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Einziehung eines Gesellschaftsanteils


Einziehung eines Gesellschaftsanteils: Begriff, Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils bezeichnet einen Rechtsakt, bei dem ein Gesellschafteranteil an einer Gesellschaft – insbesondere bei Kapital- und Personengesellschaften – aufgelöst und das Mitgliedschaftsrecht des betroffenen Gesellschafters beendet wird. Die Einziehung zählt zu den zentralen Mechanismen der Beendigung von Gesellschafterverhältnissen und unterliegt strengen gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen.


Begriff und Funktion der Einziehung

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils bewirkt das Erlöschen der Gesellschafterstellung bezüglich des betroffenen Anteils, ohne dass dieser auf einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten übertragen wird. Sie stellt einen einseitigen Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Betroffenen dar und kann mit oder ohne dessen Zustimmung erfolgen, je nach gesellschaftsvertraglicher und gesetzlicher Regelung.


Rechtsgrundlagen

Gesellschaftsrechtliche Vorschriften

In Deutschland wird die Einziehung insbesondere im GmbH-Gesetz (GmbHG) bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie im Aktiengesetz (AktG) bei Aktiengesellschaften geregelt. Personengesellschaften wie die Offene Handelsgesellschaft (OHG) oder die Kommanditgesellschaft (KG) können entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag vorsehen.

GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung)

  • § 34 GmbHG regelt ausdrücklich die Zulässigkeit, Voraussetzungen und Durchführung der Einziehung von Geschäftsanteilen.
  • Die Einziehung kann entweder mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters (freiwillig) oder gegen dessen Willen (zwangsweise) erfolgen.

Aktiengesellschaft

  • Für Aktiengesellschaften ist die Einziehung von Aktien in §§ 237 ff. AktG näher ausgestaltet.
  • Hierunter ist vorgesehen, dass die Einziehung eine entsprechende Satzungsgrundlage sowie einen Hauptversammlungsbeschluss erfordert.

Voraussetzungen der Einziehung

Gesellschaftsvertragliche Grundlage

Die Möglichkeit zur Einziehung und deren Voraussetzungen müssen im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vereinbart sein. Fehlt eine entsprechende Regelung, ist die Einziehung nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters möglich.

Gesetzliche Voraussetzungen

  • Beschlussfassung: Die Einziehung bedarf eines Gesellschafterbeschlusses. Die erforderliche Mehrheit ergibt sich aus dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag.
  • Zustimmung des Betroffenen: Bei der freiwilligen Einziehung ist die Zustimmung des zu entziehenden Gesellschafters erforderlich.
  • Wichtiger Grund bei Zwangseinziehung: Bei einer Zwangseinziehung – also ohne Zustimmung des Betroffenen – wird häufig das Vorliegen eines wichtigen Grundes verlangt. Ein wichtiger Grund kann beispielsweise in einer schweren Pflichtverletzung oder Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters liegen.

Ablauf und Verfahren der Einziehung

Gesellschafterbeschluss

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils erfordert in der Regel einen formal ordnungsgemäßen Gesellschafterbeschluss. Der betroffene Gesellschafter ist dabei regelmäßig von der Stimmabgabe ausgeschlossen.

Anmeldung und Eintragung in das Handelsregister

Die Einziehung muss im Falle der GmbH zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden. Bis zur Registereintragung bleibt die Gesellschafterstellung grundsätzlich bestehen.

Abfindung

Mit der Einziehung ist regelmäßig eine Abfindung zugunsten des betroffenen Gesellschafters verbunden. Die Höhe der Abfindung richtet sich nach Wert und Umfang des Gesellschaftsanteils sowie nach etwaigen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag.


Rechtsfolgen der Einziehung

Die Rechtsfolgen der Einziehung bestehen in der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses für den eingezogenen Anteil, dem Verlust sämtlicher Mitgliedschaftsrechte und Pflichten sowie dem Anspruch auf Abfindung. Etwaige Nachhaftungs- oder Nachschusspflichten können sich aus Gesetz oder Gesellschaftsvertrag ergeben.


Anfechtung und Rechtsschutzmöglichkeiten

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils kann anfechtbar sein, wenn Verfahrensvorschriften nicht eingehalten oder dem betroffenen Gesellschafter wesentliche Rechte versagt wurden. Besonders bei Zwangseinziehungen bestehen umfangreiche Rechtsschutzmöglichkeiten, etwa die Anfechtung des Einziehungsbeschlusses oder Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit.


Steuerliche Aspekte der Einziehung

Die Auszahlung einer Abfindung im Zuge der Einziehung eines Gesellschaftsanteils stellt regelmäßig einen steuerpflichtigen Vorgang dar. Die steuerlichen Folgen richten sich nach den jeweiligen Einkunftsarten und können sowohl für Privatpersonen als auch für Gesellschaften zu steuerlichen Belastungen führen.


Praktische Bedeutung und typischer Anwendungsbereich

Die Einziehung dient der Wahrung der Interessen der Gesellschaft sowie der verbleibenden Gesellschafter, etwa bei erheblichen Pflichtverletzungen eines Gesellschafters, Zahlungsunfähigkeit oder Auseinandersetzungen der Gesellschafter. Sie ermöglicht eine flexible und gesellschaftsinterne Lösung, ohne dass ein Gesellschafter seinen Anteil an Dritte veräußern muss.


Abgrenzung zu verwandten Rechtsinstituten

  • Austritt und Ausschluss: Die Einziehung unterscheidet sich vom Austritt, der ein einvernehmliches oder einseitiges Verlassen der Gesellschaft vorsieht, sowie vom Ausschluss, bei dem das Mitgliedschaftsverhältnis durch gerichtliche oder gesellschaftsvertragliche Maßnahmen beendet wird.
  • Veräußerung von Gesellschaftsanteilen: Die Veräußerung bildet im Gegensatz zur Einziehung einen entgeltlichen Übertragungsvorgang auf einen neuen Gesellschafter.

Zusammenfassung

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils ist ein komplexes gesellschaftsrechtliches Instrument, das die Beendigung der Mitgliedschaft eines Gesellschafters ohne Übertragung seines Anteils ermöglicht. Voraussetzungen, Ablauf und Rechtsfolgen sind im Gesetz und im Gesellschaftsvertrag präzise geregelt. Neben gesellschaftsinternen Interessen steht der Schutz des betroffenen Gesellschafters im Mittelpunkt, insbesondere durch Verfahrensvorschriften und Abfindungsregelungen. Die korrekte Handhabung der Einziehung ist maßgeblich für die Rechtssicherheit und Stabilität von Gesellschaften.

Häufig gestellte Fragen

Unter welchen Voraussetzungen ist die Einziehung eines Gesellschaftsanteils rechtlich zulässig?

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils ist nach deutschem Gesellschaftsrecht in der Regel nur unter bestimmten, gesetzlich oder vertraglich geregelten Voraussetzungen möglich. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) ergibt sich aus § 34 GmbHG, dass die Einziehung grundsätzlich an eine entsprechende Bestimmung im Gesellschaftsvertrag gebunden ist. Fehlt eine solche Regelung, ist eine Einziehung nicht zulässig. Zudem erfordert jede Einziehung einen Gesellschafterbeschluss mit qualifizierter Mehrheit gemäß den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Bestimmungen oder, falls nicht geregelt, nach dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren. Häufige Einziehungsgründe sind etwa gravierende Pflichtverletzungen eines Gesellschafters, Zahlungsunfähigkeit, Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder andere schwerwiegende Verfehlungen, die das Vertrauensverhältnis stören. Das betroffene Mitglied muss grundsätzlich vor der Beschlussfassung angehört werden, da ihm das rechtliche Gehör zusteht. Außerdem darf die Einziehung nicht willkürlich erfolgen; sie muss stets sachlich gerechtfertigt sein und darf keine treuwidrige Benachteiligung des betroffenen Gesellschafters darstellen.

Wie erfolgt die Beschlussfassung zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils?

Der Beschluss zur Einziehung eines Gesellschaftsanteils muss von der Gesellschafterversammlung gefasst werden. Die betroffenen Gesellschafter sind dabei grundsätzlich von der Stimmabgabe ausgeschlossen (Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG analog). Die erforderliche Mehrheit ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag; mangels spezieller Regelung gilt die einfache Mehrheit gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG. Der gefasste Beschluss muss die Einziehungsgründe klar benennen und die Einziehung formal bestimmen. Der Beschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG), sofern mit der Einziehung eine Satzungsänderung verbunden ist, beispielsweise bei Herabsetzung des Stammkapitals. Des Weiteren hängt die Wirksamkeit davon ab, dass der betroffene Gesellschafter ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Wahrung seiner Rechte erhält.

Welche Rechtsfolgen hat die Einziehung eines Gesellschaftsanteils für den betroffenen Gesellschafter?

Mit der wirksamen Einziehung eines Gesellschaftsanteils erlischt die Gesellschafterstellung des Betroffenen bezüglich dieses Anteils. Der Gesellschafter verliert somit alle aus dem Anteil resultierenden Rechte (z.B. Stimmrecht, Gewinnanspruch, Auskunftsrechte), ist aber grundsätzlich zur Zahlung einer angemessenen Abfindung berechtigt, soweit die Einziehung nicht durch Nichtzahlung der Einlage oder andere gesetzlich vorgesehene Fälle ohne Abfindung erfolgt. Die Höhe und Modalitäten der Abfindung ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder dem Gesetz. Die Gesellschaft wird durch die Einziehung Inhaberin des eingezogenen Anteils, sofern dies nicht mit einer Herabsetzung des Stammkapitals verbunden ist. Sind mehrere Anteile betroffen, kann dies Einfluss auf die Kapitalstruktur und eine ggf. notwendige Satzungsänderung haben.

Welche Rolle spielt die Abfindung bei der Einziehung eines Gesellschaftsanteils?

Die Zahlung einer Abfindung ist ein zentrales rechtliches Gebot bei der Einziehung von Gesellschaftsanteilen. Der Abfindungsanspruch des ausgeschiedenen Gesellschafters ist zwingend, es sei denn, es liegt einer der gesetzlich geregelten Ausnahmefälle vor (z.B. Einziehung wegen Nichtzahlung der Stammeinlage gemäß § 21 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag kann die Höhe der Abfindung näher bestimmen; ansonsten gilt der Verkehrswert des eingezogenen Anteils als Maßstab. Die Abfindung muss grundsätzlich sofort fällig sein, Abweichungen im Gesellschaftsvertrag sind jedoch zulässig. Eine unangemessen niedrige Abfindung ist sittenwidrig und kann zur Nichtigkeit der Einziehung führen. Der ausgeschiedene Gesellschafter hat auch Anspruch auf Auskunft über die Bewertungsgrundlagen und kann die Berechnung überprüfen lassen.

Kann die Einziehung eines Gesellschaftsanteils angefochten werden?

Ja, der betroffene Gesellschafter kann die Einziehung seines Gesellschaftsanteils mit den gesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklagen, insbesondere der Anfechtungsklage gemäß § 246 AktG analog für die GmbH, angreifen. Gründe für eine Anfechtung können Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung, das Fehlen einer rechtlichen Grundlage im Gesellschaftsvertrag, ein Verstoß gegen das Prinzip der Gleichbehandlung oder gegen zwingende Schutzvorschriften sein. Unangemessene Abfindungsregelungen, fehlende Anhörung des Gesellschafters oder das Vorliegen eines Stimmverbots können die Anfechtbarkeit ebenfalls begründen. Die Anfechtung hat grundsätzlich binnen eines Monats ab Zugang des Beschlusses zu erfolgen; dabei sind die gesetzlichen Fristen und Formerfordernisse zu beachten.

Welche Mitteilungspflichten bestehen gegenüber dem Handelsregister nach erfolgter Einziehung?

Nach erfolgreicher Einziehung eines Gesellschaftsanteils ist die Änderung der Gesellschafterliste beim Handelsregister unverzüglich zur Eintragung anzumelden (§ 40 GmbHG). Die neue Gesellschafterliste, aus der sich die aktuelle Beteiligungsstruktur ergibt, ist durch die Geschäftsführung beim Handelsregister einzureichen. Im Fall einer Kapitalherabsetzung infolge der Einziehung ist darüber hinaus eine entsprechende Satzungsänderung zu beurkunden und anzumelden. Die Wirksamkeit gegenüber Dritten wird in diesem Zusammenhang durch die aktualisierte Gesellschafterliste nach § 16 GmbHG bewirkt.

Welche Bedeutung hat die Einziehung für die Kapitalverhältnisse der Gesellschaft?

Die Einziehung eines Gesellschaftsanteils berührt grundsätzlich das Stammkapital der Gesellschaft. Erfolgt keine gleichzeitige Herabsetzung des Stammkapitals, bleibt die Einlage in der Gesellschaft, und der Anteil „geht unter“, ohne an einen neuen Inhaber zu fallen. Alternativ kann die Einziehung mit einer Kapitalherabsetzung verbunden werden, was eine Satzungsänderung und entsprechende notarielle Beurkundung erfordert. Diese Kapitalmaßnahmen sind gesellschaftsrechtlich und gegebenenfalls publikumsrechtlich abzusichern, um den Gläubigerschutz und die Einhaltung der Mindestkapitalvorschriften zu gewährleisten. Die jeweiligen Schritte sind mit den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen und registerrechtlichen Folgen verbunden.