Begriff und rechtliche Einordnung der Einstiegsqualifizierung
Die Einstiegsqualifizierung (EQ) ist ein im deutschen Arbeitsförderungsrecht verankertes Instrument zur Förderung des Übergangs junger Menschen in die betriebliche Ausbildung. Das Ziel besteht darin, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die bisher Schwierigkeiten beim direkten Zugang zu einer dualen Berufsausbildung hatten, eine betriebliche Qualifizierungs- und Erprobungsphase zu verschaffen. Die Einstiegsqualifizierung ist rechtlich insbesondere im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), im Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowie in der Handwerksordnung (HwO) geregelt.
Gesetzliche Grundlagen
Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)
Die grundsätzlichen Regelungen zur Einstiegsqualifizierung finden sich im § 54a SGB III. Hier ist die Förderung der Einstiegsqualifizierung als Teil der Berufsausbildung, jedoch eigenständig strukturiert, ausgestaltet. Zentrale Merkmale sind:
- Zielgruppe: Junge Menschen, die aus individuell unterschiedlichen Gründen bisher keine Ausbildungsstelle gefunden haben.
- Förderfähigkeit: Der Nachweis der Ausbildungsplatzsuche und der Nichtvermittlung in eine Berufsausbildung ist Voraussetzung.
- Förderdauer: Die Dauer der Einstiegsqualifizierung beträgt mindestens sechs Monaten und höchstens zwölf Monate.
Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO)
Die rechtliche Gestaltung der Einstiegsqualifizierung als berufsbildende Maßnahme ist durch das BBiG (§ 66 BBiG, „Einstiegsqualifizierung“) und die Handwerksordnung ergänzt. Demnach ist die EQ dann förderfähig, wenn sie nach den in Ausbildungsordnungen geregelten Berufen durchgeführt wird und eine anerkannte Berufsvorbereitung darstellt.
Ablauf, Inhalt und rechtlicher Rahmen der Einstiegsqualifizierung
Vertragsschluss und Rechtsverhältnis
Das Beschäftigungsverhältnis während der Einstiegsqualifizierung wird durch einen qualifizierten EQ-Vertrag zwischen dem Bewerber und dem Betrieb geregelt. Dieser Vertrag unterliegt Vorgaben bezüglich Mindest- und Höchstdauer, Vergütung sowie einzuhaltenden Ausbildungsinhalten.
- Vertragsparteien: Betrieb und Jugendlicher; ggf. Einbeziehung der jeweiligen Kammer zur Registrierung und Kontrolle.
- Meldung: Die Maßnahme ist der zuständigen Kammer (z.B. Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer) anzuzeigen.
- Vergütung: Der Betrieb zahlt eine angemessene Vergütung, die durch die Bundesagentur für Arbeit bezuschusst werden kann.
- Sozialversicherung: Die Teilnehmenden unterliegen während der Maßnahme der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Inhalte und Qualifizierungsziele
Die inhaltliche Ausgestaltung orientiert sich an den ersten Ausbildungsjahren eines anerkannten Ausbildungsberufes. Die zu vermittelnden Kernkompetenzen sowie die zu erwerbenden fachlichen Qualifikationen werden betrieblich vermittelt und in enger Absprache mit den jeweiligen Kammern organisiert und dokumentiert.
- Dokumentation: Betriebe sind verpflichtet, regelmäßig über den Qualifizierungsfortschritt zu berichten. Am Ende erfolgt eine abschließende Bewertung und Erstellung eines betrieblichen Zeugnisses.
- Qualifizierungsziele: Neben fachlichen Kompetenzen liegt ein besonderer Fokus auf berufsbezogenen Sozial- und Schlüsselqualifikationen.
Förderung und finanzielle Aspekte
Förderhöhe und Zuschüsse
Die Förderung der Einstiegsqualifizierung erfolgt gemäß § 54a SGB III durch die Bundesagentur für Arbeit. Im Förderrahmen werden Zuschüsse zur Vergütung sowie zur Sozialversicherung gewährt:
- Vergütungszuschuss: Die Bundesagentur für Arbeit kann einen Teil der Vergütung übernehmen.
- Sozialversicherungszuschuss: Die Sozialversicherungsbeiträge werden anteilig übernommen.
Fördervoraussetzungen für Betriebe
Betriebe, die eine Einstiegsqualifizierung anbieten möchten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
- Betriebliche Eignung: Nachweis der Fähigkeit, für den jeweiligen Beruf ausbilden zu können.
- Meldepflicht: Anzeige der Einstiegsqualifizierung an die zuständige Kammer.
- Förderantrag: Der Betrieb stellt einen gesonderten Antrag auf Förderung bei der Bundesagentur für Arbeit.
Rechtliche Folgen und weitere Übergangsmöglichkeiten
Übergang in ein reguläres Ausbildungsverhältnis
Nach erfolgreichem Abschluss der Einstiegsqualifizierung besteht die Option auf nahtlosen Übergang in ein reguläres Ausbildungsverhältnis im ausbildenden oder einem anderen Betrieb. Die während der EQ erbrachte Qualifizierungszeit kann nach Absprache mit dem Ausbildungsbetrieb und der zuständigen Kammer auf die Ausbildungsdauer angerechnet werden (§ 7 Absatz 2 BBiG).
Recht auf ein Abschlusszeugnis
Teilnehmende der Einstiegsqualifizierung haben nach Beendigung einen Anspruch auf ein qualifiziertes betriebliches Zeugnis, welches die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten detailliert dokumentiert (§ 66 Absatz 2 BBiG).
Rechtsfolgen bei Vertragsverletzungen und Beendigung
Kündigung und Vertragsauflösung
Das Vertragsverhältnis während der Einstiegsqualifizierung kann unter Einhaltung bestimmter Fristen und gemäß den Vereinbarungen im Vertrag gelöst werden. Zudem sind die allgemeinen Grundsätze des deutschen Zivilrechts zu beachten. Bei vorzeitiger Beendigung entstehen keine Rückzahlungsverpflichtungen hinsichtlich der gewährten Zuschüsse, soweit keine grobe Pflichtverletzung vorliegt.
Versicherungsschutz und Haftung
Für den Zeitraum der Einstiegsqualifizierung besteht umfassender sozial- und unfallversicherungsrechtlicher Schutz. Betriebe sind verpflichtet, die Teilnehmenden bei der Sozialversicherung anzumelden.
Abgrenzung zu anderen Maßnahmen der Ausbildungsförderung
Die Einstiegsqualifizierung ist von anderen Maßnahmen der Berufsausbildungsvorbereitung, insbesondere den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB), klar abzugrenzen. Während BvB eher schulisch-ausgerichtete Maßnahmen mit betrieblicher Erprobung darstellen, ist die EQ konsequent betrieblich organisiert.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), insbesondere §§ 54a, 81
- Berufsbildungsgesetz (BBiG), insbesondere §§ 66, 7
- Handwerksordnung (HwO)
- Richtlinien der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung der Einstiegsqualifizierung
Fazit
Die Einstiegsqualifizierung stellt ein wesentliches arbeitsrechtliches Instrument zur Förderung der Ausbildungsfähigkeit junger Menschen im deutschen Recht dar. Ihre rechtliche Ausgestaltung bietet Betrieben und Jugendlichen klare Strukturen, Rechte und Pflichten. Durch das Ineinandergreifen von arbeits-, sozial- und bildungsrechtlichen Regelungen wird ein flexibler Übergang in eine vollqualifizierte betriebliche Ausbildung ermöglicht, wodurch nachhaltige Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt geschaffen werden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Durchführung einer Einstiegsqualifizierung?
Die Durchführung einer Einstiegsqualifizierung (EQ) basiert in Deutschland rechtlich insbesondere auf § 54a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Dieses regelt die sogenannte „förderungsfähige berufsvorbereitende Maßnahme“. Ebenso einschlägig ist die Verordnung über die Berufsausbildungsvorbereitung (BerBAVO), welche Organisation und Inhalte der Maßnahme betrifft. Die rechtliche Grundlage legt fest, dass die EQ ausschließlich mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen durchgeführt werden darf, die auf dem allgemeinen Ausbildungsmarkt bislang keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Vertragspartner sind der EQ-Teilnehmer und der Ausbildungsbetrieb, wobei der Vertrag eine befristete Dauer von mindestens sechs und höchstens zwölf Monaten haben muss. Die Maßnahme muss zudem von der zuständigen Kammer anerkannt und begleitet werden. Abschließend muss für jeden Teilnehmer ein individueller Förderplan erstellt werden, und die Förderung durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter setzt eine schriftliche Vereinbarung über die Inhalte und Ziele der Qualifizierung voraus. Zusätzliche arbeitsrechtliche Vorschriften wie das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) können Anwendung finden.
Welche arbeitsrechtlichen Pflichten und Rechte ergeben sich für den Betrieb während einer EQ?
Der Betrieb, der eine Einstiegsqualifizierung anbietet, schließt mit dem Teilnehmer einen Praktikumsvertrag ab, der jedoch kein Ausbildungsvertrag im eigentlichen Sinne ist und daher rechtlich als Praktikumsvertrag klassifiziert wird. Daraus resultieren arbeitsrechtlich Besonderheiten: Während des EQ-Verhältnisses besteht grundsätzlich kein Anspruch auf tarifliches Ausbildungsentgelt, jedoch auf eine angemessene Vergütung, die meist durch die Förderung der Agentur für Arbeit erfolgt. Es gelten die Regelungen des Arbeitsrechts, insbesondere des Teilzeit- und Befristungsgesetzes sowie des Mindestlohngesetzes, soweit keine gesetzlichen Ausnahmen greifen. Es besteht keine Sozialversicherungspflicht, da der Teilnehmer während der EQ als Praktikant geführt wird und von der Agentur für Arbeit sozialversichert wird. Die betriebliche Pflicht zur Fürsorge, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Pausenregelung, Unfallverhütung und Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes, bleibt jedoch vollumfänglich bestehen.
Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Vergütung während einer Einstiegsqualifizierung?
Gemäß § 54a SGB III wird die Einstiegsqualifizierung grundsätzlich mit einer Vergütung gefördert, die der Betrieb an den EQ-Teilnehmer zahlt. Die Agentur für Arbeit fördert den Betrieb hierfür mit bis zu 262 Euro monatlich (Stand: 2024) sowie einen pauschalen Zuschuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen. Eine Vergütung über die Förderung hinaus ist zulässig, jedoch freiwillig vom Betrieb. Die Zahlung erfolgt unabhängig von der tatsächlichen Betriebsgröße oder der Branche. Sollte der Betrieb die Vergütung nicht zahlen, kann die Förderung durch die Agentur für Arbeit entfallen. Die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge läuft ebenfalls über die Förderung, nicht über eine Anmeldung als Arbeitnehmer im Betrieb, was etwaige zusätzliche Lohnnebenkosten minimiert.
Greift der Kündigungsschutz während der Einstiegsqualifizierung, und wie kann das EQ-Verhältnis beendet werden?
Da die Einstiegsqualifizierung rechtlich als Praktikum gilt, findet der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nur eingeschränkt Anwendung. Der Praktikumsvertrag kann gemäß den individuellen Vereinbarungen im EQ-Vertrag aufgelöst werden, wobei eine Kündigungsfrist vorzusehen ist, die üblicherweise in Anlehnung an Ausbildungs- oder Praktikumsverhältnisse geregelt wird. In der Probezeit – normalerweise die ersten vier Wochen – kann das EQ-Verhältnis ohne Einhalten einer Kündigungsfrist beendet werden. Nach Ablauf dieser Frist beträgt die übliche Kündigungsfrist zwei Wochen. Die Kündigung muss immer schriftlich erfolgen. Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen ist eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Besondere Schutzvorschriften, wie etwa Mutterschutz oder Schwerbehindertenschutz, gelten auch hier.
Welche Rolle spielen Berufsgenossenschaften und der Arbeitsschutz im Rahmen der EQ?
Teilnehmer der Einstiegsqualifizierung sind nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 SGB VII) als „wie Beschäftigte“ in die betriebliche Unfallversicherung des Unternehmens einbezogen. Der Betrieb ist verpflichtet, den Teilnehmer bei der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden, um den Versicherungsschutz während aller Tätigkeiten im Rahmen der EQ sicherzustellen. Arbeitsschutzrechtliche Regelungen wie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), und das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sind vollumfänglich anzuwenden. Der Betrieb muss alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes gewährleisten. Für minderjährige Teilnehmer gelten besondere Vorschriften hinsichtlich Arbeitszeit, Pausen, und Tätigkeitsverboten.
Welche Rechte haben Teilnehmer nach Abschluss der Einstiegsqualifizierung im Hinblick auf eine Anrechnung auf eine anschließende Ausbildung?
Nach erfolgreichem Abschluss der Einstiegsqualifizierung erhalten die Teilnehmer eine Bescheinigung der zuständigen Kammer. § 7 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sieht die Möglichkeit vor, dass eine erfolgreich absolvierte EQ auf eine anschließende duale Berufsausbildung angerechnet werden kann. Voraussetzung ist, dass die Inhalte und die Dauer der EQ erheblich mit dem ersten Teil der Berufsausbildung übereinstimmen und der Ausbildende sowie die Kammer der Anrechnung zustimmen. In der Regel kann bis zu einem halben Jahr auf die reguläre Ausbildungszeit angerechnet werden. Ein Rechtsanspruch auf Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis oder auf die Anrechnung der Maßnahme besteht jedoch nicht, sondern dies erfolgt im Ermessen der Ausbildungsbetriebe und der zuständigen Stelle.