Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) – Begriff und Einordnung
Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist das verbindliche Vergütungssystem für Leistungen der ambulanten Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Er beschreibt, welche ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar sind, wie diese Leistungen definiert werden und mit welchem Punktwert sie bewertet sind. Der EBM sorgt dafür, dass vergleichbare Leistungen bundesweit nach einheitlichen Kriterien abgerechnet werden und damit Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Steuerung der Vergütung gewährleistet sind.
Rechtsnatur und Geltungsbereich
Bindungswirkung und Adressaten
Der EBM ist für alle an der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringenden bindend. Er gilt für die Behandlung von Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, sowie in besonderen Versorgungsformen, soweit eine Anwendung vorgesehen ist. Private Behandlungen fallen nicht in den Anwendungsbereich des EBM.
Abgrenzung zu anderen Vergütungssystemen
Der EBM ist vom Vergütungssystem der privaten Krankenversicherung (Gebührenordnung für Ärzte) zu unterscheiden. Während die private Vergütung auf Einzelpreisen basiert, arbeitet der EBM mit Punkten und einem je nach Rahmenbedingungen unterschiedlich festgelegten Preis je Punkt. Stationäre Leistungen in Krankenhäusern werden nach gesonderten Katalogen vergütet und sind nicht Gegenstand des EBM.
Aufbau und Systematik des EBM
Gebührenordnungspositionen und Leistungsbeschreibungen
Der EBM ist in Kapitel und Abschnitte gegliedert. Einzelne Leistungen sind als Gebührenordnungspositionen (GOP) mit einer Leistungslegende beschrieben. Die Leistungslegende legt fest, welche obligaten Inhalte die Leistung umfasst, welche optionalen Inhalte zulässig sind, welche Mindestanforderungen gelten (z. B. Zeitvorgaben) und unter welchen Voraussetzungen die GOP abgerechnet werden darf. Präambeln erläutern die Systematik eines Kapitels und regeln allgemeine Abgrenzungen.
Punktebewertung, Orientierungswert und regionale Vereinbarungen
Jede GOP ist mit einer Punktzahl bewertet. Die Vergütung ergibt sich aus der Multiplikation der abgerechneten Punkte mit einem Preis je Punkt. Als bundesweite Bezugsgröße dient ein Orientierungswert, der regelmäßig angepasst wird. Regionale Vereinbarungen zwischen beteiligten Akteuren können die konkrete Vergütung beeinflussen, etwa durch regionale Punktwerte, Mengensteuerung oder Zuschläge.
Präambeln, Ausschlüsse und Qualifikationsanforderungen
Der EBM enthält Leistungsausschlüsse und Abrechnungsbestimmungen, um Doppelabrechnungen zu vermeiden und Leistungen abzugrenzen. Für bestimmte GOP sind besondere Nachweise oder Genehmigungen erforderlich, beispielsweise für technisch aufwändige Diagnostik, Laborleistungen oder besondere psychotherapeutische Verfahren. Diese Qualifikationsanforderungen dienen der Qualitätssicherung.
Dokumentation, Zeitbezug und Plausibilitätsprüfung
Der EBM verknüpft Leistungsbeschreibungen häufig mit Zeitvorgaben oder Mindestinhalten. Für die Abrechnung ist eine nachvollziehbare Dokumentation erforderlich. Kassenärztliche Vereinigungen prüfen Abrechnungen unter anderem auf Plausibilität, etwa hinsichtlich Zeitprofilen, Mengen und Kombinationen von Leistungen. Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten sind einzuhalten, ebenso datenschutzrechtliche Vorgaben.
Steuerungs- und Vergütungsmechanismen
Budgetierung und Mengensteuerung
Die Vergütung unterliegt in weiten Teilen mengensteuernden Mechanismen. Häufig werden Leistungen innerhalb von Budgets vergütet, was bei Überschreitung zu abgestuften Vergütungen führen kann. Ziel ist die planbare Finanzierung der Versorgung und die Vermeidung unbegrenzter Mengenausweitungen.
Extrabudgetäre Leistungen und besondere Versorgungsbereiche
Bestimmte Leistungsbereiche sind von der Budgetierung ausgenommen und werden extrabudgetär vergütet, etwa einzelne präventive Leistungen, strukturierte Behandlungsprogramme oder spezifische neue Leistungsbereiche. In besonderen Versorgungsformen und in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung dient der EBM häufig als Abrechnungsgrundlage, teilweise mit besonderen Regelungen.
Institutionelle Rollen und Verfahren
Rolle des gemeinsamen Entscheidungsgremiums
Die Bewertung und Weiterentwicklung des EBM erfolgt in einem paritätisch besetzten Gremium aus Vertretungen der Ärzteseite und der Krankenkassen. Dieses Gremium legt Inhalte, Punktzahlen und Rahmenvorgaben fest und entscheidet über Anpassungen, etwa bei medizinischem Fortschritt oder Versorgungsbedarfen.
Beteiligung von Kassenärztlichen Vereinigungen und Spitzenverbänden
Die Kassenärztlichen Vereinigungen setzen den EBM in der regionalen Versorgung um, schließen regionale Vergütungsvereinbarungen und überprüfen die Abrechnung. Die auf Bundesebene tätigen Spitzenverbände wirken an der inhaltlichen Ausgestaltung und Bewertung mit und verhandeln zentrale Orientierungsgrößen.
Änderung, Fortschreibung und Veröffentlichung
Der EBM ist ein dynamischer Katalog und wird regelmäßig fortgeschrieben. Änderungen erfolgen in festgelegten Verfahren, die Beteiligung, Bewertung der Auswirkungen und technische Umsetzung (inklusive Softwareanpassungen) umfassen. Der jeweils aktuelle Stand wird offiziell veröffentlicht, damit Leistungserbringende und Kostenträger ihn anwenden können.
Qualitätssicherung und Prüfungen
Abrechnungskontrollen und mögliche Folgen
Abrechnungen werden auf Richtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Plausibilität geprüft. Festgestellte Unrichtigkeiten können zu Rückforderungen, Honorarkorrekturen oder weiteren Maßnahmen führen. Je nach Schwere und Umfang kommen auch berufs- oder vertragsrechtliche Konsequenzen in Betracht.
Qualifikationsnachweise und Genehmigungspflichten
Für bestimmte Leistungen verlangt der EBM den Nachweis besonderer Qualifikationen oder Genehmigungen. Dazu zählen technische Ausstattung, Fortbildungsnachweise oder spezifische Zulassungen. Ohne Erfüllung dieser Voraussetzungen ist die Abrechnung der betreffenden GOP nicht zulässig.
Datenschutz und Dokumentationspflichten
Bei der Erbringung und Abrechnung von EBM-Leistungen sind datenschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten. Die Dokumentation muss vollständig, nachvollziehbar und aufbewahrungsgerecht erfolgen, da sie Grundlage für medizinische Nachvollziehbarkeit und Abrechnungsprüfungen ist.
Bedeutung für Patientinnen, Patienten und Leistungserbringende
Transparenz und Gleichbehandlung
Der EBM gewährleistet, dass gesetzlich Versicherte ambulante Leistungen nach einheitlichen Kriterien erhalten und abgerechnet werden. Für Leistungserbringende schafft er eine verbindliche Grundlage zur Abrechnung und unterstützt die planbare Finanzierung der Versorgung.
Innovation und digitale Leistungen
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie digitale Anwendungen finden über geregelte Verfahren Eingang in den EBM. Telemedizinische Leistungen, elektronische Anwendungen und neue Versorgungsformen werden schrittweise integriert, sofern medizinischer Nutzen und Rahmenbedingungen festgelegt sind.
Häufig gestellte Fragen zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab
Gilt der EBM auch für privat Versicherte?
Nein. Der EBM gilt für die Abrechnung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für privat Versicherte wird regelmäßig ein anderes Vergütungssystem angewendet, das eigenständige Regeln und Preise vorsieht.
Wer legt den EBM fest und wie kommt es zu Änderungen?
Die Inhalte und Bewertungen des EBM werden von einem gemeinsamen Gremium der ärztlichen Seite und der Krankenkassen beschlossen. Änderungen entstehen in einem geregelten Verfahren, das medizinischen Fortschritt, Versorgungsbedarf und finanzielle Auswirkungen berücksichtigt und in offiziellen Veröffentlichungen bekannt gemacht wird.
Was unterscheidet den EBM von der GOÄ?
Der EBM ist ein punktebasiertes Vergütungssystem für die gesetzliche Krankenversicherung mit bundeseinheitlicher Systematik und regionalen Ausgestaltungen. Die GOÄ ist ein eigenständiges System für privatärztliche Leistungen und arbeitet mit einem anderen Bewertungs- und Preismechanismus.
Welche Rolle haben die Kassenärztlichen Vereinigungen beim EBM?
Kassenärztliche Vereinigungen setzen den EBM regional um, schließen Vergütungsvereinbarungen, stellen die Abrechnung sicher und führen Prüfungen durch. Sie sind Anlaufstelle für die technische und organisatorische Umsetzung in der ambulanten Versorgung.
Wie wird der Preis je Punkt bestimmt?
Die Vergütung je Punkt orientiert sich an einem bundesweiten Orientierungswert und wird durch regionale Vereinbarungen konkretisiert. Dadurch können sich regionale Unterschiede in der Vergütungshöhe ergeben.
Welche Konsequenzen hat eine fehlerhafte Abrechnung nach EBM?
Fehlerhafte Abrechnungen können zu Rückforderungen, Honorarkorrekturen und weiteren vertragsrechtlichen Maßnahmen führen. Die Konsequenzen richten sich nach Art und Umfang der festgestellten Unrichtigkeit.
Sind telemedizinische Leistungen im EBM geregelt?
Ja. Telemedizinische Leistungen sind im EBM abgebildet, soweit hierfür inhaltliche und technische Voraussetzungen festgelegt wurden. Die Abrechnung erfolgt über entsprechende Gebührenordnungspositionen mit definierten Anforderungen.
Gilt der EBM auch für psychotherapeutische Behandlungen?
Ja. Psychotherapeutische Leistungen sind Teil des EBM mit eigenen Kapiteln, Qualifikationsanforderungen und Abrechnungsbestimmungen, die die Besonderheiten der psychotherapeutischen Versorgung berücksichtigen.