Begriff und Definition von Elektrosmog
Der Begriff “Elektrosmog” bezeichnet umgangssprachlich die Gesamtheit von künstlich erzeugten elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern, die durch den Betrieb technischer Geräte und Anlagen entstehen. Im wissenschaftlichen und gesetzlichen Kontext wird statt “Elektrosmog” meist von elektromagnetischen Feldern (EMF) gesprochen. Elektrosmog umfasst hierbei Felder im gesamten Frequenzspektrum, von niederfrequenten Feldern aus Stromleitungen bis hin zu hochfrequenten Feldern aus Mobilfunk, WLAN oder Rundfunk. Die rechtliche Beurteilung und Regulierung von Elektrosmog stellt in Deutschland und auf europäischer Ebene ein vielschichtiges Thema dar und betrifft zahlreiche Rechtsbereiche.
Rechtsgrundlagen des Elektrosmog
Regelungsrahmen im Telekommunikationsrecht
Zentrale Vorschriften zum Schutz vor den Auswirkungen elektromagnetischer Felder finden sich im Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie in spezialgesetzlichen Regelungen. Betreiber von Funkanlagen und Telekommunikationsinfrastrukturen unterliegen strengen Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung von Grenzwerten für elektromagnetische Felder.
Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und Verordnungen
Das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) regelt den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Emissionen, wozu auch elektromagnetische Felder zählen. Die maßgebliche Verordnung ist die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV), welche verbindliche Grenzwerte für EMF-Emissionen festlegt. Diese Grenzwerte orientieren sich an Empfehlungen internationaler Gremien, insbesondere der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP).
Weitere einschlägige Gesetze und Normen
Auch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), europäische Richtlinien sowie verschiedene DIN- und EN-Normen enthalten Vorgaben zum Thema Elektrosmog. Arbeitsrechtliche Aspekte regelt unter anderem die Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV).
Haftung und Rechtsschutz bei Elektrosmog-Belastung
Nachbarschaftsrechtliche Ansprüche
Im Zivilrecht finden sich im Zusammenhang mit Elektrosmog auf Grundstücken insbesondere im Nachbarschaftsrecht relevante Haftungsregelungen (§§ 906, 1004 BGB). Werden durch Anlagen auf Nachbargrundstücken elektromagnetische Felder abgegeben, können betroffene Nachbarn unter Umständen Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche geltend machen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Einwirkung wesentlich ist und nicht durch gesetzlich festgelegte Grenzwerte gedeckt ist.
Öffentliche Verfahren und Beteiligungsrechte
Die Errichtung von Mobilfunkmasten, Hochspannungsleitungen oder ähnlichen Anlagen unterliegt öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren. Dabei wird geprüft, ob die Vorgaben der 26. BImSchV und sonstiger Schutzregelungen eingehalten werden. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung haben betroffene Anwohner und Gemeinden Einspruchsrechte.
Produkthaftung und Herstellerpflichten
Hersteller von Geräten, die elektromagnetische Felder emittieren, müssen die gesetzlichen Konformitätsanforderungen nach dem Produktsicherheitsgesetz sowie einschlägigen EU-Richtlinien erfüllen. Werden durch Geräte übermäßige Felder verursacht und dadurch Schäden hervorgerufen, kann eine Haftung nach den Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes in Betracht kommen.
Internationale und europarechtliche Aspekte
EU-Richtlinien und Empfehlungen
Die Europäische Union hat eine Reihe von Richtlinien und Empfehlungen zum Schutz vor elektromagnetischen Feldern erlassen, beispielsweise die Richtlinie 2013/35/EU zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder. Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Vorgaben in nationales Recht umzusetzen.
Internationale Organisationen
Verschiedene internationale Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das ICNIRP geben Empfehlungen zu Grenzwerten und Schutzmaßnahmen heraus, welche die nationale Rechtsetzung maßgeblich beeinflussen.
Rechtsschutz und Klagewege bei Elektrosmog
Verwaltungsverfahren und Klage
Im Falle der Erteilung von Genehmigungen für emittierende Anlagen besteht für Betroffene die Möglichkeit, im Wege der Anfechtungsklage oder Feststellungsklage die Rechtmäßigkeit genehmigter Maßnahmen überprüfen zu lassen. Umweltverbände können nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen klagebefugt sein.
Anspruch auf Gesundheits- und Umgebungsschutz
Betroffene können sich auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 GG berufen. Soweit jedoch alle gesetzlichen Grenzwerte eingehalten und die Voraussetzungen erfüllt wurden, ist ein Anspruch auf weitergehenden Schutz regelmäßig ausgeschlossen.
Grenzwerte und Prüfverfahren
Festlegung und Überwachung von Grenzwerten
Die Grenzwerte für elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder werden bundesweit von der 26. BImSchV geregelt. Fachbehörden wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) überwachen die Einhaltung der Vorgaben und sind für Überprüfungen zuständig. Messungen werden regelmäßig durchgeführt, insbesondere bei der Inbetriebnahme neuer Anlagen.
Anhörung und Mitwirkungsrechte
Im Bereich des Umweltschutzrechts und bei öffentlichen Bauvorhaben stehen betroffenen Bürgerinnen und Bürgern Anhörungs- und Mitwirkungsrechte zu. Diese Rechte gewährleisten eine transparente Prüf- und Genehmigungspraxis auch hinsichtlich der Thematik Elektrosmog.
Entwicklungen in der Rechtsprechung
Aktuelle Urteile und Tendenzen
Die Rechtsprechung befasst sich regelmäßig mit Fragen des Immissionsschutzes im Zusammenhang mit neuen Mobilfunktechnologien (u.a. 5G-Netze). Die Gerichte bestätigen die Bindungswirkung gesetzlicher Grenzwerte, erkennen jedoch bei Überschreitungen oder bei nicht ordnungsgemäßer Anwendung Ausgleichs- und Unterlassungsansprüche an.
Fazit
Elektrosmog ist ein umfassendes Rechtsproblem, das zahlreiche rechtliche Bereiche – vom Umwelt- und Immissionsschutz über das Nachbarschaftsrecht bis hin zu europäischen und internationalen Vorgaben – berührt. Die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte und die sorgfältige Umsetzung aller Schutz- und Überwachungsmaßnahmen stehen im Mittelpunkt der aktuellen Gesetzgebung und Rechtsprechung. Rechtliche Konflikte entstehen zumeist dort, wo die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten oder nachweislich Gesundheitsschäden verursacht werden. Die fortschreitende technische Entwicklung sowie das wachsende öffentliche Interesse an Gesundheits- und Umweltschutz sorgen weiterhin für eine dynamische Rechtslage im Bereich des Schutzes vor Elektrosmog.
Häufig gestellte Fragen
Besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Schutz vor Elektrosmog in Deutschland?
In Deutschland existiert ein rechtlicher Rahmen, der den Schutz der Bevölkerung vor den Wirkungen von elektromagnetischer Strahlung („Elektrosmog”) regelt. Zentrale Vorschrift ist die 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (26. BImSchV). Sie legt Grenzwerte für Hochfrequenzimmissionen durch Anlagen wie Mobilfunksendeanlagen und Rundfunksender fest. Ein unmittelbarer Anspruch auf vollständige „Freiheit” von Elektrosmog besteht daraus jedoch nicht. Vielmehr sind nur die per Verordnung festgesetzten Grenzwerte verbindlich. Werden diese eingehalten, sind die Betreiber von Anlagen regelmäßig von weiteren Schutzmaßnahmen oder Schadensersatzansprüchen frei. Einzelne Kommunen können mittels Bebauungsplänen im Rahmen der kommunalen Planungshoheit zusätzliche Regelungen treffen, etwa bezüglich der Platzierung von Sendeanlagen, jedoch nicht hinsichtlich härterer Grenzwerte. Das Individualrecht auf Schutz vor elektromagnetischen Feldern beruht also primär auf der Einhaltung staatlich festgelegter Grenzwerte, Abstandsregelungen und Genehmigungsvorbehalten gemäß Immissionsschutzrecht.
Welche Rechte haben Nachbarn gegen den Betrieb von Mobilfunkanlagen?
Nachbarn und Anwohner haben grundsätzlich das Recht, gegen den Betrieb von Mobilfunkanlagen vorzugehen, wenn sie der Ansicht sind, durch übermäßigen Elektrosmog beeinträchtigt zu sein. Maßgeblich ist jedoch, ob die einschlägigen Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Liegen die Werte unterhalb der gesetzlichen Schwellen, haben sie in der Regel keinen Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz. Ein Abwehranspruch kann sich dennoch in seltenen Fällen aus dem zivilrechtlichen Nachbarrecht (§ 1004 BGB) oder dem öffentlichen Recht ergeben, etwa wenn die Errichtung nicht genehmigt wurde oder Auflagen missachtet werden. Einzelne Urteile gestehen Nachbarn dann Rechtsschutz nur zu, sofern ein atypischer Sonderfall vorliegt, z.B. bei erheblichem Übermaß gegenüber dem Regelfall oder wenn eine Gesundheitsgefährdung nachweislich nicht auszuschließen ist.
Gibt es für Schulen und Kindergärten weitergehende Schutzstandards?
Nach derzeit geltendem Recht gelten die Grenzwerte der 26. BImSchV für sämtliche Orte, einschließlich besonders schutzwürdiger Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser oder Altenheime. Es bestehen keine allgemein verbindlichen strengeren Grenzwerte für solche Einrichtungen. Allerdings können Behörden im Rahmen der Baugenehmigung oder bei der Genehmigung von Funkanlagen Einzelfallprüfungen hinsichtlich der Zumutbarkeit und des Kindeswohls durchführen und besondere Abstände vorschreiben. In der Praxis spielen politische Erwägungen auf kommunaler Ebene eine Rolle, die über das rein gesetzlich Erforderliche hinausgehen können. Diese haben aber keine bindende bundesrechtliche Grundlage, sondern sind Ermessens- oder Vorsorgemaßnahmen einzelner Gemeinden.
Welche rechtlichen Pflichten treffen Betreiber von elektrischen oder funkbasierten Anlagen?
Betreiber elektromagnetische Felder erzeugender Anlagen, wie etwa Mobilfunkmasten, Hochspannungsleitungen, Radar-, Funk- oder Sendeanlagen, unterliegen verschiedenen rechtlichen Pflichten. Sie müssen vor Inbetriebnahme eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz oder nach den jeweiligen Landesimmissionsschutzgesetzen einholen, sofern die Anlage genehmigungsbedürftig ist. Die Betreiber haben technische Nachweise zu führen, dass die Grenzwerte nach der 26. BImSchV oder den einschlägigen DIN-Vorschriften eingehalten werden. Bei Überschreitung drohen behördliche Stilllegungsverfügungen, Zwangsgelder oder auch strafrechtliche Konsequenzen. Eine regelmäßige Überprüfung der Grenzwerte sowie die Dokumentations- und Auskunftspflicht gegenüber Behörden und Betroffenen gehören ebenfalls zu den rechtlichen Pflichten. Zudem sind sie verpflichtet, bei wesentlichen technischen Änderungen Meldung zu erstatten und ggf. neue Umweltprüfungen durchzuführen.
Können Kommunen oder Eigentümer die Errichtung von Mobilfunkanlagen auf ihrem Grundstück untersagen?
Eigentümer privater Grundstücke haben grundsätzlich das Recht, über die Bebauung und Nutzung ihres Eigentums zu bestimmen, also der Errichtung einer Mobilfunkanlage zuzustimmen oder sie zu untersagen. Kommunen verfügen im Rahmen ihrer Planungshoheit und des Bauplanungsrechts über Steuerungsmöglichkeiten, etwa durch Festlegung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. Eine vollständige Untersagung der Errichtung von Mobilfunkanlagen innerhalb des Gemeindegebiets ist jedoch rechtlich nicht zulässig, da dem öffentliche Interessen – insbesondere die allgemeine Versorgungssicherheit und das Fernmeldegeheimnis – entgegenstehen. Kommunale Steuerung kann eher in der Auswahl geeigneter Standorte und der Festlegung von Mindestabständen bestehen. Bei öffentlich genutzten Flächen kann die Gemeinde die Entscheidung als Grundstückseigentümerin treffen, jedoch keine übergeordneten Regelungsbefugnisse außerhalb des Bauplanungsrechts ausüben.
Können Miet- oder Wohnungseigentümer gegen elektromagnetische Felder auf dem Haus vorgehen?
Mieter und Wohnungseigentümer besitzen juristische Handhabe ausschließlich dann, wenn die elektromagnetische Belastung durch eine neu installierte Anlage auf oder in unmittelbarer Nähe ihres Hauses die gesetzlichen Grenzwerte überschreitet oder als sogenannte wesentliche Beeinträchtigung der vertragsgemäßen Nutzung gewertet wird. In der Praxis ist dies nur bei Überschreiten der Grenzwerte nachweisbar. Mieter könnten in seltenen Ausnahmefällen eine Mietminderung oder ein Sonderkündigungsrecht geltend machen, wenn der Wohnwert erheblich beeinträchtigt und eine Gesundheitsgefahr nachweisbar wäre. Wohnungseigentümergemeinschaften müssen einer baulichen Veränderung, wie etwa der Installation einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus, zustimmen (§ 22 WEG), wobei ein Mehrheitsbeschluss erforderlich ist. Im Rahmen des Baurechts können Betroffene ggf. Anhörungen verlangen, wenn sie als Nachbarn betroffen wären.
Gibt es rechtliche Haftungsansprüche bei gesundheitlichen Schäden durch Elektrosmog?
Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen gesundheitlicher Schäden durch Elektrosmog sind rechtlich möglich, erfordern aber den Nachweis, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich auf die Einwirkung elektromagnetischer Felder zurückzuführen und zugleich die maßgeblichen Grenzwerte überschritten wurden. In der aktuellen Rechtsprechung und Literatur bestehen hohe Hürden für den Kausalitätsnachweis, da wissenschaftlich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den üblichen Immissionen (unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte) und gesundheitlichen Folgen nicht als erwiesen gilt. Nur bei Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte und eindeutig nachgewiesenen Zusammenhang besteht die Möglichkeit, Betreiber auf Schadensersatz nach § 823 BGB oder § 8 BImSchG in Anspruch zu nehmen. In der Praxis enden entsprechende Klagen meist erfolglos an mangelndem Nachweis der Schädlichkeit.