Einvernehmliche Scheidung: Begriff, Bedeutung und rechtlicher Rahmen
Die einvernehmliche Scheidung ist die Form der Eheauflösung, bei der beide Ehegatten die Trennung akzeptieren und sich über die wichtigsten Folgen der Scheidung verständigen. Sie zielt auf ein schlankes, kooperatives Verfahren vor dem Familiengericht ab und vermeidet eine streitige Auseinandersetzung. Im Mittelpunkt stehen die Klärung der Trennung, die Einigung über Vermögens- und Unterhaltsfragen sowie Regelungen zu Kindern.
Abgrenzung zur streitigen Scheidung
Bei der streitigen Scheidung bestehen wesentliche Punktdifferenzen, die das Gericht entscheiden muss. Die einvernehmliche Scheidung beruht hingegen auf konsensualen Lösungen. Dadurch reduziert sich der Umfang gerichtlicher Entscheidungen, was in der Regel Verfahren und Kosten überschaubarer macht.
Voraussetzungen und Grundprinzipien
Trennung und Zerrüttung
Eine einvernehmliche Scheidung setzt in der Regel eine vorangegangene Trennung und die Feststellung voraus, dass die Ehe gescheitert ist. Das Trennungsjahr dient als Orientierungsrahmen, um die Dauerhaftigkeit der Trennung zu dokumentieren. Ein Rückkehrversuch ist rechtlich nicht ausgeschlossen und unterbricht die Trennung nur dann, wenn er nachhaltig ist.
Gemeinsame Grundentscheidung
Beide Ehegatten erkennen an, dass die Ehe beendet werden soll. Auf dieser Basis einigen sie sich zu den Scheidungsfolgen oder legen diese dem Gericht in konsentierter Form vor.
Anwalts- und Gerichtsbezug
Das gerichtliche Scheidungsverfahren wird beim Familiengericht geführt. Für den Scheidungsantrag ist eine anwaltliche Vertretung vorgesehen. Der andere Ehegatte kann der Scheidung zustimmen, ohne eigene Anträge zu stellen. Eigene Anträge erfordern grundsätzlich ebenfalls anwaltliche Vertretung.
Ablauf des Verfahrens
1. Antragstellung beim Familiengericht
Ein Ehegatte stellt über seine Vertretung den Scheidungsantrag. Dem Gericht werden die erforderlichen Personenstandsdaten und Unterlagen übermittelt. Das Gericht leitet das Verfahren ein und fordert ergänzende Informationen an.
2. Versorgungsausgleich
Die während der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanrechte werden grundsätzlich ausgeglichen. Das Gericht holt hierzu Auskünfte der Versorgungsträger ein. Die Auswertung ist oft der zeitintensivste Schritt des Verfahrens. Ehegatten können den Versorgungsausgleich in bestimmten Konstellationen begrenzen oder ausschließen; hierfür gelten Formanforderungen und eine gerichtliche Angemessenheitskontrolle.
3. Einigung über Scheidungsfolgen
Die Verständigung erfolgt typischerweise in einer Scheidungsfolgenvereinbarung. Diese kann Vermögensaufteilung, Unterhalt, Nutzung der Ehewohnung, Hausrat, elterliche Sorge, Umgang und Kindesunterhalt regeln. Für bestimmte Inhalte ist eine notarielle Beurkundung oder die Protokollierung vor Gericht üblich.
4. Mündliche Verhandlung und Entscheidung
Nach Vorliegen der Auskünfte und Vereinbarungen bestimmt das Gericht einen Termin. Beide Ehegatten werden zur gescheiterten Ehe und zu den Einigungen angehört. Das Gericht spricht die Scheidung aus und entscheidet über noch offene Punkte, soweit erforderlich. Die Entscheidung wird nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig.
Regelungsbereiche im Überblick
Elterliche Sorge und Umgang
Bei gemeinsamen Kindern stehen das Sorgerecht und die Ausgestaltung des Umgangs im Vordergrund. Einvernehmliche Regelungen stellen das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Änderungen sind später möglich, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern.
Kindesunterhalt
Der Kindesunterhalt richtet sich nach Bedürftigkeit des Kindes und Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils. Leitlinien und Tabellen dienen als Orientierung. Vereinbarungen müssen das Mindestniveau der Absicherung beachten.
Trennungs- und nachehelicher Unterhalt
Unterhaltsansprüche zwischen den Ehegatten unterscheiden zwischen der Zeit der Trennung und der Zeit nach der Scheidung. Einvernehmliche Festlegungen berücksichtigen Einkommensverhältnisse, Erwerbsmöglichkeiten und besondere Belastungen. Anpassungen sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Vermögen, Schulden und Zugewinn
Die während der Ehe erzielten Vermögenszuwächse werden bilanziert und ausgeglichen, sofern keine anderweitige Gütervereinbarung besteht. Schulden sind nach Entstehung und Zweck zuordnungs- und ausgleichsrelevant. Einvernehmliche Lösungen regeln auch die Übernahme von Verbindlichkeiten und Sicherheiten.
Ehewohnung und Hausrat
Die Nutzung der Ehewohnung und die Verteilung des Hausrats werden alltagstauglich festgelegt. Möglich sind Alleinnutzung, Auszug, zeitweilige Mitbenutzung sowie die Zuordnung von Gegenständen nach Bedarf und Eigentumsverhältnissen.
Namensführung
Nach der Scheidung kann der Ehenamen beibehalten oder wieder die frühere Namensführung aufgenommen werden. Hierfür sind standesamtliche Erklärungen vorgesehen.
Scheidungsfolgenvereinbarung
Inhalt und Form
Die Vereinbarung bündelt alle Folgeregelungen. Sie erfordert je nach Regelungsinhalt eine notarielle Beurkundung oder gerichtliche Protokollierung. Das Gericht prüft die Angemessenheit in zentralen Punkten und achtet auf Belange von Kindern.
Wirkung und Anpassung
Die Vereinbarung schafft Rechtsklarheit. Änderungen sind begrenzt möglich, vor allem bei nachhaltig veränderten Verhältnissen in Unterhalts- und Kindsbelangen. Vermögensrechtliche Festlegungen sind grundsätzlich dauerhaft bindend.
Dauer, Kosten und Verfahrensorganisation
Dauer
Die Verfahrensdauer wird maßgeblich von der Bearbeitungszeit des Versorgungsausgleichs bestimmt. Häufig liegt sie im Bereich mehrerer Monate. Zeitnahe Auskünfte und vollständige Unterlagen beschleunigen den Ablauf.
Kosten
Die Kosten setzen sich aus Gerichts- und Anwaltskosten zusammen. Sie werden anhand eines Verfahrenswerts berechnet, der sich u. a. an Einkommen und Umfang der Folgesachen orientiert. In einvernehmlichen Verfahren fallen typischerweise weniger Zusatzkosten an, da weniger streitige Anträge zu bearbeiten sind. Eine Kostenaufteilung zwischen den Ehegatten ist üblich. Unterstützung durch staatliche Hilfen ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Verfahrensorganisation und Vertraulichkeit
Familiengerichtliche Verfahren sind nicht öffentlich. Das Gericht führt die Beteiligten strukturiert durch das Verfahren, erteilt Hinweise und dokumentiert die Ergebnisse. Digitale Einreichungswege und Videoanhörungen sind je nach Gerichtspraxis möglich.
Internationale Aspekte
Zuständigkeit und anwendbares Recht
Bei Wohnsitz in verschiedenen Staaten oder unterschiedlicher Staatsangehörigkeit regeln internationale Vorgaben, welches Gericht zuständig ist und welches Recht Anwendung findet. Innerhalb der EU bestehen koordinierte Zuständigkeits- und Anerkennungsgrundsätze. Die Anerkennung ausländischer Scheidungen folgt vereinheitlichten Verfahren.
Auslandsbezüge bei Folgesachen
Vermögen im Ausland, Rentenanwartschaften in anderen Staaten und Fragen der elterlichen Sorge mit grenzüberschreitendem Bezug erfordern abgestimmte Lösungen und geeignete Nachweise. Sprachen- und Formfragen sind zu berücksichtigen.
Vorteile, Grenzen und typische Missverständnisse
Vorteile
- Reduzierter Konfliktumfang und klare Ergebnisse
- Kürzere Verfahren durch Konsens über Folgesachen
- Planbarkeit von Kosten und Abläufen
Grenzen
- Gericht prüft und entscheidet, wenn Einigungslücken verbleiben
- Formstrenge bei Vereinbarungen mit Langzeitwirkung
- Bindungswirkung vermögensrechtlicher Regelungen
Typische Missverständnisse
- Einvernehmlichkeit bedeutet nicht, dass keine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist: Das Gericht spricht die Scheidung aus.
- Auch ohne Streit ist der Versorgungsausgleich grundsätzlich Teil des Verfahrens.
- „Schnellverfahren“ ohne Trennung ist nicht der Regelfall.
Nachweise und Unterlagen
Übliche Dokumente
Erforderlich sind in der Regel Personenstandsnachweise (z. B. Heiratsurkunde), Angaben zu Einkommen und Vermögen sowie Auskünfte für den Versorgungsausgleich. Bei Kindern werden ergänzende Daten zu Betreuung und Bedarf benötigt.
Vergleich zur streitigen Scheidung
Im Gegensatz zur streitigen Scheidung konzentriert sich die einvernehmliche Scheidung auf konsentierte Lösungen. Das Verfahren bleibt auf die gerichtliche Entscheidung über die Scheidung und die Protokollierung bzw. Prüfung der Einigungen beschränkt. Offene Einzelfragen werden nur punktuell entschieden.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet „einvernehmlich“ bei der Scheidung?
Einvernehmlich bedeutet, dass beide Ehegatten die Scheidung wollen und sich über die wesentlichen Folgen wie Unterhalt, Vermögensaufteilung, elterliche Sorge, Umgang und Kindesunterhalt verständigt haben. Das Gericht entscheidet dann nur noch über verbliebene Punkte oder bestätigt die Einigungen.
Ist für die einvernehmliche Scheidung ein Trennungsjahr erforderlich?
Das Trennungsjahr ist der übliche zeitliche Rahmen, um die dauerhafte Trennung zu belegen. Es dient dazu, die Zerrüttung der Ehe festzustellen und Rechtsklarheit über den Ehezeitraum zu schaffen.
Müssen beide Ehegatten anwaltlich vertreten sein?
Für den Scheidungsantrag ist anwaltliche Vertretung vorgesehen. Der andere Ehegatte kann zustimmen, ohne eigene Anträge zu stellen. Werden eigene Anträge gestellt, ist ebenfalls anwaltliche Vertretung erforderlich.
Wie lange dauert eine einvernehmliche Scheidung?
Die Dauer hängt vor allem vom Versorgungsausgleich und der Vollständigkeit der Unterlagen ab. Häufig bewegt sich der Zeitraum im unteren einstelligen Monatsbereich, kann bei komplexen Versorgungsanrechten aber länger sein.
Fallen bei Einvernehmlichkeit trotzdem Versorgungsausgleich und Gerichtstermin an?
Ja. Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich Bestandteil des Verfahrens, und das Gericht führt regelmäßig einen Termin zur Anhörung beider Ehegatten durch.
Welche Form benötigt eine Scheidungsfolgenvereinbarung?
Je nach Inhalt ist eine notarielle Beurkundung oder die Protokollierung vor Gericht üblich. Dies betrifft insbesondere Regelungen mit langfristiger Wirkung wie Vermögensaufteilung, Unterhalt oder Versorgungsausgleich.
Wer trägt die Kosten der einvernehmlichen Scheidung?
Die Kosten bestehen aus Gerichts- und Anwaltskosten. Eine Aufteilung zwischen den Ehegatten ist gängig. Grundlage ist der Verfahrenswert, der sich an wirtschaftlichen Eckdaten orientiert.
Werden ausländische einvernehmliche Scheidungen anerkannt?
Die Anerkennung richtet sich nach internationalen Vorgaben und nationalen Anerkennungsverfahren. Innerhalb der EU bestehen weitgehend vereinheitlichte Regeln zur Zuständigkeit und Anerkennung.