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Einsatzstrafe

Einsatzstrafe – Begriff und Grundidee

Die Einsatzstrafe ist der Ausgangspunkt für die Bildung einer Gesamtstrafe, wenn eine Person wegen mehrerer rechtlich selbständiger Taten gleichzeitig verurteilt wird. Sie bezeichnet die höchste der für die einzelnen Taten festgesetzten Strafen und dient als Basis, an die für die weiteren Taten Erhöhungsanteile angefügt werden. Auf diese Weise entsteht eine Gesamtstrafe, die das gesamte Unrecht und die Schuld aus allen Taten in einer einzigen Strafe zusammenfasst.

Zweck und Funktion der Einsatzstrafe

Die Einsatzstrafe hat mehrere Funktionen: Sie sorgt für Übersichtlichkeit bei mehreren Taten, verhindert rechnerisch starre Summierungen und ermöglicht eine Gesamtschau der Schuld. Dadurch wird vermieden, dass einzelne Strafen mechanisch addiert werden. Stattdessen wird eine der Schuld angemessene, zusammengefasste Strafe gebildet, die die Persönlichkeit der verurteilten Person, die Tatserie und die Umstände im Zusammenhang würdigt.

Anwendungsbereich

Mehrere Taten in Tatmehrheit

Die Einsatzstrafe wird gebildet, wenn mehrere rechtlich selbständige Taten zugleich abgeurteilt werden. Jede einzelne Tat erhält zunächst eine eigenständige Einzelstrafe. Die höchste dieser Einzelstrafen wird zur Einsatzstrafe.

Keine Einsatzstrafe bei Tateinheit

Bei Tateinheit – also wenn ein Verhalten mehrere Straftatbestände gleichzeitig erfüllt – gibt es nur eine Strafe. Eine Einsatzstrafe wird hierfür nicht gebildet, weil keine Gesamtstrafenbildung über mehrere selbständige Taten stattfindet.

Bildung der Gesamtstrafe mit Einsatzstrafe

Schrittweises Vorgehen

  1. Festlegung von Einzelstrafen: Für jede abgeurteilte Tat wird zunächst eine eigenständige Strafe bestimmt.
  2. Bestimmung der Einsatzstrafe: Die höchste Einzelstrafe wird als Einsatzstrafe ausgewählt.
  3. Erhöhung aufgrund weiterer Taten: Für die übrigen Taten werden der Einsatzstrafe maßvolle Erhöhungsbeträge hinzugerechnet.
  4. Endkontrolle: Die so gebildete Gesamtstrafe wird auf Plausibilität, Angemessenheit und Einhaltung rechtlicher Grenzen geprüft und begründet.

Erhöhungsbeträge und Bemessungskriterien

Die Erhöhungsbeträge sind keine bloßen Rechenreste, sondern Ausdruck einer Gesamtabwägung. Einfluss haben unter anderem Anzahl und Gewicht der weiteren Taten, zeitlicher Abstand, gleichartige oder unterschiedliche Begehungsweise, Tatserie oder Gelegenheitstat, Nachtatverhalten sowie persönliche Verhältnisse. Die Summe der Erhöhungen fällt in der Regel geringer aus als die rein rechnerische Addition aller Einzelstrafen, weil die Gesamtstrafe das Gesamtunrecht zusammenführt.

Rechtliche Grenzen der Gesamtstrafe

Die Gesamtstrafe muss sich innerhalb gesetzlich vorgegebener Höchst- und Untergrenzen bewegen. Für Freiheitsstrafen gelten andere Obergrenzen als für Geldstrafen. Die Gesamtstrafe darf die Schwere des Gesamtgeschehens realistisch abbilden, ohne die Obergrenzen zu überschreiten. Zugleich soll die Ausgangsstrafe (Einsatzstrafe) erkennbar „Ton angebend“ sein, während die zusätzlichen Taten in verhältnismäßigen Schritten berücksichtigt werden.

Besondere Konstellationen

Gesamtgeldstrafe (Tagessätze)

Bei mehreren Geldstrafen werden die einzelnen Tagessatz-Zahlen nicht schlicht addiert. Die höchste Tagessatz-Zahl bildet die Einsatzstrafe; die weiteren Taten führen zu Erhöhungen. Auch für die Gesamtgeldstrafe gelten eigenständige gesetzliche Höchstgrenzen der Tagessatz-Zahl.

Gesamtfreiheitsstrafe und Bewährung

Bei Freiheitsstrafen wird die höchste Einzelstrafe zur Einsatzstrafe und durch Erhöhungen ergänzt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt, ist die am Ende gebildete Gesamtfreiheitsstrafe. Die Einsatzstrafe kann ein Hinweis auf das Gewicht der gravierendsten Tat sein, entscheidend ist aber stets die gesamte abschließende Strafe.

Lebenslange Freiheitsstrafe

Führt eine Tat zur lebenslangen Freiheitsstrafe, wird regelmäßig keine Gesamtstrafe mit zeitigen Freiheitsstrafen gebildet. Zeitige Freiheitsstrafen oder Geldstrafen neben einer lebenslangen Strafe werden gesondert behandelt und treten in der Vollstreckung zurück, soweit die lebenslange Strafe dominiert. Die Bewertung weiterer Schuldaspekte erfolgt im Rahmen der Gesamtwürdigung.

Zäsurwirkung und nachträgliche Gesamtstrafenbildung

Zäsurwirkung

Eine bereits ergangene, frühere Verurteilung kann wie eine Zäsur wirken: Taten, die vor und nach dieser Entscheidung begangen wurden, werden nicht in einer einheitlichen Gesamtstrafe zusammengezogen. Es entstehen mehrere Gesamtstrafenkomplexe mit jeweils eigener Einsatzstrafe.

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung

Werden mehrere Taten zunächst in getrennten Verfahren abgeurteilt, kann später eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung stattfinden. Dabei wird erneut eine Einsatzstrafe bestimmt, an die Erhöhungen für die weiteren Taten angefügt werden. Bereits verhängte Strafen werden in die neue Gesamtschau einbezogen; Doppelbestrafungen werden vermieden.

Begründung und Transparenz

Die Auswahl der Einsatzstrafe und die Höhe der Erhöhungsbeträge müssen nachvollziehbar dargelegt werden. Erforderlich ist eine transparente Begründung, die erkennen lässt, warum gerade diese Einzelstrafe als Einsatzstrafe gewählt wurde und wie die übrigen Taten in angemessenem Umfang zur Gesamtstrafe geführt haben. So wird die Nachprüfbarkeit der Entscheidung gesichert.

Abgrenzungen

Die Einsatzstrafe ist von der Einzelstrafe (Strafe für eine einzelne Tat) und der Gesamtstrafe (zusammengefasste Strafe) zu unterscheiden. Sie ist ein Hilfsbegriff innerhalb der Gesamtstrafenbildung: Ausgangspunkt ist die höchste Einzelstrafe, zu der die weiteren Taten in Form von Erhöhungen hinzutreten.

Häufig gestellte Fragen zur Einsatzstrafe

Was bedeutet Einsatzstrafe?

Die Einsatzstrafe ist die höchste der für mehrere Taten festgesetzten Einzelstrafen. Sie bildet die Grundlage für die Gesamtstrafe, indem sie um angemessene Erhöhungen für die übrigen Taten ergänzt wird.

Wann wird eine Einsatzstrafe gebildet?

Eine Einsatzstrafe wird gebildet, wenn mehrere rechtlich selbständige Taten gemeinsam abgeurteilt werden und eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Bei Tateinheit gibt es hingegen nur eine Strafe und damit keine Einsatzstrafe.

Wie wird die Einsatzstrafe ausgewählt?

Zunächst werden für alle Taten eigenständige Einzelstrafen festgelegt. Die höchste dieser Einzelstrafen wird als Einsatzstrafe bestimmt; sie gibt den Ausgangspunkt für die spätere Erhöhung vor.

Wie werden weitere Taten zur Einsatzstrafe hinzugerechnet?

Die übrigen Taten führen nicht zu einer bloßen Addition, sondern zu maßvollen Erhöhungen der Einsatzstrafe. Die Höhe dieser Erhöhungen orientiert sich an Zahl, Schwere und Zusammenhang der Taten sowie an einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse.

Spielt die Einsatzstrafe eine Rolle für die Bewährung?

Für die Frage einer Strafaussetzung ist die am Ende feststehende Gesamtfreiheitsstrafe maßgeblich. Die Einsatzstrafe ist der Ausgangspunkt der Bildung, entscheidet aber nicht isoliert über die Aussetzung.

Gilt die Einsatzstrafe auch bei Geldstrafen?

Ja. Bei mehreren Geldstrafen bildet die höchste Tagessatz-Zahl die Einsatzstrafe. Die weiteren Geldstrafen werden durch Erhöhungsanteile berücksichtigt. Für die Gesamtgeldstrafe bestehen gesetzliche Höchstgrenzen der Tagessatz-Zahl.

Was passiert bei einer früheren Verurteilung (Zäsurwirkung)?

Eine frühere Entscheidung kann die Gesamtstrafenbildung unterbrechen. Taten vor und nach dieser Zäsur werden nicht in einer einheitlichen Gesamtstrafe zusammengefasst, sodass getrennte Gesamtstrafen mit jeweils eigener Einsatzstrafe entstehen können.