Begriff und Grundlagen der Elektromagnetischen Verträglichkeit
Die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) beschreibt die Fähigkeit eines technischen Geräts, in einer elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne dabei selbst elektromagnetische Störungen zu verursachen oder durch solche Störungen beeinträchtigt zu werden. Sie bildet einen zentralen Aspekt der technischen Sicherheit und Produkthaftung und betrifft insbesondere den Betrieb elektrischer und elektronischer Geräte. Die Einhaltung der EMV-Anforderungen ist in Deutschland und der Europäischen Union (EU) rechtlich verbindlich geregelt.
Rechtlicher Rahmen der Elektromagnetischen Verträglichkeit
Europaweite Regelungen
EMV-Richtlinie 2014/30/EU
Die maßgebliche rechtliche Grundlage für die Elektromagnetische Verträglichkeit innerhalb der Europäischen Union stellt die Richtlinie 2014/30/EU (bekannt als EMV-Richtlinie) dar. Sie dient der Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit. Ziel der EMV-Richtlinie ist es, den freien Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt sicherzustellen, während ein hohes Maß an Sicherheits- und Schutzanforderungen gewährleistet wird.
Die EMV-Richtlinie legt wesentliche Anforderungen an das Inverkehrbringen sowie an den Betrieb elektrischer und elektronischer Geräte und Systeme fest. Herstellende und Inverkehrbringende sind verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Produkte die geltenden Störfestigkeits- und Störaussendungsgrenzwerte einhalten.
CE-Kennzeichnung
Der Nachweis der Einhaltung der EMV-Richtlinie erfolgt u. a. über die Anbringung der CE-Kennzeichnung am Produkt. Diese Kennzeichnung signalisiert, dass das Gerät gemäß den geltenden europäischen Richtlinien einschließlich der EMV-Richtlinie geprüft und für konform befunden wurde.
Umsetzung im deutschen Recht
Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG)
In Deutschland erfolgt die Umsetzung der EMV-Richtlinie im „Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln“ (EMVG). Das EMVG regelt die grundlegenden Anforderungen an Geräte und Anlagen hinsichtlich ihrer elektromagnetischen Verträglichkeit. Es definiert die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen, die Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme elektrischer Geräte und Anlagen.
Das EMVG enthält neben den technischen Schutzzielen auch prozedurale Vorschriften zur Marktüberwachung, bezeichnet zuständige Behörden und regelt die Pflichten der verschiedenen Wirtschaftsakteure (Herstellende, Einführende, Vertreibende).
Weitere relevante Vorschriften
Technische Normen
Die Einhaltung der elektromagnetischen Verträglichkeit wird durch harmonisierte europäische Normen, insbesondere durch die Normenreihen EN 61000 und EN 55000 sichergestellt. Die Anwendung dieser Normen hat zwar freiwilligen Charakter, ihre Einhaltung löst jedoch die sogenannte Vermutungswirkung aus: Produkte, die diese Normen erfüllen, gelten als EMV-konform.
Produktsicherheitsgesetz (ProdSG)
Das ProdSG ergänzt die Vorschriften zur elektromagnetischen Verträglichkeit, indem es allgemeine Anforderungen an die Sicherheit technischer Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte stellt. Auch hier wird auf die Vermeidung elektromagnetischer Störungen Bezug genommen.
Pflichten der Marktteilnehmenden
Herstellende
Herstellende sind verpflichtet, im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahrens nachzuweisen, dass ihre Produkte die EMV-Anforderungen erfüllen. Dazu sind sie verpflichtet, technische Unterlagen vorzuhalten, Prüfungen durchzuführen und gegebenenfalls ein EMV-Laboratorium zu beauftragen. Die Konformitätserklärung muss mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden.
Einführende und Vertreibende
Einführende und Vertreibende müssen sicherstellen, dass sie nur Geräte und Anlagen bereitstellen, die die Vorgaben des EMVG erfüllen. Sie übernehmen bestimmte Sorgfaltspflichten, darunter die Überprüfung der CE-Kennzeichnung und die Sicherstellung, dass der Herstellende die relevanten technischen Dokumentationen erstellt hat.
Betreiberinnen und Betreiber
Betreiberinnen und Betreiber haben dafür Sorge zu tragen, dass von ihren Anlagen oder Geräten keine unzulässigen elektromagnetischen Störungen ausgehen. Insbesondere ortsfeste Anlagen unterliegen besonderen Pflichten bezüglich der Dokumentation und Überwachung der Einhaltung der EMV-Anforderungen.
Marktüberwachung und Sanktionen
Zuständige Behörden
In Deutschland sind die Marktüberwachungsbehörden für die Kontrolle der Einhaltung der EMV-Anforderungen zuständig. Diese Behörden können Produkte aus dem Verkehr ziehen, Rücknahmen anordnen oder Bußgelder verhängen, sofern festgestellte Verstöße vorliegen.
Sanktionen und Maßnahmen
Bei Verstößen gegen die EMVG-Vorgaben sind sowohl verwaltungsrechtliche Maßnahmen (z. B. Untersagung des Inverkehrbringens) als auch ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen (Bußgelder) möglich. In gravierenden Fällen kann auch eine strafrechtliche Verfolgung wegen Gefährdung der Betriebssicherheit in Betracht kommen.
Haftung und Produkthaftung
Herstellende können im Fall von Schäden, die infolge mangelhafter elektromagnetischer Verträglichkeit entstehen, nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) in Anspruch genommen werden. Ein Verstoß gegen die EMV-Anforderungen kann dabei einen Sachmangel im Sinne des Produkthaftungsrechts darstellen und zu Schadensersatzansprüchen führen.
Internationale Regelungen und Harmonisierung
Auch außerhalb der EU bestehen umfangreiche Regelwerke zur elektromagnetischen Verträglichkeit. Besonders hervorzuheben sind die Vorgaben der International Electrotechnical Commission (IEC) und der International Telecommunication Union (ITU). Ziel der internationalen Harmonisierung ist es, grenzüberschreitende Handelshindernisse abzubauen und einheitliche Sicherheitsstandards zu schaffen.
Sonderfälle und Ausnahmen
Medizinprodukte
Medizinprodukte unterliegen speziellen EMV-Vorgaben, die zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen im Rahmen der Medizinprodukteverordnung (MDR) geregelt sind. Diese Vorgaben betreffen vor allem die Patientensicherheit und die Zuverlässigkeit lebenswichtiger Systeme.
Militärische und staatliche Anwendungen
Bestimmte militärische und staatliche Anwendungen sind von den allgemeinen EMV-Vorgaben ausgenommen, sofern deren Einsatz im öffentlichen Interesse der Sicherheit dient.
Fazit
Die elektromagnetische Verträglichkeit ist ein zentrales Rechtskonzept für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit elektrischer und elektronischer Geräte. Die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften ist sowohl im öffentlichen Interesse als auch zur Vermeidung haftungsrechtlicher Risiken von erheblicher Bedeutung. Die Rechtsgrundlagen bieten einen umfassenden Rahmen von der Herstellung bis zum Betrieb und gewährleisten durch strenge Marktüberwachung einen hohen Schutzstandard im Binnenmarkt. Marktteilnehmende sind angehalten, die gesetzlichen Bestimmungen und technischen Normen sorgfältig zu beachten, um rechtliche Konsequenzen und wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Häufig gestellte Fragen
Wann gilt ein Gerät im rechtlichen Sinne als „elektromagnetisch verträglich“?
Ein Gerät gilt im rechtlichen Sinne als elektromagnetisch verträglich, wenn es die grundlegenden Anforderungen der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) erfüllt, wie sie in der europäischen EMV-Richtlinie 2014/30/EU sowie im deutschen Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln (EMVG) festgesetzt sind. Das bedeutet, dass das Gerät so konstruiert sein muss, dass es keine elektromagnetischen Störungen verursacht, die den Betrieb anderer Geräte beeinträchtigen könnten, und dass es selbst gegen solche Störungen ausreichend unempfindlich ist. Hersteller müssen sicherstellen, dass ihr Produkt die festgelegten Grenzwerte für Störaussendungen und Störfestigkeit einhält. Die Einhaltung dieser Anforderungen ist rechtlich verbindlich und Voraussetzung für das rechtmäßige Inverkehrbringen und die CE-Kennzeichnung des Produkts auf dem europäischen Markt. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, drohen rechtliche Konsequenzen wie Verkaufsverbote, Rückrufe und Bußgelder.
Welche rechtlichen Pflichten haben Hersteller hinsichtlich der EMV bei Inverkehrbringen von Geräten?
Hersteller unterliegen im Zusammenhang mit elektromagnetischer Verträglichkeit einer Vielzahl rechtlicher Verpflichtungen. Vor dem Inverkehrbringen eines Geräts müssen sie eine Konformitätsbewertung gemäß der EMV-Richtlinie und den einschlägigen nationalen Gesetzen (z. B. EMVG in Deutschland) durchführen. Dazu gehörtinsbesondere die Ausführung von EMV-Prüfungen, entweder durch den Hersteller selbst (interne Fertigungskontrolle) oder durch beauftragte Notifizierte Stellen (bei bestimmten Produkten oder im Zweifelsfall). Auf Basis dieser Prüfungen erstellt der Hersteller eine technische Dokumentation, die alle relevanten Informationen zur Einhaltung der EMV-Anforderungen enthält. Zudem ist eine EU-Konformitätserklärung auszustellen und das CE-Zeichen sichtbar auf dem Gerät anzubringen. Darüber hinaus müssen Hersteller Vorkehrungen zur Überwachung ihrer Produkte im Markt treffen, etwa durch ein System zur Rückverfolgung und durch Zusammenarbeit mit den Behörden im Fall von Beanstandungen.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen EMV-rechtliche Vorschriften?
Verstöße gegen die Vorschriften zur elektromagnetischen Verträglichkeit ziehen eine Vielzahl rechtlicher Konsequenzen nach sich. Zum einen kann die Marktüberwachungsbehörde den weiteren Vertrieb des Produkts untersagen, bereits ausgelieferte Produkte müssen gegebenenfalls aus dem Verkehr gezogen oder rückgerufen werden. Zudem können Bußgelder verhängt werden, deren Höhe sich je nach Schwere und Umfang des Verstoßes richtet. Schwerwiegende und wiederholte Verstöße können zusätzlich zivil- oder gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise wenn durch mangelnde EMV-Sicherheit Personen gefährdet wurden. Außerdem riskiert der Hersteller zivilrechtliche Schadensersatzforderungen, sofern Dritte durch unzureichend verträgliche Geräte geschädigt werden.
Welche Rolle spielt die CE-Kennzeichnung im EMV-Recht?
Die CE-Kennzeichnung ist ein zentrales Element im rechtlichen Kontext der elektromagnetischen Verträglichkeit. Sie signalisiert, dass das betreffende Produkt alle einschlägigen europäischen Vorgaben, darunter die EMV-Richtlinie, erfüllt. Mit dem Anbringen der CE-Kennzeichnung übernimmt der Hersteller die volle rechtliche Verantwortung für die Konformität des Geräts mit den grundlegenden EMV-Anforderungen. Falsche oder nicht gerechtfertigte CE-Kennzeichnungen werden als Ordnungswidrigkeit geahndet und können zur Entfernung des Produkts aus dem Markt führen. Die Kennzeichnung allein reicht jedoch nicht aus; sie muss immer durch eine ordnungsgemäße Konformitätsbewertung und vollständig vorliegende technische Unterlagen untermauert werden.
Inwieweit sind Händler und Importeure rechtlich für die EMV-Konformität verantwortlich?
Händler und Importeure nehmen im EMV-Recht eine eigene, klar definierte rechtliche Stellung ein. Händler müssen sicherstellen, dass nur Geräte mit gültiger CE-Kennzeichnung und mit den erforderlichen Begleitdokumenten (z. B. Anleitung, Sicherheitshinweise) veräußert werden. Sie sind verpflichtet, Produkte bei Hinweisen auf fehlende oder fehlerhafte Konformität aus dem Verkauf zu nehmen und die Marktüberwachungsbehörden zu informieren. Importeure müssen zusätzlich prüfen, ob der außereuropäische Hersteller die EMV-Anforderungen und alle mitgeltenden Normen eingehalten hat, und sind dafür verantwortlich, dass die technische Dokumentation in der Europäischen Union verfügbar ist. Importeure übernehmen viele Herstellerpflichten und haften im Zweifelsfall ebenso wie der ursprüngliche Hersteller für EMV-Mängel.
Welche Nachweispflichten bestehen im rechtlichen EMV-Kontext?
Im rechtlichen Kontext der elektromagnetischen Verträglichkeit bestehen umfangreiche Nachweispflichten für Hersteller sowie – eingeschränkt – für Importeure und Händler. Hersteller sind verpflichtet, eine technische Dokumentation anzufertigen und aufzubewahren, die sämtliche Schritte der Konformitätsbewertung, verwendete Normen, Prüfergebnisse, Schaltpläne und Bedienungsanleitungen enthält. Diese Unterlagen müssen mindestens zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des Produkts aufbewahrt und auf Anforderung den zuständigen Behörden, etwa der Bundesnetzagentur, unverzüglich zur Verfügung gestellt werden können. Fehlen diese Nachweise oder sind sie unvollständig, gilt das als gravierender Rechtsverstoß, der zu Marktverboten und Sanktionen führen kann.
Sind Ausnahmen von den EMV-rechtlichen Anforderungen möglich?
Das EMV-Recht sieht wenige und eng begrenzte Ausnahmen für bestimmte Gerätetypen und Anwendungen vor. Beispielsweise können einige militärische Geräte oder Funktionsmuster, die ausschließlich für Forschung und Entwicklung genutzt werden und nicht auf dem Markt bereitgestellt werden, von bestimmten Anforderungen befreit sein. Ausnahmen gelten allerdings nie pauschal, sondern werden durch die EMV-Richtlinie und das EMVG genau geregelt und bedürfen im Zweifel des förmlichen Nachweises der Ausnahmetatbestände. Wer sich auf eine Ausnahme berufen möchte, trägt die rechtliche Beweislast und muss nachweisen, dass alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Im Zweifel sollte eine rechtliche Beratung eingeholt werden, um schwerwiegende Rechtsfolgen zu vermeiden.