Begriff und rechtliche Einordnung des Einwilligungsvorbehalts
Der Einwilligungsvorbehalt ist ein zentraler Begriff des deutschen Betreuungsrechts und spielt eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit der Vertretung volljähriger Personen, die aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst besorgen können. Ein Einwilligungsvorbehalt beschränkt gemäß §§ 1903, 1825 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die selbständige Geschäftsfähigkeit eines Betreuten dahingehend, dass bestimmte Willenserklärungen bzw. rechtsgeschäftliche Handlungen nur mit vorheriger Zustimmung (Einwilligung) des gerichtlich bestellten Betreuers wirksam werden.
Gesetzliche Grundlage und Verortung im BGB
Gesetzliche Regelung
Die Rechtsgrundlage für den Einwilligungsvorbehalt bildet insbesondere § 1825 BGB (vormals § 1903 BGB bis zum 30. Juni 2023), seit der Reform des Betreuungsrechts zum 1. Januar 2023 im neuen Abschnitt „Betreuung für Volljährige” als Teil des Familienrechts verankert. Nach dieser Vorschrift kann das Betreuungsgericht im Rahmen einer Betreuung einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, sofern dies zum Schutz der betreuten volljährigen Person erforderlich erscheint.
Systematische Einordnung
Der Einwilligungsvorbehalt ist vom sogenannten Einwilligungserfordernis abzugrenzen, das sich etwa bei der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters im Minderjährigenrecht findet. Im Betreuungsrecht betrifft der Einwilligungsvorbehalt ausschließlich volljährige, geschäftsfähige Personen, deren Fähigkeit zur selbständigen Willensbildung jedoch in erheblicher Weise beeinträchtigt sein kann.
Voraussetzungen der Anordnung des Einwilligungsvorbehalts
Persönliche Voraussetzungen
Ein Einwilligungsvorbehalt kann nur angeordnet werden, wenn – wie § 1825 Abs. 1 BGB ausführt – ein Volljähriger aufgrund gesundheitlich bedingter Einschränkungen seine Angelegenheiten nicht oder nur teilweise selbst besorgen kann und konkret die Gefahr besteht, dass durch eigenständige rechtsgeschäftliche Handlungen erhebliche Nachteile für den Betroffenen entstehen.
Materielle Voraussetzungen
Zentral ist, dass ein gewöhnlicher Betreuungsumfang nicht mehr ausreicht, um den Entscheidungsbedarf zu regeln, sondern zusätzliche Schutzmechanismen nötig sind. Der Einwilligungsvorbehalt wird regelmäßig nur für bestimmte Aufgabenkreise angeordnet, z. B. Vermögensangelegenheiten oder Wohnungsangelegenheiten. Erfasst sind stets nur solche Geschäfte, bei denen ein erhöhtes Gefährdungsrisiko besteht.
Eine Anordnung kommt in Betracht, wenn zu befürchten ist, dass die betreute Person ohne die Kontrolle des Betreuers bedeutende Vermögenswerte verliert oder gravierende nachteilige Verträge abschließt.
Rechtsfolgen des Einwilligungsvorbehalts
Rechtsgeschäftliche Bedeutung
Wird ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, ist der Betreute in dem betreffenden Aufgabenkreis zwar weiterhin geschäftsfähig, jedoch sind seine Willenserklärungen, wie z. B. das Abschlusses eines Vertrages, grundsätzlich schwebend unwirksam (§ 1825 BGB). Sie werden erst mit der Einwilligung des Betreuers wirksam. Lehnt der Betreuer die Einwilligung endgültig ab, ist die Erklärung unwirksam.
Außenseitergeschäfte und Ausnahmen
Der Einwilligungsvorbehalt bezieht sich nicht auf sogenannte Geschäfte des täglichen Lebens (§ 1825 Abs. 2 BGB). Hierunter fallen geringfügige Angelegenheiten des täglichen Bedarfs, wie etwa kleinere Einkäufe, deren Nichtbeachtung für die betreute Person unverhältnismäßig belastend wäre.
Gleichfalls nicht erfasst sind strikt höchstpersönliche Rechtsgeschäfte, die durch Betreuer weder vorgenommen noch in Vertretung genehmigt werden können (z. B. Ehe, Testament, Wahlrecht).
Vertretungsmacht und Handeln des Betreuers
Der Betreuer handelt kraft Gesetzes im betroffenen Aufgabenkreis als gesetzlicher Vertreter des Betreuten und ist befugt, für diesen Willenserklärungen abzugeben und Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Die Bestellung des Betreuers sowie der Umfang des Einwilligungsvorbehalts werden vom Gericht im Betreuungsbeschluss genau festgelegt und im Zentralen Vorsorgeregister sowie im Betreuungsregister vermerkt.
Arten und Umfang eines Einwilligungsvorbehalts
Gesamter Einwilligungsvorbehalt
Dieser betrifft alle Angelegenheiten, die vom Aufgabenkreis des Betreuers umfasst sind. Der Betreute kann dann in keinem der betroffenen Bereiche wirksame rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, sofern der Betreuer nicht einwilligt.
Teilweiser Einwilligungsvorbehalt
Häufiger ist der teilweise Einwilligungsvorbehalt, bei dem lediglich bestimmte Angelegenheiten, wie etwa Bankgeschäfte, Immobilienverfügungen oder Vertragsabschlüsse, der Einwilligungspflicht unterliegen. Damit wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen.
Vorübergehender und dauerhafter Einwilligungsvorbehalt
Der Vorbehalt kann zeitlich unbegrenzt oder befristet, etwa zur Abwendung einer akuten Gefährdung, angeordnet werden. Eine regelmäßige gerichtliche Überprüfung (mindestens alle sieben Jahre nach § 295 FamFG) ist vorgesehen.
Rechtsschutz und gerichtliche Kontrolle
Anordnung und Aufhebung
Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts erfolgt ausschließlich durch das Betreuungsgericht im Rahmen eines förmlichen Verfahrens nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Betroffene, nahe Angehörige und der Betreuer selbst können jederzeit die Aufhebung oder Änderung des Einwilligungsvorbehalts beantragen. Das Gericht hebt den Vorbehalt auf, sobald die Voraussetzungen entfallen sind.
Bedeutung für Verträge Dritter
Vertragsparteien werden mittels öffentlicher Bekanntmachung sowie durch Einsicht ins zentrale Register darüber in Kenntnis gesetzt, dass für die betreffende Person ein Einwilligungsvorbehalt gilt. Die Schutzwirkung umfasst auch den Rechtsverkehr, um Rechtsunsicherheit und missbräuchliche Vertragsabschlüsse zu verhindern.
Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten
Geschäftsunfähigkeit
Im Unterschied zur vollständigen Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB), bei der gar keine rechtswirksamen Erklärungen mehr abgegeben werden können, bleibt die beschränkt geschäftsfähige Person mit Einwilligungsvorbehalt grundsätzlich entscheidungs- und geschäftsfähig, ist jedoch hinsichtlich ihrer Willenserklärungen eingeschränkt.
Vormundschaft und Betreuung
Im Gegensatz zur (inzwischen weitgehend abgeschafften) Vormundschaft für Erwachsene ermöglicht die Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt einen flexibleren und individuell angepassten Schutz, der die Selbstbestimmung so weit wie möglich erhält und nur insoweit einschränkt, wie es zum notwendigen Schutz erforderlich ist.
Zusammenfassung und praktische Bedeutung
Der Einwilligungsvorbehalt ist ein wesentliches Instrument des Betreuungsrechts und trägt zum Schutz volljähriger, aber gefährdeter Personen bei, indem er deren Rechtsverkehr in gefährdeten Bereichen einzig unter dem Vorbehalt der Einwilligung eines Betreuers ermöglicht. Dabei gilt stets das Prinzip der Verhältnismäßigkeit durch gerichtliche Kontrolle, individuelle Ausgestaltung und auf Tätigkeiten begrenzte Beschränkung.
Die genaue Kenntnis der Voraussetzungen, des Umfangs und der Rechtsfolgen des Einwilligungsvorbehalts ist für alle am Betreuungsprozess beteiligten Stellen und auch für Dritte von entscheidender Bedeutung, um die Rechte und den Schutz der betroffenen Personen sicherzustellen und rechtssichere Vertragsabschlüsse zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
Wann und durch wen wird ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet?
Ein Einwilligungsvorbehalt wird durch das Betreuungsgericht stets nur dann angeordnet, wenn dies nach den §§ 1903, 1905 BGB zum Schutz des Betroffenen notwendig erscheint und andere, weniger eingreifende Maßnahmen nicht ausreichen. Voraussetzung ist, dass der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selber zu regeln, und die konkrete Gefahr besteht, dass er ohne einen solchen Vorbehalt erhebliche Schäden an seinem Vermögen oder seinen persönlichen Belangen verursacht. Das Gericht ordnet einen Einwilligungsvorbehalt entweder auf Antrag eines Beteiligten, z. B. der Betreuungsbehörde, Angehörigen, des bestellten Betreuers oder von Amts wegen an, wenn es den Schutz des Betroffenen geboten sieht. Dabei wird in einem gerichtlichen Verfahren, häufig nach persönlicher Anhörung des Betroffenen und auf Grundlage eines ärztlichen Gutachtens, über die Notwendigkeit und den Umfang des Einwilligungsvorbehalts entschieden.
Welche Rechtsgeschäfte unterliegen dem Einwilligungsvorbehalt?
Nicht alle Rechtsgeschäfte des Betroffenen werden automatisch vom Einwilligungsvorbehalt erfasst. Grundsätzlich erstreckt sich der Einwilligungsvorbehalt nur auf die im Beschluss bezeichneten Aufgabenkreise, meist Vermögensangelegenheiten, manchmal auch auf bestimmte Rechtsgeschäfte im Bereich der Gesundheitssorge oder Wohnungsangelegenheiten. Das Betreuungsgericht legt im Beschluss exakt fest, welche Angelegenheiten betroffen sind. Geschäfte des täglichen Lebens, die mit geringfügigen Mitteln des täglichen Bedarfs zu tun haben, sind von dem Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 4 BGB regelmäßig ausgenommen. Bei sogenannten höchstpersönlichen Rechtsgeschäften (z. B. Eheschließung, Testament) ist ein Einwilligungsvorbehalt grundsätzlich ausgeschlossen, weil diese nicht von einer Vertretung oder Mitwirkung durch den Betreuer abhängen.
Welche Rechtsfolgen hat ein ohne Einwilligung vorgenommenes Rechtsgeschäft?
Verfügt ein Betroffener über einen Einwilligungsvorbehalt und nimmt ein von diesem betroffener Rechtsgeschäft ohne die erforderliche Einwilligung seines Betreuers vor, gilt dieses Rechtsgeschäft gemäß § 1903 Abs. 3 Satz 1 BGB als schwebend unwirksam. Das bedeutet, dass das Geschäft solange keine rechtliche Wirkung entfaltet, bis der Betreuer die Einwilligung erteilt. Wird die Einwilligung nachträglich erteilt, wird das Rechtsgeschäft rückwirkend wirksam. Verweigert der Betreuer seine Zustimmung, bleibt das Geschäft endgültig unwirksam. Dies soll verhindern, dass der Betroffene ohne ausreichenden Schutz möglicherweise nachteilige oder schädigende Rechtsgeschäfte tätigt.
Ist ein Einwilligungsvorbehalt befristet und wie kann er aufgehoben werden?
Der Einwilligungsvorbehalt wird grundsätzlich nur solange angeordnet, wie seine Voraussetzungen bestehen. Das Gericht ist verpflichtet, regelmäßig, aber spätestens alle sieben Jahre gemäß § 295 Abs. 1 FamFG zu überprüfen, ob der Einwilligungsvorbehalt noch weiter erforderlich ist. Der Betroffene, seine Angehörigen, der Betreuer oder auch die Betreuungsbehörde können jederzeit einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung des Einwilligungsvorbehalts stellen, wenn sich die Umstände ändern und die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. In einem gerichtlichen Verfahren wird dann überprüft, ob die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen fortbesteht. Liegt kein Bedarf mehr vor, wird der Einwilligungsvorbehalt, ggf. auch rückwirkend, aufgehoben.
Welche Auswirkungen hat der Einwilligungsvorbehalt im schuldrechtlichen Verkehr?
Im schuldrechtlichen Verkehr bedeutet der Einwilligungsvorbehalt, dass der Betroffene zwar weiterhin geschäftsfähig bleibt, seine Willenserklärungen jedoch bezüglich der betroffenen Aufgabenkreise der vorherigen Zustimmung des Betreuers bedürfen. Vertragspartner des Betroffenen sollten sich daher vor einem Vertragsschluss oder bei Verhandlungen über die Vorlage eines Betreuerausweises und ggf. des gerichtlichen Beschlusses über den Einwilligungsvorbehalt informieren, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Ohne Zustimmung des Betreuers abgeschlossene Verträge sind schwebend unwirksam; dies kann insbesondere bei größeren Anschaffungen oder Dauerschuldverhältnissen ein erhebliches Risiko für beide Seiten darstellen.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Einwilligungsvorbehalt und Geschäftsunfähigkeit?
Der Einwilligungsvorbehalt unterscheidet sich wesentlich von einer gerichtlichen Feststellung der Geschäftsunfähigkeit. Beim Einwilligungsvorbehalt bleibt der Betroffene grundsätzlich geschäftsfähig, ist aber für bestimmte, gerichtlich angeordnete Angelegenheiten auf die Zustimmung des Betreuers angewiesen (§ 1903 BGB). Dagegen verliert ein Mensch, bei dem die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB festgestellt wurde, grundsätzlich die Fähigkeit, überhaupt wirksame rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben. Der Einwilligungsvorbehalt ist somit eine mildere und differenziertere Schutzmaßnahme, die die Autonomie des Betroffenen möglichst weitgehend wahrt und nur in konkret benannten Feldern einschränkt.
Können Einwilligungsvorbehalt und Kontrollbetreuung nebeneinander angeordnet werden?
Nach der aktuellen Rechtslage ist es grundsätzlich möglich, sowohl eine Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB) als auch einen Einwilligungsvorbehalt anzuordnen. Dies kommt insbesondere dann vor, wenn der Betroffene einerseits in bestimmten Bereichen seinen tatsächlichen Willen nicht mehr frei von Gefahr für sich oder sein Vermögen ausüben kann und andererseits zur Überwachung und Kontrolle der Tätigkeit eines Bevollmächtigten ergänzende Kontrolle durch einen Betreuer nötig erscheint. Das Gericht wird jedoch immer darauf achten, ob die einzelnen Maßnahmen in ihrem Umfang und Zusammenspiel verhältnismäßig und im Interesse des Betroffenen erforderlich sind.