Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Einwegkunststoffprodukte

Einwegkunststoffprodukte


Einwegkunststoffprodukte: Rechtliche Definition und Einordnung

Begriff und allgemeine Definition

Einwegkunststoffprodukte sind Erzeugnisse, die ganz oder teilweise aus Kunststoff bestehen, nicht dazu bestimmt sind, mehrfach verwendet zu werden und typischerweise nach einmaligem Gebrauch entsorgt werden. Eine zentrale Definition findet sich im europäischen und deutschen Abfall- und Umweltrecht, insbesondere im Kontext der EU-Richtlinie (EU) 2019/904 vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (umgangssprachlich Einwegkunststoff-Richtlinie oder SUP-Richtlinie für „Single-Use Plastics”).

Gesetzliche Grundlagen der Regulierung

Europäische Union

Die EU-Richtlinie 2019/904 legt verbindliche Maßgaben für die Herstellung, den Vertrieb und die Nutzung von Einwegkunststoffprodukten fest. Ziel ist es, dem Eindringen von Kunststoffabfällen in die Umwelt entgegenzuwirken und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Die Richtlinie schreibt unter anderem vor:

  • Das Verbot ausgewählter Einwegprodukte aus Kunststoff (z.B. Wattestäbchen, Besteck, Teller, Strohhalme).
  • Kennzeichnungspflichten für bestimmte Produktgruppen.
  • Verpflichtende Maßnahmen zur Reduktion des Verbrauchs.
  • Herstellerpflichten in Bezug auf Sammlung, Entsorgung und Finanzierung von Maßnahmen.

Deutschland

In Deutschland wurde die EU-Richtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung der Einwegkunststoffrichtlinie (EWKVerbotsV) und weitere Änderungen im Verpackungsgesetz sowie dem Kreislaufwirtschaftsgesetz umgesetzt. Wichtige rechtliche Regelungen umfassen:

  • Verordnung über das Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Einwegkunststoffprodukte und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff (EWKVerbotsV)
  • Verpackungsgesetz (VerpackG), insbesondere im Hinblick auf Pfandsysteme, Rücknahmepflichten und Kennzeichnung.
  • Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das die generelle Abfallvermeidung und -verwertung regelt.

Rechtliche Definitionen und Anwendungsbereich

Nach Art. 3 Nr. 2 der Einwegkunststoffrichtlinie bezeichnet der Begriff „Einwegkunststoffprodukt” jedes Produkt, das ganz oder teilweise aus Kunststoff besteht und nicht für Mehrfachverwendung konzipiert, entwickelt oder in Verkehr gebracht wird. Die Richtlinie enthält ausführliche Listen betroffener Produktkategorien, etwa:

  • Lebensmittelbehälter,
  • Getränkebehälter (bis 3 Liter),
  • Becher,
  • Bestecke,
  • Teller,
  • Trinkhalme,
  • Rührstäbchen,
  • Luftballonstäbe
  • u.v.m.

Abzugrenzen sind diese Produkte von Mehrwegkunststoffprodukten, biobasierten Kunststoffen und Produkten aus alternativen Materialien.

Kunststoffbegriff im Rechtssinn

Für die Regulierung ist entscheidend, ob das Produkt „ganz oder teilweise” aus Kunststoff besteht. Kunststoff ist dabei wie folgt definiert (vgl. Art. 3 Nr. 1 der SUP-Richtlinie): „Werkstoff, der aus Polymeren besteht, denen gegebenenfalls Zusatzstoffe oder andere Stoffe zugesetzt wurden”. Nicht umfasst sind natürliche Polymere, die nicht chemisch modifiziert wurden.

Pflichten und Verbote nach dem deutschen Recht

Inverkehrbringensverbote

Die EWKVerbotsV untersagt das Inverkehrbringen verschiedener Einwegkunststoffprodukte, darunter:

  • Wattestäbchen
  • Besteck, Teller, Trinkhalme
  • Rührstäbchen
  • Luftballonstäbe
  • Lebensmittelbehälter aus expandiertem Polystyrol
  • Getränkebecher aus expandiertem Polystyrol

Kennzeichnungspflichten

Einwegkunststoffprodukte wie Feuchttücher, Damenhygieneartikel oder Tabakprodukte mit Filtern müssen mit einem spezifischen Hinweis auf die Umweltauswirkungen versehen werden. Ziel ist die Verbraucheraufklärung und die Reduktion von Littering.

Verbraucherpflichten und Rücknahmepflichten

Gemäß Verpackungsgesetz besteht bei bestimmten Getränkebehältern eine Pfandpflicht sowie eine Rücknahmepflicht für die Vertreiber. Zudem müssen Händler seit 2023 für To-Go-Lebensmittel im Einwegkunststoffbehälter zusätzlich eine Mehrwegalternative anbieten.

Herstellerverantwortung und Produktverantwortung

Die Einwegkunststoffrichtlinie und das daraus abgeleitete nationale Recht verlagern einen Teil der Kosten für Sammlung, Reinigung und Entsorgung bestimmter Einwegkunststoff-Abfälle auf die Hersteller. Dies betrifft insbesondere den sogenannten „erweiterten Herstellerverantwortung” (EPR):

  • Finanzierung von Reinigungsmaßnahmen im öffentlichen Raum (z. B. für Tabakfilter, Lebensmittelverpackungen),
  • Beteiligung an der Kostenübernahme für Sensibilisierungskampagnen,
  • Förderung der Entwicklung alternativer Materialien.

Abgrenzung zu weiteren produktrechtlichen Regelungsmaterien

Einwegkunststoffprodukte sind geregelt im Kontext verschiedener rechtlicher Bereiche, wie etwa dem Produktrecht, Umweltrecht und dem Abfallrecht. Zusätzlich sind Regelungen aus dem Lebensmittelrecht, Chemikalienrecht und im Bereich der Verbraucherinformationspflichten zu beachten.

Sanktionen und Durchsetzung

Verstöße gegen die oben genannten Verbote und Pflichten können mit Bußgeldern geahndet werden. Zuständige Durchsetzungsbehörden sind zumeist die Umweltämter auf Landes- und Kommunalebene.

Ausblick: Zukunft der Regulierung

Mit fortschreitender Umsetzung der Richtlinie und der geplanten Überarbeitung des Kreislaufwirtschaftsrechts wird eine weitere Verschärfung der Regelungen für Einwegkunststoffprodukte erwartet. Weitere Produktgruppen können erfasst und bisherige Verbote ausgedehnt werden. Umweltschutz und Förderung der Kreislaufwirtschaft bleiben dabei zentrale Themen.


Zusammenfassung:
Einwegkunststoffprodukte stellen einen eigenen, umfassend und detailliert geregelten Begriff im europäischen und deutschen Umwelt- und Produktrecht dar. Die rechtliche Einordnung betrifft Herstellungsverbot, Kennzeichnung, Rücknahme und Entsorgung genauso wie Herstellerverantwortung und Sanktionierung. Ziel der Regulierung ist der Schutz der Umwelt vor Kunststoffabfällen und die Förderung nachhaltiger Produktalternativen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Einwegkunststoffprodukte sind nach den aktuellen EU-rechtlichen Vorgaben verboten?

Europaweit regelt die Einwegkunststoffrichtlinie (EU) 2019/904 die Einschränkung von Einwegkunststoffartikeln. Seit dem 3. Juli 2021 gelten verbindliche Verbote für bestimmte Produkte. Konkret umfasst das Verbot Einwegprodukte wie Besteck (Gabeln, Messer, Löffel, Essstäbchen), Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen, Wattestäbchen, Luftballonstäbe sowie alle Lebensmittelbehälter und Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol (EPS) und deren Verschlüsse. Auch Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff sind untersagt. Diese Verbote gelten sowohl für die Herstellung als auch für das Inverkehrbringen, was bedeutet, dass weder Hersteller noch Händler diese Artikel in der EU anbieten dürfen. Restbestände, die vor dem 3. Juli 2021 in Verkehr gebracht wurden, dürfen abverkauft werden, sofern nationale Übergangsregelungen dies erlauben. Unternehmen riskieren bei Verstößen verwaltungsrechtliche Bußgelder und Unterlassungsanordnungen.

Welche Pflichten treffen Hersteller und Vertreiber gemäß der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung?

Hersteller und Vertreiber, die Einwegkunststoffprodukte weiter im Verkehr belassen dürfen, unterliegen Kennzeichnungspflichten gemäß der Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung (EWKKennzV) auf Grundlage der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2151. Bestimmte Produkte wie Feuchttücher, Menstruationsprodukte, Filter für Tabakprodukte und Getränkebecher sind mit einem gut sichtbaren, nicht entfernbaren Hinweissymbol zu versehen, das auf den Kunststoffanteil sowie die Umweltauswirkungen hinweist. Die Verantwortung für die korrekte und rechtssichere Kennzeichnung liegt beim erstmals in Verkehr Bringenden in Deutschland, inklusive der Einhaltung von konkreten Vorgaben zu Größe, Platzierung und Material der Kennzeichnung. Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht können mit Bußgeldern belegt werden.

Welche erweiterten Herstellerverantwortungen bestehen nach nationalem Recht?

§ 33 und § 34 des deutschen Verpackungsgesetzes (VerpackG) setzen zusätzliche Anforderungen der Richtlinie in nationales Recht um. Danach müssen Hersteller ab Juli 2022 für bestimmte Einwegkunststoffprodukte wie To-Go-Becher, Lebensmittelverpackungen und Feuchttücher ab dem 1. Januar 2023 eine erweiterte Herstellerverantwortung übernehmen. Damit sind sie verpflichtet, sich im neuen Einwegkunstoffregister zu registrieren und sich finanziell an Entsorgungs- und Reinigungsmaßnahmen im öffentlichen Raum zu beteiligen. Die genaue Höhe der Abgabe wird durch die Zentrale Stelle Verpackungsregister festgelegt. Werden die Pflichten nicht erfüllt, drohen behördliche Untersagungsverfügungen und empfindliche Bußgelder.

Inwiefern unterliegen Einwegkunststoffprodukte dem Gebot der Ökodesign-Anforderungen?

Mit Artikel 6 der Einwegkunststoffrichtlinie wird ein Rahmen für die Förderung von Mehrweg- und Recyclingkonzepten gesetzt. Seit 2024 dürfen Getränkeflaschen aus Einwegkunststoff mit einem Fassungsvermögen von bis zu drei Litern nur noch in Verkehr gebracht werden, wenn deren Deckel und Verschlüsse am Behältnis befestigt bleiben (sogenannte tethered caps), um ein Verlorengehen in die Umwelt zu verhindern. Hersteller sind zudem verpflichtet, ab 2025 einen bestimmten Recyclinganteil beim Herstellungsprozess einzuplanen und kontinuierlich zu steigern. Nationale Überwachungsbehörden kontrollieren die Einhaltung dieser technischen Anforderungen.

Welche Ausnahmen sieht das Recht für den medizinischen Bereich vor?

Einwegkunststoffprodukte, die ausschließlich im medizinischen Bereich verwendet werden, wie beispielsweise bestimmte Schutzausrüstungen oder Medizinprodukte, fallen unter die Ausnahmeregeln der EU-Richtlinie und deren nationale Umsetzung. Für diese Produkte gelten die Verbote und Kennzeichnungspflichten nicht, soweit sie nachweislich im Rahmen medizinischer Anwendungen notwendig sind. Die Zweckbindung muss jedoch eindeutig dokumentiert werden, um Missbrauch oder Umgehung der Verbote zu verhindern. Behörden sind angehalten, streng zu prüfen, ob die Ausnahme sachlich gerechtfertigt ist.

Was bedeutet das „Inverkehrbringen” eines Einwegkunststoffprodukts rechtlich?

Im Sinne der Einwegkunststoffrichtlinie und des deutschen Verpackungsgesetzes bedeutet das „Inverkehrbringen” das erstmalige Bereitstellen eines Produkts auf dem Markt eines EU-Mitgliedstaates, unabhängig davon, ob das Produkt entgeltlich oder unentgeltlich abgegeben wird. Für Importeure und Online-Händler besteht die Pflicht, die nationalen Vorgaben bereits zu erfüllen, bevor die Produkte Endkunden erreichen. Das Inverkehrbringen umfasst dabei sowohl den gewerblichen Handel als auch das Bereitstellen durch Dienstleister. Die Definition ist bewusst weit gefasst, um eine Umgehung der Verbote und Pflichten zu verhindern.

Welche Sanktionsmöglichkeiten sieht das Recht bei Verstößen gegen die Verbote und Pflichten vor?

Verstöße gegen die Verbote und Pflichten nach der Einwegkunststoffrichtlinie und dem deutschen Umsetzungsgesetz werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Die Behörden können Bußgelder bis zu 100.000 Euro verhängen. Zudem drohen Verkaufsverbote sowie Beschlagnahmung und Vernichtung verbotener Produkte. Unternehmen sind verpflichtet, interne Kontrollmechanismen zur Einhaltung aller Vorgaben einzurichten; bei systematischen Verstößen kann die Wettbewerbszentrale Abmahnungen aussprechen. Bei einer Missachtung der Registrierungspflichten können Firmen zudem von Ausschreibungen öffentlicher Stellen ausgeschlossen werden.