Einzelvormund

Einzelvormund: Begriff, Bedeutung und rechtliche Einordnung

Ein Einzelvormund ist eine natürliche Person, die die volle rechtliche Vertretung und Verantwortung für eine minderjährige Person übernimmt, wenn die elterliche Sorge nicht besteht, ruht oder aus rechtlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann. Die Einzelvormundschaft ersetzt in diesen Fällen die elterliche Sorge und umfasst regelmäßig sowohl die Personensorge als auch die Vermögenssorge. Ziel ist der Schutz, die Förderung und die rechtliche Vertretung des Kindes oder Jugendlichen unter Wahrung seines Wohls und seiner wachsenden Selbstbestimmung.

Abgrenzung zu anderen Formen der Vormundschaft

Amtsvormund

Als Amtsvormund tritt das Jugendamt auf, wenn keine geeignete Einzelperson zur Verfügung steht oder eine sofortige Vertretung sichergestellt werden muss. Der Amtsvormund übt die Vormundschaft institutionell aus.

Berufsvormund

Ein Berufsvormund führt die Vormundschaft berufsmäßig als selbständige Tätigkeit oder im Rahmen einer Anstellung. Er übernimmt die Aufgaben gegen Vergütung und unterliegt besonderen Qualitäts- und Dokumentationsanforderungen.

Vereinsvormund

Bei der Vereinsvormundschaft übernimmt ein anerkannter Träger (Verein) die Vormundschaft; die praktische Ausübung erfolgt durch eine beauftragte Person innerhalb des Vereins.

Ergänzungspfleger und Pflegschaft

Die Pflegschaft ist auf bestimmte Aufgabenbereiche beschränkt (z. B. Vermögenssorge oder Zustimmung zu einzelnen Maßnahmen). Ein Ergänzungspfleger wird bestellt, wenn die Personensorge ansonsten besteht, aber in einem Teilbereich nicht ausgeübt werden kann. Der Einzelvormund hingegen übernimmt grundsätzlich alle Sorgerechte.

Unterschied zur elterlichen Sorge

Die elterliche Sorge steht den Eltern zu und umfasst Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und Vertretung. Die Einzelvormundschaft tritt an deren Stelle, wenn die Eltern hierzu rechtlich nicht (mehr) in der Lage sind. Inhaltlich ähneln sich Befugnisse und Pflichten, jedoch unterliegt der Einzelvormund weitergehender gerichtlicher Aufsicht.

Bestellung und Auswahl des Einzelvormunds

Anlässe für die Bestellung

Ein Einzelvormund wird bestellt, wenn die elterliche Sorge dauerhaft oder vorübergehend nicht ausgeübt werden kann. Das kann etwa der Fall sein bei Tod der Eltern, Ruhen der elterlichen Sorge, Entziehung der Sorge, Unklarheit über die Elternschaft, längerer Abwesenheit oder wenn Minderjährige unbegleitet in einem anderen Staat ankommen. In Eilfällen sorgt das Gericht für eine schnelle vorläufige Sicherung der Vertretung.

Auswahlkriterien und Eignungsprüfung

Vorrangiges Kriterium ist das Wohl des Kindes. Bei der Auswahl prüft das Gericht die persönliche Eignung, Zuverlässigkeit, gesundheitliche und zeitliche Verfügbarkeit, Bindungen des Kindes, Kontinuität der Lebensverhältnisse sowie die Fähigkeit, die Interessen des Kindes eigenständig und verantwortungsvoll zu vertreten.

Rolle von Eltern- und Kindeswille

Eltern können zu Lebzeiten eine Person benennen, die im Falle der Notwendigkeit als Vormund in Betracht kommt. Zusätzlich wird der Wille des Kindes alters- und reifeangemessen berücksichtigt. Gericht und Jugendamt hören das Kind an, soweit dies möglich und sinnvoll ist.

Verfahren vor dem Familiengericht

Die Bestellung erfolgt durch das Familiengericht. Das Jugendamt wird beteiligt und kann Vorschläge unterbreiten. Je nach Lage kann eine vorläufige Anordnung ergehen. Nach Prüfung der Eignung trifft das Gericht eine Entscheidung und erteilt der ausgewählten Person eine Bestellungsurkunde, die die Vertretungsbefugnis nach außen nachweist.

Aufgaben, Befugnisse und Grenzen des Einzelvormunds

Personensorge

Die Personensorge umfasst die Verantwortung für Pflege, Erziehung, Ausbildung, Gesundheitsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und die Sicherung verlässlicher Lebensverhältnisse. Der Einzelvormund wirkt an Entscheidungen über Wohnform, Schule, medizinische Behandlungen und Freizeitgestaltung mit und achtet auf stabile Beziehungen und Schutz vor Gefahren.

Vermögenssorge

Zur Vermögenssorge gehören Verwaltung und Schutz des Vermögens des Mündels, die Eröffnung und Führung von Konten, die Entgegennahme von Leistungen sowie die sorgfältige Verwendung von Mitteln im Interesse des Kindes. Der Einzelvormund hält Vermögen getrennt, dokumentiert Einnahmen und Ausgaben und wahrt langfristige Interessen.

Vertretung nach außen

Der Einzelvormund vertritt das Kind gegenüber Behörden, Schulen, Leistungsträgern, Vertragspartnern und Gerichten. Er geht Rechtsgeschäfte im Namen des Kindes ein, soweit dies erforderlich und zulässig ist.

Grenzen und gerichtliche Genehmigungen

Für verschiedene weitreichende Maßnahmen sind gerichtliche Genehmigungen erforderlich. Dazu können insbesondere gravierende medizinische Eingriffe, längerfristige freiheitsentziehende Maßnahmen, außergewöhnliche Vermögensdispositionen oder der Abschluss belastender Verträge gehören. Ohne erforderliche Genehmigung sind solche Maßnahmen regelmäßig unwirksam.

Beteiligung des Kindes und Förderung der Selbstbestimmung

Das Kind ist entsprechend Alter und Reife in Entscheidungen einzubeziehen. Wünsche, Vorstellungen und Lebensplanung werden berücksichtigt. Mit zunehmendem Alter erhält das Kind mehr Einfluss auf Entscheidungen, die es betreffen, und wird auf den Übergang in die Volljährigkeit vorbereitet.

Kontrolle, Dokumentation und Haftung

Aufsicht durch Gericht und Beteiligung des Jugendamts

Die Tätigkeit des Einzelvormunds unterliegt der Aufsicht des Familiengerichts. Das Jugendamt wirkt mit, berät im Verfahren und kann dem Gericht berichten. Bei Auffälligkeiten oder Konflikten kann das Gericht Maßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls ergreifen.

Dokumentations- und Rechenschaftspflichten

Zu Beginn ist ein Überblick über das Vermögen des Kindes zu erstellen. Im Verlauf werden Entwicklung, getroffene Entscheidungen und Vermögensbewegungen dokumentiert. Regelmäßig ist eine Rechnungslegung vorzunehmen und auf Anforderung dem Gericht vorzulegen.

Haftung und Absicherung

Bei Pflichtverletzungen kann eine Haftung entstehen. Maßstab ist eine sorgfältige, am Kindeswohl orientierte Amtsführung. Eine Absicherung durch geeignete Versicherungen ist verbreitet, insbesondere bei berufsmäßiger Führung.

Dauer, Wechsel und Beendigung

Beginn und Wirksamkeit

Die Einzelvormundschaft beginnt mit der gerichtlichen Bestellung und der Aushändigung der Bestellungsurkunde. Ab diesem Zeitpunkt kann der Einzelvormund wirksam vertreten.

Beendigungsgründe

Sie endet regelmäßig mit der Volljährigkeit des Kindes. Weitere Beendigungsgründe können eine Adoption, die Wiederherstellung oder Übertragung der elterlichen Sorge oder der Tod des Mündels sein. Auch der Wechsel zu einem anderen Vormund ist möglich, wenn dies erforderlich erscheint.

Entlassung und Abberufung

Der Einzelvormund kann auf Antrag entlassen werden, wenn gewichtige Gründe vorliegen, etwa gesundheitliche, zeitliche oder persönliche Hinderungsgründe. Bei Pflichtverletzungen kommt eine Abberufung in Betracht.

Übergabe und Schlussrechnung

Mit dem Ende der Vormundschaft legt der Einzelvormund eine abschließende Rechnung vor und übergibt Unterlagen sowie Vermögen geordnet an den Rechtsnachfolger oder an die inzwischen volljährige Person.

Vergütung und Aufwendungsersatz

Ehrenamtlicher Einzelvormund

Ehrenamtlich tätige Einzelvormünder erhalten keine laufende Vergütung, aber in der Regel Ersatz notwendiger Auslagen sowie eine pauschalierte Aufwandsentschädigung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Berufsmäßige Führung

Wird die Vormundschaft berufsmäßig geführt, besteht Anspruch auf eine gesetzlich geregelte Vergütung. Die Höhe orientiert sich an Umfang und Schwierigkeit der Aufgaben sowie an festgelegten Pauschalen.

Sachkosten und Auslagen

Notwendige Auslagen wie Reisekosten, Gebühren oder Kosten für notwendige Unterlagen werden erstattet, soweit sie im Zusammenhang mit der Aufgabenerfüllung stehen und angemessen sind.

Besondere Konstellationen

Geschwister und mehrere Vormünder

Für Geschwister kann ein gemeinsamer Einzelvormund bestellt werden, wenn dies der Kontinuität dient. In Ausnahmefällen sind mehrere Mitvormünder möglich, etwa um besondere Bedürfnisse abzudecken. Zuständigkeiten müssen dann klar abgegrenzt werden.

Unbegleitete Minderjährige

Bei unbegleitet eingereisten Minderjährigen wird zeitnah ein Vormund bestellt, um Vertretung, Unterkunft, Bildung und Schutz sicherzustellen. Häufig kommen hier Amts-, Berufs- oder Vereinsvormünder zum Einsatz; auch Einzelpersonen können in Betracht kommen.

Wohnortwechsel und Auslandsbezug

Bei Wohnortwechseln bleiben Bestellung und Befugnisse grundsätzlich wirksam. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind internationale Zuständigkeiten, Anerkennungsfragen und Kooperationen zwischen Behörden zu beachten.

Zusammenarbeit mit Pflegefamilien und Einrichtungen

Lebt das Kind in einer Pflegefamilie oder Einrichtung, arbeitet der Einzelvormund mit den dort Verantwortlichen zusammen. Pädagogische Alltagsentscheidungen werden vor Ort getroffen; rechtlich bedeutsame Entscheidungen obliegen dem Vormund, soweit keine Genehmigungspflichten bestehen.

Häufig gestellte Fragen zum Einzelvormund

Wann wird ein Einzelvormund bestellt?

Ein Einzelvormund wird bestellt, wenn die elterliche Sorge nicht besteht, ruht oder aus rechtlichen Gründen nicht ausgeübt werden kann. Typische Anlässe sind der Wegfall der Eltern, eine Entziehung der Sorge, unklare Elternschaft oder die Situation unbegleiteter Minderjähriger.

Welche Befugnisse hat ein Einzelvormund?

Der Einzelvormund übernimmt regelmäßig die Personensorge und die Vermögenssorge sowie die rechtliche Vertretung gegenüber Behörden, Schulen, Leistungsträgern, Gerichten und Vertragspartnern. Für besonders weitreichende Maßnahmen kann eine gerichtliche Genehmigung erforderlich sein.

Worin liegt der Unterschied zwischen Einzelvormund, Amtsvormund und Berufsvormund?

Der Einzelvormund ist eine natürliche Person, die ehrenamtlich oder privat tätig wird. Der Amtsvormund ist das Jugendamt, das die Vormundschaft institutionell ausübt. Der Berufsvormund führt die Aufgaben berufsmäßig gegen Vergütung, oft mit mehreren Vormundschaften zugleich.

Braucht der Einzelvormund für alle Entscheidungen eine Genehmigung des Gerichts?

Nein. Alltägliche und übliche Entscheidungen trifft der Einzelvormund selbst. Für rechtlich oder wirtschaftlich besonders bedeutsame Maßnahmen ist jedoch eine vorherige Genehmigung des Gerichts vorgesehen.

Wie lange dauert eine Einzelvormundschaft?

Sie endet in der Regel mit der Volljährigkeit. Weitere Beendigungsgründe können eine Adoption oder die Wiederherstellung beziehungsweise Übertragung der elterlichen Sorge sein. Ein Wechsel des Vormunds ist möglich, wenn gewichtige Gründe bestehen.

Wer überwacht die Tätigkeit des Einzelvormunds?

Die Aufsicht liegt beim Familiengericht. Das Jugendamt wirkt mit und kann das Gericht informieren. Durch Dokumentations- und Rechnungslegungspflichten wird die Kontrolle ergänzt.

Erhält ein Einzelvormund eine Vergütung?

Ehrenamtliche Einzelvormünder erhalten in der Regel Aufwendungsersatz und häufig eine pauschale Entschädigung. Bei berufsmäßiger Führung besteht Anspruch auf Vergütung nach festgelegten Grundsätzen.

Kann ein Einzelvormund abberufen oder entlassen werden?

Ja. Bei Pflichtverletzungen kommt eine Abberufung in Betracht. Liegen Hinderungsgründe wie Krankheit oder erhebliche zeitliche Einschränkungen vor, kann eine Entlassung erfolgen.