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Einstrahlung


Begriff und rechtliche Definition der Einstrahlung

Der Begriff Einstrahlung ist im deutschen Recht insbesondere im Kontext des Nachbarrechts von Bedeutung und bezeichnet allgemein das Eindringen von Immissionen auf ein Grundstück von außen. Immissionen im Sinne des § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück auf das eigene ausgehen. Einstrahlung beschreibt hierbei insbesondere Einwirkungen durch Licht, Wärme, Reflexion oder elektromagnetische Wellen. Sie ist abzugrenzen von anderen Formen der Immission, wie Erschütterungen, Geräuschen oder Erschütterungen.

Einstrahlung ist damit eine Form der sogenannten „unmittelbaren Immission”, die durch menschliche Tätigkeit oder technische Einrichtungen ausgelöst werden kann. Klassische Fälle der Einstrahlung sind Spiegelungen durch Glasfassaden, Lichtreflexionen von Photovoltaikanlagen oder auch künstliches Licht benachbarter Grundstücke.

Rechtlicher Rahmen der Einstrahlung im Nachbarrecht

Gesetzliche Grundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zur Einstrahlung finden sich in den §§ 906 ff. BGB, die das zivilrechtliche Immissionsschutzrecht normieren. Weiterhin enthält das bundesrechtliche Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die darauf basierenden Verordnungen Vorschriften, die auch Licht- und Strahlungsimmissionsschutz regeln.

Wichtige Normen:

  • § 906 BGB (Zuführung unwägbarer Stoffe)
  • § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch)
  • Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
  • Landesnachbarrechtsgesetze

§ 906 BGB: Duldungspflicht und Abwehrrecht

Nach § 906 Abs. 1 BGB muss der Eigentümer eines Grundstücks Einwirkungen dulden, solange sie die Benutzung des Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Überschreitet die Einstrahlung das ortsübliche Maß, ist sie wesentlich im Sinn des Gesetzes und kann grundsätzlich abgewehrt werden.

Beispiele für wesentliche Einstrahlung:

  • Blendwirkung durch stark reflektierende Fassaden
  • Intensive Wärmeeinwirkung durch Abstrahlung
  • Übermäßige Lichtverschmutzung durch Beleuchtungsanlagen

§ 1004 BGB: Abwehr- und Beseitigungsanspruch

Besteht eine wesentliche Beeinträchtigung, kann der Eigentümer nach § 1004 BGB Unterlassung oder Beseitigung verlangen. Voraussetzung ist hier, dass kein Duldungstatbestand vorliegt, etwa weil die Einwirkung ortsüblich oder mit spezieller behördlicher Genehmigung verbunden ist.

Bedeutung der Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit

Die zentrale Frage im Zusammenhang mit der rechtlichen Bewertung von Einstrahlungen ist, ob die Einwirkung ortsüblich und unwesentlich ist. Maßgeblich ist hierbei die Verkehrsanschauung am jeweiligen Ort und das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen.

Mögliche Beurteilungsaspekte:

  • Art und Intensität der Einstrahlung
  • Zeitlicher Umfang (dauerhaft, gelegentlich, saisonal)
  • Charakter der angrenzenden Grundstücke (Wohnbebauung, Gewerbe, Landwirtschaft)

Gerichtliche Feststellung

Die Einschätzung der Wesentlichkeit erfolgt häufig durch Sachverständige und ist auf den jeweiligen Einzelfall zugeschnitten. Gerichte nutzen hierbei technische Messwerte (z.B. Lux für Licht, Grad für Wärmeeinstrahlung), orientieren sich jedoch stets an den spezifischen örtlichen Gegebenheiten.

Einzelne Erscheinungsformen der Einstrahlung

Licht- und Blendimmissionen

Hierzu zählen Einwirkungen durch künstliche oder natürliche Lichtquellen sowie Reflexionen. Ein typisches Beispiel ist die Blendwirkung durch Sonneneinstrahlung, die von reflektierenden Oberflächen auf Nachbargrundstücke weitergegeben wird.

Elektromagnetische Strahlung

Einwirkungen durch Mobilfunkanlagen, Richtfunk, Sendeeinrichtungen oder Stromleitungen gelten rechtlich ebenfalls als Einstrahlung. Hierbei stehen gesundheitliche Auswirkungen sowie elektromagnetische Verträglichkeit im Fokus der Beurteilung.

Wärmeeinstrahlung

Abstrahlung von Wärme, etwa durch Großanlagen, Heizanlagen oder Solaranlagen, fällt genauso unter den Begriff der Einstrahlung. Auch hier ist entscheidend, ob die Beeinträchtigung die Schwelle der Wesentlichkeit überschreitet.

Abwehrrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten

Anspruchsgrundlagen

Die Abwehr rechtswidriger oder wesentlicher Einstrahlungen erfolgt zumeist über:

  • Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB
  • Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 906 BGB
  • Abwehr- und Entschädigungsansprüche nach dem BImSchG
  • Geltendmachung von Schadensersatz, wenn eine Wertminderung eintritt (z.B. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB)

Selbsthilfemaßnahmen und gerichtliche Durchsetzung

Eigentümer sind in der Regel verpflichtet, vor eigenmächtigen Abwehrmaßnahmen (wie das Verdecken oder Beseitigen von Einrichtungen des Nachbarn) den Rechtsweg zu beschreiten. Die gerichtliche Durchsetzung erfolgt meist im einstweiligen Rechtsschutz oder durch Klageverfahren vor den Zivilgerichten.

Baurechtliche und öffentlich-rechtliche Aspekte

Baurechtliche Zulässigkeit

Die Zulässigkeit technischer Anlagen, von denen Einstrahlung ausgeht, richtet sich auch nach dem öffentlichen Baurecht. Baugenehmigungsverfahren umfassen regelmäßig Prüfungen bezüglich des Immissionsschutzes. Objektiv-rechtliche Vorgaben (Abstandsflächen, Reflexionsschutz) werden durch Bebauungspläne, Landesbauordnungen und Sondervorschriften geregelt.

Umwelt- und Immissionsschutzrecht

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz regelt den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, zu denen auch Einstrahlung gehört. Betreiber genehmigungspflichtiger Anlagen müssen technische und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um unzulässige Einstrahlung zu vermeiden.

Abgrenzung zu verwandten Rechtsbegriffen

Nicht jede Einwirkung auf das Nachbargrundstück stellt eine relevante Einstrahlung dar. Abzugrenzen sind Einwirkungen durch Stoffe (wie Abgase, Gerüche, Flüssigkeiten) oder durch Schall und Erschütterungen, bei denen teils spezielle gesetzliche Regelungen gelten.

Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen

Gerichte haben in zahlreichen Urteilen zu Fragen der Einstrahlung Stellung genommen. Die Rechtsprechung entwickelt sich insbesondere hinsichtlich Licht- und Reflexionsimmissionen dynamisch fort, insbesondere im Zusammenhang mit zunehmender Bebauungsdichte, energetischer Sanierung und dem Ausbau erneuerbarer Energien (z.B. Photovoltaik-Anlagen).

Beispielhafte Entscheidungen:

  • BGH, Urteil vom 02.02.1979 – V ZR 179/77 (zur Blendwirkung durch reflektiertes Sonnenlicht)
  • OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2018 – I-9 U 35/17 (zur Einstrahlung durch Photovoltaikanlagen)

Zusammenfassung

Einstrahlung beschreibt im rechtlichen Sinn die Einwirkung nichtstofflicher Energie (insbesondere Licht, Wärme, Strahlung) von einem Grundstück auf ein anderes und ist insbesondere im Nachbarrecht von hoher Bedeutung. Die Beurteilung erfolgt anhand gesetzlicher Vorgaben, wobei die Ortsüblichkeit und Wesentlichkeit der Beeinträchtigung maßgebend sind. Eigentümer sind vor wesentlicher und nicht ortsüblicher Einstrahlung geschützt und können Unterlassung oder Beseitigung verlangen. Daneben sind baurechtliche und umweltrechtliche Vorgaben zu beachten. Die rasante technische Entwicklung, insbesondere im Bereich erneuerbarer Energien und Kommunikationstechnologie, führt hierfür zu einer dynamischen Entwicklung der Rechtslage und Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Schutz vor unzumutbarer Einstrahlung im Nachbarrecht?

Im deutschen Recht ist der Schutz vor unzumutbaren Einwirkungen durch Einstrahlung hauptsächlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Maßgeblich ist § 906 BGB, der sich mit „Zuführungen unwägbarer Stoffe” beschäftigt. Dieser Paragraph unterscheidet zwischen wesentlichen und unwesentlichen Beeinträchtigungen. Nachbar*innen haben einen Abwehranspruch, wenn von einem Grundstück Licht-, Wärme- oder ähnliche Einwirkungen (wie REFLEXIONEN durch Solaranlagen oder auch LED-Licht von Werbeanlagen) in das Nachbargrundstück einwirken und diese als wesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB einzustufen sind. Darüber hinaus können landesrechtliche Vorschriften, etwa aus den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer, zusätzliche Regelungen beinhalten. Das öffentliche Baurecht, insbesondere die jeweiligen Landesbauordnungen, sowie spezielle Vorschriften, zum Beispiel zum Schutz vor Lichtverschmutzung, können ebenfalls ergänzend einschlägig sein.

Welche Rolle spielt die Wesentlichkeit der Einstrahlung für den Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung?

Ob ein Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung besteht, hängt maßgeblich davon ab, ob die Einstrahlung als wesentlich anzusehen ist. Bei der Prüfung der Wesentlichkeit ist objektiv darauf abzustellen, ob ein durchschnittlicher Bewohner unter den gegebenen Umständen in der konkreten Umgebung die Einwirkung als erheblich störend empfinden würde. Entscheidend ist die Sichtweise eines verständigen Durchschnittsmenschen, nicht ungewöhnlich empfindlicher Personen. Die Rechtsprechung stellt dabei auf die Umgebungsverhältnisse ab; so kann etwa in Gewerbegebieten eine stärkere Lichteinwirkung eher als unwesentlich gelten. Je nach Art der Einstrahlung (z. B. Reflexion, blendendes Licht, Wärmeeinwirkung) und deren Ausmaß sind auch technische Grenzwerte, wie sie zum Beispiel in Normen oder Richtlinien (z. B. DIN-Normen zur Lichtimmission) festgelegt sind, heranzuziehen.

Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast bei Streitigkeiten um Einstrahlungen?

Im Fall zivilrechtlicher Streitigkeiten um Einstrahlung liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim beeinträchtigten Nachbarn (Kläger). Er oder sie muss substantiiert darlegen, dass von dem Nachbargrundstück eine bestimmte Einstrahlung ausgeht und diese die Nutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigt. Gelingt ihm oder ihr dies, muss der Störer darlegen und beweisen, dass die Beeinträchtigung gemäß § 906 BGB unwesentlich ist, insbesondere dass eventuell bestehende Grenz- oder Richtwerte für die jeweilige Einstrahlungsart eingehalten werden oder die Einwirkung ortsüblich ist. Im Streitfall werden oft Sachverständige zur Feststellung von Art, Umfang und Intensität der Einwirkungen hinzugezogen.

Gibt es spezielle Vorschriften oder Urteile zur Einstrahlung durch Solaranlagen?

Ja, es existieren sowohl landesgesetzliche Vorschriften als auch zahlreiche Urteile, die sich speziell mit der Einstrahlung beziehungsweise Lichtreflexion von Solaranlagen beschäftigen. Gerichte (wie etwa das Landgericht München I, Urteil vom 06.12.2012, Az. 31 S 7694/11) haben entschieden, dass von Solaranlagen ausgehende Blendwirkungen für Nachbarn unzumutbar sein können, sofern sie in Intensität, Dauer und Regelmäßigkeit das übliche Maß überschreiten. Grundsätzlich ist die Errichtung einer Solaranlage zulässig, solange von ihr keine wesentliche Beeinträchtigung ausgeht. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit werden unter anderem meteorologische Gutachten und relevante DIN-Normen (z. B. DIN 5034 zur Tageslichtnutzung) herangezogen.

Inwieweit können öffentlich-rechtliche Vorschriften den zivilrechtlichen Abwehranspruch beeinflussen?

Öffentlich-rechtliche Vorschriften können den zivilrechtlichen Abwehranspruch nach § 906 BGB begrenzen. Wurde beispielsweise für eine bauliche Anlage eine öffentlich-rechtliche Genehmigung erteilt, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein nachbarlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB an die Stelle des Unterlassungsanspruchs treten. Dies bedeutet, dass der Nachbar die Einwirkung zu dulden hat, aber eine angemessene finanzielle Entschädigung verlangen kann. Die Rechtsprechung prüft in diesen Fällen, ob der Schutz der Nachbarn ausreichend im Genehmigungsverfahren gewürdigt wurde und ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften speziell auf die streitgegenständliche Immission (z. B. Licht- oder Wärmeeinwirkung) eingehen.

Wie können Betroffene zivilrechtlich gegen unzulässige Einstrahlung vorgehen?

Betroffene haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten. Zunächst kann außergerichtlich versucht werden, mit dem Nachbarn eine gütliche Einigung oder Anpassung der störenden Anlage herbeizuführen. Scheitert dies, stehen Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 906 BGB zur Verfügung. Zusätzlich können Beseitigungsansprüche bestehen, sofern noch eine weitere Nutzung zu erwarten ist. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, ist in der Regel vorab die Einschaltung eines Schiedsverfahrens oder einer Schlichtungsstelle nach den jeweiligen Landesgesetzen zu prüfen; dies ist in manchen Bundesländern obligatorisch. Erfolgt keine einvernehmliche Lösung, kann Klage vor dem zuständigen Amts- oder Landgericht erhoben werden.

Welche Bedeutung haben technische Normen und Gutachten in gerichtlichen Verfahren?

Technische Normen, wie die DIN 5034 (Tageslicht in Innenräumen), DIN EN 12464 (Beleuchtung von Arbeitsstätten) oder die Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtemissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI), werden regelmäßig bei der Frage herangezogen, ob eine Einstrahlung wesentlich ist. Gerichte holen in Streitfällen im Regelfall ein Sachverständigengutachten ein, um die Intensität, Dauer und Zumutbarkeit der Immissionen zu bewerten. Die Einhaltung technischer Normen spricht häufig dafür, dass keine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, ist aber nicht bindend, wenn die konkrete Beanspruchung dennoch als besonders gravierend empfunden wird. Das Sachverständigengutachten bildet meist die objektive Grundlage für die gerichtliche Entscheidung.