Begriff und Funktion der Entgeltordnung
Eine Entgeltordnung ist ein systematisches Regelwerk zur Einordnung von Tätigkeiten in Entgeltgruppen und zur Bestimmung der Vergütung von Beschäftigten. Sie beschreibt, nach welchen Kriterien Tätigkeiten bewertet und welchen Entgeltgruppen sie zugeordnet werden, und legt ergänzende Vergütungsbestandteile wie Stufen, Zulagen oder Leistungsentgelte fest. Entgeltordnungen finden sich vor allem in Tarifverträgen, in betrieblichen Entgeltsystemen sowie im öffentlichen Dienst. Sie dienen der Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Gleichbehandlung bei der Bezahlung.
Rechtsnatur und Geltungsbereich
Die rechtliche Wirkung einer Entgeltordnung hängt davon ab, in welchem Rahmen sie gilt:
Tarifvertragliche Entgeltordnungen
Entgeltordnungen sind häufig Bestandteil von Tarifverträgen. Für tarifgebundene Arbeitgeber und Beschäftigte gelten sie unmittelbar und zwingend. Sie können auch durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklauseln Anwendung finden. Eine Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags kann die Geltung auf nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnisse erstrecken.
Betriebliche Entgeltordnungen
In Unternehmen ohne einschlägigen Tarifvertrag können Entgeltordnungen durch Betriebsvereinbarungen oder interne Regelwerke ausgestaltet sein. Soweit Mitbestimmungsrechte bestehen, sind Arbeitnehmervertretungen bei der Ausgestaltung des Entgeltsystems zu beteiligen. Solche Regelungen dürfen tarifliche Mindeststandards nicht unterschreiten, wenn Tarifnormen anwendbar sind.
Öffentlicher Dienst und kirchliche Einrichtungen
Im öffentlichen Dienst regeln Entgeltordnungen die Eingruppierung der Tarifbeschäftigten, etwa in den bekannten Flächentarifen. Kirchliche und diakonische Einrichtungen nutzen eigene Arbeitsrechtsregelungen mit vergleichbarer Struktur. Für Beamtinnen und Beamte gelten hingegen Besoldungsordnungen, die sich systematisch unterscheiden.
Aufbau einer Entgeltordnung
Entgeltgruppen und Tätigkeitsmerkmale
Kern einer Entgeltordnung sind Entgeltgruppen. Sie werden durch Tätigkeitsmerkmale beschrieben, beispielsweise Anforderungen an Kenntnisse, Verantwortungsumfang, Selbstständigkeit, Führungsanteile oder Komplexität. Die Zuordnung erfolgt nach dem Prinzip: maßgeblich ist die übertragenen und auszuübenden Tätigkeit, nicht die individuelle Qualifikation allein.
Stufen und Erfahrungszeiten
Viele Entgeltordnungen sehen Stufen innerhalb der Entgeltgruppen vor. Der Stufenaufstieg knüpft typischerweise an Erfahrungszeiten, Leistung oder Zeiten der Tätigkeit in der Entgeltgruppe an. Die Anerkennung einschlägiger Berufserfahrung kann den Einstieg in höhere Stufen ermöglichen. Unterbrechungen, Wechsel oder Teilzeit können Einfluss auf die Dauer in den Stufen haben, ohne die Eingruppierung als solche zu ändern.
Zulagen, Erschwernisse und Leistungsentgelt
Zusätzliche Vergütungsbestandteile können Erschwernis-, Funktions-, Wechselschicht- oder Schichtzulagen, Zuschläge für besondere Zeiten, leistungsorientierte Komponenten sowie Jahressonderzahlungen umfassen. Die Entgeltordnung oder die ergänzenden Vergütungsregelungen bestimmen Voraussetzungen, Höhe und Dauer solcher Zahlungen.
Sonderbereiche und Tätigkeitsfelder
Einzelne Berufs- oder Tätigkeitsfelder werden oft in besonderen Abschnitten erfasst, etwa Sozial- und Erziehungsdienst, Pflege, IT, handwerkliche Dienste oder Verwaltung. Diese Abschnitte enthalten spezifische Tätigkeitsmerkmale und Funktionsstufen.
Eingruppierung und Stellenbewertung
Grundprinzip der Eingruppierung
Die Eingruppierung folgt der Bewertung der übertragenen Tätigkeit. Maßstab sind die in der Entgeltordnung definierten Merkmale. Die formelle Berufsbezeichnung oder eine akademische Qualifikation ist nicht allein entscheidend; ausschlaggebend ist, welche Anforderungen die Tätigkeit stellt.
Bewertungsverfahren und Dokumentation
Zur Bewertung werden Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibungen herangezogen. Die Zuordnung kann summarisch (Gesamtbetrachtung) oder analytisch (Punkt- oder Kriterienbewertung) erfolgen, je nach System. Eine nachvollziehbare Dokumentation der Bewertung unterstützt Transparenz und Überprüfbarkeit.
Änderungen der Tätigkeit
Verändern sich Aufgaben dauerhaft so, dass andere Tätigkeitsmerkmale überwiegen, kann eine Neubewertung erforderlich sein. Vorübergehend übertragene höherwertige Aufgaben führen regelmäßig nicht zur dauerhaften Höhergruppierung, können jedoch Anspruch auf entsprechende Zulagen auslösen, soweit die Entgeltordnung dies vorsieht. Eine Herabgruppierung setzt eine wirksame und zulässige Änderung der Tätigkeit voraus und unterliegt strengen Anforderungen.
Mitbestimmung und Verfahren im Betrieb
Bei Einführung und Änderung von Entgeltsystemen bestehen Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretung. Je nach Organisationsform (Betrieb oder Dienststelle) sind unterschiedliche Beteiligungsformen vorgesehen. Interne Verfahren und Fristen zur Überprüfung von Eingruppierungen können in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Dienstvereinbarungen festgelegt sein.
Wirkung auf das Arbeitsverhältnis
Tarifvorrang und arbeitsvertragliche Bezugnahmen
Ist eine Entgeltordnung tarifvertraglich normiert und gilt sie kraft Tarifbindung, sind abweichende, ungünstigere vertragliche Vereinbarungen grundsätzlich unwirksam. Arbeitsverträge können Entgeltordnungen durch Bezugnahmeklauseln in das individuelle Arbeitsverhältnis einbeziehen. Übertarifliche Zahlungen sind möglich, sofern keine kollektivrechtlichen Schranken entgegenstehen.
Gleichbehandlung und Entgeltgleichheit
Entgeltordnungen sollen diskriminierungsfrei angewendet werden. Grundsätze der Entgeltgleichheit verlangen, dass Beschäftigte bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit gleich vergütet werden. Transparenzpflichten können je nach Unternehmensgröße bestehen. Bewertungsmerkmale müssen geschlechtsneutral und sachlich begründet sein.
Teilzeit, Befristung und besondere Beschäftigungsformen
Teilzeit wirkt sich typischerweise auf das Verhältnis der Entgeltzahlung zur vereinbarten Arbeitszeit aus, nicht auf die Entgeltgruppe. Befristung berührt die Eingruppierung nicht, solange die Tätigkeit gleich bleibt. Für Leiharbeitnehmer und andere besondere Beschäftigungsformen gelten gesonderte gleichstellungs- und referenzbezogene Entgeltgrundsätze, deren Verhältnis zur Entgeltordnung je nach Konstellation variiert.
Mindestentgelte und gesetzliche Grenzen
Gesetzliche Mindestentgelte und Schutzvorschriften setzen Untergrenzen und Rahmenbedingungen. Entgeltordnungen dürfen diese nicht unterschreiten. Zudem sind Arbeitszeitschutz, Nacht- und Feiertagsregelungen sowie Schutz vor Benachteiligung zu berücksichtigen.
Besonderheiten im öffentlichen Dienst
Im öffentlichen Dienst sind Entgeltordnungen zentraler Bestandteil der Tarifwerke. Sie enthalten:
Entgeltgruppen und spezifische Berufsgruppen
Die Spannweite reicht regelmäßig von einfachen Tätigkeiten bis zu hochqualifizierten Fach- und Führungstätigkeiten. Für bestimmte Bereiche existieren besondere Abschnitte, etwa für Sozial- und Erziehungsdienst oder Pflege, mit eigenständigen Tätigkeitsmerkmalen und Funktionsstufen.
Stufensystem, Erfahrungszeiten und Leistungsaspekte
Der Stufenaufstieg knüpft an Zeiten der ununterbrochenen Tätigkeit in der Entgeltgruppe an. Leistungsaspekte können über Leistungsentgelte oder Prämien abgebildet werden. Zuschläge und Zulagen sind in gesonderten Teilen geregelt.
Umsetzung in der Praxis
Dienststellen erstellen in der Regel Stellenbeschreibungen und ordnen Tätigkeiten den Merkmalen zu. Personalvertretungen sind bei der Einführung und Änderung von Entgeltsystemen einzubeziehen. Für Streitigkeiten bestehen innerdienstliche und gegebenenfalls arbeitsgerichtliche Klärungswege.
Änderungen, Fortschreibung und Beteiligungsrechte
Tarifliche Fortentwicklung
Entgeltordnungen werden regelmäßig überprüft und fortgeschrieben. Tarifparteien verhandeln über Anpassungen, etwa bei neuen Berufsbildern, veränderten Anforderungen oder zur Beseitigung von Bewertungsungleichgewichten.
Betriebliche Umsetzung und Kontrolle
Unternehmen und Dienststellen sind für die korrekte Anwendung verantwortlich. Arbeitnehmervertretungen besitzen Überwachungs- und Mitbestimmungsrechte bei Einführung, Änderung und Anwendung von Entgeltsystemen. Interne Auditierungen und Dokumentationspflichten dienen der Nachvollziehbarkeit.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Entgeltordnung vs. Vergütungsordnung
Beide Begriffe werden teils synonym verwendet. Entgeltordnung betont die systematische Bewertung und Zuordnung von Tätigkeiten, während Vergütungsordnung häufig die Gesamtheit der Vergütungsbestandteile beschreibt. Inhaltlich überschneiden sich beide erheblich.
Entgeltordnung vs. Besoldungsordnung
Besoldungsordnungen gelten für Beamtinnen und Beamte und regeln die Besoldungsgruppen und -stufen. Entgeltordnungen betreffen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis.
Entgeltrahmen, Lohntarifvertrag und Gehaltsbänder
Ein Entgeltrahmen- oder Lohntarifvertrag kann die Struktur der Entlohnung festlegen und eine Entgeltordnung enthalten. Moderne Vergütungssysteme in der Privatwirtschaft nutzen häufig Gehaltsbänder; ihre rechtliche Bindungswirkung hängt von der Ausgestaltung (Tarif, Betriebsvereinbarung oder Individualvertrag) ab.
Häufig gestellte Fragen
Gilt eine Entgeltordnung automatisch für alle Beschäftigten?
Sie gilt automatisch, wenn eine Tarifbindung besteht oder der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Ohne Tarifbindung gilt sie dann, wenn der Arbeitsvertrag eine wirksame Bezugnahme enthält oder eine einschlägige Betriebs- oder Dienstvereinbarung Anwendung findet.
Kann im Arbeitsvertrag vom Entgelt nach Entgeltordnung abgewichen werden?
Bei tariflicher Geltung sind ungünstigere Abweichungen grundsätzlich ausgeschlossen. Günstigere Vereinbarungen sind möglich, soweit kollektive Regelungen dies nicht einschränken. Ohne Tarifbindung richtet sich die Abweichungsmöglichkeit nach der vertraglichen und kollektivrechtlichen Ausgestaltung.
Wie erfolgt die Eingruppierung konkret?
Maßgeblich ist die Bewertung der übertragenen Tätigkeit anhand der in der Entgeltordnung festgelegten Tätigkeitsmerkmale. Die Zuordnung erfolgt nach dem Anforderungsprofil der Stelle, dokumentiert durch Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibungen.
Was passiert bei vorübergehender höherwertiger Tätigkeit?
Vorübergehend übertragene höherwertige Aufgaben führen in der Regel nicht zu einer dauerhaften Höhergruppierung. Je nach Entgeltordnung können zeitlich befristete Ausgleichszahlungen oder Zulagen vorgesehen sein, solange die höherwertige Tätigkeit ausgeübt wird.
Hat Teilzeit Einfluss auf die Eingruppierung?
Teilzeit ändert die Entgeltgruppe nicht. Das Entgelt wird anteilig entsprechend der vereinbarten Arbeitszeit bemessen. Tätigkeitsmerkmale und Anforderungen bleiben entscheidend für die Einordnung.
Wie wird Berufserfahrung bei den Stufen berücksichtigt?
Viele Entgeltordnungen erkennen einschlägige Berufserfahrung an und ordnen eine Startstufe zu, die der bisherigen Erfahrung entspricht. Der weitere Stufenaufstieg knüpft an Zeiten in der Entgeltgruppe und ggf. an Leistungsaspekte an.
Wie werden Streitigkeiten über die Eingruppierung geklärt?
Vorgesehen sind interne Prüf- und Einwendungswege und je nach Bereich Beteiligung der Arbeitnehmervertretung. Kommt keine Einigung zustande, ist eine Klärung über die zuständigen Gerichte möglich.
Unterscheidet sich die Entgeltordnung im öffentlichen Dienst von der Privatwirtschaft?
Ja. Im öffentlichen Dienst sind Entgeltordnungen flächendeckend tariflich geregelt und sehr detailliert ausgestaltet. In der Privatwirtschaft existiert eine größere Bandbreite von Tarif- und betrieblichen Systemen mit jeweils eigener Bindungswirkung.