Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung bezeichnet die Fortzahlung der vertraglich geschuldeten Vergütung durch den Arbeitgeber, wenn Beschäftigte kurzfristig und ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung gehindert sind, weil die persönliche Betreuung ihres Kindes zwingend erforderlich ist. Sie betrifft typischerweise Situationen, in denen die reguläre Betreuung unerwartet ausfällt oder das Kind so hilfebedürftig ist, dass eine Aufsicht durch die Eltern erforderlich wird.
Abzugrenzen ist die Entgeltfortzahlung von anderen Konstellationen: Vom Kinderkrankengeld, das eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt und nicht vom Arbeitgeber gezahlt wird; von unbezahlter Freistellung, bei der kein Lohnanspruch besteht; sowie von Urlaub, der der Erholung dient und in seinem Zweck eigenständig ist.
Rechtliche Ausgangslage
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung aus persönlichen Gründen
Die Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung beruht auf dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsatz, dass Beschäftigte bei einer vorübergehenden, unverschuldeten Verhinderung aus einem in ihrer Person liegenden Grund für eine verhältnismäßig kurze Zeit unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht befreit sein können. Kinderbetreuung fällt darunter, wenn sie unaufschiebbar und erforderlich ist.
Voraussetzungen im Überblick
- Erforderlichkeit: Die Betreuung des Kindes ist objektiv notwendig (z. B. krankheits- oder notfallbedingt) und kann nicht auf einen anderen Zeitpunkt verlegt werden.
- Kein Verschulden: Die Verhinderung beruht nicht auf eigenem pflichtwidrigen Verhalten.
- Keine zumutbare Alternativbetreuung: Dritte können die Betreuung nicht zumutbar übernehmen.
- Vorübergehende Dauer: Es handelt sich um einen kurzen Zeitraum; längere, planbare Betreuungslagen fallen regelmäßig nicht hierunter.
- Anzeige- und Nachweismöglichkeiten: Die Verhinderung ist unverzüglich mitzuteilen; geeignete Nachweise können verlangt werden.
Abweichungen durch Vertrag, Betriebsvereinbarung und Tarif
Ansprüche auf bezahlte Freistellung können durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag konkretisiert, erweitert oder eingeschränkt werden. Üblich sind Regelungen, die Anlässe, Dauer und Vergütungshöhe definieren oder die Entgeltfortzahlung für bestimmte Fälle ausschließen. Die Wirksamkeit solcher Regelungen richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeits- und Zivilrechts, insbesondere zur Transparenz und Angemessenheit vorformulierter Vertragsbedingungen.
Besondere Konstellationen
Erkranktes Kind
Ist ein Kind krank und bedarf persönlicher Betreuung, kann eine bezahlte Freistellung für kurze Zeit in Betracht kommen, wenn keine anderweitige Betreuung möglich ist. Parallel existiert der Anspruch auf Kinderkrankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung; dieses wird jedoch nur gewährt, wenn keine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber erfolgt. Üblich ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Notwendigkeit der Betreuung.
Ausfall der regulären Betreuung (Kita, Schule, Tagespflege)
Fällt die gewohnte Betreuung plötzlich aus (z. B. kurzfristige Schließung, Streik, Notbetreuung), kann eine kurzfristige bezahlte Freistellung in Betracht kommen, sofern der Zeitraum gering ist und keine zumutbare Alternative besteht. Für längere Ausfälle greifen regelmäßig andere arbeits- oder sozialrechtliche Instrumente.
Begleitung zu notwendigen Terminen
Unaufschiebbare, medizinisch indizierte oder behördlich zwingende Termine des Kindes können eine kurzfristige Verhinderung mit Entgeltfortzahlung begründen. Planbare oder längerfristige Betreuungsphasen – etwa eine längere Eingewöhnung – fallen typischerweise nicht darunter.
Umfang der Entgeltfortzahlung
Dauer
Die Dauer ist auf eine verhältnismäßig kurze Zeit beschränkt. In der Praxis handelt es sich regelmäßig um wenige Tage. Tarifverträge oder betriebliche Regelungen können feste Kontingente pro Jahr oder pro Anlass vorsehen. Mehrere Einzelereignisse können angerechnet werden.
Höhe
Die Entgeltfortzahlung entspricht im Grundsatz der regulären Vergütung, die ohne die Verhinderung erzielt worden wäre. Dazu können auch variable Entgeltbestandteile zählen, soweit sie für den Zeitraum voraussichtlich angefallen wären. Doppelzahlungen sind ausgeschlossen; Leistungen der Krankenversicherung treten nur ein, wenn keine Entgeltfortzahlung erfolgt.
Nachweise, Anzeige und Datenschutz
Beschäftigte haben die Verhinderung unverzüglich mitzuteilen. Arbeitgeber können geeignete Nachweise verlangen, etwa eine ärztliche Bestätigung über die Betreuungsnotwendigkeit. Gesundheitsdaten des Kindes unterliegen dem Datenschutz; erforderlich ist regelmäßig nur die Information, dass und für welchen Zeitraum Betreuung nötig ist, nicht die detaillierte Diagnose.
Verhältnis zu anderen Ansprüchen und Leistungen
Kinderkrankengeld
Das Kinderkrankengeld ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn ein Kind erkrankt ist, Betreuung braucht und die oder der Versicherte deshalb nicht arbeitet. Es wird nur gezahlt, wenn kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Die Anzahl der tageweisen Leistungsansprüche ist gesetzlich begrenzt und hängt von der Familienkonstellation ab. Seit 2024 gilt als Orientierungsrahmen: je Elternteil pro Kind ein deutlich erweitertes Kontingent mit höheren Kontingenten für Alleinerziehende; zugleich bestehen Obergrenzen für Familien mit mehreren Kindern. Privatversicherte sowie Beamtinnen und Beamte unterliegen eigenen Regelungen.
Unbezahlte Freistellung
Besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, kommt unbezahlte Freistellung in Betracht, insbesondere bei längerem Betreuungsbedarf. Ob und in welchem Umfang diese gewährt wird, kann sich aus Vertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifrecht oder den allgemeinen Regeln ergeben.
Urlaub, Mehrarbeit und Zeitausgleich
Urlaub dient der Erholung und ist rechtlich eigenständig. Kurzfristige Betreuungsnotlagen sind davon grundsätzlich zu trennen. Arbeitszeitkonten und Zeitausgleich beruhen auf gesonderten betrieblichen oder vertraglichen Regelungen.
Homeoffice und flexible Arbeit
Das Arbeiten von zu Hause ist keine Entgeltfortzahlung. Ob sich Betreuung und Arbeit zeitgleich vereinbaren lassen, hängt von der arbeitsvertraglichen Ausgestaltung und der tatsächlichen Tätigkeit ab. Betriebliche Regelungen können hierzu Vorgaben enthalten.
Beteiligte und betriebliche Organisation
Arbeitgeberseite
Arbeitgeber können betriebliche Richtlinien zur Abwicklung kurzfristiger Betreuungsfälle festlegen, etwa zu Anlaufstellen, Nachweisen und Anrechnungslogik. Maßgeblich sind dabei die Grundsätze der Gleichbehandlung und die Beachtung von Datenschutz und Vertraulichkeit.
Betriebsrat
Bei allgemeinen betrieblichen Regelungen zur Arbeitsbefreiung, zur Nutzung von Arbeitszeitkonten oder zur Ausgestaltung des Nachweiswesens können Mitbestimmungsrechte bestehen. Individuelle Ansprüche der Beschäftigten bleiben hiervon unberührt.
Besonderheiten und Grenzfälle
Alleinerziehende und mehrere Kinder
Bei mehreren Kindern oder in Alleinerziehendenhaushalten entsteht häufiger Betreuungsbedarf. Das wirkt sich insbesondere bei Versicherungsleistungen auf die Kontingente aus. Die Entgeltfortzahlung bleibt demgegenüber auf kurzfristige, unvorhersehbare Einzelfälle beschränkt.
Auszubildende, Teilzeit, Minijob
Die Grundsätze zur kurzfristigen Verhinderung gelten unabhängig vom Beschäftigungsumfang. Unterschiede ergeben sich vor allem aus der vertraglichen Ausgestaltung sowie aus dem Versicherungsstatus bei Leistungen der Krankenversicherung.
Öffentlicher Dienst und Beamte
Für Beschäftigte im öffentlichen Dienst und für Beamtinnen und Beamte gelten eigene Regelwerke. Diese sehen häufig gesonderte Freistellungs- und Vergütungsregelungen vor.
Lang andauernde Ausfälle
Bei längerem Betreuungsbedarf besteht regelmäßig kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. In Betracht kommen andere arbeits- oder sozialrechtliche Instrumente, deren Voraussetzungen gesondert zu prüfen sind.
Praktische Einordnung
Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung ist ein eng umgrenztes Instrument zum Ausgleich kurzfristiger, unvorhersehbarer Betreuungslagen. Sie greift nur, wenn die Betreuung zwingend notwendig, keine Alternative zumutbar und die Dauer überschaubar ist. Für Krankheitsfälle des Kindes besteht ergänzend das System des Kinderkrankengeldes, das Entgeltfortzahlung und Versicherungsleistung strikt voneinander abgrenzt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Kinderbetreuung?
Ein Anspruch kommt in Betracht, wenn Beschäftigte unverschuldet und kurzfristig an der Arbeit gehindert sind, weil die persönliche Betreuung ihres Kindes zwingend notwendig ist und keine zumutbare Alternativbetreuung bereitsteht. Die Verhinderung muss vorübergehend sein.
Wie lange wird das Entgelt in solchen Fällen fortgezahlt?
Die Entgeltfortzahlung ist auf eine verhältnismäßig kurze Zeit beschränkt. In der Praxis handelt es sich regelmäßig um wenige Tage pro Anlass oder Jahr, wobei vertragliche, betriebliche oder tarifliche Regelungen konkrete Kontingente vorsehen können.
Benötigt der Arbeitgeber einen Nachweis über die Betreuungsnotwendigkeit?
Es können geeignete Nachweise verlangt werden, etwa eine ärztliche Bestätigung über die Notwendigkeit der Betreuung des Kindes. Erforderlich sind in der Regel nur Angaben zum Bedarf und Zeitraum, nicht detaillierte Diagnosen.
Gilt der Anspruch auch bei Schließung von Kita oder Schule?
Bei kurzfristigen, unvorhersehbaren Schließungen kann eine bezahlte Freistellung für kurze Zeit in Betracht kommen, sofern keine zumutbare Ersatzbetreuung möglich ist. Für länger andauernde Schließungen greifen regelmäßig andere Lösungen.
Wie verhält sich Entgeltfortzahlung zum Kinderkrankengeld?
Beides schließt sich gegenseitig aus. Zahlt der Arbeitgeber das Entgelt fort, besteht kein Anspruch auf Kinderkrankengeld. Besteht kein Entgeltfortzahlungsanspruch, kann Kinderkrankengeld in Betracht kommen, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und das gesetzliche Tageskontingent nicht ausgeschöpft ist.
Gilt die Entgeltfortzahlung auch für Minijobberinnen und Minijobber oder Teilzeitkräfte?
Die Grundsätze zur kurzfristigen Verhinderung gelten unabhängig vom Beschäftigungsumfang. Unterschiede ergeben sich vor allem bei Versicherungsleistungen, da diese vom jeweiligen Versicherungsstatus abhängen.
Können Arbeitgeber den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließen?
Arbeitsverträge, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge können die Entgeltfortzahlung näher regeln, begrenzen oder ausschließen. Die Wirksamkeit solcher Regelungen richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Gestaltung von Vertragsbedingungen.
Muss für Kinderbetreuung Urlaub genommen werden?
Urlaub ist seinem Zweck nach Erholungsurlaub und rechtlich eigenständig. Kurzfristige Betreuungsnotlagen sind hiervon grundsätzlich zu trennen. Ob Urlaub eingesetzt wird, ergibt sich aus den jeweils einschlägigen Regelungen und Vereinbarungen.