Begriff und rechtliche Grundlagen der Eisgefahr
Die Eisgefahr bezeichnet die durch die Bildung von Eis entstehende Gefährdung von Personen, Sachen und dem Straßenverkehr. Aus rechtlicher Sicht umfasst die Eisgefahr insbesondere Pflichten und Haftungsfragen, die sich aus dem öffentlichen Straßen- und Wegeverkehr, dem Mietrecht sowie dem privaten Grundstücks- und Gebäudebereich ergeben. Sie betrifft außerdem die Versicherungspflicht und Aspekte des Umwelt- und Arbeitsschutzes.
Verkehrssicherungspflicht bei Eisgefahr
Allgemeine Verkehrssicherungspflichten
Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet Eigentümer, Betreiber und sonstige Verantwortliche, die von ihren Grundstücken oder Anlagen ausgehende Gefahr durch Eisbildung abzuwehren. Grundlage dieser Pflicht ist die Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), wonach derjenige, der schuldhaft eine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, zum Ersatz verpflichtet ist.
Straßen- und Gehwegerechtliche Regelungen
Insbesondere Städte und Gemeinden regeln gem. § 49 Straßen- und Wegegesetz (je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet) die Räum- und Streupflichten auf öffentlichen Verkehrsflächen. Regelmäßig werden diese Pflichten durch kommunale Straßenreinigungssatzungen auf Anlieger, also Grundstückseigentümer und Vermieter, übertragen (vgl. z.B. Berliner Straßenreinigungsgesetz, Straßenreinigungssatzung München).
Typische Pflichten betreffen die Beseitigung von Eisglätte auf Gehwegen und Einfahrten in zeitlichen Intervallen, insbesondere in den Morgenstunden an Werktagen und gegebenenfalls ganztags an Sonn- und Feiertagen.
Eisgefahr im Mietrecht
Übertragung der Streupflicht
Im Mietrecht ist die Verpflichtung zur Räumung und Streuung bei Eisgefahr grundsätzlich Sache des Eigentümers (§ 535 BGB). Durch entsprechende Klauseln im Mietvertrag oder in der Hausordnung kann diese Aufgabe jedoch auf die Mieter übertragen werden. Fehlt eine solche Regelung, obliegt dem Vermieter die Verantwortung, diese Pflicht zu erfüllen oder anderweitig zu organisieren.
Haftung bei Verletzung der Streupflicht
Verletzt der zur Streuung Verpflichtete – sei es Vermieter oder Mieter – seine Pflicht und kommt es infolge der Eisglätte zu einem Unfall, haftet er nach den gesetzlichen Bestimmungen für Personen- und Sachschäden (§ 823 Abs. 1 BGB). Auch eine Ordnungswidrigkeit nach Landesrecht kann vorliegen.
Haftungsrechtliche Aspekte der Eisgefahr
Voraussetzungen der Haftung
Eine Haftung tritt ein, wenn
- eine Verkehrssicherungspflicht bestand,
- diese schuldhafte verletzt wurde,
- ein Schaden entstanden ist
- und zwischen Pflichtverletzung und Schaden ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt.
Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt grundsätzlich der Geschädigte. Der Pflichtige kann sich jedoch entlasten, wenn er nachweist, dass die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht objektiv unmöglich war (z. B. bei plötzlich auftretender Glätte, sog. „Blitzeis”).
Haftungsausschluss und Mitverschulden
Ein Mitverschulden auf Seiten des Geschädigten (§ 254 BGB) ist möglich, wenn dieser offenkundig erkennbare Glätte missachtet oder sich entgegen zumutbarer Vorsicht verhält. Die Rechtsprechung legt den Maßstab für „angemessene Sicherung” situationsabhängig aus; eine vollständige Sicherheit kann nicht verlangt werden.
Versicherungsschutz
Üblicherweise sind Schäden aus Eisgefahr über die Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung abgedeckt. In besonderen Konstellationen kann zusätzlich eine private Haftpflichtversicherung eintreten.
Arbeitsrechtliche Regelungen bei Eisgefahr
Pflichten des Arbeitgebers
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der Unfallverhütungsvorschrift hat der Arbeitgeber Maßnahmen zu treffen, um seine Beschäftigten vor der Eisgefahr am Arbeitsplatz oder auf Betriebswegen zu schützen. Dazu zählen das Räumen und Streuen von Wegen und Eingangsbereichen sowie ggf. Warnhinweise über bestehende Glättegefahr.
Wegeunfälle und gesetzliche Unfallversicherung
Kommt es während des Arbeitsweges infolge von Eisglätte zu einem Unfall, handelt es sich regelmäßig um einen versicherten Wegeunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 8 Abs. 2 SGB VII).
Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder
Wird einer bestehenden Verpflichtung zur Räumung und Streuung bei Eisgefahr nicht nachgekommen, können neben zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen auch ordnungsrechtliche Konsequenzen folgen. So setzen zahlreiche kommunale Satzungen Bußgelder fest, deren Höhe sich nach Art und Ausmaß des Verstoßes richtet.
Besonderheiten bei Blitzeis und außergewöhnlichem Wetter
Besonderheiten ergeben sich bei plötzlichem, nicht vorhersehbarem Blitzeis. Hier wird eine sofortige Räumung und Streuung nicht gefordert. Vielmehr setzt die Pflicht erst nach einer angemessenen Reaktionszeit ein. Die Gerichte beurteilen die Frage, wie schnell diese Maßnahmen getroffen werden müssen, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles und der Zumutbarkeit.
Pflichten und Haftung auf privaten Grundstücken
Die Eisgefahr auf privaten Grundstücken betrifft insbesondere Wege, Zufahrten und öffentliche Durchgänge, die von Dritten genutzt werden. Hier sind Eigentümer verpflichtet, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, z. B. rechtzeitig zu räumen und zu streuen. Die Pflicht kann auch auf Mieter oder Nutzer übertragen werden, sofern dies individuell vereinbart ist.
Zusammenfassung und Praxisrelevanz
Die Rechtslage zur Eisgefahr ist vielschichtig und berührt verschiedene Rechtsgebiete. Zentral ist die Pflicht zur Verkehrssicherung, deren konkrete Ausgestaltung je nach Regelwerk (Landesgesetze, kommunale Satzungen, Mietvertrag) variiert. Bei Verstößen drohen zivilrechtliche Haftungsfolgen sowie Bußgelder. Eine regelmäßige Kontrolle und fristgerechte Beseitigung von Eisglätte auf Gehwegen, Zufahrten und Betriebswegen ist obligatorisch, um Haftungsrisiken und Ordnungswidrigkeiten zu vermeiden. Halten sich die Verantwortlichen nicht an ihre Pflichten, ist bei Schäden mit haftungsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
Siehe auch: Verkehrssicherungspflicht, Straßenreinigungspflicht, Winterdienst, Haftpflichtversicherung, Umweltrecht.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist gesetzlich zur Beseitigung von Eis auf Gehwegen verpflichtet?
In Deutschland sind grundsätzlich die Eigentümer von Grundstücken verpflichtet, die an öffentlichen Gehwegen angrenzen, für die Beseitigung von Eis und Schnee zu sorgen. Diese Verpflichtung ergibt sich in der Regel aus den kommunalen Straßenreinigungssatzungen, die von den Städten und Gemeinden erlassen werden. Die Verkehrssicherungspflicht (geregelt u.a. in § 823 BGB und durch die jeweiligen Landesgesetze konkretisiert) verlangt, dass Gefahrenquellen für Dritte auf dem eigenen Grundstück sowie auf angrenzenden Gehwegen durch den Eigentümer beseitigt werden. Häufig übertragen Eigentümer diese Pflicht durch Mietverträge auf die Mieter, wobei eine wirksame Übertragung im Mietvertrag ausdrücklich geregelt sein muss. Letztlich bleibt jedoch der Eigentümer gegenüber Dritten verantwortlich und haftbar, falls der Mieter dieser Pflicht nicht nachkommt.
Welche zeitlichen Vorgaben bestehen für das Streuen und Räumen bei Eisgefahr?
Die zeitlichen Vorgaben zum Räumen und Streuen bei Eisgefahr werden durch kommunale Satzungen festgelegt, welche die Pflicht zur Schneeräumung und Streupflicht näher definieren. In der Regel besteht diese Pflicht werktags ab 7 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab 9 Uhr bis meist 20 Uhr. Während dieser Zeiträume müssen Gehwege von Eis und Schnee so freigehalten werden, dass eine gefahrlose Nutzung möglich ist. Fällt während des Tages erneut Schnee oder bildet sich erneut Eis, ist mehrfaches Räumen beziehungsweise Streuen erforderlich. Außerhalb dieser Zeiten muss jedoch unverzüglich mit dem Räumen begonnen werden, sobald die Zeitvorgaben wieder greifen.
Welche Haftungsrisiken bestehen, wenn der Streu- und Räumpflicht nicht nachgekommen wird?
Wird der Streu- und Räumpflicht nicht nachgekommen und kommt es dadurch zu einem Unfall, etwa wenn sich ein Passant verletzt, haftet der Verpflichtete in der Regel zivilrechtlich für den entstandenen Schaden (zum Beispiel gemäß § 823 BGB). Dies umfasst sowohl Sach- als auch Personenschäden. Neben dem Schadensersatz kann auch ein Schmerzensgeldanspruch bestehen. Wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann, besteht darüber hinaus die Möglichkeit strafrechtlicher Konsequenzen, wie etwa eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung. Zudem können Bußgelder im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts verhängt werden.
In welchem Umfang und wie oft muss bei Glatteis gestreut werden?
Der Umfang der Streuung richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und den Rahmenbedingungen der jeweiligen Gemeinde- oder Stadtsatzungen. Die Gehwege müssen mindestens in einer für den Fußgängerverkehr ausreichenden Breite (in der Regel 1 bis 1,5 Meter) von Schnee und Eis befreit werden. Bei wiederholtem Schneefall oder erneuter Eisbildung ist mehrfach am Tag zu räumen beziehungsweise zu streuen. Es genügt nicht, nur morgens einmal zu streuen; vielmehr muss nachgestreut werden, wenn sich erneut eine erhebliche Gefahrenlage durch Eis ergibt. Bei länger anhaltender Glätte ist eine fortwährende Kontrolle erforderlich.
Können Eigentümer und Mieter ihre Streupflicht an Dritte (zum Beispiel Firmen) delegieren?
Ja, Eigentümer und Mieter können ihre Streupflicht prinzipiell an Dritte delegieren, etwa durch Beauftragung eines Winterdienstes. Die Pflicht zur Kontrolle bleibt jedoch beim ursprünglich Verpflichteten. Das heißt, auch wenn ein externer Dienstleister beauftragt wurde, müssen Eigentümer oder Mieter regelmäßig kontrollieren, ob die Verpflichtung ordnungsgemäß erfüllt wurde und im Zweifelsfall eingreifen beziehungsweise nachbessern. Sollte der Winterdienst nicht zuverlässig arbeiten, kann trotzdem eine Haftung des Eigentümers oder Mieters vorliegen.
Was müssen Senioren oder gesundheitlich eingeschränkte Personen bezüglich der Räum- und Streupflicht beachten?
Auch Senioren oder gesundheitlich beeinträchtigte Personen sind grundsätzlich an die Räum- und Streupflicht gebunden, wenn sie rechtlich dazu verpflichtet sind – etwa als Hauseigentümer oder aufgrund mietvertraglicher Regelung. Ist die Erfüllung dieser Pflicht aufgrund persönlicher Einschränkung nicht möglich, sind sie dazu angehalten, Dritte zu beauftragen (zum Beispiel Nachbarn, Familienangehörige oder professionelle Dienste). Die Haftpflicht ist nicht automatisch ausgeschlossen und kann nicht auf die eigenen Einschränkungen gestützt werden. Im Schadensfall haften sie ebenso, als hätten sie die Pflicht selbst verletzt.
Welche rechtlichen Folgen drohen, wenn Streumittel verwendet werden, die verboten sind?
Viele Gemeinden und Kommunen haben in ihren Satzungen umweltrechtliche Vorgaben verankert, die den Einsatz bestimmter Streumittel, insbesondere Auftaumittel auf Salzbasis (Streusalz), aus Umweltschutzgründen verbieten oder einschränken. Wer gegen solche Vorschriften verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Darüber hinaus kann bei dadurch verursachten Umweltschäden oder Beschädigungen an öffentlichen Grünanlagen und Bäumen die Pflicht zur Schadensbeseitigung bestehen. Es wird regelmäßig auf den Gebrauch von abstumpfenden Mitteln wie Sand oder Splitt verwiesen. Verbotene Streumittel dürfen also nicht eingesetzt werden, auch dann nicht, wenn sie besonders effektiv erscheinen.