Legal Lexikon

Wiki»Einnahmen-Überschussrechnung

Einnahmen-Überschussrechnung


Begriff und Grundlagen der Einnahmen-Überschussrechnung

Die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) ist eine vereinfachte Methode zur Gewinnermittlung für einkommensteuerpflichtige Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Freiberufler in Deutschland. Im Steuerrecht dient die EÜR insbesondere kleinen Gewerbetreibenden, Selbstständigen und Freiberuflern als einfachere Alternative zur doppelten Buchführung und Bilanzierung. Ihre rechtlichen Grundlagen sind in verschiedenen Steuergesetzen und -verordnungen geregelt, insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG). Die Einnahmen-Überschussrechnung orientiert sich am Zahlungsfluss-Prinzip (Kassenprinzip) und stellt dem Betriebsinhaber eine praxisgerechte und nachvollziehbare Möglichkeit zur steuerlichen Gewinnermittlung bereit.

Gesetzliche Grundlagen der Einnahmen-Überschussrechnung

Regelung im Einkommensteuergesetz (EStG)

Die maßgeblichen Vorschriften zur EÜR finden sich in § 4 Abs. 3 EStG. Danach können Steuerpflichtige, die nicht gesetzlich verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, den Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Dies stellt die gesetzliche Grundlage für das Kassenprinzip im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung dar.

Anwendungspflicht und Wahlrecht

Nicht jeder Unternehmer ist zur Erstellung einer Einnahmen-Überschussrechnung berechtigt. Die Anwendung ist insbesondere auf Einzelunternehmer und Personengesellschaften begrenzt, die im Handelsgesetzbuch (HGB) nicht zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet sind. Überschreiten die Umsätze und Gewinne bestimmte gesetzlich festgelegte Grenzwerte, tritt die Buchführungspflicht ein (§ 141 Abgabenordnung, AO), wodurch die EÜR nicht mehr zulässig ist. Nach Abgabenordnung besteht Buchführungspflicht für Gewerbetreibende ab bestimmten Umsatz- und Gewinngrenzen.

Grenzwerte für die EÜR

Umsatzgrenze: 600.000 Euro jährlich
Gewinngrenze: 60.000 Euro jährlich

Werden diese Grenzen überschritten, ist die EÜR im Folgejahr nicht mehr zulässig.

Ausschluss bestimmter Unternehmensformen

Kapitalgesellschaften (wie GmbH oder AG) und Personenhandelsgesellschaften unterliegen nach HGB und AO der Bilanzierungspflicht und sind somit von der EÜR ausgeschlossen. Die EÜR ist grundsätzlich nur für bestimmte natürliche und einige Personengesellschaften, die keine Handelsgesellschaften sind, zulässig.

Inhalt und Aufbau der Einnahmen-Überschussrechnung

Systematik der Gewinnermittlung

Die Einnahmen-Überschussrechnung folgt dem Zufluss- und Abflussprinzip (Kassenprinzip). Dies bedeutet, dass Einnahmen zum Zeitpunkt des tatsächlichen Geldzuflusses und Ausgaben zum Zeitpunkt des tatsächlichen Geldabflusses berücksichtigt werden (§ 11 EStG). Nicht zum Betriebsvermögen zugehörende Vorgänge bleiben unberücksichtigt.

Betriebliche Einnahmen

Alle Zahlungen (inkl. vereinnahmter Umsatzsteuer), die dem Betrieb in Geld oder Geldeswert zufließen
Umsatzsteuererstattungen, Betriebssubventionen, Verkaufserlöse beweglicher Wirtschaftsgüter

Betriebliche Ausgaben

Alle Zahlungen (inkl. gezahlter Umsatzsteuer), die betrieblich veranlasst sind
Löhne und Gehälter, Mieten, Versicherungsbeiträge, Wareneinkäufe, Reisekosten, Abschreibungen auf bewegliche Wirtschaftsgüter

Nicht abzugsfähige Positionen

Privat veranlasste Ausgaben, nicht abzugsfähige Betriebsausgaben (z. B. Geldbußen), sowie nicht abziehbare Vorsteuerbeträge dürfen im Rahmen der EÜR nicht als Betriebsausgaben verbucht werden.

Besonderheiten und steuerliche Vorschriften

Abgrenzung zur Bilanzierung (Betriebsvermögensvergleich)

Im Unterschied zum Betriebsvermögensvergleich tritt bei der Einnahmen-Überschussrechnung keine periodengenaue Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums ein, sondern es wird der Zahlungsstrom maßgeblich. Forderungen und Verbindlichkeiten werden erst bei Bezahlung realisiert.

Ausnahmen vom Kassenprinzip

In bestimmten Fällen werden Einnahmen und Ausgaben abweichend behandelt, etwa bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen, die kurz vor oder nach dem Jahreswechsel zu- oder abfließen (§ 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 EStG). Für diese gilt eine zehn-Tages-Regel.

Abschreibungen und Absetzungen

Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten 800 Euro netto (ab 2018) nicht übersteigen, können im Jahr der Anschaffung in voller Höhe sofort als Betriebsausgabe geltend gemacht werden (geringwertige Wirtschaftsgüter, GWG). Ansonsten sind lineare Abschreibungen entsprechend den AfA-Tabellen zulässig.

Umsatzsteuerliche Behandlung

Für Zwecke der EÜR sind Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich inklusive Umsatzsteuer anzusetzen, sofern der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die gezahlte Umsatzsteuer auf Eingangsleistungen stellt dann eine Betriebsausgabe dar, während die vereinnahmte Umsatzsteuer als Einnahme zu erfassen ist.

Form und Dokumentationspflichten

Aufzeichnungs- und Nachweispflichten

Auch im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung bestehen umfassende Aufbewahrungspflichten. Nach § 147 AO müssen die entsprechenden Belege, Bücher, Geschäftspapiere und Buchungsbelege für mindestens zehn Jahre aufbewahrt werden. Bei der Erstellung der EÜR müssen die Grundsätze der ordnungsmäßigen Buchführung insoweit beachtet werden, dass eine nachvollziehbare und überprüfbare Aufzeichnung sämtlicher Geschäftsvorfälle gewährleistet ist. Betriebsprüfungen werden zunehmend auch bei EÜR-Anwendern durchgeführt.

Verpflichtung zur elektronischen Abgabe

Gemäß § 60 Abs. 4 EStDV ist die EÜR seit dem Veranlagungszeitraum 2017 grundsätzlich elektronisch über das amtliche Formular (Anlage EÜR) und das ELSTER-Verfahren an das Finanzamt zu übermitteln. Das früher übliche formlos erstellte Dokument ist nur noch in Ausnahmefällen zulässig.

Sonderfälle und aktuelle Entwicklungen

EÜR bei Freiberuflern und Kleinunternehmerregelung

Freiberufler sowie Steuerpflichtige, die die sogenannte „Kleinunternehmerregelung“ (§ 19 UStG) in Anspruch nehmen, können unter Einhaltung der Umsatzgrenzen und weiterer Voraussetzungen weiterhin die EÜR anwenden. Für sie gelten keine abweichenden gesetzlichen Regelungen im Vergleich zu gewerblichen Unternehmern.

Zusammenhänge mit anderen Steuerarten

Ergänzend zu den einkommensteuerlichen Vorschriften zur EÜR sind die jeweiligen steuerlichen Behandlungsvorschriften weiterer Steuerarten wie Umsatzsteuer und Gewerbesteuer zu beachten. Die in der EÜR ermittelten Ergebnisse sind gegebenenfalls in die entsprechenden Erklärungen zu übertragen.

Betriebswirtschaftliche und steuerliche Beratungspflichten

Obwohl die EÜR formal lediglich die steuerliche Gewinnermittlungsform betrifft, kann eine fehlerhafte Anwendung steuerliche und auch haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Einhaltung der Vorschriften rund um die Einnahmen-Überschussrechnung obliegt der Verantwortung des Unternehmers beziehungsweise des zur Gewinnermittlung Verpflichteten.

Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • § 4 Abs. 3 EStG (Gewinnermittlung mittels Einnahmenüberschussrechnung)
  • § 11 EStG (Zu- und Abflussprinzip)
  • § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung)
  • § 141 AO (Buchführungspflicht)
  • § 147 AO (Aufbewahrungspflichten)
  • § 60 EStDV (elektronische Übermittlungspflicht)

Die Einnahmen-Überschussrechnung ist ein praxisrelevantes Werkzeug zur Gewinnermittlung bestimmter Unternehmergruppen in Deutschland, das klare gesetzliche Rahmenbedingungen und umfassende Dokumentationspflichten aufweist. Ihre rechtliche Handhabung erfordert eine sorgfältige Beachtung steuerlicher Detailregelungen, um unerwünschte steuerliche Folgen zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach deutschem Recht zur Einnahmen-Überschussrechnung berechtigt?

Nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) sind grundsätzlich alle Steuerpflichtigen berechtigt, die nicht gesetzlich zur Buchführung und zur Erstellung einer Bilanz verpflichtet sind, die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) anzuwenden. Dies betrifft insbesondere Einzelunternehmer sowie Angehörige der freien Berufe (Freiberufler), wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Künstler. Personengesellschaften wie GbR oder Partnerschaftsgesellschaften können die EÜR ebenfalls grundsätzlich nutzen, sofern sie nicht aufgrund ihrer Umsatz- oder Gewinngrenzen zur kaufmännischen Buchführung verpflichtet sind. Kapitalgesellschaften (z.B. GmbH oder AG) sind hingegen ausnahmslos verpflichtet, Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen, weshalb ihnen die Einnahmen-Überschussrechnung verwehrt ist. Die Gewinnermittlungsgrenzen, nach denen die Buchführungspflicht auslösend ist, ergeben sich insbesondere aus § 141 AO: Bei einem Umsatz von mehr als 600.000 EUR im Kalenderjahr oder einem Gewinn von über 60.000 EUR im Wirtschaftsjahr. Wird eine dieser Grenzen überschritten, tritt ab dem folgenden Wirtschaftsjahr die Verpflichtung zur doppelten Buchführung und Bilanzierung ein.

Wie und in welchem Umfang müssen Belege für die EÜR aufbewahrt werden?

Die Pflicht zur Aufbewahrung von Belegen ergibt sich aus den §§ 140 bis 147 der Abgabenordnung (AO). Selbst wenn keine Verpflichtung zur doppelten Buchführung besteht, gelten für die Einnahmen-Überschussrechnung die Aufbewahrungsfristen des Steuerrechts. Sämtliche Belege, aus denen Einnahmen oder Ausgaben ersichtlich sind, müssen formgerecht zehn Jahre aufbewahrt werden. Dies gilt für Rechnungen, Quittungen, Verträge, Kontoauszüge, Kassenberichte oder sonstige Zahlungsnachweise. Bei Barzahlungen ist besonders auf Kassenberichte und Quittungen zu achten. Bei digital gespeicherten Belegen muss die Unveränderbarkeit, Lesbarkeit und Verfügbarkeit über den gesamten Aufbewahrungszeitraum gewährleistet werden. Die Finanzverwaltung kann im Rahmen einer Außenprüfung oder einer Betriebsprüfung jederzeit Einsicht in diese Belege verlangen.

Was sind die rechtlichen Konsequenzen bei falscher oder verspäteter Abgabe der EÜR?

Die unrichtige oder verspätete Abgabe der Einnahmen-Überschussrechnung stellt steuerrechtlich eine Ordnungswidrigkeit oder unter Umständen auch eine Straftat gemäß §§ 370 ff. AO (Steuerhinterziehung) dar. Bei Fahrlässigkeit oder Nachlässigkeit können Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zwangsgelder (§ 328 AO) und gegebenenfalls Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) verhängt werden. Werden Einnahmen vorsätzlich nicht oder unvollständig deklariert, drohen zusätzlich strafrechtliche Konsequenzen, die bis zu Freiheitsstrafen reichen können. Es besteht zudem das Risiko von Rückforderungen, Nachversteuerungen sowie Zinszahlungen nach § 233a AO. Die Erklärung muss grundsätzlich elektronisch und rechtzeitig bis zum 31. Juli des Folgejahres (bzw. bei steuerlicher Beratung bis zum letzten Februartag des darauffolgenden Jahres) eingereicht werden, sofern das Finanzamt keine abweichenden Fristen gesetzt hat.

Welche gesetzlichen Formvorgaben bestehen für die elektronische Übermittlung der EÜR?

Die EÜR ist seit dem Veranlagungsjahr 2017 grundsätzlich verpflichtend elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln, und zwar in dem von der Finanzverwaltung vorgeschriebenen amtlichen Datensatz über das ELSTER-Verfahren (§ 60 Abs. 4 EStDV). Die Nutzung der amtlichen „Anlage EÜR“ ist verbindlich. Formlose Gewinnermittlungen werden nur in sehr wenigen Ausnahmefällen akzeptiert. Es müssen alle relevanten Posten, wie sie durch die Finanzverwaltung in der Anlage EÜR vorgegeben sind, entsprechend ausgefüllt werden, etwa zu Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben, private Nutzungsentnahmen, Rücklagen und Abschreibungen. Ergänzende Unterlagen und Erläuterungen können auf Nachfrage nachgereicht werden, müssen aber nicht zwingend eingereicht werden, sofern die Anlage EÜR vollständig ausgefüllt ist.

Inwieweit müssen Sonderregelungen für bestimmte Berufsgruppen oder Branchen beachtet werden?

Für bestimmte Berufsgruppen und Branchen gibt es im Zusammenhang mit der EÜR rechtliche Sondervorschriften. So gelten für Land- und Forstwirte abweichende Gewinnermittlungsvorschriften gemäß § 13a EStG. Ebenso können für medizinische Heilberufe oder andere Freie Berufe berufsrechtliche Aufzeichnungen vorgeschrieben sein, die über die rein steuerliche Gewinnermittlung hinausgehen. Künstler, Publizisten und Journalisten, die über die Künstlersozialkasse arbeiten, unterliegen gegebenenfalls zusätzlichen Dokumentationspflichten. Des Weiteren sind für die umsatzsteuerliche Behandlung und die Zusammenrechnung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben branchenspezifische Besonderheiten zu beachten, beispielsweise im Bereich der Margenbesteuerung (§ 25 UStG) bei Reisebüros oder im Veranstaltungswesen.

Wie erfolgt der Umgang mit steuerlichen Korrekturen und Änderungsbescheiden bei der EÜR?

Kommt es nach Einreichung der EÜR zu Fehlern, Versäumnissen oder nachträglich erkannten Unrichtigkeiten, ist der Steuerpflichtige nach § 153 AO verpflichtet, diese dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen und die Erklärung zu berichtigen. Das Finanzamt prüft im Rahmen der Veranlagung die EÜR und erlässt daraufhin einen Einkommensteuerbescheid. Werden Unstimmigkeiten festgestellt, kann das Finanzamt Nachweise (z.B. Belegvorlage) fordern oder die erklärten Zahlen schätzen. Gegen den Steuerbescheid kann der Steuerpflichtige innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch einlegen (§ 355 AO). Im Einspruchsverfahren ist eine Korrektur der Angaben noch möglich, was insbesondere bei Fehlern in der EÜR relevant ist. Bei bestandskräftigen Bescheiden sind Korrekturen nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 173 AO oder im Rahmen der sogenannten „weiteren Änderungstatbestände“ zulässig.

Welche Besonderheiten sind bei der Privatnutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter zu beachten?

Nach den steuerlichen Vorschriften des EStG ist bei der Nutzung betrieblicher Wirtschaftsgüter für private Zwecke die sogenannte Entnahmebesteuerung zu beachten. Besonders relevant ist das für gemischt genutzte Fahrzeuge oder Räume. Diese privaten Nutzungsanteile sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG als „Entnahmen“ in der Einnahmen-Überschussrechnung zu erfassen und mit dem nachgewiesenen Teilwert oder, bei Fahrzeugen, pauschal nach der 1%-Regelung zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Wird kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt, akzeptiert das Finanzamt häufig nur die pauschale Bewertungsmethode. Entnahmen müssen korrekt und nachvollziehbar erklärt werden, um keine Hinzuschätzungen oder Nachversteuerungen auszulösen. Fehlerhafte oder unterlassene Angaben können Steuernachforderungen nach sich ziehen.