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Einsperren


Begriff und rechtliche Einordnung des Einsperrens

Das Einsperren bezeichnet im rechtlichen Kontext das Hegen einer Person in einem Raum oder abgegrenzten Bereich in einer Weise, dass sie diesen gegen ihren Willen nicht verlassen kann. Der Begriff ist insbesondere im Strafrecht von Bedeutung, findet aber auch im Zivilrecht und weiteren Rechtsbereichen Anwendung. Einsperren wird häufig im Zusammenhang mit Freiheitsberaubung, Freiheitsentziehung und sichernden Maßnahmen gegenüber Personen verwendet.

Strafrechtliche Aspekte des Einsperrens

Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)

Im deutschen Strafrecht ist das Einsperren insbesondere durch § 239 des Strafgesetzbuchs (StGB) als Tatbestand der Freiheitsberaubung geregelt. Freiheitsberaubung ist die rechtswidrige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit eines anderen Menschen.

Tatbestand des Einsperrens

Unter „Einsperren“ versteht man das Verhindern des Verlassens eines Raumes durch äußere Vorrichtungen (z. B. Abschließen von Türen, Verriegeln von Fenstern) gegen den tatsächlich oder mutmaßlich geäußerten Willen der betroffenen Person. Wesentlich ist, dass dem Opfer eine Möglichkeit zum Verlassen des Raumes genommen wird und keine zumutbare Fluchtmöglichkeit besteht.

Abgrenzung: Sonstige Freiheitsberaubende Handlungen

Neben dem Einsperren umfasst der Tatbestand weitere Handlungen, mit denen jemand „auf andere Weise der Freiheit beraubt“ wird. Hierzu zählen Fesseln, Festhalten oder das Versetzen in einen Zustand, der eine freie Fortbewegung verhindert (beispielsweise durch Gewahrsamsentzug außerhalb eines geschlossenen Raumes).

Strafmaß

Das Strafmaß für das Einsperren als tatbestandsmäßige Freiheitsberaubung beläuft sich gemäß § 239 Abs. 1 StGB auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei Qualifikationen, beispielsweise wenn die Tat länger als eine Woche andauert oder das Opfer in die Gefahr schwerer Gesundheitsschäden gerät (§ 239 Abs. 3 und 4 StGB), sieht das Gesetz erhöhte Strafrahmen vor.

Relevanz in weiteren Strafrechtsnormen

Darüber hinaus spielt das Einsperren als Teilaspekt eine Rolle in weiteren Tatbeständen, etwa beim Raub (§ 249 StGB), bei der Geiselnahme (§ 239b StGB) oder beim Menschenraub (§ 234 StGB), sofern dabei die Bewegungsfreiheit des Opfers eingeschränkt wird.

Zivilrechtliche Aspekte des Einsperrens

Unerlaubte Handlung und Schadensersatz

Das widerrechtliche Einsperren einer Person stellt regelmäßig auch eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar, was zu Schadensersatzansprüchen des Opfers führen kann. Erfasst werden sowohl materielle Schäden (z. B. Vermögensschäden) als auch immaterielle Schäden (z. B. Schmerzensgeld für die erlittene Freiheitsentziehung).

Anspruch auf Unterlassung

Neben dem Schadensersatz kann der Betroffene nach §§ 1004, 823 BGB regelmäßig auch Unterlassungsansprüche geltend machen, um zukünftiges Einsperren zu verhindern.

Öffentlich-rechtliche Aspekte des Einsperrens

Polizeirecht und Unterbringung

Behördliche Einsperrmaßnahmen – etwa im Rahmen des Polizeirechts oder bei der Unterbringung psychisch erkrankter Personen – unterliegen strengen gesetzlichen Voraussetzungen und rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen (verfassungsrechtlich geschützt durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG – Freiheit der Person). Der Freiheitsentzug ist regelmäßig nur aufgrund eines Gesetzes und unter Beachtung von gerichtlichen Genehmigungsvorbehalten zulässig.

Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung

Die rechtmäßige Freiheitsentziehung im Sinne von Einsperren bedarf grundsätzlich einer besonderen richterlichen Anordnung oder eines entsprechenden dringenden öffentlichen Interesses (etwa zur Abwehr unmittelbarer Gefahr oder im Maßregelvollzug).

Verhältnismäßigkeit

Alle behördlichen Einsperrmaßnahmen unterliegen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Freiheitsentziehung muss geeignet, erforderlich und angemessen sein und darf nur so lange wie notwendig andauern.

Einsperren im Familien- und Betreuungsrecht

Minderjährigenschutz

Einsperren von Kindern oder Jugendlichen, etwa zu erzieherischen Zwecken, ist grundsätzlich untersagt und kann strafrechtlich wie zivilrechtlich Konsequenzen für die Sorgeberechtigten nach sich ziehen. Eine Ausnahme bilden freiheitsentziehende Maßnahmen auf richterlichen Beschluss im Kontext von Maßregeln zum Schutz Minderjähriger.

Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Betreuung

Im Betreuungsrecht (§ 1906 BGB) unterliegt das Einsperren betreuter Personen besonderen Anforderungen und richterlichen Genehmigungspflichten. Dies betrifft etwa das Abschließen von Türen in Pflegeeinrichtungen oder die Anwendung mechanischer Vorrichtungen zur Bewegungseinschränkung.

Internationale und menschenrechtliche Dimension

Menschenrechte und Freiheitsentziehung

Das Einsperren greift grundlegend in das durch Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Artikel 9 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) geschützte Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person ein. Jegliche Form von Einsperren bedarf daher einer klaren gesetzlichen Rechtsgrundlage und gerichtlicher Überprüfbarkeit.

Bindung an Grundrechte

Der staatliche Schutz der Freiheit der Person zählt zu den elementaren Grundrechten und bindet Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Verstöße durch Einsperren ohne rechtliche Legitimation können vor staatlichen und internationalen Gerichten gerügt und sanktioniert werden.

Abgrenzungen und verwandte Begriffe

Unterschied zu Gewahrsam und Festhalten

Nicht jedes Festhalten oder jede Beeinträchtigung von Bewegungsfreiheit stellt ein Einsperren im strafrechtlichen Sinne dar. Erforderlich ist das vollständige Ausschließen der Möglichkeit, einen umschlossenen Raum zu verlassen. Ein kurzzeitiges Festhalten ohne räumliche Eingrenzung kann ebenfalls strafbar sein, fällt jedoch unter „auf andere Weise“ der Freiheit berauben (§ 239 StGB).

Private Ordnungsregeln und Selbstjustiz

Selbsthilfe durch Privatpersonen (z. B. Festhalten eines Ladendiebs) ist durch § 127 Abs. 1 StPO möglich, jedoch nur im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Ein unrechtmäßiges Einsperren auch in solchen Situationen bleibt strafbar.

Rechtsfolgen und Rechtsmittel

Strafprozessuale Möglichkeiten

Betroffene können bei widerrechtlichem Einsperren Anzeige erstatten und mittels Strafanzeige sowie Nebenklage Rechte im Strafverfahren wahrnehmen.

Zivilrechtliche Rechtsmittel

Der Zivilrechtsweg eröffnet Betroffenen die Möglichkeit auf Schadensersatz und Unterlassung per Klageweg.

Rechtsschutz bei behördlichen Maßnahmen

Gegen behördlich angeordnetes oder durchgeführtes Einsperren steht der Rechtsweg offen, insbesondere im Rahmen von Eilanträgen oder Beschwerdeverfahren (z. B. gemäß § 62 FamFG bei Unterbringungen).

Literatur und Gesetzestexte

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 239
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 823, 1004, 1906
  • Grundgesetz Art. 2 Abs. 2 S. 2
  • Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 5
  • FamFG, § 62

Zusammenfassend beschreibt Einsperren eine erhebliche und rechtsrelevant gesteuerte Beschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit, die durch verschiedene Rechtsgebiete detailiert reguliert und sanktioniert wird. Die rechtliche Bewertung hängt von den jeweils geltenden Tatbestandsmerkmalen, Legitimitätsgrundlagen und Verfahren des Rechtsschutzes ab.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt aus rechtlicher Sicht ein strafbares Einsperren vor?

Ein strafbares Einsperren gemäß deutschem Recht liegt in der Regel dann vor, wenn eine Person gegen ihren Willen durch physische oder sonstige Maßnahmen daran gehindert wird, einen Raum oder eine Umgebung zu verlassen. Maßgeblich ist, ob die Bewegungsfreiheit der Person so eingeschränkt wird, dass sie objektiv nicht mehr in der Lage ist, ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen oder ohne weiteres zu verlassen. Dies kann beispielsweise durch Verschließen einer Tür, Blockieren von Ausgängen oder Überwachen mit dem Ziel der Verhinderung einer Flucht geschehen. Nach § 239 StGB (Strafgesetzbuch) ist das Freiheitsberaubung und kann mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist der Vorsatz des Täters, also das Wissen und Wollen der Einschränkung der Bewegungsfreiheit gegen den Willen des Opfers. Auch ein nur kurzes Einsperren oder die Fixierung auf engem Raum erfüllen bereits den Tatbestand, sofern das Opfer objektiv in seiner Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt ist.

Gibt es Ausnahmen, in denen das Einsperren rechtlich zulässig ist?

Ja, es gibt im deutschen Recht verschiedene Ausnahmen, in denen ein Einsperren nicht strafbar ist, weil es durch gesetzliche Vorschriften oder ein überwiegendes Rechtsgut gerechtfertigt wird. Dazu zählt etwa das Notwehrrecht (§ 32 StGB), wenn das Einsperren zur Abwehr einer gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffshandlung dient. Weiterhin kann im Rahmen der sogenannten rechtfertigenden Einwilligung das Einsperren zulässig sein, sofern die betroffene Person dem ausdrücklich und freiwillig zustimmt. Auch im Bereich staatlicher Maßnahmen, etwa bei einer vorübergehenden polizeilichen Ingewahrsamnahme nach dem Polizeigesetz oder der Strafvollstreckung auf Basis eines richterlichen Beschlusses, ist das Einsperren durch hoheitliche Zwangsmaßnahmen gedeckt, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen (z. B. richterliche Anordnung, Verhältnismäßigkeit) exakt eingehalten werden. Im familiären Umfeld hingegen sind Zwangsmaßnahmen, selbst zum Zweck des Schutzes oder der Erziehung, in der Regel unzulässig und können einen Straftatbestand erfüllen.

Welche Strafen drohen bei unrechtmäßigem Einsperren?

Das unrechtmäßige Einsperren ist in Deutschland unter dem Tatbestand der Freiheitsberaubung nach § 239 StGB erfasst. Der Grundtatbestand sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen, etwa wenn das Opfer länger als eine Woche eingesperrt oder dabei erheblich gefährdet wird, kann die Strafe auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe erhöht werden. Wird das Einsperren durch besondere Umstände wie Misshandlung, Erpressung, Geiselnahme oder unter Beteiligung mehrerer Personen begangen, können zusätzliche Strafverschärfungen greifen. Daneben sind zivilrechtliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche möglich. Unternehmen oder Institutionen, die durch ihre Mitarbeiter widerrechtlich einsperren lassen, können zudem haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Welche Rolle spielt die Einwilligung des Opfers beim Einsperren?

Die Einwilligung des Opfers ist ein entscheidender Faktor für die rechtliche Bewertung des Einsperrens. Liegt eine freiwillige und informierte Einwilligung vor, entfällt die Strafbarkeit, da das Tatbestandsmerkmal „gegen den Willen“ der betroffenen Person nicht erfüllt ist. Die Einwilligung muss jedoch ausdrücklich und ohne Zwang oder Drohung erklärt werden. Zudem kann die Einwilligung jederzeit widerrufen werden; ab diesem Zeitpunkt wäre das Fortsetzen des Einsperrens strafbar. In Fällen, in denen das Opfer seiner Freiheit beraubt wird, ohne die Tragweite der Situation zu erkennen (etwa bei Jugendlichen, Personen mit eingeschränkter Geschäftsfähigkeit oder unter Einfluss von Täuschung), ist die Einwilligung rechtlich nicht wirksam und schützt den Täter nicht vor strafrechtlicher Verfolgung.

Wie unterscheiden sich Einsperren und Freiheitsentziehung im rechtlichen Sinn?

Im deutschen Recht beschreibt „Einsperren“ das konkrete Verschließen oder Blockieren eines Raumes, wodurch eine Person physisch an der freien Bewegung gehindert wird. Der Begriff der „Freiheitsentziehung“ ist weiter gefasst und umfasst alle Maßnahmen, die eine Person ihrer Bewegungsfreiheit berauben, unabhängig davon, ob dies durch Einsperren, Fesseln oder andere Mittel geschieht. Auch das Festhalten auf offenem Gelände, das Verhindern des Gehens durch Drohung oder Gewalt, oder das Aufstellen von Bewachern fällt unter Freiheitsentziehung. Beide Tatbestände sind strafrechtlich relevant, wobei das Einsperren als eine Form der Freiheitsberaubung spezifisch geregelt ist. Daneben umfasst Freiheitsentziehung etwa auch die Entziehung Minderjähriger oder die zwangsweise Einweisung in eine geschlossene Einrichtung.

Was muss bei der Haftung für Schäden durch Einsperren beachtet werden?

Wer eine Person unrechtmäßig einsperrt, kann neben der strafrechtlichen Verfolgung auch zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Das bedeutet, dass dem Opfer ein Anspruch auf Schadensersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld zusteht. Die Höhe richtet sich nach dem Umfang der erlittenen Beeinträchtigungen und den individuellen Umständen des Falles, etwa Dauer der Freiheitsentziehung, psychische Belastung oder bleibende gesundheitliche Schäden. Auch immaterielle Schäden, wie eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Ehre, können zu Ansprüchen führen. Im Falle minderjähriger Straftäter oder Angestellter kann auch eine Haftung der Aufsichtspersonen bzw. des Arbeitgebers (Stichwort: Verrichtungsgehilfe) in Betracht kommen. Wird das Einsperren von einer Amtsperson begangen, besteht unter Umständen ein Amtshaftungsanspruch nach Artikel 34 GG i. V. m. § 839 BGB.

Welche besonderen Regelungen gelten beim Einsperren von Kindern und Jugendlichen?

Beim Einsperren von Kindern und Jugendlichen liegt grundsätzlich ein besonders sensibler Bereich vor, in dem strafrechtliche und jugendschutzrechtliche Bestimmungen ineinandergreifen. Gemäß § 1631 BGB ist jede körperliche Bestrafung, seelische Verletzung oder andere entwürdigende Maßnahmen in der Erziehung untersagt, wozu auch das Einsperren zählt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Eltern als Sorgeberechtigte handeln; eine Einwilligung der Sorgeberechtigten rechtfertigt ein Einsperren nicht. Für zivilrechtliche Maßnahmen, wie die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung, ist stets eine richterliche Genehmigung erforderlich (§ 1631b BGB). Das eigenmächtige Einsperren von Kindern oder Jugendlichen durch Eltern, Lehrer oder Betreuungspersonal ist daher grundsätzlich unzulässig und kann straf- sowie zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.