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Eingliederungsgutschein


Begriff und Rechtsgrundlagen des Eingliederungsgutscheins

Der Eingliederungsgutschein (abgekürzt: EGGS oder oft auch Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein, AVGS) ist ein Instrument des deutschen Sozialrechts im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitssuchenden in den ersten Arbeitsmarkt. Dieses Instrument ist maßgeblich in § 45 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) geregelt und dient dazu, die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern, Arbeitslosigkeit zu beenden oder deren drohenden Eintritt abzuwenden.

Zielsetzung und Funktionsweise

Der Eingliederungsgutschein stellt eine Zusicherung der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters dar, die Kosten von Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu übernehmen. Er richtet sich sowohl an Arbeitslose als auch an von Arbeitslosigkeit bedrohte Personen und fungiert als Nachweis, dass der vereinbarte Förderumfang bei einem zugelassenen Maßnahmeträger (z.B. Bildungseinrichtungen, privaten Arbeitsvermittlern) in Anspruch genommen werden kann.

Rechtlicher Rahmen

Gesetzliche Grundlage

Die zentrale Rechtsgrundlage bildet § 45 SGB III. Hier sind die Voraussetzungen, die Zielgruppen sowie die Ausgestaltung und Durchführung der Förderung normiert. Ergänzende Bestimmungen enthalten die §§ 44 SGB III (Fördervoraussetzungen), § 87 SGB III (Zulassung und Überwachung von Trägern und Maßnahmen) sowie innenrechtliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit, die die praktische Umsetzung konkretisieren.

§ 45 SGB III – Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung

Der § 45 SGB III sieht verschiedene Maßnahmen vor, die mit dem Eingliederungsgutschein gefördert werden können:

  • Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt,
  • Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen,
  • Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung.

Zugangsvoraussetzungen

Ein Anspruch auf einen Eingliederungsgutschein besteht grundsätzlich nicht. Vielmehr entscheidet die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall, ob und in welchem Umfang ein Gutschein ausgestellt wird. Die Entscheidung wird regelmäßig im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung dokumentiert.

Zielgruppen

Der Eingliederungsgutschein kann an folgende Personenkreise ausgegeben werden:

  • Arbeitslose gemäß § 16 SGB III,
  • von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer (§ 38 SGB III),
  • Leistungsempfänger nach SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende),
  • gegebenenfalls weitere Personengruppen im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Ermessensleistungen.

Für Empfänger von Arbeitslosengeld I besteht nach einer bestimmten Wartezeit (i.d.R. ab sechs Wochen Arbeitslosigkeit) ein Anspruch auf einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein zur Inanspruchnahme eines privaten Arbeitsvermittlers.

Arten und Inhalte eines Eingliederungsgutscheins

Typen der geförderten Maßnahmen

Der Eingliederungsgutschein dient insbesondere der:

  • Beauftragung eines privaten Arbeitsvermittlers (Vermittlungsgutschein),
  • Teilnahme an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei Trägern der beruflichen Weiterbildung,
  • Teilnahme an Eignungsfeststellungen oder Bewerbertrainings.

Form und Gültigkeit

Der Gutschein wird schriftlich erteilt und enthält folgende Angaben:

  • Maßnahmeart und -ziel,
  • Höhe und Umfang der Kostenerstattung,
  • Gültigkeitsdauer (in der Regel drei Monate),
  • Name des Berechtigten.

Der Gutschein ist personengebunden und darf während seines Gültigkeitszeitraums nur für die im Gutschein bezeichneten Zwecke verwendet werden.

Einlösung und Verfahren

Auswahl des Trägers

Die berechtigte Person wählt eigenständig einen zugelassenen Träger, der die jeweilige Maßnahme anbietet. Die Anbieter müssen nach dem Recht der Arbeitsförderung, konkret nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV), zertifiziert sein.

Abwicklung und Kostenerstattung

Nach Abschluss der Maßnahme oder Vermittlung rechnet der Träger die erbrachte Leistung mit der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter ab. Hierzu sind Nachweise über die ordnungsgemäße Durchführung und gegebenenfalls die erfolgreiche Integration in Arbeit vorzulegen.

Besonderheiten bei Arbeitsvermittlung

Im Falle eines AVGS für private Arbeitsvermittler ist eine Auszahlung der Vermittlungsprämie ausschließlich an den Vermittler vorgesehen und erfolgt in der Regel in zwei Tranchen: nach Antritt und nach erfolgreichem Fortbestand eines neuen Beschäftigungsverhältnisses über einen bestimmten Zeitraum.

Rechtsfolgen und Widerspruchsrechte

Ermessensentscheidung und Rechtsmittel

Die Entscheidung über die Ausgabe eines Eingliederungsgutscheins ist eine Ermessensleistung. Eine Ablehnung ist zu begründen und als Verwaltungsakt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen. Gegen ablehnende Bescheide kann Widerspruch eingelegt und gegebenenfalls Klage beim Sozialgericht erhoben werden.

Rücknahme und Widerruf

Der ausgestellte Gutschein kann zurückgenommen oder widerrufen werden, insbesondere wenn die Voraussetzungen für die Leistung nicht mehr vorliegen oder wenn nachträglich festgestellte Tatsachen die Förderung ausschließen.

Besonderheiten und Abgrenzung

Unterschiede zu anderen Förderinstrumenten

Der Eingliederungsgutschein unterscheidet sich von anderen arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten, wie Eingliederungszuschüssen für Arbeitgeber oder Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach § 81 SGB III, insbesondere durch seine subjektive Ausrichtung und die individuelle Einlösung durch die geförderte Person.

Missbrauch und Sanktionen

Bei missbräuchlicher Verwendung, etwa ungerechtfertigter Inanspruchnahme der Maßnahme oder unzutreffende Angaben, kann es zu Rückforderungsansprüchen und weiteren sozialrechtlichen Konsequenzen kommen.

Bedeutung in der Praxis

Der Eingliederungsgutschein ist ein wesentliches Element im modernen System der Arbeitsförderung in Deutschland. Er ergänzt das Portfolio an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik und bietet Arbeitsuchenden eine flexible Möglichkeit, passgenaue Unterstützungsleistungen zur Integration in den Arbeitsmarkt in Anspruch zu nehmen.

Weblinks und Quellenverweise


Hinweis: Diese Darstellung dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Rechtsberatung.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein rechtlicher Anspruch auf den Eingliederungsgutschein?

Ein rechtlicher Anspruch auf einen Eingliederungsgutschein besteht grundsätzlich nicht, da es sich bei dessen Gewährung um eine Ermessensleistung der Agentur für Arbeit gemäß §§ 45 SGB III handelt. Die Antragsteller*innen haben lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das bedeutet, die Behörde muss ihr Ermessen ausüben und darf dabei keine willkürlichen oder sachfremden Erwägungen anstellen. Voraussetzung ist, dass Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende nur mit Unterstützung einer Maßnahme bei einem Träger, die für einen bestimmten Arbeitgeber durchgeführt wird, in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Formal müssen die individuellen Eingliederungschancen des Antragstellers im Ermessensspielraum der Arbeitsagentur berücksichtigt werden. Eine gerichtliche Überprüfung beschränkt sich daher auf Ermessensfehler und ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 SGB III erfüllt sind.

Wie erfolgt die rechtliche Prüfung der Fördervoraussetzungen bei Beantragung?

Die rechtliche Prüfung der Fördervoraussetzungen für den Eingliederungsgutschein erfolgt anhand der gesetzlichen Regelungen im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), insbesondere §§ 45 ff. SGB III. Hierbei wird zunächst festgestellt, ob der Antragsteller arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht ist (§ 45 Abs. 1 SGB III). Zudem wird geprüft, ob die Teilnahme an einer geförderten Maßnahme zur beruflichen Eingliederung notwendig ist. Des Weiteren muss die Maßnahme von einem nach § 178 SGB III zertifizierten Träger durchgeführt werden. Die Agentur für Arbeit prüft, ob die Maßnahme erforderlich ist, geeignet erscheint sowie die individuellen Voraussetzungen des Jobsuchenden erfüllt sind. Eine Dokumentation und Begründung der Entscheidung ist intern verpflichtend und kann im Falle eines Widerspruchs oder einer Klage vor dem Sozialgericht überprüft werden.

Welche rechtlichen Pflichten entstehen für Leistungsempfänger bei Annahme eines Eingliederungsgutscheins?

Mit der Annahme eines Eingliederungsgutscheins entstehen für Leistungsempfänger bestimmte rechtliche Pflichten. Sie sind verpflichtet, an der bewilligten Maßnahme teilzunehmen und aktiv an der eigenen beruflichen Wiedereingliederung mitzuwirken (§ 2 SGB II, § 1 SGB III). Kommen sie diesen Pflichten nicht nach und brechen die Maßnahme ohne wichtigen Grund ab, können Sanktionen, wie die Minderung oder der Entzug von Leistungen, folgen (§ 31 SGB II, § 144 SGB III). Leistungsempfänger müssen auch Mitwirkungspflichten erfüllen, insbesondere im Hinblick auf die rechtzeitige Vorlage des Gutscheins beim Maßnahmeträger und die geforderte Nachweiserbringung über die Teilnahme und den Abschluss der Maßnahme. Außerdem sind alle Änderungen, die die Fördervoraussetzungen beeinflussen könnten, der Agentur für Arbeit unverzüglich mitzuteilen.

Welche rechtlichen Anforderungen müssen zertifizierte Maßnahmeträger erfüllen?

Maßnahmeträger, die Eingliederungsmaßnahmen im Rahmen des Gutscheins anbieten wollen, unterliegen strengen gesetzlichen Anforderungen nach § 178 SGB III sowie der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV). Träger benötigen eine Trägerzulassung durch eine fachkundige Stelle, welche sowohl die personellen, räumlichen wie auch organisatorischen Mindeststandards prüft. Ebenso muss das angestrebte Maßnahmekonzept den Vorschriften des Sozialgesetzbuches entsprechen und auf die individuelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Die Maßnahmen selbst müssen zugelassen und zertifiziert sein, Nachweise über kontinuierliche Qualitätssicherung und Erfolgskontrollen sind regelmäßig beizubringen. Die Zulassung ist zeitlich befristet und regelmäßig zu erneuern.

Wie ist die rechtliche Stellung des Maßnahmeträgers im Verhältnis zur Agentur für Arbeit geregelt?

Die rechtliche Beziehung zwischen Maßnahmeträgern und der Agentur für Arbeit ist vertraglicher Natur. Der Träger fungiert nicht als Erfüllungsgehilfe der Behörde, sondern bietet als eigenständiger Rechtsträger eine zertifizierte Dienstleistung an. Die Abrechnung mit der Agentur für Arbeit erfolgt auf Grundlage der durch den Gutschein bedingten Maßnahmeteilnahme des Leistungsempfängers. Die Erfüllung der Maßnahme löst Ansprüche auf Kostenerstattung nach § 45 SGB III i.V.m. AZAV aus, wobei der Träger an die im Gutschein festgehaltenen förderungsrechtlichen Rahmenbedingungen gebunden ist. Vertragswidrigkeiten oder Pflichtverletzungen können zu Rückforderungen von Fördergeldern oder zum Ausschluss von weiteren Maßnahmen führen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen im Streitfall bezüglich der Gewährung eines Eingliederungsgutscheins?

Im Streitfall über die Gewährung oder Ablehnung eines Eingliederungsgutscheins stehen dem Betroffenen die regulären Rechtsmittel des Sozialverwaltungsverfahrens zur Verfügung. Nach Bekanntgabe eines ablehnenden Verwaltungsaktes kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden (§ 84 SGG). Wird dem Widerspruch durch die Agentur für Arbeit nicht abgeholfen, ist der Weg zur Klage vor dem zuständigen Sozialgericht eröffnet (§ 87 SGG). Das Gericht prüft dabei insbesondere, ob in der behördlichen Entscheidung das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und die gesetzlichen Voraussetzungen beachtet wurden. Bereits während des Widerspruchsverfahrens und der Klage kann über einstweiligen Rechtsschutz (§ 86b SGG) ein vorläufiger Anspruch auf Erlass des Gutscheins geltend gemacht werden.

Wie werden die rechtlichen Kontrollmöglichkeiten im Nachgang zur Ausstellung eines Eingliederungsgutscheins umgesetzt?

Nach der Ausstellung eines Eingliederungsgutscheins bleibt die Agentur für Arbeit berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen und förderungsrechtlichen Vorschriften auch nachträglich zu prüfen. Dies erfolgt durch die Kontrolle der Maßnahmendurchführung, Auswertung von Teilnahmebescheinigungen und gegebenenfalls durch Nachprüfungen beim Träger. Werden Unregelmäßigkeiten festgestellt, wie etwa falsche Angaben, Missbrauch oder ein nicht gerechtfertigter Maßnahmenabbruch, kann die Behörde Eingliederungsleistungen zurückfordern (§ 330 SGB III) oder in schwerwiegenden Fällen straf- und ordnungsrechtliche Ermittlungen einleiten. Der Maßnahmeträger muss eine lückenlose Dokumentation vorlegen, auf deren Basis die förderrechtliche Legitimation jederzeit überprüfbar bleibt.