Begriff und Stellung des Einzelrichters
Der Einzelrichter ist ein Richter, der ein Verfahren allein und nicht gemeinsam mit weiteren Berufsrichtern oder ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Er bildet damit einen eigenen Spruchkörper, dessen Entscheidungen dem Gericht zugerechnet werden. Der Einzelrichter führt die Verhandlung, erhebt Beweise, entscheidet über Anträge und erlässt Urteile und Beschlüsse.
Abzugrenzen ist der Einzelrichter von mehrköpfigen Spruchkörpern wie Kammern oder Senaten. Dort beraten und entscheiden mehrere Berufsrichter, teilweise unter Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Ob ein Verfahren durch einen Einzelrichter oder durch eine mehrköpfige Besetzung geführt wird, ergibt sich aus den Verfahrensordnungen und dem Geschäftsverteilungsplan des jeweiligen Gerichts.
Einsatzbereiche und Zuständigkeiten
Zivilgerichtsbarkeit
In zivilrechtlichen Verfahren gibt es sowohl Instanzen, in denen regelmäßig ein Einzelrichter entscheidet, als auch Spruchkörper mit mehreren Berufsrichtern. Die Zuordnung hängt häufig von der Bedeutung und Komplexität der Sache, dem Streitwert und der Instanz ab. In einfacheren oder standardisierten Zivilsachen entscheidet oft ein Einzelrichter. In umfangreichen oder rechtlich grundsätzlichen Sachen wirkt regelmäßig eine Kammer mit mehreren Berufsrichtern.
Strafgerichtsbarkeit
Im Strafverfahren entscheidet bei geringeren Tatvorwürfen am Amtsgericht häufig ein einzelner Berufsrichter (traditionell als Strafrichter bezeichnet). Bei schwereren Vorwürfen ist ein Spruchkörper mit Berufs- und ehrenamtlichen Richtern zuständig. Daneben gibt es einzelne richterliche Funktionen, die typischerweise allein ausgeübt werden, etwa bei Entscheidungen im Ermittlungsverfahren.
Verwaltungs-, Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit
In diesen Gerichtszweigen ist die Regelbesetzung oft eine Kammer mit mehreren Berufsrichtern, teilweise unter Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Die Verfahrensordnungen sehen jedoch vor, dass bestimmte Verfahren oder Verfahrensabschnitte durch einen Einzelrichter entschieden werden können, insbesondere wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist oder keine grundsätzliche Bedeutung hat. Einzelrichterentscheidungen sind in Eilsachen und bei prozessleitenden Maßnahmen ebenfalls verbreitet.
Übertragung und Entziehung der Einzelrichterzuständigkeit
Geschäftsverteilungsplan und gesetzliche Leitplanken
Der Geschäftsverteilungsplan eines Gerichts regelt vorab, welcher Spruchkörper für welche Fälle zuständig ist. Die Verfahrensordnungen geben dabei vor, unter welchen Voraussetzungen ein Einzelrichter entscheidet. Diese Voraussetzungen orientieren sich an Kriterien wie Bedeutung, Schwierigkeit und Art der Sache sowie verfahrensökonomischen Erwägungen.
Übertragung von der Kammer auf den Einzelrichter
Beginnt ein Verfahren in einer Kammer- oder Senatsbesetzung, kann es auf einen Einzelrichter übertragen werden, wenn die Sache nach Einschätzung des Spruchkörpers keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist oder keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Entscheidung über die Übertragung trifft der zuständige Spruchkörper nach den maßgeblichen Verfahrensregeln.
Rückübertragung an die Kammer
Erweist sich eine Sache beim Einzelrichter als doch komplex oder von weiterreichender Bedeutung, kann eine Rückgabe an die Kammer oder den Senat in Betracht kommen. Auf diese Weise wird eine sachgerechte Besetzung auch im Verlauf des Verfahrens gewährleistet.
Verfahrensablauf vor dem Einzelrichter
Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme
Der Einzelrichter leitet die mündliche Verhandlung, bestimmt Termine, vernimmt Zeugen und Sachverständige und würdigt die Beweise selbständig. Er ist verpflichtet, den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten zu erörtern und auf eine zügige sowie faire Verfahrensführung hinzuwirken.
Schriftliches Verfahren und Entscheidungen ohne Verhandlung
In gesetzlich vorgesehenen Fällen kann der Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entscheiden. Auch prozessleitende Verfügungen, Zwischenentscheidungen und einstweilige Anordnungen werden häufig durch den Einzelrichter erlassen.
Kosten- und Nebenentscheidungen
Kostenentscheidungen, Streitwertfestsetzungen und andere verfahrensbezogene Nebenentscheidungen fallen ebenfalls in die Zuständigkeit des Einzelrichters, soweit die Sache bei ihm anhängig ist. Die Beteiligten erhalten hierüber gesonderte Beschlüsse oder entsprechende Aussprüche im Urteil.
Rechtsmittel und Kontrolle
Gegen Entscheidungen eines Einzelrichters stehen die vorgesehenen Rechtsmittel zur Verfügung. Welche Rechtsmittelart einschlägig ist und welcher Prüfungsumfang besteht, richtet sich nach Gerichtszweig, Verfahrensart und Instanz. In der nächsthöheren Instanz entscheiden häufig mehrköpfige Spruchkörper. Teilweise sind aber auch dort Einzelrichterzuständigkeiten für bestimmte Rechtsmittel vorgesehen. Auf diese Weise ist eine mehrstufige Kontrolle der Entscheidung gewährleistet.
Unabhängigkeit, Neutralität und Ablehnung
Der Einzelrichter ist unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Er entscheidet neutral und unbeeinflusst. Bei Besorgnis der Befangenheit können Verfahrensbeteiligte einen Ablehnungsantrag stellen. Wird einem solchen Antrag stattgegeben, übernimmt ein anderer Richter die Sache gemäß dem Geschäftsverteilungsplan. Bei Verhinderung oder Ausscheiden des Einzelrichters tritt die geregelte Vertretung ein, um die Verfahrensfortführung sicherzustellen.
Rechtsstaatliche Einordnung und praktische Gesichtspunkte
Die Entscheidung durch einen Einzelrichter dient der Verfahrensökonomie, bündelt Verantwortung und kann Verfahren beschleunigen. Dem steht der Vorteil kollegialer Beratung in mehrköpfigen Spruchkörpern gegenüber, die insbesondere bei komplexen oder grundsätzlichen Fragen eingesetzt werden. Das Zusammenspiel beider Besetzungsformen soll eine ausgewogene Balance zwischen Effizienz und inhaltlicher Tiefe sichern.
Abgrenzung zu verwandten Funktionen
Ehrenamtliche Richter
Ehrenamtliche Richter wirken in bestimmten Gerichtszweigen an Entscheidungen mit, haben aber keine Einzelzuständigkeit. Sie treten gemeinsam mit Berufsrichtern in Kammern oder Schöffengerichten auf.
Ermittlungsrichter und andere Einzelzuständigkeiten
Einzelentscheidende Richterfunktionen bestehen auch außerhalb der Hauptsacheentscheidung, etwa in Ermittlungs- oder Vollstreckungsfragen. Diese Funktionen sind vom Einzelrichter im Sinne der Hauptsacheentscheidung abzugrenzen, können sich aber in der Person überschneiden.
Rechtspfleger
Rechtspfleger sind eigenständige Organe der Rechtspflege mit gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, jedoch keine Richter. Sie entscheiden in ihrem Zuständigkeitsbereich selbständig, ohne die Stellung eines Einzelrichters im engeren Sinn zu haben.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet Einzelrichter?
Ein Einzelrichter ist ein Richter, der ein Verfahren allein führt und entscheidet. Er nimmt alle prozessualen Aufgaben wahr, von der Terminierung über die Beweisaufnahme bis zum Urteil oder Beschluss.
In welchen Gerichten entscheidet der Einzelrichter?
Einzelrichterentscheidungen kommen in allen Gerichtszweigen vor. Häufig sind sie in einfacheren zivilrechtlichen Sachen und bei bestimmten strafrechtlichen Verfahren am Amtsgericht anzutreffen. In der Verwaltungs-, Sozial-, Arbeits- und Finanzgerichtsbarkeit kann der Einzelrichter entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist oder keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Wann wird eine Sache vom Spruchkörper auf den Einzelrichter übertragen?
Eine Übertragung erfolgt, wenn der zuständige Spruchkörper die Sache als rechtlich oder tatsächlich weniger komplex einstuft oder ihr keine grundsätzliche Bedeutung beimisst. Die näheren Kriterien ergeben sich aus den Verfahrensordnungen und dem Geschäftsverteilungsplan.
Welche Befugnisse hat der Einzelrichter im Verfahren?
Der Einzelrichter hat dieselben richterlichen Befugnisse wie ein mehrköpfiger Spruchkörper: Er führt die Verhandlung, erhebt Beweise, entscheidet über Anträge, erlässt Urteile und Beschlüsse sowie gegebenenfalls einstweilige Entscheidungen.
Wie wird gegen Entscheidungen eines Einzelrichters vorgegangen?
Gegen Entscheidungen eines Einzelrichters stehen die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel offen. Zuständigkeit, Fristen und Prüfungsumfang richten sich nach Verfahrensart und Instanz. Häufig entscheidet in der Rechtsmittelinstanz ein mehrköpfiger Spruchkörper, teilweise sind dort aber ebenfalls Einzelrichterzuständigkeiten vorgesehen.
Können ehrenamtliche Richter beteiligt sein, wenn ein Einzelrichter entscheidet?
Bei einer reinen Einzelrichterbesetzung wirken keine ehrenamtlichen Richter mit. In Spruchkörpern mit ehrenamtlicher Beteiligung entscheidet der Berufsrichter nicht allein; eine Einzelrichterentscheidung ist dann nur möglich, wenn die Verfahrensordnung dies ausdrücklich zulässt.
Was passiert bei Befangenheit oder Verhinderung des Einzelrichters?
Wird ein Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit begründet oder ist der Einzelrichter verhindert, übernimmt ein anderer Richter gemäß Geschäftsverteilungsplan. Das Verfahren wird dadurch in geordneten Bahnen fortgeführt.