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Einsatzstrafe


Begriff und Grundlagen der Einsatzstrafe

Die Einsatzstrafe ist ein zentraler Begriff im deutschen Strafrecht, der insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung einer Gesamtstrafe gemäß §§ 53 ff. Strafgesetzbuch (StGB) bedeutsam ist. Sie bezeichnet jene Einzelstrafe, auf die bei der Gesamtstrafenbildung im Einzelfall das zusätzliche Strafmaß aufgesetzt wird. Die rechtliche Behandlung, Ermittlung und Auswirkung der Einsatzstrafe ist insbesondere bei Verurteilungen wegen mehrerer selbständiger Taten maßgeblich und folgt den gesetzlichen Vorgaben sowie der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Gesetzliche Grundlagen

Die Rechtsgrundlagen für das Konzept der Einsatzstrafe finden sich im Besonderen im Strafgesetzbuch (StGB), vornehmlich in den Vorschriften der §§ 53 bis 55 StGB. Diese Paragrafen regeln das Verfahren zur Gesamtstrafenbildung bei der Verurteilung wegen mehrerer Straftaten, die nicht bereits durch eine frühere Entscheidung rechtskräftig abgeurteilt wurden.

§ 53 StGB – Bildung einer Gesamtstrafe

Nach § 53 StGB ist bei der Verurteilung wegen mehrerer selbständiger Taten zunächst für jede Tat eine Einzelstrafe zu verhängen. Anschließend werden diese Einzelstrafen unter Anwendung des sogenannten Asperationsprinzips zu einer Gesamtstrafe verbunden.

§ 54 StGB – Festsetzung der Gesamtstrafe

Gemäß § 54 StGB bildet die höchste Einzelstrafe die Einsatzstrafe. Sie wird zur Ausgangsbasis für die Addition eines sogenannten Gesamtstrafenzuschlags, der sich nach der Anzahl und dem Gewicht der weiteren Einzelstrafen richtet. Die neu gebildete Gesamtstrafe darf das rechnerische Maximum der Einzelstrafen nicht überschreiten, muss sich jedoch am Schuldprinzip und an den gesetzlichen Strafrahmen orientieren.

§ 55 StGB – Einbeziehung früherer Strafen

§ 55 StGB ermöglicht die nachträgliche Einbeziehung von Strafen früherer Verurteilungen, wenn für dieselbe oder eine andere Tat noch weitere Strafen verhängt werden müssen. Auch im Rahmen dieser Einbeziehung wird die höchste Einzelstrafe zur Einsatzstrafe.

Bedeutung und Systematik der Einsatzstrafe

Definition und Funktion

Die Einsatzstrafe im deutschen Strafrecht ist diejenige Einzelstrafe, auf der die Gesamtstrafe basiert. Sie ist also die Bezugspflicht zur Berechnung des Strafmaßes, welches den Unrechtsgehalt und die Schuld des Täters im Rahmen mehrerer abgeurteilter Taten widerspiegelt.

Bedeutung im Gesamtzusammenhang

Die Einsatzstrafe stellt einen Schutzmechanismus gegen die Kumulation von Strafen dar, indem sie den Strafrahmen auch im Mehrfachfall am Maß der Schuld und der Unrechtsqualität der schwersten Tat ausrichtet. Dadurch wird vermieden, dass Strafen bei mehreren gleichzeitig abgeurteilten Taten in einer unverhältnismäßig hohen, die Lebensverhältnisse des Täters sprengenden Summe zusammentreffen.

Verfahren zur Bestimmung der Einsatzstrafe

Feststellung der Einzelstrafen

Im Rahmen des Strafverfahrens ist das Gericht zunächst gehalten, jede zur Anklage gebrachte, nicht im Idealkonkurrenzverhältnis stehende Tat einzeln zu bewerten. Dies führt zur Festsetzung mehrere Einzelstrafen, von denen die höchste grundsätzlich als Einsatzstrafe fungiert.

Auswahl der Einsatzstrafe

Die höchste Festsetzung aus dem Kreis der Einzelstrafen wird im Zuge der Gesamtstrafenbildung zur Einsatzstrafe erhoben. Hierbei ist zu beachten, dass es sich nur um Strafen handeln kann, die sachlich und rechtlich miteinander verbunden und nach geltendem Strafrecht gesamtstrafenfähig sind.

Bei Strafen verschiedener Art

Wenn Strafen verschiedener Art (z. B. Freiheitsstrafe und Geldstrafe) nebeneinanderstehen, sieht § 53 Abs. 2 StGB grundsätzlich die Bildung eigenständiger Gesamtstrafen je Art vor. Die Umwandlung von Geldstrafen in Ersatzfreiheitsstrafen für Gesamtstrafenzwecke ist nur im Ausnahmefall nach gesetzlichen Vorgaben möglich.

Rechtliche Auswirkungen und Besonderheiten

Rechtsmittel und Auswirkungen der Einsatzstrafe

Gegen die Höhe und Festsetzung der Einsatzstrafe kann im Rahmen der Gesamtstrafenbildung Rechtsmittel eingelegt werden, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, die Einzelstrafe sei fehlerhaft gebildet oder die Verbindung der Einzelstrafe zur Einsatzstrafe nicht sachgerecht vorgenommen worden. Die Einsatzstrafe wirkt sich unmittelbar auf das Gesamtergebnis der Strafzumessung aus und ist entscheidend für Gnadenverfahren, vorzeitige Entlassungen und die Bestimmung von Bewährungszeiten.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Im Unterschied zur Gesamtstrafe (dem Endergebnis der Gesamtstrafenbildung) ist die Einsatzstrafe ausschließlich die höchste zugrunde gelegte Einzelstrafe und nicht die Summe oder das endgültige Strafmaß. Sie bildet die Bemessungsgrundlage, auf die der Strafzuschlag gemäß dem Asperationsprinzip hinzugerechnet wird.

Besonderheiten bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung

Kommt es infolge späterer Verurteilungen gemäß § 55 StGB zu einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung, kann sich die Einsatzstrafe nochmals ändern. Die neu gebildete Einsatzstrafe ist stets die höchste der verfahrensgegenständlichen Einzelstrafen.

Literatur und weiterführende Rechtsprechung

Die Einsatzstrafe ist wiederkehrender Gegenstand zahlreicher Fachaufsätze, Kommentierungen und gerichtlicher Entscheidungen. Besonders relevant sind hierzu die Ausführungen in gängigen Kommentaren zum Strafgesetzbuch, wie etwa:

  • Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch mit Erläuterungen
  • Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze
  • Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar

Zudem gibt es zahlreiche Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH), die Grundsatzentscheidungen zur Bildung und Wirkungsweise der Einsatzstrafe treffen, beispielsweise im Rahmen des Asperationsprinzips und der Revision von Gesamtstrafenentscheidungen.


Zusammenfassung: Die Einsatzstrafe ist ein zentrales Element der Gesamtstrafenbildung im deutschen Strafrecht. Sie sorgt für eine schuldangemessene Strafzumessung im Mehrfachfall, stellt die Basis für das Hinzurechnen weiterer Strafanteile dar und ist für die Vollstreckung und Bewährung von herausgehobener Bedeutung. Die rechtliche Struktur und die Vorgehensweise bei ihrer Festsetzung sind gesetzlich präzise geregelt und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung kontinuierlich fortentwickelt worden.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird eine Einsatzstrafe im Rahmen einer Gesamtstrafe bestimmt?

Die Einsatzstrafe ist im deutschen Strafrecht ein zentraler Begriff im Zusammenhang mit der Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 54 StGB. Wird gegen eine Person wegen mehrerer selbstständiger Straftaten in verschiedenen Verfahren oder Urteilen Strafen verhängt, so werden diese nachträglich in einer Gesamtstrafe zusammengeführt. Die Einsatzstrafe bildet dabei die Grundlage, auf die die weiteren Einzelstrafen mittels Zählung der sogenannten „Gesamtstrafenzuschläge“ aufgeschlagen werden. Die Einsatzstrafe ist immer die höchste Einzelstrafe, die von den bestehenden Einzelstrafen ausgewählt wird (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB). Von einer Addition der Strafen wird abgesehen, vielmehr entsteht mit der Einsatzstrafe ein neuer Ausgangspunkt für die Bewertung des Gesamtunrechts der Taten. Die Höhe der Einsatzstrafe bestimmt also maßgeblich das Strafmaß der Gesamtstrafe, wobei das Gericht insbesondere das Verhältnis der Taten zueinander und die Persönlichkeit des Täters zu berücksichtigen hat.

Unter welchen Voraussetzungen wird eine Einsatzstrafe gebildet?

Eine Einsatzstrafe wird nur gebildet, wenn eine oder mehrere rechtskräftige Verurteilungen hinsichtlich mehrerer selbstständiger Straftaten vorliegen, bei denen keine Zäsurwirkung durch ein vorheriges Urteil besteht (§ 55 StGB). Die Voraussetzungen für die Bildung einer Einsatzstrafe setzen weiter voraus, dass über die früheren Straftaten keine vollständige Gesamtstrafe gebildet wurde. Die Straftaten müssen zeitlich so zueinander stehen, dass sie zusammengefasst werden können, das heißt, die Taten müssen vor der ersten gerichtlichen Entscheidung bezüglich einer der Taten begangen worden sein (sogenannte „gesamstrafenfähige“ Taten). Liegt zwischen den Straftaten beispielsweise eine rechtskräftige Verurteilung, so unterbricht dies die Möglichkeit zur Bildung einer einheitlichen Gesamtstrafe (Zäsurwirkung).

Welche Rolle spielt die Einsatzstrafe bei der Berechnung der Gesamtstrafe?

Die Einsatzstrafe ist der Kernbetrag der Gesamtstrafe und dient als Ankerpunkt. Nach § 54 StGB bildet das Gericht aus den mehreren Einzelstrafen zunächst die höchste Strafe als Einsatzstrafe und fügt sogenannte „Zuschläge“ für die oder die übrigen Strafen hinzu. Die Einsatzstrafe bleibt dabei grundsätzlich unangetastet, denn sie darf durch die Addition nicht unterschritten werden. Die Gesamtstrafe muss zudem stets unter der rechnerischen Summe aller Einzelstrafen bleiben (Strafobergrenze). Die genaue Höhe der „Gesamtstrafenzuschläge“ hängt dabei von der Anzahl und dem Unrechtsgehalt der weiteren Straftaten sowie vom Gesamtbild der Tat- und Täterpersönlichkeit ab. Vorgeschrieben ist, dass die Gesamtstrafe in einem angemessenen Verhältnis zur Einsatzstrafe und zu den weiteren Einzelstrafen steht.

Welche Bedeutung hat die Einsatzstrafe im Vollstreckungsverfahren?

Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens bestimmt die Einsatzstrafe maßgeblich, wann und wie Gesamtstrafen zu vollziehen sind. Insbesondere kann sie Bedeutung für die Anwendung von Gnadenregelungen, Haftlockerungen oder die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 StGB erlangen. Die Einsatzstrafe bleibt auch bei einer späteren Aufhebung oder Änderung der Gesamtstrafe als Anknüpfungspunkt relevant, sodass sie künftig für nachträgliche Gesamtstrafenbildungen wieder herangezogen wird, etwa wenn weitere Straftaten bekannt werden und eine neue Gesamtstrafe gebildet werden muss.

Wie wirkt sich eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung auf die Einsatzstrafe aus?

Wird nach einem bereits ergangenen Urteil eine oder mehrere zusätzliche Straftaten festgestellt, die vor der ersten Verurteilung begangen worden sind, so kommt es zur sogenannten nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB). In diesem Fall wird aus der bereits verhängten Strafe die Einsatzstrafe neu gebildet. Hierbei bleibt es zwingend dabei, dass die höchste der betroffenen Einzelstrafen zur Einsatzstrafe wird. Das Gericht hebt das frühere Urteil insoweit auf, als es die ursprüngliche Strafe betrifft, und bildet aus dieser und den neuen Strafen eine Gesamtstrafe. Die bis dahin als Einsatzstrafe geltende Strafe kann dabei ihre Rolle als Einsatzstrafe verlieren, wenn eine andere Einzelstrafe nunmehr höher ist.

Können bei der Einsatzstrafe auch Freiheitsstrafen und Geldstrafen zusammengeführt werden?

Eine direkte Zusammenführung von Freiheits- und Geldstrafen im Rahmen der Bildung einer Einsatzstrafe ist grundsätzlich ausgeschlossen, da beide Strafarten in eine Gesamtstrafe nur zusammengeführt werden können, wenn zuvor entweder die Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird (§ 43 StGB) oder umgekehrt, etwa wenn von einer Ersatzfreiheitsstrafe die Rede ist. Die Praxis verlangt also die Vereinheitlichung der Strafart zur Herbeiführung der Gesamtstrafenbildung, sodass letztlich nur gleichartige Strafen miteinander im Rahmen einer Einsatzstrafe kombiniert werden können. Andernfalls verbleiben heterogene Strafen als separate Strafaussprüche bestehen.

Muss die Einsatzstrafe im Urteil ausdrücklich bezeichnet werden?

Nach der ständigen Rechtsprechung muss die Einsatzstrafe im Urteil ausdrücklich und konkret bestimmt bezeichnet werden. Dies dient der Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit, insbesondere für das (Straf-)Vollstreckungsverfahren und nachträgliche Strafmaßnahmen. Die ausdrückliche Bezeichnung sorgt dafür, dass bei späteren Entscheidungen jederzeit klar ist, welche Strafe ursprünglich als Grundlage für die Gesamtstrafe definiert worden war, sodass Rückverfolgung und Kontrolle im späteren Verlauf möglich bleiben. Auch für die betroffene Person ist dies wesentlich, um die Wirkung und den Umfang der verhängten Strafe eindeutig nachvollziehen zu können.