Definition und Begriff der Einsatzwechseltätigkeit
Die Einsatzwechseltätigkeit stellt im deutschen Steuer- und Sozialversicherungsrecht einen Begriff dar, der insbesondere im Zusammenhang mit steuerlichen Reisekosten und den damit zusammenhängenden Aufwendungen relevant ist. Sie bezeichnet eine berufliche Tätigkeit, bei der ein Arbeitnehmer nicht an einer ortsfesten ersten Tätigkeitsstätte dauerhaft eingesetzt ist, sondern regelmäßig an ständig wechselnden Orten außerhalb eines festen Betriebes tätig wird. Der Begriff der Einsatzwechseltätigkeit ist insbesondere im Einkommensteuerrecht bedeutsam und grenzt sich von anderen Formen der betrieblichen Tätigkeit wie Dienstreise und Fahrtätigkeit ab.
Rechtliche Grundlagen
Einkommensteuergesetz (EStG)
Nach § 9 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) können Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nur in eingeschränktem Maße angesetzt werden. Personen, auf die eine Einsatzwechseltätigkeit zutrifft, verfügen jedoch regelmäßig über keine dauerhaft zugeordnete erste Tätigkeitsstätte. In diesen Fällen werden alle Tätigkeitsorte als sogenannte „auswärtige Tätigkeitsstätten” bewertet. Folglich können Arbeitnehmer sämtliche hierbei entstehenden Reisekosten nach den Regelungen der beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a, 4b EStG) in vollem Umfang als Werbungskosten berücksichtigen.
Verwaltungspraxis und Rechtsprechung
Die Begriffsbestimmung und Abgrenzung der Einsatzwechseltätigkeit stützt sich maßgeblich auf Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung (insbesondere BMF-Schreiben) sowie auf die dazu ergangene Rechtsprechung, insbesondere des Bundesfinanzhofs (BFH). Der Begriff wurde durch die Einführung des „Reisekostenrechts” im Jahr 2014 neu ausgestaltet, indem der Begriff des „regelmäßigen Arbeitsplatzes” durch die „erste Tätigkeitsstätte” ersetzt wurde. Die Kriterien zur Abgrenzung haben sich im Steuerrecht seither weiterentwickelt.
Wesentliche Merkmale der Einsatzwechseltätigkeit
Abgrenzung zur Dienstreise und Fahrtätigkeit
- Dienstreise: Hierbei übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an wechselnden, außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte liegenden Arbeitsorten aus, oftmals im Rahmen einer kurzfristigen Entsendung.
- Fahrtätigkeit: Die Ausführung beruflicher Aufgaben erfolgt überwiegend im Fahrzeug (z. B. bei Kraftfahrern).
- Einsatzwechseltätigkeit: Der Arbeitnehmer erbringt seine Tätigkeit ohne dauerhafte Zuordnung zu einer festen betrieblichen Einrichtung, sondern wiederholt an verschiedenen Einsatzorten (z. B. Bauarbeiter, Monteure, Servicetechniker).
Dauer und Regelmäßigkeit
Eine Einsatzwechseltätigkeit liegt regelmäßig dann vor, wenn die Arbeitstätigkeit nicht nur vorübergehend, sondern regelmäßig an unterschiedlichen Tätigkeitsorten stattfindet. Die Zuweisung zu einem bestimmten Einsatzort erfordert im Allgemeinen eine Dauer von mehr als 48 Monaten, damit dieser als erste Tätigkeitsstätte gilt.
Betriebliche Einrichtung
Eine betriebliche Einrichtung ist jeder ortsfeste betriebliche Mittelpunkt des Arbeitgebers, wie zum Beispiel das Firmengelände oder ein Bürogebäude. Fehlt eine dauerhafte Zuordnung zu einer solchen Einrichtung, so spricht dies für das Vorliegen einer Einsatzwechseltätigkeit.
Steuerliche Behandlung der Einsatzwechseltätigkeit
Reisekostenabrechnung
Im Falle einer Einsatzwechseltätigkeit besteht für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, sämtliche im Zusammenhang mit der Auswärtstätigkeit entstehenden Kosten (Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwand, Übernachtungskosten, Reisenebenkosten) als Werbungskosten geltend zu machen. Abziehbar sind die tatsächlichen Aufwendungen sowie die steuerrechtlich anerkannten Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a, 4b EStG).
Erstattung durch den Arbeitgeber
Erstattet der Arbeitgeber die Kosten im Rahmen der steuerrechtlichen Vorgaben, bleiben diese Beträge beim Arbeitnehmer steuerfrei (§ 3 Nr. 13 und 16 EStG). Werden höhere Beträge als die gesetzlichen Pauschalen gezahlt, sind sie als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.
Besonderheiten bei doppelter Haushaltsführung
Arbeitnehmer mit Einsatzwechseltätigkeit können unter bestimmten Voraussetzungen auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung geltend machen, sofern ein beruflich begründeter Zweitwohnsitz in der Nähe der jeweiligen Einsatzorte notwendig ist.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Im Bereich des Sozialversicherungsrechts wirkt sich die Einsatzwechseltätigkeit insbesondere auf die Berechnung der beitragspflichtigen Einnahmen bei Fahrtkostenerstattungen aus. Im Gegensatz zu steuerlichen Regelungen gelten bei der Sozialversicherung differenzierte Grenzen für die Begünstigung von Reisekosten. Insbesondere ist maßgeblich, ob eine Auswärtstätigkeit im Sinne der Sozialversicherung vorliegt und ob die Fahrtkostenerstattung steuerfrei ist, um sozialversicherungsrechtliche Folgen auszuschließen.
Typische Anwendungsfälle
Bau- und Montageberufe
Im Baugewerbe, bei Montagearbeiten sowie im Messebau sind Einsatzwechseltätigkeiten weit verbreitet. Arbeitnehmer, die regelmäßig an unterschiedlichen Baustellen oder Projekten tätig sind, fallen typischerweise unter diese Regelung.
Außendienst und Serviceeinsätze
Auch bei Service- und Wartungsarbeiten sowie im Vertriebsaußendienst ist häufig keine dauerhafte erste Tätigkeitsstätte vorhanden, sodass die Voraussetzungen der Einsatzwechseltätigkeit erfüllt sind.
Praktische Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
Arbeitnehmer mit Einsatzwechseltätigkeit können meist höhere Werbungskosten geltend machen und steuerlich günstiger gestellt sein als Beschäftigte mit fester Tätigkeitsstätte. Für Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, Reisekosten steuerfrei zu erstatten, sofern die gesetzlichen Grenzen eingehalten werden. Eine korrekte Beurteilung durch die Lohnbuchhaltung ist insofern unerlässlich, um Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrisiken zu vermeiden.
Abgrenzung und Sonderfälle
Projektbezogener Einsatz am selben Ort
Wird ein Arbeitnehmer für die Dauer eines bestimmten Projekts an einem einzelnen Arbeitsort eingesetzt, ist zu prüfen, ob dieser als erste Tätigkeitsstätte anzusehen ist. Maßgeblich ist, ob eine dauerhafte Zuordnung erfolgt. Liegt eine solche nicht vor, verbleibt es bei einer Einsatzwechseltätigkeit.
Sammelpunktregelung
Bei Arbeitnehmern, die sich regelmäßig zunächst an einem bestimmten Ort (z. B. Betriebshof, Lagerplatz) einfinden, bevor sie zu den wechselnden Einsatzorten aufbrechen, ist dieser Treffpunkt unter Umständen als erste Tätigkeitsstätte einzuordnen, was Auswirkungen auf die steuerliche Beurteilung hat.
Zusammenfassung
Die Einsatzwechseltätigkeit ist ein zentrales Konzept im deutschen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht, das insbesondere bei Arbeitnehmern mit wechselnden Arbeitsorten Anwendung findet. Sie sichert steuerliche Vorteile im Hinblick auf die vollständige Abzugsfähigkeit von Reisekosten und beeinflusst die Behandlung von Arbeitgebererstattungen. Die zutreffende Einordnung und Abgrenzung zu anderen Formen der beruflichen Mobilität ist aus steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Sicht von erheblicher Bedeutung und bedarf einer sorgfältigen Einzelfallprüfung.
Hinweis: Die dargestellten Inhalte geben den Rechtsstand bis zum 01.01.2024 wieder. Rechtsvorschriften können sich ändern, eine abschließende Beurteilung im konkreten Einzelfall ist stets erforderlich.
Häufig gestellte Fragen
In welchem Umfang werden Fahrtkosten bei einer Einsatzwechseltätigkeit steuerlich anerkannt?
Bei einer Einsatzwechseltätigkeit sind die Fahrtkosten grundsätzlich als Reisekosten zu behandeln. Das bedeutet, Arbeitnehmer:innen können bei Fahrten zu ständig wechselnden Einsatzstellen die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder – bei Nutzung eines eigenen Kfz – 0,30 € pro gefahrenem Kilometer als Werbungskosten geltend machen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG). Ein Abzug nach Entfernungspauschale ist hier nicht zulässig, weil keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt. Auch Umwegfahrten und ggf. notwendige Parkgebühren können geltend gemacht werden, sofern diese beruflich veranlasst sind und die Arbeitnehmer:innen keinen Sammelpunkt oder eine erste Tätigkeitsstätte haben. Entstehen durch den Arbeitgeber erstattete Fahrtkosten, mindern diese den als Werbungskosten abziehbaren Betrag entsprechend.
Wie werden Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Einsatzwechseltätigkeit berücksichtigt?
Bei einer Einsatzwechseltätigkeit besteht grundsätzlich ein Anspruch auf den Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen, sofern die Abwesenheitszeiten von der eigenen Wohnung und ggf. dem Betrieb die gesetzlich festgelegten Grenzen überschreiten (§ 9 Abs. 4a EStG). Für eintägige Abwesenheiten von mehr als 8 Stunden können 14 Euro pro Tag, für mehrtägige Dienstreisen 28 Euro pro Tag angesetzt werden. Auch An- und Abreisetage bei mehrtägigen Einsätzen werden mit 14 Euro berücksichtigt, unabhängig von der tatsächlichen Abwesenheitsdauer. Es ist zu beachten, dass ein Ansatz nur für die Tage erfolgt, an denen keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt und der Einsatzort auswärts aufgesucht wird. Werden durch den Arbeitgeber Verpflegungszuschüsse geleistet oder Mahlzeiten gestellt, sind diese steuerlich anzurechnen.
Welche Unterkunftskosten sind bei einer Einsatzwechseltätigkeit absetzbar?
Unterkunftskosten können im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit als Werbungskosten abgesetzt werden, wenn ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen außerhalb seiner Wohnung übernachten muss. Erstattet werden grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Übernachtung (Hotel, Pension, Wohnung am Einsatzort etc.), jedoch nur für die Dauer der tatsächlichen Einsatzwechseltätigkeit. Grenzwerte wie bei der doppelten Haushaltsführung (z.B. 1.000 € pro Monat für Mietaufwendungen) sind hierbei nicht anwendbar, es sei denn, die Einsatzwechseltätigkeit geht in eine doppelte Haushaltsführung über. Zahlungen des Arbeitgebers sind gegen die abziehbaren Werbungskosten aufzurechnen.
Wie wirkt sich eine Arbeitgebererstattung auf die Abzugsfähigkeit der Kosten aus?
Werden Aufwendungen für Fahrt-, Verpflegungs- oder Unterkunftskosten im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet, ist in diesem Umfang kein Werbungskostenabzug mehr möglich (§ 3 Nr. 13 oder 16 EStG). Die steuerlichen Anrechnungsvorschriften sorgen dafür, dass ein steuerlicher Vorteil nicht doppelt geltend gemacht wird. Erstattet der Arbeitgeber nur einen Teilbetrag, kann der Differenzbetrag als Werbungskosten abgezogen werden. Die jeweiligen Grenzen und Nachweispflichten bleiben hiervon unberührt. Bei pauschalen Arbeitgeberleistungen ist zu prüfen, ob diese die steuerlichen Maximalbeträge ausschöpfen, andernfalls ist auch hier ein ergänzender Werbungskostenabzug möglich.
Welche Nachweispflichten bestehen bei einer Einsatzwechseltätigkeit für steuerliche Zwecke?
Für die steuerliche Anerkennung der Werbungskosten im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit ist eine lückenlose, nachvollziehbare Dokumentation der beruflichen Einsätze und der dabei entstandenen Kosten notwendig (§ 9 EStG). Arbeitnehmer:innen müssen durch Belege wie Einsatzpläne, Fahrtenbücher, Reiseabrechnungen oder Hotelrechnungen die jeweilige Reisetätigkeit und die damit verbundenen Kosten nachweisen können. Fehlen detaillierte Nachweise, drohen Kürzungen oder die Nichtanerkennung der geltend gemachten Werbungskosten. Für bestimmte Sachverhalte, wie pauschale Verpflegungsmehraufwendungen, genügt eine glaubhafte Aufzeichnung der Reisedaten (Datum, Ziele, Dauer, Anlass).
Gibt es bei einer Einsatzwechseltätigkeit eine zeitliche Begrenzung für den steuerlichen Abzug von Reisekosten?
Die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten für Reisekosten infolge einer Einsatzwechseltätigkeit gelten grundsätzlich unbegrenzt, solange keine „erste Tätigkeitsstätte” im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG begründet wird. Eine zeitliche Begrenzung (z.B. wie bei doppelter Haushaltsführung, wo der Abzug der Unterkunftskosten nach 48 Monaten endet) besteht bei Einsatzwechseltätigkeiten daher nicht. Erst bei einer nachhaltigen Zuordnung zu einer dauerhaften Tätigkeitsstätte gehen die Vorteile der Reisekostenerstattung verloren und es greift die Entfernungspauschale mit entsprechendem Wegfall der Mehraufwendungen für Verpflegung oder Unterkunft. Die Rechtsprechung und Gesetzgebung betonen hier regelmäßig die Bedeutung der fortdauernden Ortswechsel.
Was ist bei mehreren hintereinanderliegenden Einsatzorten innerhalb kurzer Zeit zu beachten?
Werden im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit mehrere Einsatzorte hintereinander aufgesucht, sind die Fahrtkosten zwischen diesen Einsatzstellen ebenfalls als Reisekosten abziehbar. Voraussetzung ist, dass keine dauerhafte Zuordnung zu einer der jeweiligen Einsatzstellen erfolgt. Die Abrechnung erfolgt entsprechend den tatsächlichen Fahrtkilometern bzw. entstandenen Kosten, auch innerhalb eines Tages. Verpflegungsmehraufwendungen dürfen im Rahmen der gesetzlichen Pauschalen auch für diese Zwischenetappen geltend gemacht werden, sofern die kombinierte Abwesenheitszeit von Wohnung und ggf. Betriebsstätte die Mindestzeiten überschreitet. Wichtig ist hierbei eine akribische Führung von Reiseaufzeichnungen und eine nachvollziehbare Bestimmung des beruflichen Anlasses für jede einzelne Ortsverlagerung.