Einheitswerte im deutschen Steuerrecht
Die Einheitswerte spielen im deutschen Steuerrecht eine zentrale Rolle als steuerliche Bemessungsgrundlage für verschiedene Steuerarten. Sie werden vor allem im Zusammenhang mit der Grundsteuer und der Grunderwerbsteuer verwendet. Einheitswerte werden nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes (BewG) festgestellt und dienen der gleichmäßigen und objektiven Bewertung von Immobilien und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.
Gesetzliche Grundlagen
Bewertungsgesetz (BewG)
Die Festlegung und Berechnung der Einheitswerte erfolgt nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG). Das BewG regelt detailliert die Bewertungsmaßstäbe, Bewertungszeiträume und die Berücksichtigung von objektiven Wertverhältnissen. Die §§ 19 ff. BewG enthalten die maßgeblichen Regelungen zur Ermittlung der Einheitswerte.
Bedeutung im Steuerrecht
Einheitswerte dienen insbesondere als Grundlage für folgende Steuerarten:
- Grundsteuer (bis zur Neuregelung ab 2025)
- Grunderwerbsteuer
- Gewerbesteuer (bestimmte Altregelungen)
- Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer (in historischen Rechtslagen)
Feststellung der Einheitswerte
Feststellungsverfahren
Der Einheitswert wird im Rahmen eines gesonderten, sogenannten Feststellungsverfahrens durch das Finanzamt festgestellt. Dieses Verfahren ist gemäß § 180 AO vorgesehen, um mehrere Steuerpflichtigen eine einheitliche und verbindliche Bewertungsgrundlage zu bieten. Die Feststellung des Einheitswerts steht dem Steuerbescheid gleich und entfaltet Bindungswirkung für nachfolgende Steuerbescheide.
Stichtage und Hauptfeststellungszeitpunkte
Der Einheitswert wird zu einem gesetzlich definierten Hauptfeststellungszeitpunkt ermittelt. Historisch relevante Feststellungszeitpunkte sind beispielsweise der 1. Januar 1964 (Westdeutschland) und der 1. Januar 1935 (Ostdeutschland). Seitdem erfolgt keine regelmäßige Neubewertung, sondern nur anlässlich bestimmter Wertveränderungen eine sogenannte Nachfeststellung oder Fortschreibung.
Ermittlung der Einheitswerte
Grundstücke und Grundvermögen
Für unbebaute und bebaute Grundstücke wird der Einheitswert insbesondere auf Grundlage der allgemeinen Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt ermittelt. Es kommen verschiedene Bewertungsverfahren zur Anwendung, beispielsweise das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren oder das Sachwertverfahren.
Land- und forstwirtschaftliches Vermögen
Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gelten besondere Bewertungsregeln. Die Bewertung erfolgt nach den §§ 33 ff. BewG und berücksichtigt unter anderem den Durchschnittsertrag und die Betriebsgröße.
Bedeutung und Funktion
Steuerliche Bemessungsgrundlage
Einheitswerte stellen eine vereinfachte Bewertungsgröße zum Zwecke der Steuerveranlagung dar. Sie ermöglichen eine einheitliche, nachvollziehbare und verwaltungstechnisch praktikable Bewertung von Vermögensgegenständen – insbesondere Immobilien – für steuerliche Zwecke.
Rechtsprechung und Verfassungsfragen
Das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Entscheidungen kritisiert, dass die Einheitswerte aufgrund fehlender regelmäßiger Hauptfeststellungen zu erheblichen Wertverzerrungen führen. Insbesondere für die Grundsteuer wurde festgestellt, dass die jahrzehntelange Zugrundelegung alter Einheitswerte gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes verstößt (BVerfG, Beschluss vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 u.a.).
Neuregelung zur Grundsteuer
Als Konsequenz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wird der Einheitswert als Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer ab 2025 durch den sogenannten Grundsteuerwert ersetzt. Dies erfolgt auf Basis des reformierten Grundsteuer- und Bewertungsrechts, das eine regelmäßige Aktualisierung vorsieht.
Fortschreibung, Nachfeststellung und Aufhebung von Einheitswerten
Arten der Fortschreibung
Der festgestellte Einheitswert wird fortgeschrieben, wenn sich die Verhältnisse, welche für die Bewertung maßgeblich waren, wesentlich ändern. Dies kann beispielsweise durch bauliche Maßnahmen, Eigentumswechsel oder Änderungen der Nutzungsart erfolgen. Man unterscheidet:
- Berichtigungsfortschreibung (§ 22 Abs. 2 BewG)
- Wertfortschreibung (§ 22 Abs. 1 BewG)
- Nachfeststellung und Aufhebung (§ 23 BewG)
Ablauf und Rechtsmittel
Gegen die Feststellung und Fortschreibung von Einheitswerten können innerhalb der gesetzlichen Fristen Einsprüche eingelegt werden. Über Streitigkeiten entscheidet das zuständige Finanzgericht.
Einheitswerte im Verhältnis zu weiteren Bewertungsmaßstäben
Unterschied zu Verkehrswerten und Grundsteuerwerten
Im Unterschied zum Einheitswert orientiert sich der Verkehrswert am aktuellen Marktwert einer Immobilie, während der Einheitswert – je nach Region – auf veralteten Bewertungszeiträumen basiert. Mit der Einführung des Grundsteuerwertes als Bemessungsgrundlage ab 2025 wird die Lücke zwischen steuerlicher und marktüblicher Bewertung verringert.
Bedeutung für Unternehmensbewertungen
Für Betriebsvermögen spielt der Einheitswert als steuerliche Bemessungsgrundlage ebenfalls eine Rolle, insbesondere im Zusammenhang mit der Gewerbesteuer (historisch) und Altregelungen bei der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer.
Zusammenfassung
Einheitswerte stellen einen zentralen Begriff im deutschen Bewertungs- und Steuerrecht dar. Sie dienen der einheitlichen Bewertung von Immobilien und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben für verschiedene steuerliche Zwecke. Aufgrund ihrer Orientierung an historischen Wertverhältnissen steht ihre weitere Anwendbarkeit insbesondere für die Grundsteuer vor dem Auslaufen. Rechtliche Grundlagen, Bewertungsverfahren und die praktische Bedeutung der Einheitswerte sind detailliert im Bewertungsgesetz geregelt und unterliegen einer fortlaufenden rechtlichen Entwicklung.
Häufig gestellte Fragen
Wie kann gegen den festgestellten Einheitswert rechtlich vorgegangen werden?
Gegen den festgestellten Einheitswert kann im Rahmen der Verwaltungsverfahren ein Einspruch beziehungsweise Widerspruch eingelegt werden. Dieser muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Einheitswertbescheides bei der zuständigen Finanzbehörde erfolgen. Der Einspruch ist schriftlich zu begründen und kann auf materielle wie auch formelle Fehler gestützt werden, beispielsweise unzutreffende Grundstücksangaben oder fehlerhafte Anwendung der Bewertungsrichtlinien. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens prüft das Finanzamt die vorgebrachten Argumente und kann entweder dem Steuerpflichtigen Recht geben oder den ursprünglichen Bescheid aufrechterhalten. Sollte der Einspruch abgelehnt werden, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet; das bedeutet, dass eine Klage vor dem Finanzgericht zulässig ist. Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Zugang der Einspruchsentscheidung einzureichen. Es empfiehlt sich insbesondere in komplexeren Fällen, rechtlichen Beistand hinzuzuziehen, da die Bewertungsvorschriften und Verfahrensvorschriften hohe Komplexität aufweisen.
Welche Fristen sind für die Feststellung des Einheitswerts durch das Finanzamt zu beachten?
Das Finanzamt ist verpflichtet, den Einheitswertbescheid innerhalb bestimmter Verjährungsfristen zu erlassen. Diese richten sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und betragen in der Regel vier Jahre (Festsetzungsverjährung), beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Einheitswertfeststellung erstmals hätte erfolgen müssen. Bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Steuerhinterziehung verlängern sich die Fristen auf zehn beziehungsweise bis zu dreißig Jahre. Auch für Änderungsbescheide gelten bestimmte Fristen, vor allem, wenn neue Tatsachen bekannt werden, die eine Anpassung des Einheitswerts erfordern (z.B. bei einer Nachfeststellung oder Aufhebung). Fristversäumnisse können zur Unwirksamkeit des Bescheides führen, sodass Steuerbescheide nach Ablauf der Verjährungsfrist in der Regel nicht mehr auf Basis eines geänderten Einheitswerts ergehen dürfen.
Welche rechtlichen Folgen hat die Änderung eines Einheitswerts rückwirkend?
Wird der Einheitswert rückwirkend geändert, hat dies auch rückwirkende steuerliche Konsequenzen. Die Änderung wirkt stets auf den Beginn des Kalenderjahres zurück, für das die Wertfeststellung vorgenommen wurde. Nach § 22 Absatz 1 BewG ist eine Wertfortschreibung dann geboten, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die für die Feststellung des Einheitswerts maßgeblich sind, geändert haben und sich dadurch der Wert um mehr als 15.000 Euro oder um mehr als 500.000 Euro für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ändert. Die steuerlichen Folgebescheide, etwa Grundsteuer- oder Gewerbesteuermessbescheide, müssen angepasst werden. Eine Aufhebung oder Änderung erfolgt entsprechend den Regelungen der Abgabenordnung. Zudem sind Nachzahlungs- oder Erstattungszinsen möglich, wenn sich durch die rückwirkende Änderung eine Nachzahlung oder Erstattung ergibt.
Besteht eine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des Einheitswerts?
Ja, gemäß §§ 90 ff. der Abgabenordnung besteht für den Steuerpflichtigen eine umfassende Mitwirkungspflicht. Dies bedeutet, dass alle steuerlich relevanten Angaben zu den Grundstücks- und Gebäudeeigenschaften, wie Flächengröße, Baujahr, Ausstattungsmerkmale sowie bauliche Veränderungen, dem Finanzamt zeitnah und vollständig mitzuteilen sind. Unterlassene oder falsche Angaben können zu Schätzungen durch das Finanzamt (§ 162 AO), gegebenenfalls auch strafrechtlichen Konsequenzen führen. Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich auch auf die Vorlage von Urkunden, Plänen und Verträgen, sofern diese für die Wertermittlung von Bedeutung sind. Versäumnisse oder falsche Angaben begründen neben steuerlichen Nachteilen regelmäßig auch Ordnungswidrigkeiten, teilweise sogar Straftatbestände nach §§ 370, 378 AO.
Müssen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse unverzüglich gemeldet werden?
Ja, zu den Verpflichtungen nach § 193 Abs. 3 BewG i.V.m. der Abgabenordnung gehört es, dass Eigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte wesentliche Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die den Einheitswert beeinflussen könnten, dem Finanzamt unverzüglich anzeigen. Dies umfasst unter anderem bauliche Veränderungen (zum Beispiel Anbau, Abriss, Nutzungsänderung) oder auch Eigentumswechsel. Verstößt der Steuerpflichtige gegen diese Meldepflicht, kann das Finanzamt nicht nur eine rückwirkende Wertfortschreibung veranlassen, sondern es drohen zudem Konsequenzen nach dem Ordnungswidrigkeiten- oder Steuerstrafrecht. Auch Erklärungsformulare (z. B. Grundsteuererklärung) müssen entsprechend aktualisiert eingereicht werden.
Welche Rolle spielt der Einheitswert im gerichtlichen Verfahren?
Im gerichtlichen Verfahren, insbesondere im Rahmen eines Einspruchs gegen den Einheitswertbescheid, ist der festgestellte Einheitswert maßgebliches Beweisthema und Prüfungsgegenstand. Das Finanzgericht überprüft, ob die gesetzlichen Bewertungsmaßstäbe und Verfahrensvorschriften ordnungsgemäß angewendet wurden und ob der Sachverhalt korrekt festgestellt wurde. Gerichtliche Verfahren sind nicht nur auf die materiell-rechtliche Richtigkeit des Bescheids beschränkt, sondern umfassen ebenso die Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren (Verfahrensfehler, Anhörungspflichten, Begründungspflicht). Das Verfahren richtet sich nach der Finanzgerichtsordnung (FGO); Beweisanträge können gestellt, Gutachten eingeholt und Zeugen vernommen werden. Das Urteil des Finanzgerichts kann mit der Revision zum Bundesfinanzhof angefochten werden, sofern grundsätzliche Rechtsfragen berührt werden.
Wie wirkt sich die Aussetzung der Vollziehung bei Streitigkeiten um den Einheitswert aus?
Wird ein Einspruch gegen einen Einheitswertbescheid eingelegt, hat dieser grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Um Nachteile zu vermeiden (z.B. Pflicht zur Zahlung gestiegener Steuerbeträge aufgrund erhöhten Einheitswerts), kann der Steuerpflichtige nach § 361 AO bzw. § 69 FGO die Aussetzung der Vollziehung beantragen. Damit wird die Vollziehung des angefochtenen Bescheids vorübergehend gehemmt, bis eine endgültige Entscheidung vorliegt. Gewährt wird die Aussetzung typischerweise, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen oder unbillige Härte droht. Die Entscheidung über den Antrag trifft das Finanzamt, kann aber auch vor dem Finanzgericht durchgesetzt werden. Bei Ablehnung besteht die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Kommt es letztlich zu einer Bestätigung des Bescheids, müssen ausgesetzte Beträge nachgezahlt werden; bei Erfolg entfällt die Pflicht endgültig.
In welchen Fällen wird der Einheitswertbescheid aufgehoben oder geändert?
Der Einheitswertbescheid kann aufgehoben oder geändert werden, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die bisherigen objektiven oder rechtlichen Verhältnisse unrichtig waren oder sich geändert haben. Dies kann etwa im Fall einer fehlerhaften Ermittlung der Grundstücksfläche, fehlerhaft berücksichtigter Nutzungsarten oder baulicher Veränderungen erfolgen. Eine Aufhebung ist insbesondere im Rahmen der Nachfeststellung, Aufhebung oder Wertfortschreibung nach §§ 22-25 BewG möglich. Darüber hinaus greifen die allgemeinen Vorschriften über die Korrektur von Verwaltungsakten gemäß §§ 129, 130, 131 AO, insbesondere bei offenbaren Unrichtigkeiten, Rücknahme oder Widerruf rechtswidriger Bescheide. Auch neue Tatsachen und Beweismittel, die nachträglich bekannt werden, können eine Änderung oder Aufhebung des Bescheides nach sich ziehen (insbesondere bei Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO). Die Änderung oder Aufhebung ist stets an die gesetzlichen Fristen und Voraussetzungen gebunden, insbesondere die Festsetzungs- und Korrekturvorschriften der Abgabenordnung.