Begriff und Bedeutung der Elektronischen Form
Die elektronische Form ist ein Begriff des deutschen Rechts, der insbesondere im Bereich des Zivilrechts, aber auch im öffentlichen Recht, eine entscheidende Rolle bei der Digitalisierung und rechtsverbindlichen Kommunikation einnimmt. Die elektronische Form erlaubt es, Willenserklärungen, Erklärungen, Verträge und andere rechtserhebliche Dokumente digital zu verfassen und zu übermitteln. Sie wird als rechtlich anerkannte Alternative zur eigenhändigen (schriftlichen) Unterschrift eingesetzt und unterliegt dabei bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen.
Rechtsgrundlagen der elektronischen Form
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Im deutschen Zivilrecht ist die elektronische Form hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Nach § 126a BGB kann die elektronische Form die schriftliche Form ersetzen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Parteien etwas anderes vereinbart haben.
§ 126a Abs. 1 BGB:
„Bei der elektronischen Form muss das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 versehen sein.“
Eine qualifizierte elektronische Signatur stellt demnach die zentrale Voraussetzung dar, damit die Anforderungen der elektronischen Form erfüllt werden.
Weitere einschlägige Vorschriften
Neben dem BGB enthalten zahlreiche weitere Gesetze Bestimmungen zur elektronischen Form, darunter:
- Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), § 3a VwVfG
- Handelsgesetzbuch (HGB), z. B. §§ 12, 126 HGB
- Zivilprozessordnung (ZPO), z. B. § 130a ZPO
Die Regelungen zur elektronischen Form orientieren sich eng an den technischen Entwicklungen sowie an europäischen Vorgaben, insbesondere der eIDAS-Verordnung.
Europarecht: eIDAS-Verordnung
Die eIDAS-Verordnung (EU) Nr. 910/2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen bildet den europäischen Rechtsrahmen. Sie regelt unter anderem die Anforderungen und Rechtswirkungen elektronischer Signaturen und bestimmt Arten elektronischer Signaturen (einfache, fortgeschrittene und qualifizierte elektronische Signatur).
Anforderungen an die elektronische Form
Die qualifizierte elektronische Signatur
Das zentrale Element der elektronischen Form ist die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur. Diese ist nach eIDAS-Verordnung nur dann gültig, wenn sie mittels einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erzeugt wird und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht, das von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter ausgestellt wurde.
Eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllt folgende Anforderungen:
- Sie ist ausschließlich dem Unterzeichner zugeordnet
- Sie ermöglicht die Identifizierung des Unterzeichners
- Sie wird mit Mitteln erstellt, die der Unterzeichner unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann
- Sie ermöglicht die Erkennung jeder nachträglichen Veränderung der Daten
Besondere Formen und Ausnahmen
Nicht alle Schriftformerfordernisse können durch die elektronische Form ersetzt werden. So verlangt beispielsweise § 623 BGB für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen ausdrücklich die Schriftform. Gleiches gilt für bestimmte Testamentserklärungen und Bürgschaften, sofern nicht ausdrücklich eine Anpassung erfolgte. In diesen Fällen schließt das Gesetz die elektronische Form explizit aus.
Anwendungsbereiche der elektronischen Form
Vertragsabschlüsse
Die elektronische Form findet heute Anwendung bei zahlreichen Vertragsabschlüssen, zum Beispiel bei Kreditverträgen, Versicherungsverträgen sowie im B2B-Bereich. Auch innerhalb von Behörden im Rahmen der E-Government-Gesetzgebung kommt die elektronische Form zum Einsatz.
Einreichung bei Gerichten und Behörden
Dokumente können zunehmend in elektronischer Form an Gerichte und Behörden übermittelt werden, sofern diese hierfür technisch ausgestattet sind und entsprechende Annahmestellen bereitstellen. In der Zivilprozessordnung (§ 130a ZPO) und im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 3a VwVfG) werden die Voraussetzungen hierfür geregelt.
Digitale Kommunikation und elektronische Akte
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Justiz (beispielsweise der Einführung der elektronischen Akte oder des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA)) hat die elektronische Form weiter an Bedeutung gewonnen.
Vorteile und Risiken der elektronischen Form
Vorteile
- Erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse durch Wegfall des Postversandes
- Verbesserte Nachvollziehbarkeit und Integrität („Beweiswert“)
- Förderung von digitalen Prozessen, insbesondere im unternehmerischen und behördlichen Umfeld
Risiken
- Technische und organisatorische Anforderungen an die Signaturerstellung und -prüfung
- Abhängigkeit von Zertifizierungs- und Vertrauensdiensteanbietern
- Restrisiko von Manipulationen und Cyberangriffen
- Teilweise fehlende Akzeptanz oder inadäquate technische Ausstattung bei Empfängern
Beweiswirkung der elektronischen Form
Die Beweiswirkung einer qualifizierten elektronischen Signatur entspricht grundsätzlich derjenigen einer eigenhändigen Unterschrift. Nach Art. 25 Abs. 2 eIDAS-Verordnung wird der qualifizierten elektronischen Signatur die gleiche Rechtswirkung wie der handschriftlichen Unterschrift zuerkannt. Im Streitfall kann mittels der Protokollierung und der Signaturprüfung nachgewiesen werden, dass das Dokument vom Unterzeichner stammt und unverändert geblieben ist.
Grenzen und Ausschlüsse der elektronischen Form
Bestimmte Erklärungen und Verträge sind vom Anwendungsbereich der elektronischen Form ausgeschlossen. Dazu zählen unter anderem:
- Kündigungen und Aufhebungen von Arbeitsverhältnissen (§ 623 BGB)
- bestimmte familienrechtliche und erbrechtliche Erklärungen (z. B. §§ 125, 2247 BGB)
- öffentliche Beglaubigungen und notarielle Beurkundungen
In diesen Fällen ist die elektronische Form grundsätzlich ausgeschlossen oder nur unter zusätzlichen Voraussetzung zulässig.
Internationale Anerkennung und grenzüberschreitende Nutzung
Die eIDAS-Verordnung gewährleistet die gegenseitige Anerkennung qualifizierter elektronischer Signaturen in der Europäischen Union. Elektronische Dokumente mit qualifizierter Signatur sind im gesamten EU-Raum grundsätzlich als beweiskräftig und formwahrend anerkannt. Im internationalen Rechtsverkehr außerhalb der EU gelten teilweise abweichende Regelungen, insbesondere dort, wo die eIDAS-Verordnung keine Wirkung entfaltet.
Fazit
Die elektronische Form ist ein zentrales Element der modernen Rechtskommunikation und -transaktion. Sie erleichtert den rechtskonformen digitalen Austausch und ist unter bestimmten Voraussetzungen der Schriftsignatur in Form und Rechtswirkung gleichgestellt. Gleichwohl unterliegt sie spezifischen gesetzlichen Anforderungen und Ausschlüssen, die stets sorgfältig zu beachten sind. Die fortschreitende Digitalisierung der Verwaltung, Justiz und Wirtschaft wird die Bedeutung der elektronischen Form weiter steigern.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die elektronische Form rechtsgültig ist?
Damit die elektronische Form im rechtlichen Sinne wirksam ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst verlangt § 126a BGB, dass bei einer gesetzlichen Schriftform die elektronische Form durch die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO ersetzt werden kann, sofern nicht durch Gesetz ein anderes bestimmtes ist. Diese qualifizierte elektronische Signatur muss auf einem sicheren Signaturerstellungssystem basieren und von einem anerkannten Vertrauensdiensteanbieter ausgestellt sein. Des Weiteren muss das elektronische Dokument die identifizierende Signatur tragen und der Wille zur Abgabe einer bestimmten Erklärung durch das signierende Subjekt klar hervorgehen. In einigen Bereichen, wie etwa im Mietrecht (§ 568 Abs. 2 BGB) oder bei Kündigungen von Arbeitsverträgen (§ 623 BGB), ist die elektronische Form explizit ausgeschlossen, sodass trotz Erfüllung aller technischen Voraussetzungen die Wirksamkeit rechtlich nicht gegeben ist. Außerdem müssen die technischen Systeme im Einklang mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verwendet werden, insbesondere hinsichtlich der sicheren Übermittlung und Speicherung der elektronisch signierten Dokumente.
Wie unterscheidet sich die elektronische Form von der Textform und der Schriftform rechtlich?
Die elektronische Form, die Textform und die Schriftform sind unterschiedliche Anforderungen an die Ausgestaltung von Erklärungen im Rechtsverkehr. Während die Schriftform gemäß § 126 BGB voraussetzt, dass das Dokument eigenhändig mit Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet wird, erlaubt die elektronische Form gemäß § 126a BGB, die Unterschrift durch eine qualifizierte elektronische Signatur zu ersetzen. Die Textform hingegen, die beispielsweise in § 126b BGB geregelt ist, erfordert lediglich, dass eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird (z. B. E-Mail, Fax, Papier) und die Person des Erklärenden genannt ist; eine Unterschrift – sei sie handschriftlich oder elektronisch – ist hier nicht nötig. Rechtlich bedeutsam ist vor allem, dass nur die qualifizierte elektronische Signatur die Schriftform ersetzen kann, während die Textform geringere Anforderungen stellt und nicht für alle rechtsgeschäftlichen Vorgänge ausreichend ist.
Welche Rechtsfolgen hat die Nichtbeachtung der vorgeschriebenen elektronischen Form?
Wird die gesetzlich vorgeschriebene elektronische Form für ein bestimmtes Rechtsgeschäft nicht eingehalten, ist das Geschäft in der Regel nichtig (§ 125 BGB). Das bedeutet, dass die abgegebene Erklärung rechtlich unwirksam ist und keinerlei Bindungswirkung entfaltet. Dies gilt insbesondere für Rechtsgeschäfte, bei denen die Einhaltung der Form eine Wirksamkeitsvoraussetzung ist und vom Gesetzgeber ausdrücklich gefordert wurde. Bei Formverstößen können sich weder Verbindlichkeiten noch Rechte aus dem Geschäft ableiten, und eine Heilung des Formmangels ist – außer in gesetzlich zulässigen Ausnahmefällen (etwa nachträgliche Genehmigung oder Erfüllung) – grundsätzlich ausgeschlossen.
In welchen Bereichen ist die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen oder eingeschränkt zulässig?
Im deutschen Recht sieht das Gesetz für bestimmte Rechtsgeschäfte ausdrücklich vor, dass die elektronische Form nicht genügt und daher vollständig ausgeschlossen ist. Zu den bekanntesten Beispielen zählt die Kündigung von Miet- oder Arbeitsverhältnissen, die gemäß § 568 Abs. 2 BGB und § 623 BGB zwingend schriftlich und eigenhändig unterschrieben erklärt werden müssen; eine qualifizierte elektronische Signatur reicht hier nicht aus. Auch bei Testamenten, Bürgschaftserklärungen im Verbraucherbereich (§ 766 BGB) und einigen Familienrechtsgeschäften ist die elektronische Form ausgeschlossen. In anderen Bereichen, etwa im Handels- und Gesellschaftsrecht oder im Verwaltungsverfahren, ist die elektronische Form hingegen zulässig, allerdings oft nur unter Einhaltung spezifischer Verfahrensvorschriften.
Welche technischen und organisatorischen Anforderungen gelten für die Nutzung der elektronischen Form im Rechtsverkehr?
Neben der Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist sicherzustellen, dass sowohl der Signaturprozess als auch die Speicherung und Übermittlung der elektronisch erzeugten Dokumente den aktuellen gesetzlichen Anforderungen genügen. Zu den organisatorischen Anforderungen gehören die Auswahl eines vertrauenswürdigen und von einer Regulierungsbehörde zugelassenen Vertrauensdiensteanbieters gemäß eIDAS-VO sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Authentizität, Integrität und Vertraulichkeit der Daten. Technische Maßnahmen umfassen den Einsatz zertifizierter Software, sichere Speichermedien und Verschlüsselungstechnologien, um unbefugten Zugriff oder Veränderung auszuschließen. Ebenso sind Aufbewahrungspflichten und Zugriffsbeschränkungen zu berücksichtigen, damit eine nachträgliche Überprüfbarkeit der elektronischen Form jederzeit gewährleistet ist.
Welche rechtlichen Beweiswirkungen hat die elektronische Form vor Gericht?
Die elektronische Form, sofern sie durch eine qualifizierte elektronische Signatur unterstützt wird, genießt nach § 371a ZPO grundsätzlich die gleiche Beweiskraft wie die handschriftliche Papierform. Eine ordnungsgemäß signierte elektronische Erklärung gilt als tatsächlich vom genannten Erklärenden abgegeben, sofern nicht das Gegenteil bewiesen wird. Die gerichtliche Beweiswürdigung kann sich dabei unter anderem auf das Zertifikat, die Echtheit der Signatur sowie auf den Verfahrensablauf bei der Signaturerstellung stützen. Im Falle von Streitigkeiten über die Urheberschaft oder Änderung von Dokumenten tragen die Parteien die Beweislast, wobei technische Prüfverfahren und Gutachten über die Verlässlichkeit der elektronischen Signatur herangezogen werden können.
Wie lange müssen Dokumente in elektronischer Form rechtlich aufbewahrt werden?
Für digital unterzeichnete Dokumente gelten grundsätzlich die gleichen Aufbewahrungsfristen wie für papierbasierte Originale. Nach Handelsgesetzbuch (HGB) und Abgabenordnung (AO) sind geschäftliche Unterlagen in der Regel sechs bis zehn Jahre aufzubewahren. Die elektronische Form erfordert zudem, dass die Lesbarkeit, Integrität und Authentizität des Dokuments über den gesamten Zeitraum hinweg sichergestellt ist. Dies geht über die bloße Speicherung der Datei hinaus, weil auch die Signaturmechanismen, Zertifikate und ggf. notwendige technische Umgebungen zur Verifikation längerfristig verfügbar bleiben müssen. Bei steuerlichen oder handelsrechtlichen Prüfungen muss das elektronische Dokument jederzeit lesbar und verifizierbar sein.