Begriff und Grundlagen der Einstweiligen Unterbringung
Die einstweilige Unterbringung ist eine Maßnahme des deutschen Rechts, die im Rahmen eines straf- oder zivilrechtlichen Verfahrens ergriffen werden kann, um den vorläufigen Aufenthalt einer Person in einer psychiatrischen Einrichtung oder einer vergleichbaren geschlossenen Einrichtung anzuordnen. Sie dient in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit oder der betroffenen Person selbst, wenn eine dringende Gefahr droht und andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen. Die rechtlichen Grundlagen finden sich insbesondere in § 126a der Strafprozessordnung (StPO) sowie in den jeweiligen Landesgesetzen zur Unterbringung geistig Kranker oder Suchtkranker.
Einstweilige Unterbringung im Strafverfahren
Voraussetzungen und rechtliche Grundlagen
Im Strafprozess dient die einstweilige Unterbringung der vorläufigen Sicherung, wenn der Beschuldigte wegen seines psychischen Zustands für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) in Betracht kommt, aber das Hauptverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die rechtlichen Voraussetzungen sind im Einzelnen in § 126a StPO geregelt.
Wesentliche Voraussetzungen:
- Es muss ein dringender Tatverdacht hinsichtlich einer rechtswidrigen Tat bestehen.
- Es müssen Gründe für die Annahme vorliegen, dass die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt im Urteil wahrscheinlich ist.
- Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um die Gefahrenlage zu beseitigen.
Ziel und Zweck der Maßnahme
Ziel der einstweiligen Unterbringung ist es, das Verfahren gegen einen Beschuldigten, der für schuldunfähig oder vermindert schuldfähig gehalten wird, nicht zu behindern und gleichzeitig die Allgemeinheit oder den Betroffenen selbst vor erheblichen Rechtsgutverletzungen zu schützen. Im Unterschied zur regulären Untersuchungshaft steht nicht der Flucht- oder Verdunkelungsverdacht im Vordergrund, sondern die Annahme einer erheblichen Gefährlichkeit infolge einer psychischen Erkrankung.
Ablauf und rechtliches Verfahren
Verfahrensgang:
- Die Entscheidung über die einstweilige Unterbringung trifft das zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag der Staatsanwaltschaft.
- Die Anordnung muss schriftlich begründet und befristet werden. Eine Verlängerung über sechs Monate hinaus erfordert erneute gerichtliche Prüfung.
- Die Betroffenen werden gesetzlich vertreten und über die Maßnahme informiert. Sie haben das Recht, gegen die Entscheidung Beschwerde einzulegen (§ 304 StPO).
Rechtsmittel und Kontrolle:
- Die Anordnung ist regelmäßig zu überprüfen (§ 117 Abs. 1 StPO i.V.m. § 126a StPO).
- Neben der Hauptsacheentscheidung im Strafverfahren kann auch die sofortige Beschwerde eingelegt werden.
Einstweilige Unterbringung im Zivilrecht
Gesetzliche Regelungen
Im Zivilrecht erfolgt die einstweilige Unterbringung auf Grundlage der öffentlich-rechtlichen Unterbringungsgesetze der Bundesländer, zumeist als vorläufige Maßnahme zum Schutz vor Selbst- oder Fremdgefährdung, beispielsweise nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen (PsychKG) und dem Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten.
Beispiele rechtlicher Grundlagen:
- § 331 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
- Landesgesetze (Landesgleichstellungsgesetze, Psychisch-Kranken-Gesetze)
Voraussetzungen der zivilrechtlichen Unterbringung
- Es muss eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Person selbst oder Dritter bestehen.
- Die Maßnahme ist nur zulässig, wenn eine Unterbringung zur Abwendung dieser Gefahr erforderlich und verhältnismäßig erscheint.
- Eine richterliche Entscheidung ist grundsätzlich zwingend, in akuten Notfällen kann eine vorläufige Unterbringung zunächst auch ohne richterliche Anordnung erfolgen, diese muss dann schnellstmöglich nachgeholt werden (§ 331 FamFG).
Dauer und gerichtliche Kontrolle
Die einstweilige Unterbringung im Zivilrecht ist auf wenige Tage oder Wochen befristet. Eine Verlängerung oder endgültige Unterbringungsmaßnahme ist nur nach erneuter gerichtlicher Entscheidung möglich. Das Gericht hat den Betroffenen persönlich anzuhören und gegebenenfalls einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Die Maßnahme ist regelmäßig von Amts wegen zu überprüfen und möglichst frühzeitig zu beenden, wenn die Voraussetzungen entfallen.
Rechte und Schutz des Betroffenen
Anhörung und Rechtsmittel
Vor der Anordnung der einstweiligen Unterbringung ist der Betroffene persönlich anzuhören. Die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters oder Verfahrenspflegers zur Wahrnehmung der Interessen ist regelmäßig vorgeschrieben. Gegen die Entscheidung kann der Betroffene Beschwerde einlegen; im strafrechtlichen Verfahren ist auch die sogenannte “sofortige Beschwerde” möglich.
Grundrechtliche Bedeutung
Die einstweilige Unterbringung greift tief in die Grundrechte der betroffenen Person ein, insbesondere in das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Daher sind strenge gesetzliche Voraussetzungen, ein rechtsstaatliches Prüfungsverfahren und eine effektive gerichtliche Kontrolle zwingend vorgeschrieben, um Missbrauch zu verhindern.
Verhältnis zur regulären Unterbringung, Untersuchungshaft und anderen Maßnahmen
Die einstweilige Unterbringung im Straf- und Zivilrecht unterscheidet sich von der regulären Unterbringung oder der Untersuchungshaft. Während die Untersuchungshaft der Sicherung des Strafverfahrens dient, hat die einstweilige Unterbringung primär das Ziel, dringende Gefahr abzuwenden, die von einer psychisch kranken oder suchtkranken Person für sich oder andere ausgeht, bis in einem Hauptsacheverfahren abschließend entschieden wurde.
Praxisrelevanz und statistische Erfassung
Die praktische Bedeutung der einstweiligen Unterbringung ist enorm, da sie häufig in akuten Krisensituationen Anwendung findet. Die Zahl dieser Maßnahmen wird statistisch erfasst und regelmäßig veröffentlicht, beispielsweise im Rahmen der Sozialstatistik oder spezifischer wissenschaftlicher Untersuchungen zu Zwangsmaßnahmen in psychiatrischen Einrichtungen.
Literatur- und Rechtsquellen
- § 126a StPO (Strafprozessordnung)
- § 63, § 64 StGB (Strafgesetzbuch)
- § 331 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
- Psychisch-Kranken-Gesetze der Bundesländer (z.B. BayPsychKHG, PsychKG NRW)
- Grundgesetz, Art. 2 Absatz 2 Satz 2 GG
Zusammenfassung
Die einstweilige Unterbringung stellt eine hoch ausgestaltete und streng geregelte staatliche Maßnahme dar, die im Interesse der Gefahrenabwehr und des Schutzes psychisch kranker oder suchtkranker Personen beziehungsweise der Allgemeinheit gerichtlich angeordnet werden kann. Sie darf nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen erfolgen und wird durch umfassende rechtsstaatliche Sicherungen begleitet, um die Rechte der Betroffenen zu sichern und einem Missbrauch vorzubeugen. Die Maßnahme ist von zeitlich und sachlich eng begrenzter Dauer und wird regelmäßig kontrolliert sowie nur als letztes Mittel angeordnet.
Häufig gestellte Fragen
Wann darf eine einstweilige Unterbringung angeordnet werden?
Eine einstweilige Unterbringung kann nach deutschem Recht durch das zuständige Gericht angeordnet werden, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Person aufgrund ihres psychischen Zustandes eine erhebliche Gefahr für sich selbst oder für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Voraussetzung ist regelmäßig das Vorliegen eines ärztlichen Gutachtens, das die psychische Erkrankung und die akute Gefährdungslage bescheinigt. Die gerichtliche Entscheidung muss unverzüglich erfolgen und ist meistens zunächst auf wenige Wochen befristet. Sie dient in erster Linie dem Schutz der betroffenen Person oder Dritter und soll im Gegensatz zur längerfristigen Unterbringung eine sofortige Gefahr abwenden, während die Voraussetzungen der Hauptsache (endgültige Unterbringung) noch geprüft werden.
Welche Rechte stehen der betroffenen Person während der einstweiligen Unterbringung zu?
Betroffene Personen behalten während einer einstweiligen Unterbringung alle Grundrechte, soweit deren Ausübung nicht durch die Maßnahme selbst eingeschränkt ist. Insbesondere steht ihnen das Recht auf rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren zu; sie sind vor der Entscheidung vom Gericht persönlich anzuhören, außer dringende Eilbedürftigkeit verhindert dies vorübergehend. Sie haben zudem das Recht, gegen die Anordnung Beschwerde einzulegen (§ 70 FamFG) und einen Anwalt oder gesetzlichen Vertreter beizuziehen. Darüber hinaus unterliegen die Unterbringungseinrichtungen gerichtlicher Kontrolle und müssen die Würde der betroffenen Person wahren.
Wie lange darf eine einstweilige Unterbringung höchstens dauern?
Die Dauer einer einstweiligen Unterbringung ist gesetzlich begrenzt. Nach § 427 FamFG und den entsprechenden Landesgesetzen darf sie in der Regel eine bestimmte Frist nicht überschreiten, die meist zwischen sechs und maximal acht Wochen liegt. Eine Verlängerung ist nur in Ausnahmefällen und bei fortbestehender akuter Gefährdung durch einen erneuten Gerichtsbeschluss möglich. Die Maßnahme soll ausdrücklich nur vorläufig sein, bis über eine dauerhafte Unterbringung im Hauptverfahren entschieden worden ist.
Welches Gericht ist für die Anordnung einer einstweiligen Unterbringung zuständig?
Zuständig für die Anordnung einer einstweiligen Unterbringung ist das Betreuungsgericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort der betroffenen Person. In besonders eilbedürftigen Fällen kann auch das Gericht am Ort des aktuellen Aufenthalts tätig werden. Das Verfahren ist nichtöffentlich, und das Gericht hat bei der Entscheidung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Zuständigkeitsfragen sind genau geregelt, um eine möglichst schnelle gerichtliche Entscheidung zu gewährleisten und eine Gefährdung möglichst umgehend abzuwenden.
Welche Beschwerdemöglichkeiten bestehen gegen die einstweilige Unterbringung?
Gegen die gerichtliche einstweilige Unterbringung kann die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter das Rechtsmittel der Beschwerde gemäß den Vorschriften des FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) einlegen. Die Beschwerde ist beim nächsthöheren Gericht einzureichen und hat aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Gericht ordnet die sofortige Vollziehung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit an (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Entscheidung der Beschwerdeinstanz erfolgt zeitnah, um den effektiven Rechtsschutz sicherzustellen.
Ist eine Zwangsmedikation im Rahmen der einstweiligen Unterbringung zulässig?
Eine Zwangsmedikation während einer einstweiligen Unterbringung ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig. Sie bedarf einer besonderen richterlichen Anordnung und ist ausschließlich dann erlaubt, wenn eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit abgewendet werden muss und mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Die gesetzlichen Regelungen hierzu wurden durch zahlreiche Gerichtsentscheidungen und das Bundesverfassungsgericht nachträglich verschärft. Regelmäßig muss die Maßnahme verhältnismäßig, dokumentiert und von einem Facharzt angeordnet sowie von unabhängigen Stellen überprüfbar sein.
Wer trägt die Kosten für das gerichtliche Verfahren und die Unterbringung?
Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zur einstweiligen Unterbringung sowie die Kosten der Unterbringung selbst trägt grundsätzlich die untergebrachte Person, soweit sie dazu finanziell in der Lage ist. Ist dies nicht der Fall, können die Kosten auf die Staatskasse übergehen oder von den Sozialhilfeträgern übernommen werden. Die gerichtlichen Kosten richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG); für die Unterbringung können unter Umständen Zuzahlungen und für die medizinische Versorgung sowie den Aufenthalt in einer Einrichtung Kosten durch die Kranken- bzw. Sozialversicherung anfallen. Die genaue Kostenregelung hängt vom individuellen Einzelfall und den jeweiligen Landes- und Bundesregelungen ab.