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Einziehung eines Erbscheins


Einziehung eines Erbscheins

Die Einziehung eines Erbscheins ist ein zentraler Begriff im deutschen Erbrecht und bedeutet die Rücknahme eines bereits erteilten Erbscheins durch das Nachlassgericht. Die Einziehung kommt zum Tragen, wenn sich herausstellt, dass der ausgestellte Erbschein unrichtig ist. Dies hat erhebliche praktische und rechtliche Auswirkungen auf die Nachlassabwicklung, die Rechtsklarheit sowie den Schutz des Rechtsverkehrs.


Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Die Einziehung des Erbscheins ist vor allem in den §§ 2361 bis 2363 BGB geregelt. Zentral ist § 2361 BGB, wonach das Nachlassgericht den Erbschein einziehen muss, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen für seine Erteilung nicht oder nicht mehr vorlagen.

§ 2361 BGB – Einziehung und Kraftloserklärung

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„Das Nachlassgericht hat einen Erbschein, dessen Voraussetzungen nicht bestehen, einzuziehen. Ist der Erbschein abhanden gekommen oder in anderer Weise der Einziehung entzogen, so ist er für kraftlos zu erklären.“

Eine Einziehung erfolgt daher zwingend von Amts wegen, sobald das Gericht von der Unrichtigkeit erfährt.

Abgrenzung: Widerruf, Nachtragung und Kraftloserklärung

Neben der Einziehung kennt das deutsche Erbrecht weitere Rechtsinstitute zur Korrektur eines Erbscheins:

  • Widerruf: Im Falle der fehlenden materiellen Erbenstellung kann der Erbschein widerrufen werden.
  • Kraftloserklärung: Ist der Erbschein nicht auffindbar, kann er vom Gericht für kraftlos erklärt werden (§ 2361 Abs. 2 BGB).
  • Ergänzung/Nachtrag eines Erbscheins: Falls nur Teilaspekte unrichtig sind, kann eine Nachtragserteilung erfolgen.

Voraussetzungen der Einziehung eines Erbscheins

Erteilungsunrichtigkeit

Die Einziehung setzt voraus, dass der Erbschein vom Nachlassgericht zu Unrecht erteilt wurde. Dies kann mehrere Gründe haben:

  • Fehler bei der Feststellung der Erbenstellung
  • Unberücksichtigte letztwillige Verfügungen (z.B. Testamente)
  • Unrichtige Angaben zu gesetzlichen Erben
  • Nachträglicher Wegfall der Erbenstellung (z.B. infolge Erbunwürdigkeit)

Amtsermittlung

Das Nachlassgericht ist zur eigenständigen Prüfung verpflichtet. Erlangt es durch Beteiligte, Behörden oder Dritte Kenntnis von neuen Umständen, hat es von Amts wegen zu ermitteln, ob die Einziehungsvoraussetzungen vorliegen.


Verfahren der Einziehung

Ablauf des Einziehungsverfahrens

  1. Kenntnisnahme durch das Gericht

Das Nachlassgericht erhält Hinweise auf die Unrichtigkeit des Erbscheins.

  1. Anhörung der Beteiligten

Die betroffenen Erben sowie sonstige Beteiligte werden angehört und können sich zum Vorgang äußern.

  1. Ermittlungen und Entscheidung

Nach Prüfung erlässt das Nachlassgericht einen förmlichen Einziehungsbeschluss.

  1. Rückgabe des Erbscheins

Der Erbscheinträger ist verpflichtet, das Dokument an das Gericht zurückzugeben.

  1. Kraftloserklärung

Ist der Erbschein nicht auffindbar oder wird er dem Gericht nicht vorgelegt, erfolgt die öffentliche Kraftloserklärung.

Rechtsschutz und Beschwerde

Gegen die Einziehung ist das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 58 ff. FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) statthaft. Die Beschwerde muss innerhalb eines Monats eingelegt werden und hat aufschiebende Wirkung.


Rechtsfolgen der Einziehung eines Erbscheins

Wirkung gegenüber Dritten

Mit Einziehung verliert der Erbschein seine Beweiskraft (§ 2366 BGB). Er dient nicht länger als Nachweis der Erbenstellung.

Konsequenzen für den Rechtsverkehr

Handelt ein vermeintlicher Erbe auf Grund des später eingezogenen Scheins in bereits abgeschlossenen Rechtsgeschäften, schützt ihn § 2366 BGB. Die Regelung gewährt gutgläubigen Dritten Vertrauen auf die Richtigkeit eines „scheinbar“ wirksamen Erbscheins.

Folgen für den Besitz des Nachlasses

Ist der Erbschein eingezogen, muss der Empfänger Vermögenswerte des Nachlasses an den tatsächlich Berechtigten herausgeben. Dies gestaltet sich insbesondere komplex, wenn Vermögensänderungen oder Verfügungen bereits erfolgt sind.


Abgrenzung zu ähnlichen Verfahren

Die Einziehung des Erbscheins ist deutlich vom Widerruf und der Nachtragserteilung zu unterscheiden. Während die Einziehung die vollständige Rücknahme des Scheins bedeutet, findet der Widerruf Anwendung, wenn noch keine Erteilung erfolgt ist, oder ein Antrag zurückgenommen wird. Die Nachtragserteilung ergänzt lediglich im Umfang und bleibt ansonsten bestehen.


Praxishinweise und Bedeutung

Die Einziehung des Erbscheins hat eine hohe praktische Relevanz im Nachlassverfahren, insbesondere bei Streitigkeiten über die Erbenstellung, dem Auftauchen neuer Testamente oder Erbverzichtserklärungen. Die sorgfältige Prüfung und gegebenenfalls Anfechtung oder Mitteilung neuer Tatsachen beim Nachlassgericht ist von zentraler Bedeutung. Die Einziehung ist zwingend und nicht von Anträgen der Beteiligten abhängig.


Zusammenfassung

Die Einziehung eines Erbscheins ist ein verbindliches Korrekturverfahren des Nachlassgerichts, das zur Sicherung der Rechtsklarheit und zum Schutz des Rechtsverkehrs dient. Sie erfolgt, sobald sich die materielle Unrichtigkeit eines bereits ausgestellten Erbscheins herausstellt. Das Verfahren ist gesetzlich detailliert geregelt und gewährleistet zugleich einen effektiven Rechtsschutz für alle Beteiligten. Ihre Durchführung hat erhebliche praktische, zivilrechtliche und verfahrensrechtliche Auswirkungen im deutschen Erbrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, die Einziehung eines Erbscheins zu beantragen?

Die Berechtigung zur Beantragung der Einziehung eines Erbscheins regelt sich in Deutschland nach § 2361 BGB und den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§§ 352 ff. FamFG). Grundsätzlich kann jeder Beteiligte, dessen rechtliche Interessen durch die weitere Gültigkeit eines unrichtigen Erbscheins beeinträchtigt werden, einen Antrag auf Einziehung stellen. Hierzu zählen insbesondere Erben, Pflichtteilsberechtigte, Testamentsvollstrecker oder Gläubiger des Erblassers. Auch das Nachlassgericht kann von Amts wegen tätig werden, wenn es Kenntnis von der Unrichtigkeit erhält. Voraussetzung ist stets, dass der Antragsteller hinreichend darlegt, dass der Erbschein unrichtig ist und seine Rechtsstellung oder die rechtliche Ordnung durch die weitere Existenz des Erbscheins gefährdet oder gestört wird.

Unter welchen Voraussetzungen wird ein Erbschein eingezogen?

Die Einziehung eines Erbscheins erfolgt immer dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Erbschein falsch ist, also die im Erbschein festgestellte Erbfolge nicht oder nicht in dem darin bezeichneten Umfang besteht (§ 2361 Abs. 1 BGB). Unrichtigkeit kann sich etwa daraus ergeben, dass ein Testament aufgefunden wird, das die bisher als Erben ausgewiesenen Personen ausschließt oder ihre Anteile verändert, oder weil neue erbrechtlich relevante Tatsachen oder fehlerhafte Entscheidung des Gerichts bekannt werden. Das Nachlassgericht prüft im Rahmen des Einziehungsverfahrens die Beweislage und stellt fest, ob gravierende Fehler im Erbschein vorliegen, die eine Korrektur zwingend erforderlich machen.

Welche Rechtsmittel stehen gegen die Einziehung eines Erbscheins zur Verfügung?

Wird ein Erbschein durch das Nachlassgericht eingezogen, steht den hiervon betroffenen Personen das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG zu. Die Beschwerde ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung beim zuständigen Nachlassgericht einzulegen. Das Beschwerdegericht überprüft die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen der Einziehung umfassend. Zudem kann ein Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt werden, beispielsweise zur Sicherung der Rechte, sofern die Einziehung gravierende unmittelbare Auswirkungen auf die Rechte einzelner Beteiligter hätte.

Welche Folgen hat die Einziehung eines Erbscheins für bereits getätigte Rechtsgeschäfte?

Mit Einziehung des Erbscheins verliert dieser seine Legitimationswirkung rückwirkend. Das bedeutet, dass alle Rechtsgeschäfte, die auf Basis des Erbscheins abgeschlossen wurden, grundsätzlich auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden können (§ 2366 BGB, sog. Gutglaubensschutz). Waren Dritte gutgläubig und haben sie im Vertrauen auf die Richtigkeit des Erbscheins gehandelt, genießen sie in bestimmten Fällen gesetzlichen Schutz. Wird hingegen erkannt, dass ein Erbe keine Erbberechtigung hatte, kann eine Rückabwicklung beziehungsweise Herausgabepflicht in Betracht kommen, sofern der Empfänger nicht gutgläubig war.

Ist die Einziehung eines Erbscheins mit Kosten verbunden?

Das Verfahren der Einziehung eines Erbscheins ist grundsätzlich gebührenpflichtig. Die Gebühr bemisst sich nach dem Geschäftswert, der dem Nachlasswert entspricht, und richtet sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Hinzu kommen gegebenenfalls außergerichtliche Kosten wie die Vergütung für einen anwaltlichen Vertreter. Die Kostenpflicht trifft, abhängig vom Ausgang des Verfahrens, den Antragsteller oder die Beteiligten, denen die Unrichtigkeit des Erbscheins zur Last gelegt wird.

Welche Rolle spielt das Nachlassgericht im Einziehungsverfahren?

Das Nachlassgericht ist zentrale Instanz im Einziehungsverfahren und prüft von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten, ob die Voraussetzungen für die Einziehung vorliegen. Es ist verpflichtet, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln (§ 26 FamFG), Beweise zu erheben sowie alle Beteiligten anzuhören. Die Entscheidung wird durch Beschluss getroffen und allen Beteiligten zugestellt. Das Gericht kann überdies den eingezogenen Erbschein öffentlich zur Einziehung ausschreiben, um eventuell noch unbekannte betroffene Personen zu informieren.

Kann nach Einziehung erneut ein Erbschein beantragt werden?

Die Einziehung eines Erbscheins hindert grundsätzlich nicht daran, einen neuen, nunmehr korrekten Erbschein beim Nachlassgericht zu beantragen. Voraussetzung hierfür ist die Vorlage der aktuellen, berichtigten Nachweise über die Erbfolge. Das Verfahren zur Erteilung eines neuen Erbscheins wird unter den dann gültigen Tatsachen und Beweisen geführt. Eine Sperrwirkung, die eine Neubewerbung ausschließt, besteht nicht; vielmehr dient die Einziehung gerade der Korrektur und späteren richtigen Dokumentation der Erbfolge.