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Emissionshandel


Rechtliche Grundlagen des Emissionshandels

Definition und Zweck des Emissionshandels

Der Emissionshandel ist ein marktbasiertes Instrument der Umweltpolitik, das zum Ziel hat, die Emission von Treibhausgasen insbesondere in Industrie, Energieerzeugung und Luftfahrt zu regulieren und zu reduzieren. Durch die Zuteilung und den Handel von Emissionszertifikaten wird ein ökonomischer Anreiz geschaffen, Emissionen zu vermeiden oder technisch zu vermindern. Zentral ist der Gedanke, dass Unternehmen, die Emissionen unterhalb ihrer Zertifikatsmenge halten, überschüssige Rechte verkaufen können, während Unternehmen mit höherem Ausstoß zusätzliche Rechte erwerben müssen.

Rechtsrahmen des Emissionshandels in Deutschland und der Europäischen Union

Europäische Union

Die wichtigste Rechtsgrundlage stellt die Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (sog. EU-Emissionshandelsrichtlinie) dar. Diese definiert den Europäischen Emissionshandel (EU Emissions Trading System, EU ETS) und verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Umsetzung in nationales Recht. Das EU ETS ist das weltweit größte Emissionshandelssystem und bildet das Rückgrat der europäischen Klimaschutzpolitik.

Mit der am 14. Juli 2021 verabschiedeten „Fit for 55“-Initiative wurde das EU ETS weiterentwickelt. Hierzu gehören die Verschärfung der Emissionsreduktionsziele, ein ausgeweiteter Anwendungsbereich (z. B. Seeverkehr) und der Aufbau eines separaten Systems für Gebäude und Straßenverkehr.

Deutschland

In Deutschland wird der Emissionshandel primär durch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) geregelt. Dieses Gesetz setzt die Vorgaben der EU-Emissionshandelsrichtlinie in deutsches Recht um. Für den sogenannten nationalen Emissionshandel im Nicht-ETS-Bereich (insbesondere Verkehr und Wärme) wurde das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) geschaffen. Hierüber sind auch Unternehmen außerhalb des EU ETS zur Vorlage und Abgabe von Emissionszertifikaten verpflichtet.

Teilnahmeberechtigte und -pflichtige Akteure

Teilnahmeberechtigt sind grundsätzlich juristische Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes unternehmerisch tätig sind und eine emissionshandelspflichtige Anlage betreiben oder unterhalten. Teilnahme- und abgabepflichtig sind nach Maßgabe des Anlagentyps (z. B. Kraftwerke, Raffinerien, Industrieanlagen) sowie nach jährlicher Emissionsmenge abgestuft. Einbezogen werden ferner bestimmte Sektoren wie Energieerzeugung, Eisen- und Stahlindustrie, Zementherstellung, Chemieindustrie und ab 2024 Teile des Verkehrs und Gebäudesektors.

Zuteilung, Handel und Stilllegung von Emissionszertifikaten

Zuteilungsverfahren

Emissionszertifikate werden in der Regel entweder unentgeltlich zugeteilt oder versteigert. Die europäische Richtlinie sieht eine schrittweise Reduzierung der unentgeltlichen Zuteilung vor, um Wettbewerbsverzerrungen und sog. Carbon Leakage zu verhindern. Die jährliche Zuteilungsmenge wird zentral festgelegt und nimmt über die Zeit ab („Cap and Trade“).

Handel mit Zertifikaten

Emissionserlaubnisse sind als handelbare Rechte ausgestaltet (§ 7 TEHG), welche am Markt übertragen werden können. Der Handel findet überwiegend an organisierten Börsenplätzen wie der European Energy Exchange (EEX) sowie im außerbörslichen Handel (OTC) statt. Rechtlich betrachtet handelt es sich bei Emissionszertifikaten gemäß § 194 Abs. 1 Nr. 13 Insolvenzordnung (InsO) und nach herrschender Meinung im Zivilrecht um so genannte absolute Rechte mit vermögenswertem Charakter.

Stilllegung und Nachweispflichten

Anlagenbetreiber sind verpflichtet, dem Umweltbundesamt jährlich Emissionsberichte vorzulegen (§ 5 TEHG). Bis zum 30. April des Folgejahres müssen ausreichend Zertifikate zur Abdeckung der gemeldeten Emissionen abgegeben und stillgelegt werden. Bei Nichteinhaltung dieser Pflicht drohen erhebliche Sanktionen.

Überwachung, Kontrolle und Sanktionen

Überwachungsbehörden

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Emissionshandels obliegt in Deutschland dem Umweltbundesamt (UBA) sowie den zuständigen Landesbehörden. Diese Behörden kontrollieren die Einhaltung der Verpflichtungen, genehmigen Anlagen, prüfen Emissionsberichte und Zertifikatsabgaben.

Sanktionsmechanismus

Bei Nichterfüllung der Abgabepflichten sind empfindliche Sanktionen vorgesehen (§ 30 TEHG). Diese umfassen insbesondere die Zahlung erheblicher Geldbußen pro Tonne unverrichteter Emission sowie die unverzügliche Nachlieferung der fehlenden Zertifikate. Eine strafrechtliche Relevanz kann sich bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der gesetzlichen Verpflichtungen ergeben.

Besondere Regelungen und aktuelle Entwicklungen

Carbon Leakage und Kompensationsmechanismen

Besondere Vorschriften gelten zur Adressierung des so genannten Carbon Leakage, d. h. der drohenden Verlagerung emissionsintensiver Industrien in Drittstaaten mit weniger strengen Klimaschutzanforderungen. Unternehmen, die diesem Risiko besonders ausgesetzt sind, erhalten unter bestimmten Bedingungen weiterhin kostenlose Zertifikate oder Kompensationen.

Erweiterung und Weiterentwicklung

Mit der Einführung des nationalen Emissionshandelssystems (nEHS) durch das BEHG wurden auch Sektoren wie Verkehr und Gebäude einbezogen, die bisher nicht vom EU ETS erfasst wurden. Zudem laufen auf internationaler Ebene diverse Initiativen zur Verknüpfung und Harmonisierung von Emissionshandelssystemen.

Rechtsprechung und Rechtsstreitigkeiten

Die nationale und europäische Rechtsprechung hatte sich bereits vielfach mit Fragen der Zuteilung, Überwachung, Sanktionierung und Auslegung der maßgeblichen Normen auseinanderzusetzen. Beispielhaft sind Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu nennen, die etwa die Rechtmäßigkeit von nationalen Ausgestaltungsspielräumen oder die Vereinbarkeit der Sanktionsregelungen mit höherrangigem Recht thematisieren.

Literatur, Verordnung und Rechtsquellen

  • Richtlinie 2003/87/EG (EU-Emissionshandelsrichtlinie)
  • Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG)
  • Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)
  • Verordnung (EU) 2019/331 zur Festlegung von Übergangsregelungen für die harmonisierte kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten gemäß Artikel 10a der Richtlinie 2003/87/EG
  • Leitlinien und Merkblätter des Umweltbundesamtes

Fazit:
Der Emissionshandel ist ein hochentwickeltes, rechtlich komplexes und international eng verzahntes Steuerungsinstrument zur Umsetzung der Klimaschutzziele auf europäischer und nationaler Ebene. Sein Erfolg hängt entscheidend von der stringenten rechtlichen Ausgestaltung und der wirksamen Durchsetzung der ihm zugrundeliegenden Verpflichtungen ab. Rechtsprechung und Gesetzgebung entwickeln den Emissionshandel kontinuierlich weiter, um den Herausforderungen des globalen Klimawandels adäquat zu begegnen.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die rechtliche Zuteilung von Emissionszertifikaten an Anlagenbetreiber im Rahmen des EU-Emissionshandels?

Die rechtliche Zuteilung von Emissionszertifikaten an Anlagenbetreiber ist durch die Emissionshandelsrichtlinie (RL 2003/87/EG) sowie das nationale Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) geregelt. Die Zuteilung erfolgt auf Grundlage von Zuteilungsmethoden, die entweder kostenlos (sogenannte Gratiszuteilung nach Benchmarks) oder durch Auktionierung vorgenommen werden. Für die kostenlose Zuteilung muss der Betreiber Anträge stellen, die genaue Angaben über die Kapazität, Art der Tätigkeit und historische Emissionen der Anlage enthalten. Die zuständige nationale Behörde – in Deutschland die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) – prüft diese Angaben und setzt die Zuteilungsmenge per Bescheid fest. Es gelten zudem anspruchsvolle Berichtspflichten, die auch Überwachungs- und Sanktionsmechanismen umfassen. Die Zuteilungsregelungen werden regelmäßig angepasst, um sie an die jeweiligen Handelsperioden und die Entwicklung der europäischen Klimapolitik anzupassen.

Welche rechtlichen Verpflichtungen haben Betreiber im Rahmen des Emissionshandels?

Betreiber von unter den Emissionshandel fallenden Anlagen sind rechtlich verpflichtet, für jedes Kalenderjahr eine der Emissionsmenge entsprechende Anzahl an Zertifikaten abzugeben (§ 6 TEHG). Darüber hinaus gilt die Pflicht zur Emissionsüberwachung und Berichterstattung: Die Betreiber müssen ihre Emissionen in einem Emissionsbericht dokumentieren, der jährlich geprüft (verifiziert) und bei der zuständigen Behörde eingereicht werden muss. Die Einrichtung und Nutzung eines Überwachungssystems ist verpflichtend und muss genehmigt sein. Zusätzlich bestehen Meldepflichten, etwa bei wesentlichen Änderungen des Betriebs oder bei Betriebsaufgaben. Verstöße gegen diese Verpflichtungen können mit erheblichen Sanktionen belegt werden, etwa durch Zwangsgelder oder Bußgelder bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen.

Wie ist der Ablauf der rechtlichen Kontrolle und Überwachung der Emissionen geregelt?

Der Ablauf der Kontrolle erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst muss der Emissionsbericht des Anlagenbetreibers fristgerecht bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Dieser Bericht muss von einem unabhängigen und akkreditierten Prüfer (Verifizierer) überprüft werden. Die Behörde prüft daraufhin die formale und materielle Richtigkeit. Bei Unstimmigkeiten oder Zweifeln kann sie Nachforderungen stellen oder Nachprüfungen beauftragen. Die Behörde überwacht zudem, ob die ordnungsgemäße Abgabe von Emissionszertifikaten erfolgt. Wird dies versäumt, kann sie Sanktionen verhängen. Die Überwachung und Sanktionsmaßnahmen sind im nationalen Recht, insbesondere im TEHG, ausführlich geregelt.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Pflichten aus dem Emissionshandel?

Verstöße gegen Pflichten im Emissionshandel, insbesondere die verspätete oder unvollständige Abgabe von Emissionszertifikaten, gelten als Ordnungswidrigkeit (§ 32 TEHG) und können mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden. Bei einer nicht fristgerechten Abgabe von Zertifikaten droht zusätzlich eine Abgabepflicht in doppelter Höhe der Fehlmenge im Folgejahr sowie weitere Zwangsmaßnahmen. Besonders schwerwiegende Verstöße, etwa gefälschte Emissionsberichte, können auch strafrechtlich verfolgt werden. Darüber hinaus kann die Genehmigung zum Betreiben der Anlage ganz oder teilweise entzogen werden. Betreiber haben darüber hinaus mit Reputationsverlusten und dem Risiko zivilrechtlicher Schadensersatzforderungen zu rechnen.

Inwiefern bestehen rechtliche Verpflichtungen zur Teilnahme am Emissionshandel für neue Marktteilnehmer oder bei Änderung der Anlageneigenschaften?

Für neue Marktteilnehmer, sogenannte „Neueinsteiger“ oder „New Entrants“, besteht eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Behörde, sobald Schwellenwerte überschritten werden oder neue relevante Tätigkeiten aufgenommen werden. Die verpflichtende Teilnahme am Emissionshandel ist durch die Auflistung der Anlagekategorien und Schwellenwerte im Anhang 1 der Emissionshandelsrichtlinie sowie im TEHG konkretisiert. Bei Änderungen der Anlageneigenschaften (z.B. Kapazitätserweiterung, Änderung des Brennstoffmixes) besteht eine Anzeigepflicht, die Einfluss auf die Zuteilung der Emissionszertifikate haben kann. Diese Änderungen sind rechtlich zu melden und unterliegen einer erneuten behördlichen Prüfung.

Wie ist der rechtliche Rahmen für den Handel und die Übertragung von Emissionszertifikaten geregelt?

Der Handel mit Emissionszertifikaten erfolgt auf Basis der Emissionshandelsrichtlinie und wird auf europäischer Ebene über das Unionsregister abgewickelt. Jede Übertragung von Zertifikaten – sei es innerhalb eines Konzerns, zwischen Unternehmen oder über Börsenplattformen – ist im Register einzutragen und mit einer rechtlichen Übertragungsbestätigung zu versehen. Rechtlich verbindlich wird die Übertragung mit der Eintragung im Register. Es gelten die allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften, zudem bestehen besondere Anforderungen zur Bekämpfung von Betrug und Geldwäsche. Die nationale Aufsicht hat zusätzliche Überwachungspflichten und kann verdächtige Transaktionen prüfen oder blockieren.

Welche rechtlichen Regelungen bestehen zur öffentlichen Aufsicht, Rechtskontrolle und zum Rechtsschutz im Emissionshandel?

Die Überwachung und Rechtskontrolle liegen bei nationalen Behörden (in Deutschland: DEHSt) und unterliegen der Weisung und Kontrolle durch das Bundesumweltministerium. Entscheidungen der Behörde, etwa zur Zuteilung von Zertifikaten oder zur Festsetzung von Sanktionen, sind Verwaltungsakte und unterliegen dem Verwaltungsrecht. Betroffene Unternehmen haben Rechtschutzmöglichkeiten, können also gegen behördliche Entscheidungen Widerspruch oder Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Die Verfahren richten sich nach den Vorgaben der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und bieten damit umfassenden Rechtsschutz gegen rechtswidrige behördliche Maßnahmen. Die EU-Kommission ist für die Kontrolle der Einhaltung des europäischen Rechtsrahmens zuständig und kann Vertragsverletzungsverfahren einleiten.