil des Tarifvertrages. Einzelvertragliche Abreden oder Dienstvereinbarungen dürfen keine von der Entgeltordnung abweichende Eingruppierung vorsehen, sofern diese sich zum Nachteil der Beschäftigten auswirkt (sog. tarifdispositive Wirkung). Lediglich begünstigende Abweichungen sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, vielfach jedoch eingeschränkt durch tarifliche Ausschluss-, Gleichstellungs- und Rückwirkungsklauseln. Das heißt, es besteht eine Tarifsperre hinsichtlich der Entgeltordnung, sofern der jeweilige Tarifvertrag Anwendung findet. Dies schützt die Beschäftigten vor einer Unterwanderung der tariflichen Mindestbedingungen, die durch die Entgeltordnung garantiert werden.

Inwieweit ist die Entgeltordnung Gegenstand betrieblicher Mitbestimmung?

Die Anwendung und Auslegung der Entgeltordnung unterliegen der Beteiligung der Personalvertretungen gemäß den Personalvertretungsgesetzen der Länder bzw. des Bundes. Insbesondere bei der Erstellung oder Änderung von Arbeitsplatz- und Tätigkeitsbeschreibungen, die zur Eingruppierung führen, sowie bei der Zuweisung einer Entgeltgruppe besteht ein Mitbestimmungsrecht. Die Personalvertretung kann widersprechen, wenn die tarifliche Eingruppierung nicht korrekt erfolgte, und gegebenenfalls ein Einigungsstellenverfahren anstrengen. Allerdings ist die Entgeltordnung als Tarifrecht in ihrem Inhalt nicht mitbestimmungspflichtig; lediglich die Auslegung im konkreten Einzelfall unterliegt der Mitbestimmung.

Welche Bedeutung hat die Entgeltordnung für rückwirkende Ansprüche auf Entgelt?

Fehlerhafte Eingruppierungen, die zu geringeren Entgeltzahlungen geführt haben, können gemäß den tariflichen Ausschlussfristen rückwirkend geltend gemacht werden. Die entscheidende Vorschrift besagt, dass Ansprüche auf das zutreffende Tabellenentgelt grundsätzlich innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. sechs Monate gemäß § 37 TVöD) schriftlich geltend gemacht werden müssen. Die tarifliche Ausschlussfrist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschäftigte von der fehlerhaften Eingruppierung Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat. Innerhalb dieser Frist kann der Beschäftigte verlangen, entsprechend der rechtlich zutreffenden Entgeltgruppe vergütet zu werden. Nach Ablauf dieser Frist sind Ansprüche regelmäßig ausgeschlossen, sofern keine besonderen Umstände (z.B. arglistige Täuschung) vorliegen.

Wie wird die Entgeltordnung bei der Übertragung höherwertiger oder niedrigerer Tätigkeiten angewendet?

Die tarifrechtliche Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit (Höhergruppierung) oder einer niedriger bewerteten Tätigkeit (Herabgruppierung) führt zu einer automatischen Neubewertung nach den Kriterien der Entgeltordnung. Bei vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten besteht in der Regel ein Anspruch auf die „Zulage zur höherwertigen Tätigkeit“, sofern die Voraussetzungen nach der Entgeltordnung erfüllt sind. Im Falle einer dauerhaften Übertragung wird der Beschäftigte in der entsprechenden Entgeltgruppe eingruppiert, wobei Übergangsregelungen für Besitzstände häufig durch die Tarifverträge vorgesehen sind. Bei Herabgruppierung gilt das Beteiligungsrecht der Personalvertretung sowie ggf. ein tarifrechtlicher Kündigungsschutz oder eine Besitzstandswahrung.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Dokumentation der Arbeitsvorgänge im Sinne der Entgeltordnung?

Eine korrekte und rechtssichere Eingruppierung erfordert eine sorgfältige Dokumentation der übertragenen Aufgaben und insbesondere der einzelnen Arbeitsvorgänge. Juristisch maßgeblich ist nicht allein die Stellen- oder Arbeitsplatzbeschreibung, sondern die tatsächliche Aufgabenübertragung und praktische Ausübung. Im Rechtsstreit hat der Arbeitgeber eine umfassende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Tätigkeitsmerkmale, da nur so die korrekte Anwendung der Entgeltordnung gerichtlich überprüft werden kann. Eine transparente und aktuelle Beschreibung der Arbeitsvorgänge ist daher für die rechtssichere Anwendung der Entgeltordnung unabdingbar; unzureichende Dokumentation kann zu fehlerhaften Eingruppierungen und anschließenden Rechtsstreitigkeiten führen.