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Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall


Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Definition, Umfang und Rechtsgrundlagen

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts und bezeichnet den Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf fortlaufende Vergütung durch den Arbeitgeber während einer unverschuldeten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Regelungen hierzu finden sich insbesondere im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Nachfolgend werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, Besonderheiten sowie gesetzliche und tarifliche Abweichungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausführlich dargelegt.


Rechtsgrundlagen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Gesetzliche Bestimmungen

Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) bildet die maßgebliche Grundlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Gemäß § 3 Abs. 1 EFZG sind Arbeitgeber verpflichtet, Beschäftigten, die durch Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit an ihrer Arbeitsleistung gehindert sind, das Arbeitsentgelt für die Dauer von bis zu sechs Wochen fortzuzahlen.

Geltungsbereich

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gilt für sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis, einschließlich Auszubildender (§ 19 Berufsbildungsgesetz) und, unter bestimmten Voraussetzungen, auch für arbeitnehmerähnliche Personen. Für bestimmte Beschäftigtengruppen wie geringfügig Beschäftigte, Arbeitnehmer in Teilzeit oder befristeten Arbeitsverhältnissen bestehen keine Sonderregelungen; diese werden gleichbehandelt.


Voraussetzungen für die Entgeltfortzahlung

Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit

Voraussetzung für den Anspruch ist eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Die Krankheit muss die alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit darstellen, eine Arbeitsverhinderung aus anderen Gründen – etwa freiwilligen kosmetischen Eingriffen oder Arbeitsunfähigkeit infolge von grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachten Unfällen – führt in der Regel nicht zu einem Anspruch.

Kein Verschulden des Arbeitnehmers

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist die Entgeltfortzahlung ausgeschlossen, wenn die Arbeitsunfähigkeit selbstverschuldet wurde. Einfache Fahrlässigkeit steht dem Anspruch jedoch nicht entgegen. Ausschlussgründe bestehen bei grobem Fehlverhalten, wie mutwillig herbeigeführten Verletzungen.

Wartezeit

Ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt eine ununterbrochene Beschäftigungsdauer von mindestens vier Wochen (§ 3 Abs. 3 EFZG) voraus. In den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses besteht für den Arbeitgeber keine Pflicht zur Entgeltfortzahlung. Betroffene haben in diesem Zeitraum einen Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Krankenkasse.


Dauer und Umfang der Entgeltfortzahlung

Sechs-Wochen-Frist

Die Entgeltfortzahlung ist auf einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen je Krankheitsfall begrenzt. Tritt während oder nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist eine neue, nicht in ursächlichem Zusammenhang stehende Arbeitsunfähigkeit auf, entsteht ein neuer Anspruchszeitraum.

Höhe der Entgeltfortzahlung

Die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts entspricht dem Arbeitsentgelt, das ohne die Arbeitsunfähigkeit erzielt worden wäre, einschließlich regelmäßig geleisteter Zuschläge und variabler Arbeitsentgelte (§ 4 Abs. 1 EFZG). Einmalige Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld werden hiervon in der Regel nicht erfasst.


Anzeige- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers

Anzeige der Arbeitsunfähigkeit

Arbeitnehmer sind nach § 5 Abs. 1 EFZG verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen.

Nachweis durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat die erkrankte Person spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Der Arbeitgeber kann jedoch auch die Vorlage bereits ab dem ersten Tag verlangen.


Ende des Arbeitsverhältnisses und Sonderfälle

Beendigung durch Kündigung

Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, maximal jedoch bis zur Dauer von sechs Wochen. Eine Entgeltfortzahlungspflicht über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus besteht nicht.

Wiederholte Erkrankung

Treten während eines bestehenden Anspruchszeitraums zusätzliche Krankheiten auf, gelten diese im Rahmen der sogenannten Einheit des Verhinderungsfalls als einheitlicher Anspruch. Erst nach Ausheilung und erneuter Arbeitsaufnahme können neue Ansprüche entstehen.


Kostenerstattung für Arbeitgeber: Umlageverfahren

U1-Umlageverfahren

Arbeitgeber mit in der Regel nicht mehr als 30 Beschäftigten erhalten gemäß dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) einen gesetzlichen Anspruch auf Erstattung eines Teils der Aufwendungen für die Entgeltfortzahlung aus dem Umlageverfahren U1. Die Höhe und Voraussetzungen der Erstattung richten sich nach dem gewählten Leistungssatz bei der Krankenkasse.


Tarifvertragliche und einzelvertragliche Regelungen

Durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen können abweichende Regelungen zur Entgeltfortzahlung getroffen werden, sofern diese für den Arbeitnehmer günstiger sind. Einzelvertragliche Einschränkungen, die hinter dem gesetzlichen Mindestschutz des EFZG zurückbleiben, sind unwirksam.


Ausschluss und Rückforderung

Ausschluss bei nicht rechtzeitigem Nachweis

Wird die erforderliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht rechtzeitig vorgelegt, ist der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung berechtigt, aber nicht verpflichtet. Nachträgliche Vorlagen können den Anspruch rückwirkend wiederaufleben lassen.

Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge

Erweist sich eine Krankheit nachträglich als von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer schuldhaft herbeigeführt, kommt eine Rückforderung der bereits gezahlten Entgeltfortzahlung in Betracht.


Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Krankenversicherung und Krankengeld

Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlungsfrist erhalten gesetzlich Krankenversicherte ab dem ersten Tag nach Fristablauf Krankengeld von ihrer Krankenkasse, dessen Höhe auf ca. 70 % des Bruttoarbeitsentgelts (maximal jedoch 90 % des Nettoarbeitsentgelts) begrenzt ist.


Zusammenfassung

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein gesetzlicher Anspruch, der Beschäftigten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses einen umfassenden Schutz bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bietet. Die Regelungen im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) schaffen dabei verbindliche Vorgaben hinsichtlich Anspruch, Dauer, Höhe und den formalen Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Ergänzende tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen können den gesetzlichen Schutz erweitern, jedoch nicht unterschreiten. Socialrechtliche Aspekte wie das Krankengeld greifen nach Ablauf der Entgeltfortzahlungsfrist und sichern die Einkommenssicherheit weiterhin ab.

Häufig gestellte Fragen

Muss dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden und ab wann?

Nach § 5 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Das heißt, der Arbeitgeber muss ohne schuldhaftes Zögern, also am selben Tag, über die Erkrankung und die voraussichtliche Dauer informiert werden. Eine ärztliche Bescheinigung („Krankschreibung“) muss spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit vorliegen, das heißt, bei einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit ab dem vierten Kalendertag. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage der Bescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Verpflichtung, kann dies arbeitsrechtliche Folgen haben, wie beispielsweise eine Abmahnung oder im Wiederholungsfalle sogar eine Kündigung. Seit dem 1. Januar 2023 erfolgt die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten in der Regel digital durch die Arztpraxis an die Krankenkassen (eAU), der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber jedoch weiterhin über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer informieren.

Wie lange besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit?

Gemäß § 3 Abs. 1 EFZG besteht Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für maximal sechs Wochen (42 Kalendertage) je Erkrankung. Dies gilt für dieselbe Krankheit, es sei denn, innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Erkrankung tritt dieselbe Krankheit erneut auf und es ist eine Wiederholungserkrankung. In solchen Fällen kann die Frist nicht erneut beansprucht werden, solange der Anspruchszeitraum von sechs Wochen noch nicht abgelaufen ist. Bei einer neuen, unabhängigen Krankheit beginnt für diese Krankheit ein neuer Sechs-Wochen-Zeitraum. Bei einer sogenannten „Fortsetzungserkrankung“ – also wenn die Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach Genesung und nach Rückkehr an den Arbeitsplatz innerhalb von sechs Monaten erneut auftritt – entsteht kein neuer Anspruch. Liegt zwischen zwei Erkrankungen derselben Art ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten oder eines vollen Jahres, beginnt ein neuer Anspruchszeitraum.

Welche Höhe hat die Entgeltfortzahlung und wie wird sie berechnet?

Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entspricht nach § 4 Abs. 1 EFZG dem Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsunfähigkeit erzielt hätte. Maßgeblich ist das regelmäßige Arbeitsentgelt, bestehend aus dem Grundgehalt sowie anteiligen Zulagen wie Schichtzulagen, Provisionen oder Zuschlägen, soweit diese regelmäßig gezahlt werden. Nicht berücksichtigt werden dagegen Überstundenvergütungen oder Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, sofern sie nicht leistungs- oder zeitabschnittsbezogen sind. Die Bemessungsgrundlage ist das Arbeitsentgelt der „regelmäßigen Arbeitszeit“. Bei Beschäftigten mit schwankendem Einkommen wird ein Durchschnittswert der vergangenen abgerechneten Zeitspanne angenommen, in der Regel die letzten drei Monate. Für Teilzeitkräfte und Minijobber gelten die gleichen Grundsätze wie für Vollzeitkräfte.

Gelten Besonderheiten bei mehrfach hintereinander auftretenden Erkrankungen?

Bei mehreren hintereinander auftretenden Krankheiten kommt es auf die Unterscheidung zwischen verschiedenen und derselben Krankheit an. Bei aufeinanderfolgenden verschiedenen Erkrankungen beginnt für jede Erkrankung ein neuer Sechs-Wochen-Zeitraum. Treten die Krankheiten jedoch zugleich oder unmittelbar nacheinander auf und besteht wegen der ersten Arbeitsunfähigkeit bereits kein Anspruch mehr auf Entgeltfortzahlung (weil die Sechs-Wochen-Frist abgelaufen ist), kann der Anspruch ruhen, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich unterbrechungsfrei fortbesteht. Für Folgeerkrankungen, die während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzukommen („Überlappung“), wird keine weitere Entgeltfortzahlung geleistet, es sei denn, der Arbeitnehmer ist zwischen den Erkrankungen wieder arbeitsfähig gewesen und hat tatsächlich wieder gearbeitet.

Welche Mitwirkungs- und Nachweispflichten hat der Arbeitnehmer?

Die Pflicht zur Mitwirkung und der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit ergeben sich aus § 5 EFZG. Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzeigen. Bei Überschreitung der wöchentlichen Entgeltfortzahlungsfrist ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine erneute oder fortgesetzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („Folgebescheinigung“) rechtzeitig einzureichen, um den fortbestehenden Anspruch geltend zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer die rechtzeitige Nachweiserbringung, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zur Nachholung verweigern. Zudem hat der Arbeitnehmer unverzüglich Anzeige zu erstatten, wenn sich die Dauer der Arbeitsunfähigkeit verlängert. Dem Arbeitgeber steht das Recht zu, eine frühere Vorlage der ärztlichen Bescheinigung zu verlangen.

Besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch bei selbstverschuldeten Krankheiten oder Unfällen?

Kein Anspruch besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch ein Verschulden des Arbeitnehmers im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG selbst verschuldet wurde, wobei hier ein grobes Verschulden, also grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz, zugrunde gelegt werden muss. Typische Fälle sind Krankheiten infolge grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltens, etwa bei Trunkenheitsfahrten mit dem Auto oder bei riskantem Verhalten wie Teilnahme an verbotenen Straßenrennen. Bloße Leichtfertigkeit oder Nachlässigkeit sind in aller Regel jedoch nicht ausreichend, um den Anspruch zu verlieren. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers.

Wie wirkt sich eine Erkrankung während des Urlaubs auf die Entgeltfortzahlung aus?

Erkrankt ein Arbeitnehmer während eines genehmigten Urlaubs, werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage nicht auf den Urlaub angerechnet (§ 9 Bundesurlaubsgesetz – BUrlG). Die Entgeltfortzahlung erfolgt in gleichem Maße wie bei einer Erkrankung außerhalb des Urlaubs. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitteilt und ein ärztliches Attest vorlegt. Die Urlaubsansprüche bleiben für die Krankheitsdauer erhalten und können zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Der Arbeitgeber darf für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit keine Urlaubstage anrechnen, sondern muss das fortzuzahlende Entgelt zahlen.

Wie ist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei befristeten Arbeitsverhältnissen geregelt?

Auch befristet Beschäftigte haben Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sofern sie die Wartezeit von vier Wochen (§ 3 Abs. 3 EFZG) erfüllt haben. Der Anspruch besteht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens jedoch für sechs Wochen je Krankheitsfall. Endet das Arbeitsverhältnis während einer Arbeitsunfähigkeit, besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses und nicht darüber hinaus. Ab Beendigung des gesetzlichen Arbeitsverhältnisses übernimmt die zuständige Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld, sofern ein entsprechender Anspruch besteht.